BFH VIII. Senat
EStG § 20 Abs 1 Nr 1 S 2, KStG § 8 Abs 3 S 2, EStG VZ 2005 , KStG VZ 2005
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 07. February 2012, Az: 4 K 3064/10
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 8. Februar 2012 4 K 3064/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin war im Streitjahr als … nichtselbständig tätig und erzielte einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 23.842 €. Der Kläger war im Streitjahr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH.
Im Zusammenhang mit einer Außenprüfung bei der GmbH für die Jahre 2003 bis 2005 stellte der Prüfer im April 2007 fest, dass eine spanische Firma ihr von der GmbH in Rechnung gestellte Beträge in Höhe von insgesamt 64.986 € nicht auf das in den Rechnungen angegebene Bankkonto der GmbH, sondern auf das gemeinsame Konto der Kläger bei einer anderen Bank überwiesen und die GmbH diese ‑‑auf dem Konto der Kläger verbliebenen‑‑ Zahlungseingänge als Bareinzahlungen in der Kasse gebucht hatte. Ferner stellte der Prüfer fest, dass von dem Privatkonto der Kläger an die GmbH gerichtete Rechnungen bezahlt worden waren.
Auf dieser Grundlage ging der Prüfer hinsichtlich der Zahlungseingänge auf dem Privatkonto im Zusammenhang mit Forderungen der GmbH von einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe von insgesamt 64.986 € sowie hinsichtlich der über dasselbe Konto veranlassten Erfüllung von Verbindlichkeiten der GmbH von ‑‑die Anschaffungskosten für die Beteiligung des Klägers erhöhenden‑‑ verdeckten Einlagen in Höhe von 37.604 € aus.
Aufgrund dieser mit Kontrollmitteilung vom 25. März 2008 übermittelten Feststellungen setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Einkommensteuer für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit Einkommensteuerbescheid vom 10. April 2008 unter Ansatz von Einnahmen in Höhe von 32.493 € bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen fest.
Der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren sowie nach Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem Urteil vom 8. Februar 2012 4 K 3064/10 insoweit statt, als es den mit der im Gerichtsverfahren vorgelegten Einkommensteuererklärung erhobenen Einwendungen gegen den Ansatz der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie gegen andere nicht die Einkünfte aus Kapitalvermögen betreffende Besteuerungsgrundlagen folgte.
Im Übrigen wies das FG die Klage ab, soweit sie sich gegen den Ansatz der vGA im Zusammenhang mit den auf Rechnungen der GmbH beruhenden Zahlungseingängen auf dem Privatkonto der Kläger richtete.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Zu Unrecht habe das FG die Zahlungen der spanischen Firma auf das Konto der Kläger als vGA angesehen, weil dafür eine betriebliche Veranlassung aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung zwischen GmbH und dem Gesellschafter bestanden habe. Nach dieser Vereinbarung habe der Kläger auf seinem privaten Konto eingehende Zahlungen Dritter zur Erfüllung von Forderungen der GmbH für die GmbH anzunehmen, zu verwahren sowie die entsprechenden Beträge zur Befriedigung von Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber Dritten zu verwenden.
Auch wenn diese Vereinbarung nicht schriftlich fixiert worden sei, gebe es dafür in der Buchhaltung der GmbH insbesondere durch Buchung des Eingangs der Zahlungen durch die spanische Firma äußerlich erkennbare Beweisanzeichen.
Die Vereinbarung sei nicht erst im Nachhinein getroffen worden, sondern habe bereits früher bestanden. So habe die GmbH die Erstattung eines Umsatzsteuerbetrags zur Umsatzsteuervoranmeldung für August 2004 in Höhe von 6.366,16 € auf das Konto der Kläger beantragt; mit der Zahlung auf dieses Konto habe das FA die dem Kläger erteilte Ermächtigung durch die GmbH akzeptiert.
Selbst wenn man diesen Vorgängen im Jahre 2004 eine solche schuldrechtliche Vereinbarung nicht entnehmen könnte, könne sie im November 2005 nicht mit der Begründung des FG verneint werden, die GmbH habe die Weiterleitung der an die Kläger überwiesenen Beträge an sich nicht unverzüglich verlangt. Denn die GmbH habe sich ausweislich der Tatsache, dass der Kläger bereits am Tag nach dem ersten Zahlungseingang 14 Überweisungen von seinem Privatkonto an Gläubiger der GmbH geleistet habe, für ein entsprechendes Auftragsverhältnis anstelle eines Weiterleitungsanspruchs entschieden. Die GmbH habe ein eigenes Interesse daran gehabt, dass das Geld schnellstmöglich an ihre Gläubiger gezahlt wurde.
Diese Vereinbarung, die sich nicht nur auf den Erhalt und die Verwahrung der Zahlungen, sondern auch auf die Befriedigung von Verbindlichkeiten der GmbH bezogen habe, sei nicht nur punktuell, sondern permanent durchgeführt worden. Mit der Befriedigung dieser Forderungen Dritter habe der Kläger seine entsprechende Verpflichtung gegenüber der GmbH erfüllt.
Die fehlende Einbeziehung der Klägerin in die Vereinbarung sei unerheblich, da sie aufgrund ihres Arbeitslohns den Alltag der Kläger ohne Probleme bestritten und keine Veranlassung gehabt habe, mittels Zahlungseingängen Dritter eigenes Vermögen zu bilden. Abgesehen davon habe die Klägerin keinerlei Mitberechtigung an den Zahlungen Dritter gehabt und habe darüber nicht frei verfügen können.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für 2005 unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 10. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 ohne Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Zu Recht hat das FG die Eingänge von Zahlungen von Kunden der GmbH auf dem Privatkonto der Kläger als vGA bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen erfasst.
1. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch vGA.
a) Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil im Sinne einer bei ihr eintretenden Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zuwendet, diese Zuwendung ihren Anlass oder zumindest ihre Mitveranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 19. Januar 2000 I R 24/99, BFHE 191, 107, BStBl II 2000, 545; vom 15. März 2000 I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom 9. August 2000 I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140).
aa) Das ist in der Regel der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (BFH-Urteile vom 24. Januar 1989 VIII R 74/84, BFHE 156, 126, BStBl II 1989, 419; vom 19. März 1991 VIII R 2/85, BFH/NV 1992, 19; vom 13. September 2000 I R 10/00, BFH/NV 2001, 584; vom 14. Dezember 2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090).
Der bei der Kapitalgesellschaft eintretende Vermögensnachteil muss danach "eine Vermögensminderung im Sinne einer Verminderung des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG" sein (s.a. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 37/02, BFHE 204, 96, BStBl II 2004, 121). Demgegenüber liegt ein Vermögensvorteil beim Gesellschafter immer dann vor, wenn dieser über ein bestimmtes, messbares Gut in Geld oder Geldeswert verfügen kann (§ 8 Abs. 1 EStG; ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 1. März 1977 VIII R 106/74, BFHE 122, 60, BStBl II 1977, 545, und ‑‑zur Abgrenzung‑‑ vom 3. Juli 1968 I 149/65, BFHE 93, 517, BStBl II 1969, 15).
bb) Für die Feststellung einer vGA unerheblich ist dagegen, ob die Kapitalgesellschaft, handelnd durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer, erkannt hat, dass sie durch ihre Handhabung vGA bewirkt hat. Denn weder die Absicht der Kapitalgesellschaft, den Gewinn verdeckt zu verteilen, noch eine Einigung darüber, dass der Vorteil aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zugewendet wird, gehören zu den Voraussetzungen der vGA (BFH-Urteile vom 3. Dezember 1969 I R 107/69, BFHE 97, 524, BStBl II 1970, 229; vom 9. Oktober 1985 I R 271/82, BFH/NV 1986, 429).
b) Ist der begünstigte Gesellschafter-Geschäftsführer ‑‑wie im Streitfall der Kläger‑‑ ein beherrschender, kann die Vermögensminderung schon dann ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, wenn der Leistung an den Gesellschafter oder eine diesem nahestehende Person keine klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarung zugrunde liegt (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645; vom 9. Juli 2003 I R 100/02, BFHE 203, 77; vom 5. Oktober 2004 VIII R 9/03, BFH/NV 2005, 526; vom 9. März 2010 VIII R 32/07, BFHE 229, 129). Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA in diesen Fällen beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379, m.w.N.).
c) Diese zum Begriff der vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entwickelten Rechtsgrundsätze sind auch für die Auslegung des Begriffs der vGA in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG maßgeblich (BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht auf der Grundlage seiner den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen in den von den Klägern auf ihrem Privatkonto vereinnahmten Zahlungen von Kunden der GmbH auf Rechnungen der GmbH vGA gesehen.
a) Mit dem Eingang der Zahlungen auf dem Privatkonto haben die Kläger die Verfügungsgewalt über die Beträge und damit einen Vermögensvorteil zu Lasten der GmbH erlangt.
b) Die Behauptung der Kläger, diese Zahlungen beruhten auf einer klar und eindeutig vorab getroffenen Vereinbarung mit der GmbH und mit den eingegangenen Beträgen habe der Kläger Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber Dritten tilgen sollen, stellt sich zum einen als neuer Tatsachenvortrag dar, der im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden kann (z.B. BFH-Urteil vom 20. März 2013 XI R 37/11, BFHE 240, 394, BStBl II 2014, 831; BFH-Beschluss vom 15. Juli 2014 III S 19/12 (PKH), BFH/NV 2014, 1576). Dieser Vortrag ist im Übrigen unvereinbar mit dem Vortrag der Kläger im Klageverfahren, eine Zahlung von Kunden der GmbH auf ihr Konto selbst nicht veranlasst zu haben, obwohl nach den Feststellungen des FG nur die Kontoverbindung der GmbH auf deren Rechnungen angegeben war.
c) Zum anderen kann allein aus dem Umstand, dass der Kläger als beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH mit den eingegangenen Beträgen auch Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber Dritten getilgt hat, nicht auf eine entsprechende klar und eindeutig im Voraus getroffene Vereinbarung geschlossen werden. Dies gilt umso mehr, als der Annahme einer solchen Vereinbarung ebenfalls der Vortrag der Kläger im Klageverfahren entgegensteht, die Zahlungen Dritter auf Rechnungen der GmbH auf ihr Privatkonto nicht veranlasst zu haben.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat die streitige Frage offenlassen, ob die Tilgung von Verbindlichkeiten der GmbH durch deren Gesellschafter ‑‑wie im Streitfall‑‑ verdeckte Einlagen sind (vgl. z.B. Knepper, Deutsches Steuerrecht 1993, 1613; Priester, Steuerberater-Jahrbuch 1993/94, S. 141, 159; Schwarz/Fischer-Zernin, Der Betrieb 1992, 1742; Haarmann, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1993/94, S. 622), weil ein solcher Vorteilsausgleich nach der Rechtsprechung des BFH bei einem beherrschenden Gesellschafter nur in Betracht kommt, wenn er und die Gesellschaft dazu eine ‑‑im Streitfall fehlende‑‑ im Voraus getroffene klare und eindeutige Vereinbarung über den synallagmatischen Charakter von Leistung und Gegenleistung getroffen haben (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 1976 I R 223/74, BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734; vom 7. Dezember 1988 I R 25/82, BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248; BFH-Beschluss vom 19. Juli 1994 I B 13/94, juris).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.