BFH X. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, EStG § 6 Abs 1 Nr 4 S 2, FGO § 76 Abs 1, EStG VZ 2006 , EStG VZ 2007 , EStG VZ 2008
vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt , 03. December 2014, Az: 1 K 116/13
Leitsätze
1. NV: Es ist geklärt, dass atypische Sachverhalte wie die Nutzung von Lkws und Zugmaschinen aus dem Anwendungsbereich der Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) herausfallen .
2. NV: Ein Zeuge kann nicht zum Nachweis der (vollständigen) Privatnutzung eines Pkws benannt werden, da nicht sichergestellt ist, dass er stets und immer Kenntnis von der Nutzung dieses Pkws hat .
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. Dezember 2014 1 K 116/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt ein Einzelunternehmen, dessen Geschäftsbetrieb die Lieferung und Montage von Duschanlagen ist. Der einzige Arbeitnehmer ist ihr Lebensgefährte.
Im Betriebsvermögen der Klägerin befand sich in den Streitjahren zunächst ein Mercedes Benz Vito und danach jeweils ein VW T5. Die Fahrzeuge wurden zwar als Acht-Sitzer oder Neun-Sitzer ausgeliefert, die Sitze im Innenraum waren jedoch nicht montiert worden, um den Transport der einzubauenden Teile zu ermöglichen. Am 6. Dezember 2007 schaffte die Klägerin daneben einen Citroen C3 Picasso für ihren Betrieb an. Die private Nutzung dieses PKW ermittelte sie durch die 1 %-Methode. Weitere Fahrzeuge waren weder auf die Klägerin noch auf ihren Lebensgefährten zugelassen. Die Klägerin behauptet allerdings, ein PKW KIA Sephia, der auf ihre Mutter zugelassen gewesen sei, habe auch ihr zur privaten Nutzung zur Verfügung gestanden. Ihre Mutter habe diesen PKW nicht selbst nutzen können, da sie in den Streitjahren schwer erkrankt gewesen sei.
Die Klägerin legte während der steuerlichen Außenprüfung für die Streitjahre Aufzeichnungen vor, wonach sämtliche Fahrten der Transporter als betrieblich ausgewiesen worden waren. Diese Aufzeichnungen waren mit Hilfe von Vordrucken gefertigt worden, die üblicherweise als Fahrtenbuch verwendet werden. Da jedoch deren Abgleich mit Werkstattrechnungen und Kraftstoffbelegen zahlreiche Unstimmigkeiten ergaben, ging die Prüferin des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ‑‑FA‑‑) von einer privaten Mitbenutzung der Transporter aus. Die Prüferin ermittelte deshalb jeweils eine Nutzungsentnahme nach der 1 %-Methode.
Die Einsprüche gegen die entsprechenden Änderungsbescheide blieben erfolglos. Die Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
Es handele sich bei den jeweiligen Transportern nicht um sog. Werkstattwagen. Selbst wenn die hinteren Sitzreihen bei den Fahrzeugen jeweils ausgebaut gewesen sein sollten, um den Transport von langen Gegenständen zu ermöglichen, hätten diese jederzeit wieder montiert werden können. Auch seien die Fahrzeuge jedenfalls zur Beförderung von mindestens zwei Personen auf den vorderen Sitzen geeignet gewesen.
Keinen Einfluss auf dieses Ergebnis habe die unter Beweis gestellte Tatsache, die Prüferin habe Prüfungshandlungen während des laufenden Klageverfahrens vorgenommen. Dies könne als wahr unterstellt werden, weil das FA nicht an die Feststellungen der Betriebsprüfung gebunden sei und deshalb die Klage aufrechterhalten konnte. Soweit die Klägerin zum Beweis der fehlenden Privatnutzung die Zeugeneinvernahme ihres Lebensgefährten beantragt habe, sei dieses Beweismittel untauglich. Der Lebensgefährte wäre nur dann zu einer solchen Aussage in der Lage, wenn er sich im gesamten Streitzeitraum ohne jegliche Unterbrechung in unmittelbarer Nähe entweder zum jeweiligen Transporter oder zur Klägerin aufgehalten habe. Dies entspreche nicht der (allgemeinen) Lebenserfahrung und sei deshalb ausgeschlossen.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen Verfahrensmängeln.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) zuzulassen. Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor.
1. Für die Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2010 X B 91/09, BFH/NV 2010, 1844). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die in Rede stehende Rechtsfrage ‑‑wie hier‑‑ bereits durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 30. August 2007 XI B 1/07, BFH/NV 2007, 2280).
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 13. Februar 2003 X R 23/01 (BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472, dort unter II.1.d) ausgeführt, dass bestimmte Arten von Kfz, namentlich PKW und Krafträder, typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werden, während dieser Erfahrungssatz sich auf LKW und Zugmaschinen grundsätzlich nicht anwenden lasse. Damit hat er eine allgemeine Aussage dahin getroffen, dass atypische Sachverhalte aus dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes herauszunehmen sind (so bereits Senatsbeschluss vom 18. April 2013 X B 18/12, BFH/NV 2013, 1401, unter II.1.a). Es ist nicht erkennbar, warum es im Streitfall einer neuerlichen Entscheidung bedarf, weil das FG von dem Vorliegen eines derartigen atypischen Sachverhalts eben nicht ausgegangen ist. Es hat vielmehr dargelegt, dass die betroffenen Fahrzeuge der Klägerin nicht so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt gewesen seien. Diese Einschätzung hat es ‑‑nachvollziehbar‑‑ damit begründet, dass es zum einen möglich gewesen sei, die hinteren Sitzreihen wieder zu montieren. Zum anderen seien die Fahrzeuge auch sonst zur Beförderung von mindestens zwei Personen geeignet gewesen.
Letztlich begehrt die Klägerin mit ihrer als abstrakt bezeichneten Rechtsfrage die Klärung einer auf ihren Einzelfall zugeschnittenen Problematik und damit die Überprüfung, ob das FG-Urteil materiell rechtmäßig ist. Die Zulassung der Revision kann hiermit jedoch grundsätzlich nicht begründet werden (z.B. Senatsbeschluss vom 27. April 2015 X B 47/15, BFH/NV 2015, 1356, unter 5.).
2. Ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO nicht verletzt.
a) Soweit die Klägerin das Übergehen ihrer Anträge auf Zeugeneinvernahme rügt, macht sie geltend, das FG habe seine Pflicht zur Sachaufklärung nach § 76 Abs. 1 FGO verletzt. Ihr Vortrag genügt zwar den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels, weil das FG in seinem Urteil auf Seite 5 selbst erläutert, weshalb es die Beweise nicht erhoben habe (BFH-Beschluss vom 7. November 2012 I B 172/11, BFH/NV 2013, 561; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 120 Rz 70; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 120 FGO Rz 206, jeweils m.w.N.). Begründet ist diese Rüge allerdings nicht.
aa) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Das Gericht ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Das gilt aber nur in dem Sinne, dass das FG von sich aus auch Beweise erheben kann, die von den Parteien nicht angeboten sind (u.a. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2013, 561, und vom 1. Februar 2007 VI B 118/04, BFHE 216, 409, BStBl II 2007, 538). Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das FG grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will (vgl. auch BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2005 I B 249/04, BFH/NV 2006, 780). Auf die beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist (ständige Rechtsprechung; z.B. BFH-Urteil vom 16. November 2005 VI R 71/99, BFH/NV 2006, 753, m.w.N.). Ferner ist das FG nicht verpflichtet, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen (z.B. Senatsbeschluss vom 16. Mai 2013 X B 131/12, BFH/NV 2013, 1260, m.w.N.).
In welchem Maße eine solche Substantiierung zu fordern ist, hängt von der im Einzelfall bestehenden Mitwirkungspflicht des Beteiligten ab. Dabei stehen der zumutbare Inhalt und die Intensität der richterlichen Ermittlungen notwendigerweise im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten, die gemäß § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO eine Pflicht zur Förderung des finanzgerichtlichen Verfahrens haben. Zu berücksichtigen ist deshalb auch, ob die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, dem Wissens- und Einflussbereich des Beteiligten (Beweisführers) zuzurechnen sind, der die Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt (vgl. zu allem BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 561, m.w.N.).
Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Nichterhebung angebotener Beweise würde u.a. voraussetzen, dass das FG die beantragte Beweiserhebung auch auf der Grundlage seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung hätte durchführen müssen. Ob die materiell-rechtliche Auffassung des FG zutreffend ist, ist im Rahmen der Prüfung entsprechender Verfahrensrügen ohne Belang (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1.b, m.w.N.).
bb) Im vorliegenden Fall war die Beweiserhebung, soweit diese die Vernehmung der Prüferin als Zeugin betraf, nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG schon deshalb nicht durchzuführen, weil die unter Beweis gestellte Tatsache, diese habe nachträglich Prüfungshandlungen vorgenommen, als wahr unterstellt werden konnte, da sie keinen Einfluss auf die zu treffende Entscheidung hatte. Denn das FG geht ‑‑zu Recht‑‑ davon aus, dass das FA an deren Feststellungen rechtlich nicht gebunden ist und (deshalb) der Klage weiterhin entgegentreten konnte. Eine verbindliche Zusage, etwa gemäß § 204 der Abgabenordnung, wird von der Klägerin nicht unter Beweis gestellt, so dass eine rechtliche Verpflichtung aus dem (vermeintlichen) Handeln der Prüferin nicht hergeleitet werden kann.
cc) Auch soweit die Klägerin die Zeugenvernehmung ihres Lebensgefährten begehrte, musste das FG dem nicht folgen.
Vielmehr hat es ‑‑aus Sicht des Senats zutreffend‑‑ nach seiner Ansicht das Beweismittel als absolut untauglich angesehen. Schließlich kann ein Zeuge nicht zum Nachweis der (vollständigen) Privatnutzung eines PKW's benannt werden. Es ist nämlich nicht sichergestellt, dass er stets und immer Kenntnis über die Art der Nutzung dieses PKW's hat. Er kann (lediglich) bezeugen, dass ein PKW nach seiner Einschätzung und seinem Kenntnisstand (eigentlich) privat nicht genutzt worden ist ‑‑ mehr nicht.
b) Letztlich rügt die Klägerin auch insoweit die aus ihrer Sicht materielle Unrichtigkeit des FG-Urteils, die ‑‑wie unter II.1. bereits dargelegt‑‑ nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.