BFH VII. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, EnergieStG § 60, InsO § 28 Abs 1, MinöStV § 53 Abs 1 Nr 3
vorgehend FG Hamburg, 17. September 2014, Az: 4 K 195/13
Leitsätze
1. NV: Die Rechtsprechung des BFH zum in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV festgelegten Erfordernis der rechtzeitigen Mahnung bei Zahlungsverzug ist auf § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG übertragbar, der eine wortgleiche Regelung enthält .
2. NV: Zur gerichtlichen Geltendmachung eines Kaufpreisanspruchs nach § 60 EnergieStG gehört auch die rechtzeitige Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle innerhalb der in § 28 Abs. 1 InsO festgelegten Anmeldefrist .
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 18. September 2014 4 K 195/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) schloss im Jahr 2003 mit einer GmbH eine Vereinbarung zur Nutzung von Betriebstankstellen. Die GmbH war danach berechtigt, mit den ihr überlassenen Tankkarten an bestimmten Tankstellen Kraftstoffe zu beziehen. Nachdem die Geschäftsbeziehung ‑‑soweit ersichtlich‑‑ zunächst problemlos verlief, sind Zahlungen ab Februar 2007 abweichend vom vereinbarten Zahlungsziel erst 20 bis 30 Tage nach Rechnungseingang eingegangen. Bis Mitte Oktober 2007 sperrte die Klägerin die Tankkarten, schaltete sie jedoch Ende Oktober 2007 auf Bitten der GmbH wieder frei. Die Rechnung vom 30. November 2007 war am 18. Dezember 2007 und die Rechnung vom 31. Dezember 2007 war am 18. Januar 2008 fällig. Beide Rechnungen wurden von der GmbH nicht beglichen. Auf Veranlassung der Klägerin wurde der GmbH ein Mahnbescheid und später ein Vollstreckungsbescheid zugestellt.
Am 8. April 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Frist zur Anmeldung von Forderungen wurde auf den 2. Juni 2008 festgesetzt. Berichts- und Prüfungstermin war nach dem Eröffnungsbeschluss der 9. Juli 2008. Erst am 29. Dezember 2009 wurden die ausstehenden Forderungen der Klägerin zur Insolvenztabelle angemeldet. Ausweislich der Insolvenztabelle wurden die vom Insolvenzverwalter in voller Höhe anerkannten Forderungen am 1. August 2011 festgestellt. Für nachträglich angemeldete Forderungen wurden mehrere schriftliche Prüfungstermine angesetzt.
Den von der Klägerin am 23. Dezember 2009 gestellten Antrag auf Entlastung von der Energiesteuer gemäß § 60 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) mit der Begründung ab, die Klägerin habe ihren Anspruch durch die verspätete Anmeldung zur Insolvenztabelle nicht konsequent gerichtlich verfolgt. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, ein Entlastungsanspruch nach § 60 EnergieStG stehe der Klägerin nicht zu, weil sie die Forderung weder bis zum Abschluss der Anmeldefrist, d.h. bis zum 2. Juni 2008, noch bis zum Prüfungstermin am 9. Juli 2008 angemeldet habe. Erst am 29. Dezember 2009 sei die Anmeldung erfolgt. Mit ihrem Vorbringen, sie habe die Forderung bereits mit Schreiben vom 13. Mai 2008, das an diesem Tag erstellt und zur Abholung durch einen Dienstleister in den Postausgang gegeben worden sei, zur Insolvenztabelle angemeldet, könne die Klägerin nicht durchdringen. Allein die Abholung durch einen Postdienstleister könne den erforderlichen Zugang beim Insolvenzverwalter nicht belegen. Hinsichtlich des Zugangs der Anmeldung zur Insolvenztabelle trage die Klägerin die Feststellungslast. Zudem habe es die Klägerin unterlassen, sich vom rechtzeitigen Eingang der Anmeldung zu vergewissern.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Grundsätzlich bedeutsam sei die Frage, ob die Fristen, die im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zur Forderungsanmeldung gesetzt werden und keinen Ausschlusscharakter haben oder Notfristen darstellen, im Entlastungsverfahren nach § 60 EnergieStG wie Ausschlussfristen zu behandeln sind, insbesondere, wenn der Antragsteller die Frist unverschuldet versäumt habe. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Januar 2011 VII R 11/10 (BFH/NV 2011, 1022) sei nicht auf den Streitfall anwendbar, weil sie im Streitfall sowohl Kenntnis vom Insolvenzverfahren als auch von der Frist zur Anmeldung zur Tabelle und auch Kenntnis vom ersten Prüfungstermin gehabt habe. Lediglich das einem Kurierdienst übergebene Schriftstück mit der Anmeldung zur Insolvenztabelle sei auf dem Weg zum Insolvenzverwalter verloren gegangen. Das FG habe die unverschuldete Versäumung der Anmeldefrist wie die Versäumung einer Not- oder Ausschlussfrist behandelt. Im Mineralölhandel würden dadurch die Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns über § 347 des Handelsgesetzbuchs hinaus ausgedehnt. Dieser Punkt sei klärungsbedürftig. Zudem bestehe eine nicht die entscheidungstragenden Gründe betreffende Divergenz zum Senatsbeschluss vom 2. Februar 1999 VII B 247/98 (BFHE 188, 217, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 1999, 305).
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es hält die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage für nicht klärungsbedürftig.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet, denn der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist. Das ist sie, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28). An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461). Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587).
a) In seinem Urteil in BFH/NV 2011, 1022 hat der BFH entschieden, dass zur gerichtlichen Geltendmachung eines Kaufpreisanspruchs nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) auch die rechtzeitige Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle innerhalb der in § 28 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) festgelegten Anmeldefrist gehört. Diese Entscheidung kann auf § 60 EnergieStG übertragen werden, denn das Erfordernis der rechtzeitigen Mahnung ist auch nach der Aufhebung der MinöStV und dem Inkrafttreten des EnergieStG unverändert geblieben (vgl. § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV und § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG). Das Tatbestandsmerkmal "rechtzeitig", das sich nach der Rechtsprechung des BFH nicht nur auf die Beantragung eines Mahnbescheids, sondern auch auf die gerichtliche und insolvenzrechtliche Geltendmachung bezieht (vgl. Jatzke in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG, StromStG, § 60 EnergieStG Rz 26 f., m.w.N.), ist nur dann erfüllt, wenn der Mineralölhändler die ausstehenden Forderungen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, spätestens im Prüfungstermin, zur Insolvenztabelle anmeldet. Versäumt er dies und verschlechtert er dadurch die Chancen auf eine zumindest teilweise Realisierung seiner Forderungen, kann er die Folgen seiner Säumnis nicht auf die Allgemeinheit abwälzen. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage ist daher bereits geklärt und bedarf keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren.
b) Soweit die Klägerin die Klärung der aufgeworfenen Frage unter dem Gesichtspunkt einer unverschuldeten Versäumung insolvenzrechtlich festgelegter Fristen begehrt, fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das FG hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es im Streitfall offenbleiben kann, inwieweit die Klägerin schuldhaft gehandelt hat, weil sie das Risiko des Zugangs der Forderungsanmeldung trägt und weil sie erst über ein Jahr nach Ablauf der Anmeldefrist des § 28 Abs. 1 InsO tätig geworden ist. Auch habe sie sich nicht über den Eingang der Forderungsanmeldung vergewissert. Diese Ausführungen tragen die erstinstanzliche Entscheidung, so dass auch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens an einer nicht fristgerechten Forderungsanmeldung der von der Beschwerde formulierten Frage keine Klärungsbedürftigkeit zukommt.
2. Mit ihren Ausführungen zur Rechtsauffassung des FG, dass der Anmelder einer Insolvenzforderung und Antragsteller nach § 60 EnergieStG den Zugang des Schriftstücks beim Insolvenzverwalter nachweisen müsse, wendet sich die Klägerin gegen die materiell-rechtliche Würdigung durch das FG. Dieses Vorbringen kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2013 VII B 94/13, BFH/NV 2014, 697, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). Denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten (Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 VII B 57/11, BFH/NV 2012, 1623).
3. Soweit die Klägerin eine Abweichung des Urteils des FG von der Senatsentscheidung in BFHE 188, 217, ZfZ 1999, 305 geltend macht, genügen die Ausführungen nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen und welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Rügt er eine Abweichung von Entscheidungen des BFH, so muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (Senatsbeschlüsse vom 5. Juni 2014 VII B 49/13, BFH/NV 2014, 1756, und vom 7. Mai 2013 VII B 102/12, BFH/NV 2013, 1428).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, denn entsprechend herausgearbeitete und gegenübergestellte Rechtssätze zur Darlegung der vermeintlichen Divergenz sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Darüber hinaus führt die Klägerin selbst aus, dass die von ihr behauptete Divergenz nicht in den entscheidungstragenden Gründen besteht. Eine Abweichung wäre somit nicht entscheidungserheblich, so dass es auch aus diesem Grund keiner Zulassung der Revision bedarf.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.