BFH VI. Senat
EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 42d, BRAO § 51 Abs 1, BRAO § 59c, BRAO § 59j, EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 42d, EStG VZ 2007 , EStG VZ 2008 , EStG VZ 2009 , EStG VZ 2010 , EStG VZ 2011
vorgehend FG Hamburg, 03. November 2014, Az: 2 K 95/14
Leitsätze
Die eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GmbH nach § 59j BRAO führt nicht zu Lohn bei den angestellten Anwälten. Die Rechtsanwalts-GmbH wendet dadurch weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu .
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 4. November 2014 2 K 95/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Beitragszahlungen einer Rechtsanwalts-GmbH zu deren eigener Berufshaftpflichtversicherung als Arbeitslohn ihrer angestellten Rechtsanwälte zu behandeln sind.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH; sie berät insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit internationalem Bezug. Ausschließlich die Klägerin tritt gegenüber Mandanten als Vertragspartei auf, schließt die Mandatsverträge und ist in der Prozessvollmacht genannt. Den zur Geschäftsführung der Klägerin berechtigten Personen ist arbeitsvertraglich eine eigene anwaltliche Tätigkeit untersagt.
Die Klägerin schloss als alleinige Versicherungsnehmerin eine eigene Berufshaftpflichtversicherung ab. Die Versicherungssummen beliefen sich zunächst entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des § 59j Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zur Mindestversicherungssumme einer Rechtsanwalts-GmbH auf 2,5 Mio. € je Versicherungsfall und einer Höchstleistung von 10 Mio. € je Versicherungsjahr. Diese Versicherungssummen wurden zum 1. Januar 2009 auf 10 bzw. 20 Mio. € erhöht und eine bisher zusätzlich bestehende Exzedentenversicherung mit der allgemeinen Haftpflichtversicherung zusammengelegt. Versichert war das Risiko der weltweiten Tätigkeit der Klägerin als selbständig zugelassene Rechtsanwalts-GmbH. Die Versicherung umfasste Schäden, die durch die Klägerin selbst oder durch eine Person verursacht wurden, für die sie nach § 278 oder § 831 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) einzustehen hatte. Die Höhe der Versicherungsprämien war an Anzahl, Funktion und zeitlichem Umfang der Tätigkeit der von der Klägerin beschäftigten Rechtsanwälte unter Berücksichtigung deren Stellung als Geschäftsführer, Prokurist oder einfacher angestellter Anwalt ausgerichtet. Der Versicherungsschein nannte die einzelnen Rechtsanwälte unter der Rubrik "Versichertes Risiko und Beitragsberechnung" namentlich mit einem anhand dieser Kriterien ermittelten, auf sie rechnerisch entfallenden Versicherungsbeitrag. Die Summe dieser Beiträge entsprach der von der Klägerin zu zahlenden Gesamtprämie. Jeder angestellte Anwalt der Klägerin unterhielt zudem die nach § 51 BRAO für die Zulassung als Rechtsanwalt notwendige persönliche Berufshaftpflichtversicherung mit den Mindestversicherungssummen des § 51 Abs. 4 BRAO. Die Klägerin hatte die Versicherungsbeiträge für diese persönlichen Berufshaftpflichtversicherungen übernommen und vollständig der Lohnsteuer unterworfen. Die Beiträge für ihre eigene Haftpflichtversicherung hatte die Klägerin allerdings nicht lohnversteuert.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) vertrat im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung die Auffassung, dass nicht nur die übernommenen und lohnversteuerten Beiträge für die persönliche Haftpflichtversicherung eines jeden einzelnen angestellten Anwalts, sondern auch die Beiträge der Klägerin zu ihrer eigenen Haftpflichtversicherung als Rechtsanwalts-GmbH der Lohnsteuer zumindest im Umfang einer "Grunddeckung" zu unterwerfen seien. Dementsprechend erließ das FA einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer nebst Annexsteuern über insgesamt 34.419,20 €, ermittelt nach den Beiträgen, die für die Mindestversicherungssummen einer Rechtsanwalts-GmbH galten.
Das Finanzgericht (FG) hat der dagegen erhobenen Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 393 veröffentlichten Gründen entsprochen. Der Haftungstatbestand sei schon nicht erfüllt, weil es sich bei den von der Klägerin gezahlten Versicherungsbeiträgen für ihre eigene Berufshaftpflichtversicherung nicht um steuerpflichtigen Arbeitslohn handele. Im Streitfall bestehe ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Zahlung der Beiträge für ihre eigene Haftpflichtversicherung. Ein nicht unerhebliches Interesse ihrer Arbeitnehmer, welches das Interesse der Klägerin überlagere, liege nicht vor.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
die Klage unter Aufhebung des Urteils des FG Hamburg vom 4. November 2014 2 K 95/14 abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin durch den Abschluss ihrer eigenen Berufshaftpflichtversicherung ihren Arbeitnehmern keinen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil zugewandt hatte.
1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ‑‑neben Gehältern und Löhnen‑‑ auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Urteil vom 7. Mai 2014 VI R 73/12, BFHE 245, 230, BStBl II 2014, 904).
a) Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung, zuletzt Senatsurteil vom 14. November 2013 VI R 36/12, BFHE 243, 520, BStBl II 2014, 278).
b) Durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasste, zu Lohn führende Zuwendungen erbringt der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern erst recht nicht, wenn er ausschließlich gegenüber Dritten tätig wird, nur ihnen gegenüber eigene Verpflichtungen eingeht und eigene Ansprüche erwirbt, die keinen unmittelbaren Zusammenhang zu seinen Arbeitnehmern und den mit ihnen begründeten Dienstverhältnissen aufweisen. Daraus für die Arbeitnehmer folgende etwaige Annehmlichkeiten sind bloße Reflexwirkungen einer originär ausschließlich eigenbetrieblichen Betätigung des Arbeitgebers, mit der er andere betriebsfunktionale Zielsetzungen als die Entlohnung seiner Arbeitnehmer verfolgt.
2. Nach Maßgabe dieser vorgenannten Rechtsgrundsätze führte der Erwerb eines eigenen Haftpflichtversicherungsschutzes i.S. des § 59j BRAO durch die Klägerin als Arbeitgeberin zu keinem lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil bei ihren Arbeitnehmern.
a) Der von der Klägerin erworbene Versicherungsschutz zur Deckung der sich aus ihrer Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden i.S. der §§ 59j, 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO diente ihrem eigenen Versicherungsschutz. Denn nach den Feststellungen des FG war damit das Risiko der weltweiten Tätigkeit der Klägerin als selbständig zugelassene Rechtsanwalts-GmbH versichert; die Versicherung umfasste Schäden, die durch die Klägerin selbst oder durch eine Person verursacht wurden, für die sie nach § 278 oder § 831 BGB einzustehen hatte. Diese Berufshaftpflichtversicherung ist gesetzlich vorgeschrieben und notwendige Voraussetzung für die gewerbliche rechtsberatende Tätigkeit der Klägerin selbst als Rechtsanwaltsgesellschaft (§ 59c Abs. 1, § 59j Abs. 1 BRAO), die nach § 13 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung den Mandanten gegenüber mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftet. Angesichts dessen erfasst diese Versicherung keine Haftpflichtansprüche, die sich gegen die bei der Klägerin nichtselbständig tätigen Rechtsanwälte selbst richten; deshalb versicherte die Klägerin durch den Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung ihre eigene Berufstätigkeit und wandte ihren Arbeitnehmern dadurch weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu.
b) Nichts anderes folgt entgegen der Auffassung der Revision aus § 51 Abs. 1 BRAO. Denn danach ist zwar der angestellte Rechtsanwalt ebenso wie der selbständig tätige Rechtsanwalt verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen. Diese Verpflichtung wird aber nicht dadurch erfüllt, dass der Arbeitgeber seine eigene Berufshaftpflichtversicherung nach § 59j BRAO abschließt. Die Haftpflichtversicherung nach § 59j BRAO lässt die Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 BRAO nicht entfallen. Denn die Berufshaftpflichtversicherung der angestellten Rechtsanwälte nach § 51 Abs. 1 BRAO besteht unabhängig davon und selbständig neben der Berufshaftpflichtversicherung i.S. des § 59j BRAO (Grams, Anwaltsblatt 2001, 233, 295; Beck Online-Kommentar BORA/Römermann, BRAO § 59j Rz 5, Rz 2; Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 59j Rz 1).
aa) Dementsprechend wandte die Klägerin dadurch, dass sie die Aufwendungen ihrer angestellten Rechtsanwälte für deren eigene Berufshaftpflichtversicherung nach § 51 Abs. 1 BRAO übernahm, ihren Arbeitnehmern zwar lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteile zu. Aber diese Vorteile unterwarf die Klägerin ‑‑was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist‑‑ der Lohnsteuer. Dies entspricht der Senatsrechtsprechung, nach der die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten Rechtsanwalts durch den Arbeitgeber zu Arbeitslohn führt, weil der angestellte Rechtsanwalt nach § 51 BRAO zum Abschluss der Versicherung verpflichtet ist (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 26. Juli 2007 VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892; Senatsbeschlüsse vom 6. Mai 2009 VI B 4/09, BFH/NV 2009, 1431; vom 28. März 2011 VI B 31/11, BFH/NV 2011, 1322).
bb) Ein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil folgt auch nicht daraus, dass die für die Klägerin nichtselbständig tätigen Rechtsanwälte ihre eigene Haftpflichtversicherung nach § 51 BRAO mit den Mindestversicherungssummen abschlossen. Denn damit haben die angestellten Rechtsanwälte den Anforderungen und Verpflichtungen aus § 51 BRAO entsprochen. Die davon abweichende Höhe des Mindestversicherungsschutzes bei deren Arbeitgeberin, der Klägerin selbst, begründet keinen solchen Vorteil. Er lässt sich entgegen der Revision insbesondere auch nicht daraus entnehmen, dass im Fall einer als GbR tätigen Rechtsanwaltssozietät mit entsprechender internationaler Beratungstätigkeit ein vergleichbarer Versicherungsschutz nur zu erheblich höheren Versicherungsbeiträgen zu erhalten wäre. Denn zutreffend hat dazu schon das FG ausgeführt, dass das FA damit ungleichartige Sachverhalte miteinander vergleiche, weil den höheren Versicherungsbeiträgen eines angestellten Briefkopfanwalts einer Sozietät auch der eigene Versicherungsschutz wegen persönlicher Haftungsrisiken als Sozius gegenüberstünde.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.