BFH VIII. Senat
AO § 89 Abs 2, AO § 118 S 1, StAuskV § 2 Abs 1 S 2, GG Art 19 Abs 4, AO § 88, GG Art 20 Abs 3
vorgehend FG Köln, 03. March 2013, Az: 3 K 132/10
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Finanzgerichts Köln vom 4. März 2013 3 K 132/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) verpflichtet ist, eine verbindliche Auskunft mit dem von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwünschten Inhalt zu erteilen.
Die Klägerin ist eine Investment-Aktiengesellschaft i.S. des § 2 Abs. 5 des Investmentgesetzes (InvG). Sie wurde 2007 gegründet. Ihre Besteuerung entspricht der eines Publikumsfonds i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Investmentsteuergesetzes (InvStG) i.V.m. § 2 Abs. 1 InvG. Sie wird unter ihrer Steuernummer geführt und als Rechtsgebilde behandelt, das als Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse unter § 11 Abs. 2 InvStG fällt.
Die bei der Gründung der Klägerin ausgegebenen Aktien wurden im Zuge gesellschaftsrechtlicher Änderungen bei der Klägerin zu Unternehmensaktien (Gattung: UA) i.S. des § 96 Abs. 1 Satz 2 InvG i.d.F. des Gesetzes vom 21. Dezember 2007.
Die Klägerin begehrte mit Antrag vom 6. Oktober 2009 die Erteilung einer verbindlichen Auskunft durch das FA wegen Zweifeln an der Auslegung des § 18 Abs. 2a Satz 1 und Satz 2 InvStG durch die Finanzverwaltung.
Nach § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG solle für die Veräußerung von Anteilen an bestimmten Investmentvermögen, unter die auch die Klägerin falle, bei denen durch Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag oder die Vertragsbedingungen für eine Beteiligung natürlicher Personen die "besondere Sachkunde" des Anlegers oder eine Mindestanlagesumme von 100.000 € verlangt werde und deren Anteile nach dem 9. November 2007 und vor dem 1. Januar 2009 erworben worden seien, die Rechtsfolge des § 8 Abs. 5 i.V.m. § 18 Abs. 2a Satz 1 InvStG gelten.
Die Klägerin begründete ihr Interesse an der Erteilung einer verbindlichen Auskunft mit der unklaren steuerlichen Behandlung von Aktienrücknahmen, zu deren Durchführung sie nach den Regelungen des Investmentgesetzes (§ 105 Abs. 2 Satz 1 InvG) verpflichtet sei. Die von der Klägerin ausgegebenen Aktien seien nach dem 9. November 2007 und vor dem 1. Januar 2009 erworben worden. Mache einer der Aktionäre von seinem gesetzlichen Rückgaberecht zu einem Zeitpunkt Gebrauch, der nach dem 31. Oktober 2009 liege, habe der jeweilige Aktionär die Papiere länger als ein Jahr gehalten. Gleichwohl werde die Anteilsrückgabe als Veräußerung gemäß § 18 Abs. 2a i.V.m. § 8 Abs. 5 InvStG aus Sicht der Finanzverwaltung im Rahmen der Abgeltungsteuer besteuert. Die Klägerin sei aus ihrer Sicht verpflichtet, einen solchen Veräußerungsvorgang im Rahmen der Einbehaltungspflichten zur Kapitalertragsteuer zu beachten.
Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. Oktober 2008 IV C 1-S 1980 - 1/08/10011 (BStBl I 2008, 960) sei § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG anzuwenden, wenn ein Investmentvermögen einer kleinen Zahl von bis zu zehn Anlegern zuzuordnen sei, da ‑‑so das BMF‑‑ in diesem Fall bei jedem Anleger, dessen tatsächliche Anlagesumme sich auf einen Betrag von 100.000 € belaufe, unterstellt werden könne, dass Vorbedingung für seine Investitionen eine besondere Sachkunde und eine Mindestanlagesumme von 100.000 € gewesen sei.
Die Klägerin legte zur Begründung ihres Auskunftsbegehrens ferner dar, dass die Beteiligung von natürlichen Personen als Aktionäre weder in ihrer Satzung noch in den Vertragsbedingungen davon abhängig gemacht werde, ob diese über eine besondere Sachkunde verfügten. Auch werde keine Mindestanlagesumme in Höhe von 100.000 € verlangt. Die Auffassung des BMF im Schreiben in BStBl I 2008, 960 führe dazu, dass die Klägerin vom FA als Investmentvermögen mit einer Anzahl von weniger als zehn Anlegern eingestuft werde, das unter § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG falle.
Im Einzelnen beantragte die Klägerin eine verbindliche Auskunft zu der Frage, ob Anteile an der Klägerin vom FA als Anteile i.S. des § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG angesehen würden, obwohl keiner der beiden abschließend formulierten gesetzlichen Alternativtatbestände (statuarisches Erfordernis einer Mindestanlagesumme oder einer besonderen Sachkunde) bei der Klägerin vorliege. Ferner begehrte sie eine Auskunft des FA zu der Frage, ob bei Anwendung des § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG aus Sicht des FA die Anteile aller Anteilsklassen (Unternehmensaktien und Anlageaktien) hiervon betroffen wären und ob aus Sicht des FA für das Überschreiten der Mindestanlagesumme der Wert aller Anteile im Zeitpunkt des Erwerbs (die Anschaffungskosten) oder der Kurswert bei Veräußerung oder zu einem anderen Zeitpunkt maßgeblich sei.
Das FA erteilte der Klägerin unter dem 8. Dezember 2009 die Auskunft, dass die Anteile der Gründungsgesellschafter, die jeweils zu mehr als 100.000 € am Kapital der Klägerin beteiligt waren, in vollem Umfang der Beteiligung (Unternehmensaktien und Anlageaktien) im Fall der Anteilsrückgabe gemäß § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG unter die Besteuerung gemäß § 8 Abs. 5 InvStG fielen. Für die Ermittlung des wesentlichen Vermögens sei auf die Anschaffungskosten der Anteilseigner abzustellen und nicht auf einen späteren Kurswert der Aktien. Daher seien die Erwerber 1 bis 3 nicht von der Anwendung des § 18 Abs. 2a InvStG betroffen, selbst wenn der Wert ihrer Aktien nach der Anschaffung auf einen Kurswert von mehr als 100.000 € ansteige.
Gegen die erteilte Auskunft hat die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage erhoben und beantragt, das FA zu verpflichten, eine verbindliche Auskunft des Inhalts zu erteilen, dass Anteilsrückgaben aller ihrer Gesellschafter dem Grunde nach nicht unter den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 2a InvStG fallen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 4. März 2013 3 K 132/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1542) als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Das BMF habe mit seinem Schreiben in BStBI I 2008, 960 die Regelung des § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG contra legem auch auf Fälle erstreckt, in denen ‑‑wie im Streitfall‑‑ weder die besondere Sachkunde noch die Mindestanlagesumme von 100.000 € oder mehr in einem Gesetz, der Satzung, dem Gesellschaftsvertrag oder den Vertragsbedingungen festgeschrieben sei.
Die Klägerin beantragt, das FA unter Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids des FG zu verpflichten, eine verbindliche Auskunft dergestalt zu erteilen, dass die Klägerin dem Grunde nach nicht in den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 2a InvStG fällt, da in ihrer Person keines der Tatbestandsmerkmale der Norm erfüllt sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Im Streitfall sei das FA bei Erteilung der verbindlichen Auskunft an das für die Finanzämter verbindliche BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 960 gebunden. Diese verbindliche Auskunft entfalte aber keine Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung, wenn sie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen rechtswidrig sei (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Steuer-Auskunftsverordnung ‑‑StAuskV‑‑), so dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der im BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 960 vertretenen Rechtsauffassung im Rechtsbehelfsverfahren gegen eine entsprechende Steuerfestsetzung geltend machen könne.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Zu Recht hat das FG die angefochtene Auskunft des FA nach Maßgabe des § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) als rechtmäßig angesehen und die Klage auf Erteilung einer abweichenden Auskunft abgewiesen.
1. Gemäß § 89 Abs. 2 AO kann der Steuerpflichtige aus Gründen der Planungs- und Entscheidungssicherheit eine verbindliche Auskunft (Zusage) darüber verlangen, wie ein in der Zukunft liegender Besteuerungstatbestand steuerlich zu beurteilen ist.
a) Dabei handelt es sich um einen Verwaltungsakt nach § 118 Satz 1 AO (dazu eingehend Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30. April 2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996, m.w.N.).
Entsprechend der Funktion der verbindlichen Auskunft im Besteuerungsverfahren, dem Steuerpflichtigen Planungs- und Entscheidungssicherheit, d.h. Rechtssicherheit hinsichtlich der Einschätzung eines geplanten Sachverhalts bzw. Vertragsmodells durch die Finanzbehörde zu verschaffen (BFH-Urteil in BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996, unter II.3.), regelt die verbindliche Auskunft lediglich, wie die Finanzbehörde eine ihr zur Prüfung gestellte hypothetische Gestaltung gegenwärtig beurteilt, nicht aber trifft sie die ‑‑dem Steuerbescheid vorbehaltene‑‑ endgültige Aussage über die materielle Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung (BFH-Urteil vom 29. Februar 2012 IX R 11/11, BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651).
b) Dementsprechend ist die gerichtliche Kontrolle einer verbindlichen Auskunft eingeschränkt.
aa) Während die Rechtmäßigkeitsprüfung im Steuerfestsetzungsverfahren rechtswidrige Steuerverwaltungsakte vermeiden soll, stellt die verbindliche Auskunft eine Leistung für den Steuerpflichtigen dar, um ihn bei der Planung zukünftiger Gestaltungen zu unterstützen, insbesondere ihm eine Risikoabschätzung im Vorfeld eines etwaigen Besteuerungsverfahrens zu erleichtern.
bb) Andererseits hat eine erteilte verbindliche Auskunft den Anforderungen eines fairen rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens zu genügen. Das FA hat den allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen an jegliches behördliche Handeln sowie den aus § 89 Abs. 2 AO i.V.m. §§ 1, 2 StAuskV folgenden Vorgaben gerecht zu werden. Es hat zunächst den zur Prüfung gestellten Sachverhalt zutreffend zu erfassen. Die Funktion der verbindlichen Auskunft, dem Steuerpflichtigen Planungssicherheit zu verschaffen, bedingt weiter, dass die Behörde keine Auskunft erteilen darf, deren Beständigkeit im Festsetzungsverfahren von vornherein in Frage steht (BFH-Urteil in BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651).
cc) Dies bedeutet, dass die rechtliche Einordnung des zu beurteilenden Sachverhalts in sich schlüssig sein muss und nicht evident rechtsfehlerhaft sein darf (vgl. BFH-Urteile in BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651; vom 5. Februar 2014 I R 34/12, BFH/NV 2014, 1014).
(1) Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verlangt keine strenge Rechtmäßigkeitsbindung der eine verbindliche Auskunft erteilenden Behörde und entsprechend keine umfassende gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle im Vorfeld der Steuerfestsetzung (BFH-Urteil in BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651). Denn die verbindliche Auskunft entfaltet keine Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung, wenn sie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen rechtswidrig ist (§ 2 Abs. 1 Satz 2 StAuskV). Um dies überprüfen zu lassen, steht dem Steuerpflichtigen der Rechtsweg gegen den Steuerbescheid offen. Dies genügt den Anforderungen effektiven Rechtsschutzes (i.S. von Art. 19 Abs. 4 GG). Die materielle Richtigkeit der Auskunft wird im Besteuerungsverfahren ggf. im Rahmen der Anfechtung des Steuerbescheids vom FG umfassend geprüft (BFH-Urteil in BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651).
(2) Auch die Bindung der Verwaltung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und der damit korrespondierende Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO) erfordern keine vollinhaltliche Rechtmäßigkeitskontrolle einer verbindlichen Auskunft. Denn die Behörde trifft mit der verbindlichen Auskunft nur eine Aussage über ihre gegenwärtige Einschätzung zur steuerlichen Behandlung eines geplanten Sachverhalts im Vorfeld einer etwaigen Besteuerung dieses Sachverhalts (BFH-Urteil in BFHE 237, 9, BStBl II 2012, 651).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf eine von dem BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 960 abweichende Erteilung einer Auskunft verneint.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.