BFH XI. Senat
UStG § 13c Abs 1 S 1, UStG § 13c Abs 1 S 3, EWGRL 388/77 Art 21 Abs 1 Buchst a, EWGRL 388/77 Art 21 Abs 3, EGRL 112/2006 Art 193, EGRL 112/2006 Art 205, AO § 48 Abs 1, AO § 191 Abs 1 S 1, AO § 44, UStG VZ 2005 , UStG VZ 2006 , UStG VZ 2007 , UStG § 2 Abs 1, EWGRL 388/77 Art 4, EGRL 112/2006 Art 9, EG Art 5 Abs 3, GG Art 20 Abs 3, UStG § 13c Abs 2 S 4, UStAE Abschn 13c.1 Abs 27 S 1
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 19. March 2013, Az: 14 K 3142/10
Leitsätze
Die Haftung des Abtretungsempfängers (Factors) für Umsatzsteuer nach § 13c UStG ist nicht ausgeschlossen, wenn er dem Unternehmer, der ihm die Umsatzsteuer enthaltende Forderung abgetreten hat, im Rahmen des sog. echten Factorings liquide Mittel zur Verfügung gestellt hat, aus denen dieser seine Umsatzsteuerschuld hätte begleichen können.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 20. März 2013 14 K 3142/10 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die in der Schweiz ansässige Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin der A, die gleichfalls in der Schweiz ansässig war.
Im April 2005 schloss A mit der in der Schweiz ansässigen B einen "Factoring-Vertrag" (Vertrag) nach schweizerischem Recht. Darin trat die B sämtliche bestehenden und künftig entstehenden Forderungen aus ihren Warenlieferungen und/oder Dienstleistungen gegenüber ihren Abnehmern in der Schweiz und im Ausland an die A ab. Die in dem Vertrag als "Factor" bezeichnete A übernahm eine Kreditrisikogarantie, belehnte die ihr genehmen, unbestrittenen Forderungen unter näher bezeichneten Bedingungen bis maximal 80 %, bewertete die aktuellen Debitorenforderungen der B und setzte deren Belehnungswert täglich neu fest. Der Vertrag enthält ferner Regelungen zu Gebühren und zum Zinssatz.
Dem Vertrag entsprechend finanzierte A, die aufgrund der vereinbarten Kreditrisikogarantie das Risiko eines bonitätsbedingten Forderungsausfalls alleine trug, die abgetretenen Forderungen der B zu 80 % vor. Die restlichen 20 % zahlte A abzüglich Zinsen, Factoringkommissionen und -gebühren bei Bezahlung durch die Debitoren an B aus.
Dem Inhalt einer "Abtretungsbestätigung" vom Februar 2008 zufolge hat A die ihr im Rahmen des Vertrags vom April 2005 von der B abgetretenen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Bezug auf deutsche Debitoren weiter an die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige C abgetreten.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hat A diese ‑‑an C zum Zwecke des Inkassos weiter abgetretenen‑‑ Forderungen ausnahmslos und jeweils in voller Höhe vereinnahmt.
Im Januar 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B eröffnet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) nahm die Klägerin ‑‑nach vorheriger Anhörung‑‑ mit Bescheid vom 20. Januar 2009 in Haftung. Das FA führte dazu aus, die B schulde für die Besteuerungszeiträume 2005, 2006 und 2007 (Streitjahre) Umsatzsteuer in Höhe von ... €, ... € bzw. ... €. Die Summe der Umsatzsteuer aus den an die A abgetretenen Forderungen "diverser deutscher Kunden" betrage ... € (2005), ... € (2006) sowie ... € (2007), insgesamt ... €, wofür die Klägerin nach § 13c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) hafte.
Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 6. August 2010).
Das FG gab der Klage statt. Der gegen die Klägerin erlassene Haftungsbescheid vom 20. Januar 2009 sei rechtswidrig. Zum einen lägen die Voraussetzungen des § 13c UStG nicht vor; zum anderen widerspreche der angefochtene Bescheid dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.
Zwar habe A die betreffenden Forderungen der B "eingenommen", zumal letztlich alle Debitoren gezahlt hätten. Auch stehe der Vereinnahmung durch A nicht entgegen, dass diese die Forderungen zuvor an C zum Inkasso weiter abgetreten habe. Der B sei es jedoch möglich gewesen, ihre Umsatzsteuerschulden aus den von der A gezahlten Beträgen zu entrichten. Der Fall, dass ein Unternehmer seine Forderungen aus steuerpflichtigen Umsätzen abtrete, der Abtretungsempfänger diese vereinnahme, so dass dem abtretenden Unternehmer keine Liquidität mehr verbleibe, um seine Umsatzsteuerschuld zu tilgen, mithin der Steueranspruch des Finanzamts gegenüber dem abtretenden Unternehmer gefährdet sei, sei vorliegend nicht gegeben.
Mangels "Vereinnahmung" i.S. des § 13c Abs. 1 Satz 1 (i.V.m. Abs. 2 Satz 1) UStG sei auch § 13c Abs. 1 Satz 3 UStG, wonach die Forderung als in voller Höhe als vereinnahmt gelte, sofern sie der Abtretungsempfänger (hier die A) an einen Dritten (hier die C) abgetreten habe, nicht anwendbar. Als "Missbrauchsverhinderungsvorschrift" komme § 13c Abs. 1 Satz 3 UStG nur zur Anwendung, wenn die Abtretung offensichtlich nur bezwecken solle, die Haftung des Abtretungsempfängers zu vermeiden, weil dem Finanzamt die Nachprüfung erschwert oder wie im Falle einer Kettenabtretung sogar unmöglich gemacht werde zu ermitteln, in welcher Höhe die Forderungen vereinnahmt worden seien.
Ein anderes Ergebnis, nämlich eine Haftung der Klägerin, verstieße gegen das sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich verankerte Verhältnismäßigkeitsprinzip. Habe der abtretende Unternehmer in entsprechendem Umfang Liquidität zur Entrichtung der anteiligen Umsatzsteuer erhalten, bestehe kein rechtfertigender Grund für eine Haftung des Abtretungsempfängers, so dass diese willkürlich wäre. Ein System einer unbedingten Haftung, das über das für den Schutz staatlicher Ansprüche Erforderliche hinausgehe, sei auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Federation of Technological Industries u.a. vom 11. Mai 2006 C-384/04 (EU:C:2006:309, Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2006, 410) unverhältnismäßig.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es bringt im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Klägerin als Gesamtrechtsnachfol-gerin der A nach § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG lägen im Streitfall vor.
Außerdem widerspreche die vom FG vertretene Auffassung, wonach die Anwendung von § 13c Abs. 1 Satz 3 UStG davon abhänge, ob eine "Vereinnahmung" einer abgetretenen Forderung nach § 13c Abs. 1 Satz 1 (i.V.m. Abs. 2 Satz 1) UStG vorliege, sowohl dem Gesetzeswortlaut als auch dem Willen des Gesetzgebers. Auch aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. März 2013 XI R 11/12 (BFHE 241, 89, BFH/NV 2013, 1361, Rz 37) ergebe sich, dass in den Fällen einer weiteren Abtretung an einen Dritten (§ 13c Abs. 1 Satz 3 UStG) keine Prüfung der Vereinnahmung i.S. von § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG zu erfolgen habe.
Im Übrigen liege zumindest in Höhe der von A vereinnahmten Gebühren, Zinsen und Kommissionen entgegen der Ansicht des FG eine "Vereinnahmung" i.S. von § 13c Abs. 1 Satz 1 (i.V.m. Abs. 2 Satz 1) UStG vor.
§ 13c Abs. 1 UStG ‑‑der auch bei einem Forderungsverkauf anwendbar sei‑‑ entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verstoße auch nicht gegen das Rechtsstaatsgebot.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Sie hält die Vorentscheidung für zutreffend. Die Auslegung des § 13c UStG durch das FG entspreche dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, stehe mit ihrem Wortlaut im Einklang und berücksichtige die einschlägigen Vorgaben des EuGH für die Ausgestaltung nationaler umsatzsteuerrechtlicher Haftungsvorschriften.
Vorliegend sei das FG zu Recht von einem "echten" Factoring ausgegangen. Das bonitätsbedingte Ausfallrisiko sei aufgrund der Kreditrisikogarantie vollumfänglich auf A als Abtretungsempfängerin übergegangen. Die Vorfinanzierung in Höhe von bis zu 80 % der jeweils erworbenen Forderung sei weder zivil- noch umsatzsteuerrechtlich als Darlehensgewährung an den Abtretenden zu qualifizieren.
Ausschließliches Regelungsziel des Gesetzgebers sei es gewesen, mit § 13c UStG Steuerausfälle aufgrund einer abtretungsbedingten Bevorrechtigung des Abtretungsempfängers als Gläubiger des Steuerschuldners im Verhältnis zum Fiskus als Steuergläubiger zu verhindern. Eine solche abtretungsbedingte Gefährdung des Steueranspruchs des Fiskus sei in dem hier vorliegenden Fall des "echten" Factorings ausgeschlossen.
Die erforderliche Kausalität zwischen Forderungsabtretung und Nichterfüllung umsatzsteuerrechtlicher Zahlungspflichten sei nicht gegeben. Durch die Zahlung des Kaufpreises für die abgetretenen Forderungen erhalte der Abtretende mehr als ausreichende Liquidität, um seine umsatzsteuerrechtliche Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Steuergläubiger zu erfüllen. Die Entscheidung, wie die vereinnahmte Gegenleistung zu verwenden sei, liege ‑‑was einer haftungsbegründenden Mitverursachung des Steuerausfalls durch den Abtretungsempfänger entgegenstehe‑‑ ausschließlich beim Steuerschuldner.
§ 13c Abs. 3 UStG sehe neben der in Abs. 1 geregelten Forderungsabtretung weitere haftungsbegründende Tatbestände (nur) für die Fälle der Verpfändung und Pfändung vor. Die Haftung nach § 13c UStG erfasse mithin nur unterschiedliche Formen der Kreditbesicherung.
Auch die Finanzverwaltung gehe in Abschn. 13c.1 Abs. 27 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) davon aus, dass eine Haftungsinanspruchnahme des Abtretungsempfängers beim Forderungskauf nicht geboten sei.
Eine Haftungsinanspruchnahme des Forderungserwerbers beim "echten" Factoring sei zudem nicht mit den unionsrechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit vereinbar.
Das FA verkenne den Zusammenhang zwischen den Regelungen in § 13c Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG. Der Regelungsgehalt des § 13c Abs. 1 Satz 3 UStG beschränke sich auf das Verhältnis zwischen dem ersten und zweiten Abtretungsempfänger und habe keinerlei Auswirkung auf die Höhe des vereinnahmten Betrags i.S. von § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG, was Voraussetzung für eine umsatzsteuerrechtliche Haftungsinanspruchnahme sei.
Soweit das FA in Höhe der bei der Durchführung des Factorings angefallenen Gebühren, Zinsen und Kommissionen eine Vereinnahmung der abgetretenen Forderungen sehe, habe es nicht dargelegt, ob und inwieweit dies zu einer Gefährdung des Steueranspruchs des Steuergläubigers geführt habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass diesen Kosten auch konkrete Vorteile gegenübergestanden hätten, die die finanzielle und wirtschaftliche Situation der B als Steuerschuldnerin gestärkt hätten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Der angefochtene Haftungsbescheid vom 20. Januar 2009 ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner) ‑‑wie der Abtretungsempfänger einer Forderung unter den Voraussetzungen des § 13c UStG‑‑, kann nach § 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
2. Soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG an einen anderen Unternehmer abgetreten und die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt worden ist, bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, haftet der Abtretungsempfänger nach Maßgabe des § 13c Abs. 2 UStG für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist (§ 13c Abs. 1 Satz 1 UStG). Soweit der Abtretungsempfänger die Forderung an einen Dritten abgetreten hat, gilt sie in voller Höhe als vereinnahmt (§ 13c Abs. 1 Satz 3 UStG).
Gemäß § 13c Abs. 2 Satz 1 UStG ist der Abtretungsempfänger ab dem Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, in dem die festgesetzte Steuer fällig wird, frühestens ab dem Zeitpunkt der Vereinnahmung der abgetretenen Forderung. Bei der Inanspruchnahme nach § 13c Abs. 2 Satz 1 UStG besteht abweichend von § 191 AO kein Ermessen (§ 13c Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Haftung ist der Höhe nach begrenzt auf die im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht entrichtete Steuer (§ 13c Abs. 2 Satz 3 UStG). Soweit der Abtretungsempfänger auf die nach § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG festgesetzte Steuer Zahlungen i.S. des § 48 AO geleistet hat, haftet er nicht (§ 13c Abs. 2 Satz 4 UStG).
a) In der Gesetzesbegründung (BTDrucks 15/1562, S. 46) wird zu der mit Wirkung ab 1. Januar 2004 durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003) eingeführten Vorschrift u.a. ausgeführt:
"§ 13c UStG begründet unter bestimmten Voraussetzungen einen Haftungstatbestand für die Fälle, in denen ein Unternehmer eine Kundenforderung abtritt und der Abtretungsempfänger die Forderung einzieht oder an einen Dritten überträgt. Mit der Festsetzung der Haftungsschuld wird ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne des § 44 AO begründet.
Die Regelung dient der Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen, die dadurch entstehen, dass der abtretende Unternehmer häufig finanziell nicht mehr in der Lage ist, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer zu entrichten, weil der Abtretungsempfänger die Forderung eingezogen hat. Der Abtretungsempfänger war bisher nicht verpflichtet, diese Umsatzsteuer, die zivilrechtlich Bestandteil der abgetretenen Forderung ist, an das Finanzamt abzuführen....
Der Abtretungsempfänger haftet für die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
-
Der Abtretungsempfänger ist Unternehmer. Nach dem EuGH-Urteil vom 26. Juni 2003 (C-305/01) ist auch der, der das Ausfallrisiko für die an ihn abgetretene Forderung übernimmt (echtes Factoring), Unternehmer.
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...
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Der Abtretungsempfänger muss die abgetretene Forderung ganz oder teilweise vereinnahmt haben. Hat er sie teilweise vereinnahmt, erstreckt sich die Haftung nur auf die Umsatzsteuer, die im tatsächlich vereinnahmten Betrag enthalten ist. Hat er sie ganz oder teilweise an einen Dritten übertragen, gilt dieses Rechtsgeschäft insoweit als Vereinnahmung, d. h. der Abtretungsempfänger kann für die im Gesamtbetrag der weiterübertragenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer in Haftung genommen werden. Dies gilt unabhängig davon, welche Gegenleistung der ursprüngliche Abtretungsempfänger für die Übertragung der Forderung erhalten hat."
b) § 13c UStG beruht ‑‑wie (ebenfalls) aus der Gesetzesbegründung (BTDrucks 15/1562, S. 46) hervorgeht‑‑ auf Art. 21 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG), nunmehr Art. 205 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).
aa) Art. 205 MwStSystRL sieht vor: "In den in den Artikeln 193 bis 200 sowie 202, 203 und 204 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass eine andere Person als der Steuerschuldner die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat." Nach dem einschlägigen Art. 193 MwStSystRL (vorher Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG) ist Steuerschuldner "der Steuerpflichtige, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt ...".
bb) Die Mitgliedstaaten dürfen danach eine gesamtschuldnerische Haftung auch im Anwendungsbereich des Art. 193 MwStSystRL und damit für den Regelfall anordnen, dass der Steuerpflichtige (Unternehmer) Steuerschuldner für eine steuerpflichtige Leistung ist. Wie der EuGH mit Urteil Federation of Technological Industries u.a. (EU:C:2006:309, UR 2006, 410, Rz 29) zu Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG entschieden hat, muss der Mitgliedstaat, der die Ermächtigung zur Schaffung einer gesamtschuldnerischen Haftung ausüben will, die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts und dabei insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit beachten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. November 2013 V R 21/12, BFHE 244, 70, BFH/NV 2014, 646, Rz 15, m.w.N.).
3. Die Voraussetzungen nach § 13c Abs. 1 UStG für eine Haftung der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der A liegen im Streitfall vor.
a) Die A war ‑‑wie von § 13c Abs. 1 UStG vorausgesetzt‑‑ "Abtretungsempfängerin" der im angefochtenen Haftungsbescheid erfassten Forderungen der B aus steuerpflichtigen Umsätzen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
b) Die Haftung ist nach dem Wortlaut des Gesetzes auf die Fälle beschränkt, in denen eine Forderung an einen Unternehmer (§ 2 UStG) abgetreten wird. Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.
aa) Ein Abtretungsempfänger, der Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafür Gebühren berechnet ("echtes" Factoring), übt ‑‑wie bereits der Gesetzesbegründung (BTDrucks 15/1562, S. 46) zu entnehmen ist‑‑ eine wirtschaftliche Tätigkeit aus; er ist Steuerpflichtiger i.S. des Unionsrechts und Unternehmer i.S. von § 2 UStG (vgl. dazu EuGH-Urteil MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring vom 26. Juni 2003 C-305/01, EU:C:2003:377, BStBl II 2004, 688, Leitsatz 1; BFH-Urteil vom 4. September 2003 V R 34/99, BFHE 203, 209, BStBl II 2004, 667, unter II.2.c, Rz 24).
bb) Vorliegend wurden die betreffenden Forderungen der B im Rahmen eines "echten" Factorings abgetreten. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen angegriffenen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) finanzierte A die abgetretenen, letztlich von ihr ausnahmslos und jeweils in voller Höhe vereinnahmten Forderungen zu 80 % vor und zahlte nach Forderungseinzug die restlichen 20 % abzüglich Zinsen, Factoringkommissionen und -gebühren an B aus. Hierbei übernahm A aufgrund der vereinbarten Kreditausfallgarantie das Risiko eines bonitätsbedingten Forderungsausfalls. Insoweit liegt im Streitfall keine durch abgetretene Forderungen gesicherte Darlehensgewährung, sondern jeweils ein "echtes" Factoring vor.
c) Der Wortlaut des § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG, der hinsichtlich der "Abtretung" keine Einschränkungen enthält, umfasst nicht nur die Sicherungsabtretung, sondern alle Formen der Abtretung einschließlich derjenigen im Rahmen eines "echten" Factorings (zur "Globalzession" vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 89, BFH/NV 2013, 1361, Rz 35, m.w.N.).
d) Ob und in welchem Umfang in Fällen des Forderungsverkaufs, insbesondere beim sog. "echten Factoring", eine Haftung des Forderungskäufers (Factors) nach § 13c UStG ausscheidet, ist umstritten (dafür z.B. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13c Rz 20; Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 1211; Haunhorst in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 13c Rz 13; a.A. z.B. Bunjes/Leonhard, UStG, 13. Aufl., § 13c Rz 18; Reiß, Umsatzsteuerrecht, 13. Aufl., S. 364).
Jedenfalls dann, wenn der Factor ‑‑wie hier‑‑ die abgetretenen, ihm genehmen sowie unbestrittenen und nicht zahlungsgestörten Forderungen mit 80 % ihres Gegenwerts vorfinanziert und die restlichen 20 % abzüglich Zinsen, Factoringkommissionen und -gebühren an den leistenden Unternehmer auskehrt, kommt auch in Fällen des "echten" Factorings eine Haftung des Abtretungsempfängers nach § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG in Betracht. Denn insoweit hat das "echte" Factoring ‑‑ebenso wie eine mit abgetretenen Forderungen gesicherte Kreditgewährung‑‑ eine Finanzierungsfunktion. Zieht der Factor in diesem Fall die an ihn abgetretenen nicht zahlungsgestörten Forderungen einschließlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer ein, um hierdurch wiederkehrend den planmäßigen Rückfluss der gewährten Bevorschussung sowie die ihm verbleibenden Zinsen, Kommissionen und Gebühren zu erlangen, führt dies wie beim Einzug sicherungsabgetretener Forderungen gleichermaßen zu Umsatzsteuerausfällen, wenn der abtretende Unternehmer finanziell nicht mehr in der Lage ist, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer zu entrichten.
4. Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.
a) Der Gesetzesbegründung ist nicht zu entnehmen, dass sich die Haftung nach § 13c Abs. 1 UStG ‑‑wie die Klägerin meint‑‑ auf Fälle der Sicherungsabtretung beschränkt. Vielmehr heißt es dort ‑‑wie dargelegt‑‑ bei Aufzählung der Haftungsvoraussetzungen des § 13c Abs. 1 UStG, dass der Abtretungsempfänger Unternehmer sein müsse und auch der echte Factor Unternehmer sei (BTDrucks 15/1562, S. 46). Dies lässt sich nur so verstehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch der "echte" Factor vom Anwendungsbereich des § 13c Abs. 1 UStG erfasst sein soll (vgl. auch Weymüller/Böllmann, Umsatzsteuergesetz, § 13c Rz 18.2; Slotty-Harms/Jansen, UR 2004, 221 [224]).
b) Die Haftung des Abtretungsempfängers in Fällen, in denen ‑‑wie hier‑‑ dem Factor hinsichtlich des Rückflusses der gewährten Bevorschussung sowie der Zinsen, Kommissionen und Gebühren eine abtretungsbedingte Bevorrechtigung verschafft wird, entspricht dem Regelungszweck des § 13c UStG, der darin besteht, Umsatzsteuerausfälle zu vermeiden, und eine "Garantiehaftung" begründet (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 244, 70, BFH/NV 2014, 646, Rz 16).
c) Selbst wenn aus dem gesetzessystematischen Zusammenhang zwischen der Haftung bei Forderungsabtretung (§ 13c Abs. 1 UStG) und der bei Verpfändung und Pfändung von Forderungen (§ 13c Abs. 3 UStG) folgen sollte, dass ‑‑wie die Klägerin meint‑‑ die Haftung nach § 13c UStG nur unterschiedliche Formen der Besicherung mittels Forderungen erfasse, ergäbe sich für den Streitfall nichts anderes. Denn in Fällen wie in diesem dienen die im Rahmen des "echten" Factorings abgetretenen Forderungen der Sicherung sämtlicher Rechte und Ansprüche des Abtretungsempfängers aus dem Factoringvertrag.
d) Die Haftung der Klägerin ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil und soweit ‑‑wie hier‑‑ der abtretende Unternehmer (B) 80 % des Nennwerts der betreffenden Forderung erhalten hat und ‑‑wie die Klägerin geltend macht‑‑ ihm mithin die finanziellen Mittel zur Verfügung standen, aus denen er seine Umsatzsteuerschuld hätte begleichen können.
Dies führt schon deshalb nicht zu einer Reduktion des Anwendungsbereichs des § 13c Abs. 1 UStG, weil ‑‑wie bei durch abgetretene Forderungen gesicherten Darlehen auch‑‑ eine tatsächliche Verwendung der Mittel für diese Zwecke nicht sichergestellt ist. Um die Haftung des Abtretungsempfängers nach § 13c Abs. 1 UStG eintreten zu lassen, kommt es auf die Handlungsalternativen und das (nachfolgende) Verhalten des abtretenden Unternehmers nicht an. Es ist mithin weder darauf abzustellen, ob der Abtretungsempfänger darüber bestimmen kann, wie der Abtretende die vereinnahmte Gegenleistung (Bevorschussung) verwendet, noch ist entscheidend, ob diesem ausreichend Liquidität zur Verfügung stand, um seine umsatzsteuerrechtliche Zahlungsverpflichtung zu erfüllen.
e) Der Streitfall ist ‑‑anders als die Klägerin ferner meint‑‑ nicht vergleichbar mit dem Fall einer nachträglichen Rückzahlung des vereinnahmten Betrags, für den der V. Senat des BFH mit Urteil in BFHE 244, 70, BFH/NV 2014, 646 entschieden hat, dass insoweit der Abtretungsempfänger nicht nach § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG haftet.
Denn im Streitfall sind der A die aus dem Forderungseinzug vereinnahmten Beträge einschließlich des darin enthaltenen Umsatzsteuerbetrags verblieben.
5. Weder das Verfassungs- noch das Unionsrecht stehen einer Haftung des Abtretungsempfängers nach § 13c UStG in diesen Fällen entgegen.
Die Haftung des Abtretungsempfängers verstößt entgegen der Vorentscheidung nicht gegen das sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich verankerte Verhältnismäßigkeitsprin-zip, wenn der abtretende Unternehmer in entsprechendem Umfang Liquidität zur Entrichtung der anteiligen Umsatzsteuer erhalten hat. Dies ist, anders als das FG meint, ebenso wenig "willkürlich".
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass die Haftung nach § 13c UStG weder gegen höherrangiges Recht noch gegen allgemeine Rechtsgrundsätze verstößt und die Vorschrift dem Unionsrecht entspricht (vgl. Senatsurteil in BFHE 241, 89, BFH/NV 2013, 1361, Rz 59 ff.). Dem hat sich der V. Senat des BFH angeschlossen (vgl. Urteil in BFHE 244, 70, BFH/NV 2014, 646, Rz 16; ferner BFH-Beschluss vom 13. März 2014 V B 47/13, BFH/NV 2014, 827, jeweils m.w.N.).
Zwar kommt § 13c UStG somit ‑‑wie dargelegt‑‑ der Charakter einer "Garantiehaftung" für die Durchsetzbarkeit fremder Steuerschulden zu. Diese beschränkt sich aber auf den vom Abtretungsempfänger im vereinnahmten Abtretungsbetrag enthaltenen Umsatzsteueranteil und ist insoweit im Hinblick auf das mit der Haftung verfolgte Gesetzesziel, der ‑‑wie ausgeführt‑‑ "Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen", nicht zu beanstanden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 244, 70, BFH/NV 2014, 646, Rz 16).
b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zwar legitim, dass von einem Mitgliedstaat ‑‑wie hier die Regelungen nach § 13c UStG‑‑ auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 205 MwStSystRL) erlassene Maßnahmen darauf abzielen, die Ansprüche des Fiskus möglichst wirksam zu schützen; sie dürfen jedoch nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. EuGH-Urteile Federation of Technological Industries u.a., EU:C:2006:309, UR 2006, 410, Rz 30; Macikowski vom 26. März 2015 C-499/13, EU:C:2015:201, UR 2015, 354, Rz 48, m.w.N.).
aa) Letzteres ist hier hinsichtlich der Haftung nach § 13c UStG nicht der Fall. Denn der Gesetzgeber hat durch die Regelung in § 13c Abs. 2 Satz 4 UStG, wonach der Abtretungsempfänger nicht haftet, soweit er auf die gegen den Abtretenden festgesetzte Umsatzsteuer (als Dritter) Zahlungen geleistet hat (§ 48 Abs. 1 AO), die Möglichkeit eröffnet, die wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten, einschließlich des Steuergläubigers, zu berücksichtigen (vgl. dazu Höink in Offerhaus/Söhn/Lange, § 13c UStG Rz 17).
A konnte zur Vermeidung einer Haftungsinanspruchnahme nach § 13c Abs. 2 Satz 4 UStG verfahren, d.h. den in den abgetretenen Forderungen enthaltenen Umsatzsteuerbetrag an das für B zuständige Finanzamt abführen und B lediglich den um die Umsatzsteuer gekürzten Restbetrag auszahlen. Es ist ihr zuzurechnen, dass sie von dieser rechtlichen Möglichkeit, die ihre Haftung ausgeschlossen hätte, keinen Gebrauch gemacht hat. Die Haftung nach § 13c UStG ist mithin weder unbedingt noch hängt sie von Gesichtspunkten ab, auf die der in Anspruch genommene Abtretungsempfänger keinen Einfluss hätte (vgl. dazu auch EuGH-Urteil Macikowski, EU:C:2015:201, UR 2015, 354, Rz 48, 50).
bb) Die Klägerin bringt zwar vor, dass es sich bei § 13c Abs. 2 Satz 4 UStG um ein fakultatives Abführungsrecht handele und die A als Abtretungsempfängerin nicht über die rechtlichen Mittel verfügt habe, ohne die Zustimmung der B eine Haftungsinanspruchnahme nach § 13c Abs. 2 Satz 4 UStG zu verhindern.
Der Abtretungsempfänger trägt jedoch das Risiko der Haftungsinanspruchnahme, wenn er sich die betreffenden Forderungen ohne das Recht, nach § 13c Abs. 2 Satz 4 UStG verfahren zu können, abtreten lässt.
6. Soweit die Finanzverwaltung in Abschn. 13c.1 Abs. 27 Satz 1 UStAE davon ausgeht, dass in den Fällen des Forderungsverkaufs die abgetretene Forderung nicht durch den Abtretungsempfänger i.S. von § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG als vereinnahmt gilt, "soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt (z.B. bei entsprechend gestalteten Asset-Backed-Securities (ABS-)Transaktionen)", handelt es sich hierbei um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung, die ‑‑falls mit dieser Regelung auch Fälle der vorliegenden Art erfasst werden sollen‑‑ die Gerichte nicht bindet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Rz 68; vom 5. September 2013 XI R 7/12, BFHE 242, 399, BStBl II 2014, 37, Rz 20, m.w.N.).
7. Es kann daher offenbleiben, ob sich ‑‑wie das FA meint‑‑ die Haftung der Klägerin im Streitfall (auch) aus § 13c Abs. 1 Satz 3 UStG ergibt.
8. Zweifel an der Auslegung des für die Entscheidung im Streitfall maßgebenden Unionsrechts bestehen angesichts der bereits vorliegenden einschlägigen EuGH-Rechtsprechung nicht. Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den EuGH nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. März 2015 XI R 8/13, BFHE 249, 369, BFH/NV 2015, 1219, Rz 57, m.w.N.) ist daher nicht geboten.
9. Da die Vorentscheidung von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif im Sinne einer Abweisung der Klage. Die Höhe der im angefochtenen Haftungsbescheid vom 20. Januar 2009 vom FA angesetzten Beträge steht nicht im Streit.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.