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Beschluss vom 26. März 2015, X B 92/14

Basisgesellschaft - Darlegungsanforderungen im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren - fehlende Anerkennung einer Treuhandvereinbarung durch die eidgenössische Steuerverwaltung - Gehörsrüge - Sachverständigenbeweis

BFH X. Senat

AO § 39 Abs 2 S 1 Nr 1, AO § 41 Abs 1, AO § 42 Abs 1 S 1, BGBEG Art 11, FGO § 76 Abs 1, FGO § 96 Abs 2, FGO § 115, FGO § 116, FGO § 119 Nr 3, FGO § 155, GG Art 103 Abs 1, ZPO § 227 Abs 1

vorgehend FG Düsseldorf, 05. May 2014, Az: 13 K 4576/11 E,G

Leitsätze

1. NV: Wird die "gesellschaftsrechtliche Verflechtung" mit einer Basisgesellschaft i.S. von § 42 Abs. 1 Satz 1 AO mit der Begründung in Abrede gestellt, die zugrunde liegende Treuhandvereinbarung sei nach ausländischem (hier: schweizerischem) Steuerecht nicht anerkennungsfähig, weil formunwirksam, kann es diesem Vortrag an der Entscheidungserheblichkeit fehlen. Denn maßgeblich ist insoweit nicht die ausländische Steuerrechts-, sondern die (internationale) Zivilrechtslage sowie ‑‑nachrangig‑‑ § 41 Abs. 1 AO.

2. NV: Bezieht sich eine Gehörsrüge nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens, sondern nur auf einzelne Feststellungen, muss der Beschwerdeführer substantiiert darlegen, inwiefern das Urteil auf der beanstandeten Gesetzesverletzung beruhen kann.

3. NV: Eine auf die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens (hier: zur schweizerischen Steuerrechtslage) gestützte Aufklärungsrüge ist unschlüssig, wenn sich aus dem angegriffenen Urteil ergibt, dass das FG die damit unter Beweis gestellte Tatsache bei seiner Gesamtwürdigung als wahr unterstellt hat.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 6. Mai 2014  13 K 4576/11 E,G wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) hatte gegen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgrund von umfangreichen, insgesamt fünf Sachverhaltskomplexe umfassenden Ermittlungserkenntnissen (Außen- und Fahndungsprüfungen) Erst- bzw. Änderungsbescheide betreffend die Einkommensteuer 2001 bis 2010 und den Gewerbesteuermessbetrag 2001, 2004 bis 2006 erlassen; außerdem setzte das FA Einkommensteuervorauszahlungen für 2011 fest. Dabei brachte es ‑‑auf Schätzungen basierend‑‑ bisher nicht versteuerte bzw. künftig zu erwartende Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in ‑‑zum Teil‑‑ Millionenhöhe in Ansatz. Nach Teilerfolgen im Einspruchs- und Klageverfahren wenden sich die Kläger nur noch gegen die ‑‑vom Finanzgericht (FG) in Anwendung von § 42 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) dem Grunde nach bestätigte‑‑ Zurechnung der gewerblichen Einkünfte einer ansonsten funktionslosen schweizerischen Aktiengesellschaft an den Kläger ("Sachverhalt X").

  2. Mit der von ihnen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde machen sie zum einen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) geltend. Bei der X handele es sich entgegen der Beurteilung durch die deutschen Finanzbehörden und das FG nicht um eine gesellschaftsrechtlich mit dem Kläger verflochtene Basisgesellschaft. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass der im Zuge von Durchsuchungsmaßnahmen aufgefundene Treuhandvertrag zwischen dem Kläger und dem Treugeber A vom 2. Februar 2004 nicht unterschrieben sei. Dies sei jedoch für die Anerkennung einer derartigen Vereinbarung durch die eidgenössische Steuerverwaltung konstitutiv, was das FG zu Unrecht unberücksichtigt gelassen habe. Der Streitfall werfe demnach die abstrakte und über den entschiedenen Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage auf,

            

    "ob die Finanzgerichte aufgrund von Feststellungen, die sie aus von der Steuerfahndung beschlagnahmten Akten des Steuerpflichtigen getroffen haben, sich über die fehlende ‑‑nach eidgenössischen Steuervorschriften erforderliche‑‑ Schriftform eines Treuhandvertrages zwischen Treugeber und Treuhänder (Aktionär) hinwegsetzen können, oder nicht die Schriftform nach Ortsstatut der Gesellschaft, an der gesellschaftliche Verhältnisse allein wirtschaftlich zugerechnet werden sollen, einzuhalten ist."

  3. Darüber hinaus stützen die Kläger ihre Beschwerde auf Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Kläger die Voraussetzungen eines der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Revisionszulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt haben, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

  2. 1. Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, hat er zuerst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 21. August 2014 X B 159/13, BFH/NV 2014, 1743, unter 1.).

  3. Die Kläger haben bereits die Entscheidungserheblichkeit der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage nicht schlüssig dargetan. Aus ihrem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, ob und wenn ja, mit welchen rechtlichen Konsequenzen es sich bei dem nicht unterschriebenen Dokument lediglich um eine (formlose) "Ausfertigung" (FG-Urteil, Seite 19, 3. Absatz), also gerade nicht um die Urschrift der Vertragsurkunde handelt. Es wird auch nicht erörtert, ob die Schriftform (unter Berücksichtigung des Art. 11 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis 16. Dezember 2009 geltenden Fassung) nach schweizerischem Recht auch für die zivilrechtliche Wirksamkeit der Treuhandvereinbarung einzuhalten war und in welchem Verhältnis Schweizer steuerrechtliche und zivilrechtliche Maßstäbe zueinander stehen sollen. Dessen ungeachtet fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und Literatur zur steuerrechtlichen Anerkennung von (eventuell) formunwirksamen Treuhandvereinbarungen. Da außerdem das Verhältnis von § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu der (dann gegebenenfalls maßgeblichen) Vorschrift des § 41 Abs. 1 AO bereits durch den Bundesfinanzhof (BFH) geklärt ist (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 4. Dezember 2007 VIII R 14/05, BFH/NV 2008, 745, unter II.2.b; dem zustimmend Bundesgerichtshof, Beschluss vom 6. September 2012  1 StR 140/12, BGHSt 58, 1, unter III.1.b; jeweils m.w.N.), hätte es einer Erörterung bedurft, inwieweit gerade § 41 Abs. 1 AO in Fällen mit Auslandsbezug nicht anwendbar sein soll.

  4. 2. Die Kläger haben auch Verfahrensfehler des FG nicht schlüssig gerügt.

  5. a) Bei dem von ihnen geltend gemachten Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) handelt es sich nicht um eine Rüge nach § 119 Nr. 3 FGO, bei der die Kausalität des Verfahrensmangels für die Entscheidung unwiderleglich vermutet wird. Denn eine solche Rüge betrifft nach ständiger Rechtsprechung nur solche Fälle, in denen die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör das Gesamtergebnis des Verfahrens erfasst. Bezieht sich der vermeintliche Gehörsverstoß dagegen, wie im Streitfall, lediglich auf einzelne Feststellungen ‑‑hier den "Sachverhalt X"‑‑, so ist die mögliche Kausalität des beanstandeten Verfahrensmangels für das Urteil ‑‑unter Zugrundelegung des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG‑‑ vom Beschwerdeführer darzulegen und vom Beschwerdegericht zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842, unter II.2.b cc; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 14, m.w.N.).

  6. Zur Beruhensfrage haben sich die Kläger jedoch in diesem Kontext nicht näher verhalten. Vielmehr beschränkt sich ihre Beschwerdebegründung auf den Vortrag, der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war und der durchgängig von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wurde, hätte im Falle der beantragten Terminsverlegung bzw. Vertagung (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung) Darlegungen "zu dem später widerrufenen Geständnis vom 19.07.2007 (...) machen" bzw. "Auskünfte zu der ihm erteilten Vollmacht über Bankkonten" und "den ihm seitens der Y zugerechneten Geldbeträgen" geben können. Dies ist ‑‑auch vor dem Hintergrund, dass die Kläger zu diesen Punkten nach den Feststellungen des FG zum Verfahrensablauf bereits umfassend in ihrer Klagebegründung vorgetragen hatten‑‑ nicht ausreichend, um den gerügten Gehörsverstoß schlüssig darzulegen.

  7. Das gilt umso mehr, soweit das FG auf Seite 37 des Urteils ausführt, dass es "seine Überzeugung, dass Herr A die Anteile an der X treuhänderisch für den Kläger gehalten hat, nicht auf die Erklärung des Klägers vom 19.07.2007 gestützt" hat. Denn damit hat das Gericht klar zum Ausdruck gebracht, dass es für die Entscheidung auf das widerrufene Geständnis des Klägers nicht ankam.

  8. Angesichts der inhaltlichen Beschränkung der Beschwerde auf die sich aus dem "Sachverhalt X" ergebenden steuerlichen Folgen erschließt sich anhand der Begründungsschrift zudem nicht, inwieweit sich eine Gehörsverletzung in Bezug auf die dem Kläger "seitens der A zugerechneten Geldbeträge" ergeben könnte. Denn dieser ‑‑in der Beschwerdebegründung nicht (mehr) näher spezifizierte‑‑ Aspekt betrifft nach den Entscheidungsgründen nicht den "Sachverhalt X", sondern den "Sachverhalt Y".

  9. b) Schließlich ist auch die auf die Nichteinholung des beantragten Sachverständigengutachtens zur schweizerischen Steuerrechtslage gestützte Aufklärungsrüge (§ 76 Abs. 1 FGO) unschlüssig. Das FG hat die ‑‑von den Klägern damit unter Beweis gestellte‑‑ Einstufung der X als "gemischte Gesellschaft" i.S. von "§ 69 Satz 2" (richtig: Absatz 2) des Steuergesetzes des Kantons Zug durch die Schweizer Steuerbehörden ausweislich Seiten 22 und 37 des Urteils bei seiner Gesamtwürdigung als wahr unterstellt. Danach ist aufgrund des Beschwerdevorbringens nicht nachvollziehbar, hinsichtlich welcher ermittlungsbedürftigen Tatsache die Kläger die Sachaufklärungspflicht des FG als verletzt ansehen (grundlegend zu den Darlegungsanforderungen BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66, unter II.A.1.; s. auch Senatsbeschluss vom 8. Juni 2011 X B 214/10, BFH/NV 2011, 2073, unter II.2.a). Dass das Tatgericht den von den Klägern aus der schweizerischen Steuerrechtslage gezogenen Schlussfolgerungen zur eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der X im Rahmen der Beweiswürdigung nicht gefolgt ist, stellt für sich gesehen keinen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensmangel dar.

  10. 3. Hinsichtlich der von dem "Sachverhalt X" nicht berührten Streitjahre fehlt eine Begründung, so dass die Beschwerde auch insoweit unzulässig ist.

  11. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

  12. 5. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

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