BFH VII. Senat
GG Art 12 Abs 1, GG Art 14 Abs 1, FGO § 69 Abs 3 S 1, FGO § 69 Abs 2 S 2, AO § 69, AO § 191, AO § 219, AO § 381, BImSchG § 37a, BImSchG § 37c Abs 5, BImSchG § 62, EnergieStG § 64, BierStG § 30, BranntwMonG § 158 Nr 3
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 19. April 2015, Az: 1 V 1026/15
Leitsätze
1. NV: Von der Regelung in § 37c Abs. 5 Satz 1 BImSchG, nach der hinsichtlich der Absätze 1 bis 4 die für Verbrauchsteuern geltenden Vorschriften der AO entsprechende Anwendung finden, werden auch die haftungsrechtlichen Bestimmungen der AO, insbesondere die §§ 69ff., § 191 und § 219 AO, erfasst .
2. NV: Der Geschäftsführer einer mit Kraftstoffen handelnden GmbH, der schuldhaft gegen die ihm nach § 37c BImSchg obliegende Pflicht zur Anmeldung und Entrichtung der Ausgleichsabgabe verstößt, kann nach § 69 AO als Haftungsschuldner für die Abgabenschuld der von ihm vertretenen GmbH in Anspruch genommen werden .
3. NV: Die Erhebung der Ausgleichsabgabe ist nicht verfassungswidrig; insbesondere liegt kein Eingriff in von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition vor .
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. April 2015 1 V 1026/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war Geschäftsführer einer GmbH, die im Februar 2014 auf eine Ltd. & Co. KG verschmolzen wurde. Nach Austritt des vorletzten Gesellschafters wuchs das Vermögen der Ltd. & Co. KG gemäß § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im März 2014 ihrer Komplementärin an. Diese wurde am 10. März 2015 aus dem Handelsregister gelöscht.
Ohne die Vorgaben des § 37a Abs. 1 und 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zu erfüllen, brachte die GmbH fossilen Dieselkraftstoff in den Verkehr. Daraufhin setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) gegenüber der GmbH eine Ausgleichsabgabe nach §§ 37a und 37c BImSchG fest, die bis auf einen Betrag in Höhe von 3.210.726,25 € von der GmbH und ihrer Rechtsnachfolgerin gezahlt wurde. Für die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2012 nahm das HZA in Höhe dieses Betrags zzgl. Säumniszuschlägen den Antragsteller mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 gemäß § 191 i.V.m. § 34 Abs. 1 und § 69 der Abgabenordnung (AO) als Haftungsschuldner in Anspruch. Zusammen mit dem dagegen eingelegten Einspruch, über den noch nicht entschieden worden ist, beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Haftungsbescheids. Noch vor Eingang der Einspruchsbegründung für das Jahr 2012 lehnte das HZA den Antrag ab, wobei es auf die Antragsbegründung für das Vorjahr 2011 Bezug nahm.
Auch das Finanzgericht (FG) hat den bei ihm gestellten AdV-Antrag abgelehnt. Dabei vertrat es die Auffassung, dass ein Grund nach § 83 AO deshalb nicht vorliege, weil das HZA davon hätte ausgehen können, dass der Antragsteller eine ähnliche Begründung vorbringen werde, wie schon zuvor gegen den Haftungsbescheid für 2011, zumal das Einspruchsverfahren für das Streitjahr 2012 bis zur Entscheidung über das Vorjahr ruhend gestellt worden sei. Dass die Ausgleichsabgabe nach § 37c Abs. 2 BImSchG zu einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis führe, folge aus dem Verweis auf die Regelungen der AO für Verbrauchsteuern in § 37a Abs. 5 BImSchG. Da die Haftungsvorschriften einschließlich des § 69 AO auch für Verbrauchsteuern gölten, fänden diese Vorschriften auch auf die Ausgleichsabgabe nach § 37c Abs. 2 BImSchG Anwendung. Die Haftungsvoraussetzungen des § 69 AO seien erfüllt. Der Antragsteller habe entgegen seinen steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH hinsichtlich des im Jahr 2012 in den Verkehr gebrachten Dieselkraftstoffs eine Steueranmeldung erst mit zweimonatiger Verspätung abgegeben. Die schuldhafte Pflichtverletzung sei für den eingetretenen Schaden ursächlich. Zudem habe der Antragsteller seine Pflicht zur Bereithaltung von finanziellen Mitteln verletzt, denn er wäre schon vor Fälligkeit der Ausgleichsabgabe zur Sicherstellung ihrer Zahlung verpflichtet gewesen. Es sei nicht ersichtlich, dass er seine Amtszeit als Geschäftsführer genutzt hätte, um Rücklagen für die Zahlung der Ausgleichsabgabe zu bilden. Einer Festsetzung der Ausgleichsabgabe habe es nicht bedurft. Nicht zu beanstanden seien die Ermessenserwägungen des HZA, insbesondere die Betätigung des Auswahlermessens. Schließlich seien auch die Voraussetzungen des § 219 Satz 1 AO erfüllt, da mit der Löschung der letzten Rechtsnachfolgerin die Vollstreckung aussichtslos geworden sei.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Antragsteller die Aufhebung des Beschlusses des FG und die Gewährung der AdV. Die Ablehnung des AdV-Antrags durch das HZA sei offensichtlich willkürlich und lasse die Befangenheit des HZA erkennen. Für eine Ausgleichsabgabe nach § 37c BImSchG könne kein Haftungsbescheid nach § 69 AO erlassen werden. Der Verweis in § 37c Abs. 5 BImSchG beziehe sich nur auf die auf Verbrauchsteuern anwendbaren Verfahrensvorschriften. Der Regelung in § 62 BImSchG, die Ordnungswidrigkeiten betreffe, hätte es nicht bedurft, wenn sich der Verweis auf die gesamte AO beziehen würde. Da sich die Regelungen der §§ 34, 69 und 191 AO nicht speziell auf Verbrauchsteuern, sondern auf alle Steuerarten beziehen würden, könnten sie auf die Ausgleichsabgabe keine Anwendung finden. Die Entscheidung des FG stehe in Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Dezember 2013 III R 25/10 (BFHE 244, 217, BStBl II 2015, 119). Wenn selbst eine Straftat nicht zu einer Haftung des Geschäftsführers führen könne, so könne die Nichterfüllung der Biokraftstoffquote erst recht keine Grundlage für einen Haftungsbescheid bilden. Ebenso wie die Investitionszulage sei die Ausgleichsabgabe keine Steuer und auch keine steuerliche Nebenleistung; sie stelle vielmehr eine Sanktion dar. Das FG habe eine schuldhafte Pflichtverletzung des Antragstellers nicht hinreichend geprüft und nicht berücksichtigt, dass die Erfüllung der Quotenverpflichtung im Streitfall aufgrund der Marktlage nicht möglich gewesen sei. Zudem könne die Ausgleichsabgabe aufgrund ihrer Höhe allein durch Rücklagen aus dem laufenden Betrieb nicht angespart werden. Ermessensfehlerhaft habe das HZA lediglich den Antragsteller und nicht auch dessen Vorgänger im Amt in Anspruch genommen.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht erweise sich die Ausgleichsabgabe als unverhältnismäßige und erdrosselnd wirkende Vorteilsabschöpfungsabgabe. Ihre Höhe stehe erkennbar nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen, die sich bei einer Nichterfüllung der Quote ergeben würden. Im Streitfall habe die GmbH keinen Wettbewerbsvorteil erhalten. Aus wirtschaftlichen Gründen habe keine Quote hinzugekauft werden können. Im Übrigen habe der Marktpreis für den Quotenhandel im Jahr 2014 bei nur etwa einem Zehntel der im gleichen Jahr festgesetzten Ausgleichsabgabe gelegen. Dies belege den Verstoß gegen das Übermaßverbot. Da eine Vollstreckung gegen die GmbH noch nicht erfolgt sei, seien die Voraussetzungen des § 219 AO nicht erfüllt. Auch habe das HZA eine Vollstreckung bei der Nachfolgegesellschaft unterlassen. Schließlich habe das HZA die Entscheidung über den AdV-Antrag rechtswidrig vorweggenommen. Die Inbezugnahme paralleler Verfahren sei hierfür keine Rechtfertigung. Schließlich habe das FG unter Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht die Vermögensverhältnisse des Antragstellers nur unzureichend geprüft.
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Entgegen der Ansicht des Antragstellers beziehe sich die Verweisung in § 37c Abs. 5 BImSchG nicht nur auf Verfahrensvorschriften der AO, so dass § 69 AO auch auf die Ausgleichsabgabe Anwendung finde. Aufgrund des nur summarischen Verfahrens habe der AdV-Antrag unter Bezugnahme auf die bereits vorliegende Begründung zum Antrag auf AdV des Haftungsbescheids für das Streitjahr 2011 beschieden werden können. Hinsichtlich der behaupteten Unverhältnismäßigkeit der Ausgleichsabgabe seien die auf die Fehlmenge bezogenen Berechnungen des Antragstellers irreführend. Tatsächlich betrage die durch die Ausgleichsabgabe herbeigeführte Erhöhung pro Liter Dieselkraftstoff ca. 0,043 €, so dass keine Anhaltspunkte für eine erdrosselnde Wirkung vorliegen würden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids bestehen nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel, so dass der Antrag auf AdV abzulehnen ist.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen.
2. Solche gewichtigen Gründe sind für den Senat nicht ersichtlich. Bei summarischer Betrachtung begegnet die haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Antragstellers keinen rechtlichen Bedenken. Entgegen dessen Ansicht finden die haftungsrechtlichen Vorschriften der §§ 69 und 191 AO auf die Ausgleichsabgabe Anwendung. Auch die gegen die Primärschuld vorgebrachten Einwände führen nicht zum Erfolg der Beschwerde. Insbesondere greifen die Bemessung und Erhebung der Ausgleichsabgabe nicht in verfassungswidriger Weise in die von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Rechtspositionen der von der Abgabe betroffenen Unternehmen ein.
a) Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz) vom 18. Dezember 2006 hat die Bundesregierung die Mineralölwirtschaft ab dem 1. Januar 2007 ordnungsrechtlich verpflichtet, Otto- und Dieselkraftstoffen einen Mindestanteil an Biokraftstoffen beizumischen. Sofern die Verpflichteten den in § 37a Abs. 1 BImSchG festgelegten Pflichten nicht nachkommen, ist für die nach dem Energiegehalt berechnete Fehlmenge nach § 37c Abs. 2 Satz 1 BImSchG eine Ausgleichsabgabe festzusetzen. Die an § 18 Abs. 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes angelehnte Sanktionsregelung soll nach der Gesetzesbegründung gewährleisten, dass es aus wirtschaftlicher Sicht für die Quotenverpflichteten günstiger ist, die Quotenverpflichtung einzuhalten, als dagegen zu verstoßen, wobei die Höhe der Sanktion so festgesetzt wird, dass sie die Mehrkosten, die mit der Herstellung von Biokraftstoff im Vergleich zur Herstellung von Diesel- bzw. Ottokraftstoff verbunden sind, abdeckt (BTDrucks 16/2709, S. 23). Nach § 37c Abs. 5 Satz 1 BImSchG finden hinsichtlich der Absätze 1 bis 4 die für die Verbrauchsteuern geltenden Vorschriften der AO entsprechende Anwendung. Mitteilungen nach § 37c Abs. 1 und 4 BImSchG gelten als Steueranmeldungen im Sinne der AO (§ 37c Abs. 5 Satz 2 BImSchG).
Durch die Anordnung der sinngemäßen Anwendung der für Verbrauchsteuern geltenden Vorschriften der AO hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Ausgleichsabgabe im Ergebnis sämtlichen Regelungen unterstellt werden soll, die auch für Verbrauchsteuern gelten. Obwohl sie den Charakter einer Sanktion hat, soll die Ausgleichsabgabe wie eine Steuer behandelt werden. Ausnahmen von diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber nicht angeordnet. Lediglich hinsichtlich der Festsetzungsverjährung hat er den Hinweis für erforderlich erachtet, dass § 170 Abs. 2 Satz 1 AO ‑‑der grundsätzlich nicht für Verbrauchsteuern gilt‑‑ wie bei der Energiesteuer auf Erdgas und bei der Stromsteuer Anwendung findet. Da sich den Regelungen in § 37c Abs. 5 BImSchG Einschränkungen nicht entnehmen lassen, finden auf die Ausgleichsabgabe auch die haftungsrechtlichen Vorschriften der AO (insbesondere §§ 69 ff., §§ 191 und 219 AO) Anwendung, deren Geltung für die Verbrauchsteuern außer Frage steht (vgl. zur Haftung nach § 69 AO für entstandene Mineralölsteuer Senatsentscheidungen vom 18. Mai 1993 VII B 228/92, BFH/NV 1994, 128, und vom 20. Oktober 1987 VII R 6/84, BFH/NV 1988, 428).
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht daraus, dass der Gesetzgeber in § 62 Abs. 1 Nr. 9 und 10 BImSchG besondere Ordnungswidrigkeitstatbestände für die Fälle einer unvollständigen, nicht rechtzeitigen oder unterlassenen Mitteilung von geforderten Angaben festgelegt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es herkömmlicher Gesetzgebungspraxis entspricht, in den einzelnen Verbrauchsteuergesetzen selbst Bußgeldvorschriften aufzunehmen (vgl. § 64 des Energiesteuergesetzes) und dass § 381 AO nur dann Anwendung finden kann, wenn in den einzelnen Verbrauchsteuergesetzen ausdrücklich für einen bestimmten Tatbestand auf diese Vorschrift verwiesen wird (vgl. § 30 des Biersteuergesetzes und § 158 des Gesetzes über das Branntweinmonopol). Daher kann der Beschwerde nicht darin gefolgt werden, dass die Regelungen in § 62 BImSchG überflüssig und sinnlos wären, wenn § 37c Abs. 5 BImSchG ein umfassender Verweis auf die für Verbrauchsteuern geltenden Vorschriften der AO entnommen werden könnte.
Dem zu § 37c Abs. 5 BImSchG gefundenen Auslegungsergebnis steht die BFH-Entscheidung in BFHE 244, 217, BStBl II 2015, 119 nicht entgegen, vielmehr wird es durch dieses Urteil gestützt. Aufgrund der in § 7 Abs. 1 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes 1993 enthaltenen (allgemeinen) Verweisung, nach der die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend anzuwenden sind, hat der BFH geschlossen, dass auch die Haftungsvorschriften der §§ 69 ff. AO auf die Investitionszulage entsprechend anwendbar sind. Lediglich für die Fälle des Betrugs bzw. Subventionsbetrugs durch das Erschleichen einer Investitionszulage hat er § 71 AO, der sich nach seinem Wortlaut lediglich auf Fälle von Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei bezieht, nicht für sinngemäß anwendbar erachtet. Eine vergleichbare Problemstellung ergibt sich jedoch bei den Tatbestandsmerkmalen des § 69 AO nicht. Wie das FG ausgeführt hat, hat der Antragsteller seine steuerlichen Pflichten dadurch schuldhaft verletzt, dass er die Abgabe einer Steueranmeldung, die Entrichtung des danach geschuldeten Abgabenbetrags und das Bereithalten von finanziellen Mitteln unterließ. Diese Pflichtverletzungen werden nach ständiger BFH-Rechtsprechung vom Anwendungsbereich des § 69 AO erfasst.
b) Soweit der Antragsteller die Verfassungswidrigkeit der in § 37c BImSchG festgelegten Ausgleichsabgabe geltend macht, kann auch dieses Vorbringen der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
aa) Zur Begründung der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit behauptet der Antragsteller lediglich, dass die starr ausgestaltete Abgabe in Höhe von ca. 62 Cent pro Liter nicht beigemischtem Biodiesel nicht nur die tatsächlich entstandenen Vorteile abschöpfe, sondern eine erdrosselnde Wirkung entfalte und sich daher als unverhältnismäßig erweise, denn der Unterschied zwischen einem Liter Diesel und einem Liter Biodiesel liege lediglich bei ca. 20 Cent. Warum die Abgabe, die nach § 37c Abs. 2 BImSchG 19 € pro Gigajoule beträgt, zu einer Zusatzbelastung von 62 Cent pro Liter der Fehlmenge führen soll, legt die Beschwerde nicht schlüssig dar. Zutreffend hat das HZA darauf hingewiesen, dass sich die Ausgleichsabgabe auf die Gesamtmenge des durch den Verpflichteten in Verkehr gebrachten Kraftstoffs bezieht. Ausweislich des Bescheids, mit dem gegen die GmbH die Ausgleichsabgabe und damit die Primärschuld festgesetzt worden ist, hat die GmbH insgesamt 94 052 076 Liter Dieselkraftstoff in den Verkehr gebracht. Hierfür wurde eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 4.020.726,25 € festgesetzt. Dies ergibt eine zusätzliche Belastung in Höhe von ca. 4 Cent pro Liter in den Verkehr gebrachten Dieselkraftstoff. Bei diesem Befund kann der Beschwerde nicht darin gefolgt werden, dass die Ausgleichsabgabe das Dreifache dessen abschöpft, was mit der Einführung der Ausgleichsabgabe ursprünglich geplant gewesen sei, so dass sich die Abgabenbelastung nicht als unverhältnismäßig erweist.
bb) Im Übrigen stellt die Erhebung der Ausgleichsabgabe auch in einer zutreffend berechneten Belastungshöhe keinen Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit dar. Abgabenrechtliche Vorschriften sind an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie in engem Zusammenhang zur Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen. Deshalb können sie Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich auch dann berühren, wenn sie nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit abzielen, sondern nur in ihrer tatsächlichen Auswirkung geeignet sind, diese zu beeinträchtigen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 29. November 1989 1 BvR 1402/87, 1528/87, BVerfGE 81, 108). Zwar steht die Erhebung der Ausgleichsabgabe in einem gewissen Zusammenhang mit der Berufsausübung desjenigen, der Kraftstoffe vertreibt, doch beschränkt § 37c BImSchG nicht unmittelbar die Aufnahme und Ausübung dieser Tätigkeit. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Erhebung der Ausgleichsabgabe und ihre Belastungswirkung die Aufgabe der Berufstätigkeit als einzig wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung nahelegen würde, zumal der nach § 37a Abs. 1 Satz 1 BImSchG Verpflichtete seine Inanspruchnahme dadurch vermeiden kann, dass er reine Biokraftstoffe in den Verkehr bringt oder die Verpflichtung auf einen Dritten überträgt. Aber selbst wenn der vom Gesetzgeber angeordnete Beimischungszwang eine berufsausübungsregelnde Tendenz haben sollte, wäre eine solche Einschränkung der von Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit durch Belange des Allgemeinwohls legitimiert. Nach der Intention des Gesetzgebers dient die Förderung von Biokraftstoffen vor dem Hintergrund der Erschöpfung fossiler Brennstoffe der Ressourcenschonung und im Hinblick auf die CO2-Bilanz von Biokraftstoffen dem Umweltschutz (Senatsentscheidung vom 7. Juli 2015 VII R 64/13, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2015, 271).
cc) Auch der Schutzbereich des Art. 14 GG, der das Ergebnis einer beruflichen Betätigung schützt, wird durch die Erhebung der Ausgleichsabgabe grundsätzlich nicht betroffen. Die Pflicht zur Entrichtung der Abgabe trifft den Verpflichteten in seiner Eigenschaft als Unternehmer, nicht in seiner Eigenschaft als Eigentümer eines Unternehmens. Die Ausübung von Eigentümerbefugnissen wird von § 37c BImSchG nicht geregelt. Ein direkter Zugriff auf das sachliche Substrat des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs findet somit nicht statt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 16. März 1971 1 BvR 52/66, 665/66, 667/66, 754/66, BVerfGE 30, 292, 335, zur Erdölbevorratungsabgabe). Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Ausgleichsabgabe eine erdrosselnde Wirkung entfaltet und sich daher als übermäßig erweist (vgl. zum Übermaßverbot Entscheidung des BVerfG vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97).
3. Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, dass die Voraussetzungen des § 219 Satz 1 AO nicht erfüllt sind, legt er keine Umstände dar, die darauf schließen lassen, dass eine Vollstreckung bei der Rechtsnachfolgerin der GmbH tatsächlich Aussicht auf Erfolg hätte. Die GmbH wurde auf eine Ltd. & Co. KG verschmolzen. Deren Vermögen wuchs der Komplementärin der KG an, die inzwischen ebenfalls aufgelöst und aus dem Handelsregister gelöscht ist. Somit sind sowohl der ursprüngliche Abgabenschuldner als auch die Rechtsnachfolger nicht mehr existent. Bei dieser Sachlage ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners aussichtslos sein würde, so dass die Voraussetzungen des § 219 Satz 1 AO im Streitfall erfüllt sind.
4. Nach summarischer Prüfung ist die Betätigung des Auswahlermessens nicht zu beanstanden. Hierzu hat das HZA im angefochtenen Bescheid ausgeführt, das Vorhandensein weiterer Haftungsschuldner sei nicht ersichtlich und sei vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht worden. Im Haftungszeitraum war der Antragsteller alleiniger Geschäftsführer. Die steuerlichen Pflichten, die er zu erfüllen hatte (Mitteilung nach § 37c Abs. 1 BImSchG bis zum 15. April 2013 und Entrichtung der zum 30. Juli 2013 fälligen Ausgleichsabgabe), entstanden erst während seiner Amtszeit. Diese Pflichten konnte der bis zum ersten Halbjahr 2012 tätige Geschäftsführer nicht erfüllen und folglich auch nicht verletzen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den in § 37a Abs. 1 BImSchG festgelegten Pflichten zur Quotenerfüllung noch nicht um Pflichten handelt, die auf einem Steuerrechtsverhältnis i.S. des § 37 AO beruhen.
5. Da es sich um einen wiederholten Antrag handelte, konnte das HZA den Antrag auf AdV für das Jahr 2012 bereits vor Eingang der eigentlichen Antragsbegründung ablehnen. Denn bei im Wesentlichen identischem Sachverhalt hatte der Antragsteller bereits für das Kalenderjahr 2011 einen AdV-Antrag gestellt und diesen ausführlich begründet. Das HZA konnte daher davon ausgehen, dass der Antragsteller seine Argumente vollständig vorgebracht haben würde. Es ist somit nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller durch das Vorgehen des HZA rechtliches Gehör versagt worden ist. Im Übrigen hat er fristgerecht Einspruch gegen den Bescheid vom 9. Januar 2015 eingelegt und diesen ausführlich begründet. Aufgrund der Pflicht der Finanzbehörde, die Sache im Einspruchsverfahren in vollem Umfang zu prüfen (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO), konnte sich der Antragsteller im Einspruchsverfahren rechtliches Gehör verschaffen, wodurch ein etwaiger verfahrensrechtlicher Fehler geheilt wird (BFH-Urteil vom 17. September 1997 II R 15/95, BFH/NV 1998, 416).
6. Da erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht bestehen, ist die Gewährung von AdV nicht geboten. Zudem hat das FG ausgeführt, der Antragsteller habe Umstände, die im Falle einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme zu seiner Insolvenz führen könnten, nicht glaubhaft gemacht. Auch im Beschwerdeverfahren hat er lediglich auf die allgemeine Lebenserfahrung und auf die Gewinnmargen in der Mineralölbranche verwiesen, ohne jedoch persönliche Vermögensverhältnisse darzulegen. Diese musste das FG auch nicht von Amts wegen ermitteln. Da es sich vorliegend um ein summarisches Verfahren handelt, sind weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht grundsätzlich nicht erforderlich. Im Übrigen ist es Sache des Antragstellers, entscheidungserhebliche Tatsachen glaubhaft zu machen. Möglichkeiten zur Glaubhaftmachung einer Existenzbedrohung hat er indes nicht wahrgenommen. Zudem setzt die AdV wegen unbilliger Härte nach der BFH-Rechtsprechung voraus, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht ausgeschlossen werden können (Senatsbeschluss vom 27. Februar 2009 VII B 186/08, BFH/NV 2009, 942, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.