BFH IX. Senat
EStG § 9 Abs 1 S 1, EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr 2, EStG § 9 Abs 1 S 2, EStG § 10 Abs 3, EStG § 10 Abs 1 Nr 3a, EStG § 12 Nr 1 S 2, EStG VZ 2008
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 06. October 2014, Az: 6 K 6147/12
Leitsätze
1. Beiträge für Risikolebensversicherungen, welche der Absicherung von Darlehen dienen, die zur Finanzierung der Anschaffungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Immobilienobjekts aufgenommen werden, sind auch dann nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn der Versicherungsvertragsabschluss durch das finanzierende Kreditinstitut vorgegeben war .
2. Eine Aufteilung von Beiträgen für Risikolebensversicherungen nach den im Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) niedergelegten Maßstäben kommt nicht in Betracht, wenn sich die durch die Einkünfteerzielung veranlassten Beitragsanteile nicht feststellen lassen und dem Darlehenssicherungszweck gegenüber der Absicherung des Todesfallrisikos eine untergeordnete Bedeutung zukommt .
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Oktober 2014 6 K 6147/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Prämien für verschiedene Risikolebensversicherungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen kann.
Der Kläger erwarb im Jahr 1995 zusammen mit seiner Ehefrau ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in B, welches seitdem der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dient. Im Jahr 1999 verstarb überraschend die Ehefrau des Klägers; sie wurde von dem Kläger und der gemeinsamen Tochter beerbt. Im Jahr 2001 erwarb der Kläger im Zuge der Erbauseinandersetzung den Miteigentumsanteil seiner Tochter an dem genannten Grundstück.
Nach Eintritt des Todesfalls kündigte das den Immobilienerwerb finanzierende Kreditinstitut die vom Kläger und seiner Ehefrau aufgenommenen Hypothekendarlehen und stellte die gesamte Darlehenssumme einschließlich einer Vorfälligkeitsentschädigung zur Rückzahlung fällig. Der Kläger war hierdurch gezwungen, im Jahr 2000 eine Umfinanzierung vorzunehmen, die das finanzierende Kreditinstitut nur unter der Bedingung bewilligte, dass seitens des Klägers ‑‑neben einer grundbuchrechtlichen Absicherung‑‑ zusätzlich ein Risikolebensversicherungsvertrag abgeschlossen werde. In den Folgejahren war der Kläger überdies gezwungen, Erhaltungsaufwendungen am Objekt vorzunehmen, die er über Bausparkredite finanzierte. Auch insoweit musste der Kläger auf Verlangen der Bausparkassen Risikolebensversicherungsverträge abschließen. Ansprüche auf die Versicherungsleistungen musste der Kläger auf Geheiß der finanzierenden Kreditinstitute an diese im Voraus abtreten; ein bei Abschluss der Versicherungsverträge verfügtes Bezugsrecht seiner Tochter für die im Todesfall auszubezahlende Versicherungssumme galt dadurch als widerrufen.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2008) machte der Kläger im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Aufwendungen für Risikolebensversicherungen in Höhe von 2.467,24 € als sonstige Werbungskosten (Geldbeschaffungskosten) geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte die vom Kläger getragenen Beiträge für Risikolebensversicherungen nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 277 veröffentlichten Urteil die Auffassung, die Aufwendungen des Klägers für die Risikolebensversicherungen könnten nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Ansatz gebracht werden. Es handele sich um "klassische" Risikolebensversicherungen, die ein der privaten Lebenssphäre zuzuordnendes Lebensrisiko absicherten; ein durch die Vermietung bedingtes Risiko sei nicht ersichtlich. Unerheblich sei, dass die Versicherungen der Absicherung von Darlehen dienten, die der Kläger zur Finanzierung bzw. Refinanzierung des vermieteten Objekts in B bzw. zu weiteren Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen abgeschlossen habe.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er vertritt die Ansicht, dass die frühere Rechtsprechung, welche einen Abzug von Prämien für Risikolebensversicherungen mit Blick auf das Aufteilungs- und Abzugsverbot abgelehnt habe, im Streitfall keine Anwendung finden könne. Zum einen habe der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) das Aufteilungs- und Abzugsverbot aufgegeben; zum anderen sei es bei Abschluss der Risikolebensversicherungen nicht darum gegangen, eine Einkunftsquelle zu erwerben oder herzustellen, sondern darum, eine bereits existierende Einkunftsquelle zu erhalten. Der Abschluss der Versicherungsverträge sei ihm ‑‑zum Teil in rechtswidriger Weise‑‑ aufgezwungen worden. Im Übrigen sei die Zuordnung des versicherten Lebensrisikos zur Privatsphäre mit dem Veranlassungs- und Nettoprinzip nicht vereinbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 7. Oktober 2014 6 K 6147/12 sowie den Bescheid über Einkommensteuer für 2008 vom 13. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. März 2012, zuletzt geändert durch Bescheid vom 17. August 2012, dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 2.467,24 € angesetzt werden.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Es verweist auf die ständige Rechtsprechung des BFH, wonach Beiträge zu Risikolebensversicherungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Berücksichtigung finden könnten. Daran habe sich auch durch die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) nichts geändert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Kläger aufgewendeten Beiträge für Risikolebensversicherungen nicht als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.
1. Für Beiträge zu "Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen", gewährt § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG einen Abzug als Sonderausgaben bis zu den Höchstgrenzen des § 10 Abs. 3 ff. EStG; dies gilt nach dem einleitenden Satz in Abs. 1 der Vorschrift jedoch nur, wenn sie "weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden". Im Streitfall erfüllen die Aufwendungen des Klägers den Werbungskostenbegriff indes nicht.
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Zu den Werbungskosten zählen nach Satz 3 Nr. 2 der Vorschrift auch Versicherungsbeiträge, soweit sie sich auf Gebäude beziehen, die dem Steuerpflichtigen zur Einnahmeerzielung dienen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind.
b) Eine derartige Veranlassung liegt vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden. Maßgeblich ist, ob bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der getätigten Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672).
2. Nach diesen Grundsätzen sind die vom Kläger aufgewendeten Versicherungsbeiträge insgesamt dem Privatbereich zuzuordnen, in dem solche Aufwendungen nur über die spezielle gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG berücksichtigt werden können.
a) Zwar liegt im Streitfall der Finanzierung des Immobilienobjekts in B ein einheitliches Gesamtkonzept zugrunde, welches die Finanzierung und Tilgung der Anschaffungskosten über ein Annuitätendarlehen, das sowohl grundbuchrechtlich als auch über eine Risikolebensversicherung abgesichert ist, vorsieht. Dieses Finanzierungskonzept entspricht marktüblichen Gestaltungen, wenngleich die Entscheidung hierüber im Streitfall in gewisser Weise durch das finanzierende Kreditinstitut vorgegeben war, welches den Kläger durch eine vorzeitige Kündigung der Erstfinanzierung bewusst in eine Lage gebracht hatte, in der eine zusätzliche Sicherung durch Abschluss einer Risikolebensversicherung erforderlich wurde.
Vor diesem Hintergrund hat sich der Kläger nicht freiwillig für den Abschluss der maßgeblichen Risikolebensversicherungen entschlossen; er musste die Aufwendungen hierfür tragen, um die Darlehensumfinanzierung überhaupt abschließen zu können und den Fortbestand der Einnahmen aus dem Objekt zu sichern. Danach besteht auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang des Aufwands (in Form der geleisteten Versicherungsbeiträge) mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit des Klägers.
b) Dieser wirtschaftliche Zusammenhang wird indes überlagert von einem gleichzeitig bestehenden Veranlassungszusammenhang durch die private Lebensführung. Jener liegt, wovon das FG zutreffend ausgegangen ist, in dem ‑‑privaten‑‑ Umstand, dass der Kläger mit dem Abschluss der maßgeblichen Lebensversicherungen dem Risiko eines vorzeitigen Ablebens noch während des Laufs der Darlehensverträge entgegenwirken und eine Tilgung der Darlehensschuld im Falle des Eintritts des versicherten Ereignisses gewährleisten konnte. Für den Kläger bedeutet dies: Er trägt den ‑‑neben Darlehenszins und Tilgung zusätzlichen‑‑ Aufwand für die Ausschaltung des Todesfallrisikos im Streitfall auch deshalb, um im Fall des Risikoeintritts einen schuldenfreien Übergang des maßgeblichen Immobilienobjekts auf den Rechtsnachfolger zu gewährleisten. Bei der erforderlichen wertenden Beurteilung (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 Rz 93) kommt diesem privaten Umstand ‑‑die Darlehenstilgung ist dem Vermögensbereich des Steuerpflichtigen zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1990 IX R 139/86, BFH/NV 1991, 94)‑‑ das entscheidende Gewicht zu; er ist das "auslösende Moment" für das Entstehen der getätigten Aufwendungen, welche damit insgesamt der Privatsphäre und nicht der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen sind. Der den Aufwendungen weiterhin zugrunde liegende Darlehenssicherungszweck, der für die finanzierende Bank das Ausfallrisiko minimiert, tritt demgegenüber zurück (vgl. Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 21 EStG Rz 300 "Risikolebensversicherung"; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 21 Rz 62 "Bausparvertrag"; Drenseck, Finanz-Rundschau 1986, 187; diff. HHR/Bergkemper, § 9 EStG Rz 420 zu "Todesfallrisikoversicherungen bei Bausparverträgen bzw. Hypothekendarlehen"; krit. Blümich/ Schallmoser, § 21 EStG Rz 400 "Versicherungsbeiträge"; a.A. Prinz, Betriebs-Berater 1986, 712; Paus, Deutsche Steuer-Zeitung 1990, 242). Dies gilt auch dann, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ der Versicherungsvertragsabschluss durch das finanzierende Kreditinstitut vorgegeben war.
c) Im Streitfall kommt auch eine Aufteilung der Aufwendungen nicht in Betracht. Zwar steht § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nach den im Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 niedergelegten Maßstäben einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer steuerlich erheblichen und privaten Anteile trennbaren Aufwendungen nicht mehr grundsätzlich entgegen. Die vom Kläger für die Risikolebensversicherungen getragenen Aufwendungen sind indes nicht trennbar; denn zum einen lassen sich eventuell durch die Einkünfteerzielung veranlasste Beitragsanteile nicht feststellen und zum anderen misst der Senat dem einkünftebezogenen Darlehenssicherungszweck gegenüber der dem Privatbereich zuzurechnenden Absicherung des Todesfallrisikos eine untergeordnete Bedeutung zu. Aus diesem Grund kommt auch eine pauschale Aufteilung nicht in Betracht (a.A. HHR/Bergkemper, § 9 EStG Rz 420 zu "Todesfallrisikoversicherungen bei Bausparverträgen bzw. Hypothekendarlehen").
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.