BFH VII. Senat
FGO § 93 Abs 3 S 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, ZPO § 227 Abs 1 S 1, FGO § 155, FGO § 91, GG Art 103 Abs 1, FGO § 51 Abs 1 S 1, ZPO § 42
vorgehend FG Hamburg, 01. October 2014, Az: 1 K 301/13
Leitsätze
NV: Kann der Kläger wegen einer hypertensiven Krise nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen, reicht es zur Ablehnung einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht aus, dass er bereits vor drei Jahren eine hypertensive Krise hatte und es zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung zu einer Entgleisung (Ohrensausen und erhöhte Blutdruckwerte) gekommen war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger nicht vertreten ist und es sich um den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung handelt .
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2014 1 K 301/13 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
I. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) widerrief mit Bescheid vom 23. Oktober 2013 die Bestellung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) als Steuerberater und begründete dies mit einem Vermögensverfall i.S. des § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2014 lägen keine Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor. Zwar sei der Kläger wegen einer Erkrankung (hypertensive Krise) nicht in der Lage gewesen, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Nach dem Notfallbericht der … Klinik vom 2. Oktober 2014 habe er aber vor drei Jahren schon einmal eine hypertensive Krise gehabt, leide spätestens seit diesem Zeitpunkt unter einem hohen Blutdruck und nehme entsprechende Medikamente. Außerdem habe er aufgrund einer Stresssituation bereits seit zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung unter Ohrensausen und erhöhten Blutdruckwerten (Entgleisung) gelitten. Aufgrund seiner Erfahrungen aus der Vergangenheit hätte sich ihm daher die Gefährdung seiner persönlichen Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aufdrängen müssen. Trotzdem habe sich der Kläger nicht um eine Vertretung bemüht.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger einen Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen Verletzung rechtlichen Gehörs geltend und beantragt wegen der Besorgnis der Befangenheit die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG. Bei der hypertensiven Krise habe es sich um eine plötzliche und unerwartete Erkrankung gehandelt, so dass ein erheblicher Grund für eine Terminverlegung vorgelegen habe (§ 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung ‑‑ZPO‑‑).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Da das angefochtene Urteil wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs auf einem Verfahrensmangel beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), wird es gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Eine Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG kommt dagegen nicht in Betracht.
Zwar litt der Kläger seit mindestens drei Jahren unter hohem Blutdruck und hatte in dieser Zeit bereits eine hypertensive Krise. Außerdem hatte er seit zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung Ohrensausen und erhöhte Blutdruckwerte (Entgleisung). Entgegen der Auffassung des FG reichen diese Umstände aber nicht aus, um eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO abzulehnen, obwohl der Kläger in einem nachgelassenen Schriftsatz zur Überzeugung des FG nachgewiesen hatte, dass er wegen einer hypertensiven Krise nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte.
Hierfür ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es im Streitfall um den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung ging. Des Weiteren handelt es sich bei der hypertensiven Krise nicht um eine dauerhafte bzw. häufige Erkrankung des Klägers. Vielmehr hatte er bisher nur eine hypertensive Krise und diese bereits drei Jahre vor der mündlichen Verhandlung. Seitdem nahm er entsprechende Medikamente. Selbst unter Berücksichtigung der seit zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung festgestellten erhöhten Blutdruckwerte konnte das FG vom Kläger nicht verlangen, sich vorsorglich um einen Vertreter zu bemühen, obwohl er nach der Niederlegung des Mandats durch seinen ursprünglichen Prozessvertreter bisher keinen neuen Prozessvertreter bestellt hatte.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom FG zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Der Senatsbeschluss vom 4. März 2014 VII B 189/13 (BFH/NV 2014, 1057) betraf einen Fall, bei dem der dauerhaft erkrankte Kläger bereits einen Prozessvertreter bestellt hatte, es also nur um das (zusätzliche) persönliche Erscheinen des Klägers ging. Der Beschluss vom 3. November 2003 III B 55/03 (BFH/NV 2004, 506) erging dagegen zu einem dauerhaft erkrankten Prozessvertreter, der für den zweiten anberaumten Termin darauf hingewiesen worden war, dass eine erneute Terminverlegung nicht in Betracht komme und deshalb bei weiterer Verhinderung ein Terminvertreter bestellt werden müsse. Entsprechendes gilt für den Beschluss vom 24. Mai 1988 IV B 125/87 (BFH/NV 1989, 175). Zwar war der Kläger in jenem Fall ebenfalls nicht vertreten, hatte aber bereits zuvor wegen derselben Erkrankung eine Terminverlegung beantragt. Außerdem hatte das FG auch hier einen Hinweis erteilt, dass bei weiterer Verhinderung ein Vertreter beauftragt werden müsse.
Die vom Kläger beantragte Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG ist dagegen abzulehnen. Zwar hat das FG unzutreffend eine unverschuldete Verhinderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung verneint. Daraus kann aber nicht auf eine Besorgnis der Befangenheit gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO im Hinblick auf alle Richter dieses FG-Senats geschlossen werden, zumal sich das FG ausführlich und sachlich mit den Argumenten des Klägers auseinandergesetzt hat.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird dem FG übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO)