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Urteil vom 20. Juli 2016, I R 50/15

Einwirkung abkommensrechtlicher Begriffsbestimmungen auf innerstaatliches Steuerrecht

ECLI:DE:BFH:2016:U.200716.IR50.15.0

BFH I. Senat

AO § 2 Abs 1, AO § 12, GewStG § 2 Abs 1, GewStG § 7 S 1, GewStG § 9 Nr 3, KStG § 8 Abs 1, DBA TUR Art 5

vorgehend FG Köln, 06. May 2015, Az: 10 K 73/13

Leitsätze

Der in § 9 Nr. 3 GewStG verwendete Begriff der Betriebsstätte bestimmt sich nicht nach der Definition des jeweils einschlägigen DBA, sondern nach innerstaatlichem Recht (Bestätigung von BFH-Urteil vom 5. Juni 1986 IV R 268/82, BFHE 146, 447, BStBl II 1986, 659; Abweichung von AEAO zu § 12 Tz. 4; BMF-Schreiben vom 31. Januar 2014, BStBl I 2014, 290, zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 26. Januar 2016, BStBl I 2016, 155).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 7. Mai 2015  10 K 73/13 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 7. Dezember 2012 aufgehoben.

Die Gewerbesteuermessbescheide für 2004 bis 2006 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2010 des Beklagten werden dahingehend abgeändert, dass der Gewerbeertrag unter Berücksichtigung der Kürzung um den Gewerbeertrag aus dem Einkaufsbüro der Klägerin in der Republik Türkei nach § 9 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes ermittelt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Einkaufsbüro in der Republik Türkei (Türkei) als nicht im Inland belegene Betriebsstätte i.S. von § 9 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes 2002 in der für die Streitjahre (2004 bis 2010) geltenden Fassung (GewStG) anzusehen und dementsprechend der Gewerbeertrag zu kürzen ist.

  2. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt im Inland eine Importvermittlung. Sie vermittelt für eine weitere GmbH deren gesamten Wareneinkauf in der Türkei. Zu diesem Zweck unterhielt die Klägerin ein Einkaufsbüro in der Türkei. Außer den hieraus erlösten Vermittlungsprovisionen erzielte die Klägerin keine weiteren Umsätze.

  3. Die Klägerin hat das Einkaufsbüro in ihrer Steuererklärung als nicht im Inland belegene Betriebsstätte i.S. von § 9 Nr. 3 GewStG angesehen und dementsprechend den Gewerbeertrag um das Ergebnis des Einkaufsbüros in der Türkei gekürzt. Sie ist dabei davon ausgegangen, dass das Einkaufsbüro den Betriebsstättenbegriff des § 12 der Abgabenordnung (AO) erfüllt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte dem zunächst im Rahmen der Gewerbesteuermessbescheide 2004 bis 2006. Nach einer Außenprüfung änderte das FA seine Auffassung dahingehend, dass das Einkaufsbüro in der Türkei aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in Art. 5 Abs. 3 Buchst. d des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 16. April 1985 (BGBl II 1989, 867, BStBl I 1989, 472) ‑‑DBA-Türkei 1985‑‑ (i.V.m. dem dazu ergangenen Zustimmungsgesetz vom 27. November 1989, BGBl II 1989, 866) nicht als Betriebsstätte i.S. des § 9 Nr. 3 GewStG anzusehen sei. Dementsprechend änderte es die streitgegenständlichen Bescheide und gewährte die Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG nicht mehr.

  4. Die Klägerin war dagegen weiterhin der Auffassung, dass für die Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG der Betriebsstättenbegriff in § 12 AO maßgeblich sei. Der Begriff der ausländischen Betriebsstätte sei ausschließlich nach deutschem Steuerrecht auszulegen. Die gegen die streitgegenständlichen (Änderungs-)Bescheide gerichtete Klage blieb erfolglos; das Finanzgericht (FG) Köln wies sie mit Urteil vom 7. Mai 2015  10 K 73/13 (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2015, 1558) als unbegründet ab.

  5. Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, das FG-Urteil aufzuheben und die Gewerbesteuermessbescheide für 2004 bis 2006 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2010 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass der Gewerbeertrag unter Berücksichtigung der Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG ermittelt wird.

  6. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. FA und FG haben die von der Klägerin bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages beanspruchte Kürzung des Hinzurechnungsbetrages zu Unrecht abgelehnt. Das FG-Urteil ist deshalb aufzuheben und die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide 2004 bis 2006 sowie die angefochtenen Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2010 sind antragsgemäß abzuändern (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. 1. Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), d.h. soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt. Dies war zwischen den Beteiligten in der Vorinstanz auch nicht streitig. Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die für das Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, unterhielt die Klägerin am Sitz ihrer Geschäftsleitung eine Betriebsstätte i.S. von § 12 AO. Soweit die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung nunmehr ausführt, dass von dort aus eine "operative Geschäftstätigkeit nicht betrieben worden sei", ist dieser Vortrag neu und kann deshalb im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden.

  3. 2. Gemäß § 7 Satz 1 GewStG ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt oder vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Der Gewerbeertrag entspricht somit, abgesehen von den gewerbesteuerlichen Zu- und Abrechnungen, grundsätzlich dem Gewinn aus Gewerbebetrieb, der der Bemessung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugrunde zu legen ist. Zur Bemessungsgrundlage der Einkommen- und Körperschaftsteuer und damit auch zum Gewerbeertrag gehören nicht Einnahmen, die aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften als steuerfrei behandelt werden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 12. Januar 1978 IV R 84/74, BFHE 124, 204, BStBl II 1978, 267; Senatsurteil vom 8. Mai 1991 I R 33/90, BFHE 165, 191, BStBl II 1992, 437).

  4. Hiernach hat das FG im Ausgangspunkt zutreffend die Einnahmen aus dem in der Türkei belegenen Einkaufsbüro in die Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 7 Satz 1 GewStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes ‑‑KStG‑‑) einbezogen. Die Voraussetzungen der abkommensrechtlich (also bilateral) vereinbarten (sachlichen) Steuerfreistellung im Rahmen der Ermitt-lung des zu versteuernden Einkommens liegen nicht vor. Das Einkaufsbüro in der Türkei ist nicht als Betriebsstätte anzusehen, da Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA-Türkei 1985 ausdrücklich anordnet, dass"eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen", nicht als Betriebsstätte gilt.

  5. Die demnach allein streitige Frage, ob die Einnahmen aus dem in der Türkei belegenen Einkaufsbüro nach § 7 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG zu kürzen sind, ist entgegen der Annahme von FA und FG zu bejahen.

  6. a) Nach dieser Vorschrift wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens gekürzt, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. So verhält es sich hier.

  7. aa) Das FG hat hierzu festgestellt, dass das in der Türkei belegene Einkaufsbüro der Klägerin die Voraussetzungen des Betriebsstättenbegriffs gemäß § 12 Satz 2 Nr. 6 AO, nach dem als Betriebsstätte insbesondere auch Ein- oder Verkaufsstellen anzusehen sind, erfüllt.

  8. bb) Soweit das FG ‑‑hieran anknüpfend‑‑ vertreten hat, dass der Betriebsstättenbegriff im DBA-Türkei 1985 den nationalen Betriebsstättenbegriff nach § 12 AO ‑‑sei es als lex specialis oder als vorrangige völkerrechtliche Vereinbarung i.S. von § 2 Abs. 1 AO‑‑ verdrängt, folgt dem der Senat nicht (gl.A. Lüdicke, Internationales Steuerrecht ‑‑IStR‑‑ 2015, 770; Kahlenberg, Internationale Steuer-Rundschau ‑‑ISR‑‑ 2015, 380; derselbe, Internationale Wirtschaftsbriefe 2015, 940; Hielscher, Betriebs-Berater 2015, 2088; Becker/Loose, Die Unternehmensbesteuerung 2015, 520; van der Ham/Retzer, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2015, 2650; speziell zum Gewerbesteuergesetz: Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 3 Rz 6; Keß in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Rz 2512; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz 162; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 218; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 9 Nr. 3 Rz 2a; Deloitte/Ziehr, GewStG, § 9 Nr. 3 Rz 4; unklar Keß in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Rz 2511 und 2825; speziell zu § 12 AO: Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 12 AO Rz 49; wohl auch Buciek in Beermann/Gosch, AO § 12 Rz 4; Klein/Gersch, AO, 13. Aufl., § 12 Rz 19; unklar und teilweise widersprüchlich Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 12 AO Rz 44; speziell zum Abkommensrecht: Wassermeyer in Wassermeyer MA Art. 5 Rz 8; Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 5 Rz 25).

  9. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH legen die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) lediglich fest, in welchem Umfang die nach innerstaatlichem Recht bestehende Steuerpflicht entfallen soll. Die in den einzelnen DBA vorgenommene Bestimmung des Begriffs "Betriebsstätte" ist deshalb grundsätzlich nur im Rahmen der DBA anwendbar (BFH-Urteil vom 5. Juni 1986 IV R 268/82, BFHE 146, 447, BStBl II 1986, 659; Senatsurteile vom 26. November 1986 I R 256/83, BFH/NV 1988, 82; vom 5. Oktober 1977 I R 90/75, BFHE 124, 29, BStBl II 1978, 205; vom 7. März 1979 I R 145/76, BFHE 127, 517, BStBl II 1979, 527; vom 2. April 2014 I R 68/12, BFHE 245, 98, BStBl II 2014, 875; vom 11. März 2015 I R 10/14, BFHE 249, 241, BStBl II 2015, 1049; vom 22. Dezember 2015 I R 40/15, BFHE 253, 174, BStBl II 2016, 537). Letzteres ergibt sich ausdrücklich aus den in den Abkommen häufig verwendeten Formulierungen "Für die Anwendung dieses Abkommens gilt folgendes ..." oder ‑‑wie im Einleitungssatz von Art. 3 Abs. 1 DBA-Türkei 1985‑‑ aus der Wendung "Im Sinne dieses Abkommens ... bedeutet der Ausdruck ..." (vgl. hierzu auch Lüdicke, IStR 2015, 770). Die Frage, ob im Ausland erzielte Einnahmen bei der Ermittlung der Einkünfte zu kürzen sind und auf welche Fälle sich die Möglichkeit einer solchen Kürzung erstrecken soll, ist dagegen eine Angelegenheit des innerstaatlichen Rechts.

  10. Das so verstandene "Nebeneinander" bilateraler Vereinbarungen in Form eines DBA und nationaler Steuernormen bedingt zugleich ein Nebeneinander der tatbestandlichen Voraussetzungen mit der Folge, dass die im Abkommen ‑‑abweichend von den nationalen Vorschriften‑‑ definierten Begriffe abkommensautonom auszulegen sind (Gosch, ISR 2013, 87; derselbe in Lüdicke, Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 42, 1 ff.; Lehner in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Grundlagen Rz 113b, m.w.N.; aus der Senatsrechtsprechung z.B. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2013 I R 4/13, BFHE 244, 1, BStBl II 2014, 791, m.w.N.).

  11. Zwar ist der Gesetzgeber nicht gehindert, dieses "Nebeneinander" selbständiger Rechtskreise aufzuheben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 146, 447, BStBl II 1986, 659). Dies ist indes vorliegend nicht geschehen; § 9 Nr. 3 GewStG lässt eine abkommensrechtliche Verknüpfung nicht erkennen (vgl. Kahlenberg, ISR 2015, 380 unter Hinweis auf § 50d Abs. 9 und 11 des Einkommensteuergesetzes).

  12. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Regelung des § 9 Nr. 3 GewStG allein den innerstaatlich definierten Begriff zugrunde legen wollte. Denn durch die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG soll letztendlich die Konsequenz aus § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GewStG gezogen werden; danach unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Damit wird ‑‑wie auch die Überschrift des § 2 GewStG verdeutlicht‑‑ das Objekt der Steuerpflicht umschrieben. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG bringt zugleich zum Ausdruck, dass sich die Steuerpflicht auf den Gewerbebetrieb nicht erstreckt, soweit er im Ausland betrieben wird. Für den Senat ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber bei der hierdurch bedingten Kürzung von einem einheitlichen Verständnis der ausländischen Betriebsstätte abweichen und zwischen DBA- und Nicht-DBA-Fällen unterscheiden wollte (vgl. Lüdicke, IStR 2015, 770).

  13. cc) Eine von der Vorinstanz angenommene "Normenkonkurrenz" zwischen § 12 AO und den jeweiligen abkommensrechtlichen Bestimmungen ‑‑im Streitfall Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA-Türkei 1985‑‑ besteht daher nicht. Insofern stellt sich auch nicht die Frage nach dem Verhältnis von Abkommensrecht und (unilateralem) nationalen Steuerrecht (s. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 2015  2 BvL 1/12, DStR 2016, 359, Rz 48).

  14. dd) Ferner kommt den von der Vorinstanz als maßgeblich angesehenen unterschiedlichen Funktionen und Inhalten der Betriebsstättenbegriffe in § 9 Nr. 3 GewStG sowie Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA-Türkei 1985 auf der einen Seite und in § 12 AO auf der anderen Seite keine Bedeutung zu. Nichts anderes lässt sich daraus ableiten, dass sich der Anwendungsbereich des DBA-Türkei 1985 nach Art. 2 Abs. 3 Buchst. b Doppelbuchst. dd DBA-Türkei 1985 ausdrücklich auch auf die Gewerbesteuer erstreckt.

  15. b) Weiterhin kann ‑‑abgesehen davon, dass eine Nichtbesteuerung der streitigen Einkünfte nur in Bezug auf die Gewerbesteuer erfolgt‑‑ auch nicht die Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung als Abkommensziel gegen dieses Ergebnis angeführt werden. Zwar findet sich eine solche Zielsetzung z.B. in der (ministeriellen) "Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen" (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 17. April 2013, Stand: 22. August 2013; abgedruckt in IStR, Beihefter 10/2013 unter II. und berichtigt in IStR 2013, 440); im DBA-Türkei 1985 hat sie aber keinen Niederschlag gefunden (vgl. auch Lüdicke, IStR 2015, 770).

  16. c) Dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 12 Tz. 4 (BMF-Schreiben vom 31. Januar 2014, BStBl I 2014, 290; zuletzt geändert durch das BMF-Schreiben vom 26. Januar 2016, BStBl I 2016, 155), wonach § 12 AO nicht anzuwenden ist, soweit andere Rechtsvorschriften (z.B. DBA) abweichende Regelungen zum Begriff "Betriebsstätte" enthalten, kommt als bloßer Verwaltungsanweisung keine die Gerichte bindende Wirkung zu (z.B. Senatsurteil vom 24. Juli 2013 I R 40/12, BFHE 242, 139, BStBl II 2014, 272).

  17. 3. Schließlich weicht der Senat mit dem so verstandenen "Nebeneinander" bilateraler Vereinbarungen und (rein) nationaler Steuernormen nicht vom Urteil des III. Senats des BFH vom 14. August 1997 III R 55/95 (BFHE 185, 86, BStBl II 1998, 355) ab. Dieses Urteil ist zum Investitionszulagengesetz 1986 (InvZulG 1986) ergangen. Der III. Senat des BFH hat in seinen Entscheidungsgründen zwar ausgeführt, dass die Bestimmungen der DBA das Körperschaftsteuergesetz ergänzten und daher bei der Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 zu berücksichtigen seien. Er hat dies aber ausgerichtet an der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der sog. Forschungs- und Entwicklungszulage und insbesondere getragen von den "Elemente(n) der Ausgestaltung der Investitionszulage im (damaligen) Streitjahr 1998" befürwortet. Vor diesem Hintergrund vermag der erkennende Senat einen Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung nicht zu erkennen.

  18. 4. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Steuerbescheide sind antragsgemäß abzuändern. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Gewerbesteuermessbeträge sowie der vortragsfähigen Gewerbeverluste wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

  19. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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