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Beschluss vom 11. Februar 2015, V B 107/14

Anforderung einer schriftlichen Prozessvollmacht; Zweifel an Bevollmächtigung; isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung

BFH V. Senat

FGO § 62 Abs 2, FGO § 62 Abs 6, FGO § 145, StBerG § 3 Nr 1, StBerG § 3 Nr 2, StBerG § 3 Nr 3

vorgehend FG Köln, 23. July 2014, Az: 4 K 2394/11

Leitsätze

1. NV: Beim Auftreten einer Person i.S. des § 3 Nr. 1 - 3 StBerG als Bevollmächtigter kann das Gericht den Nachweis der Bevollmächtigung verlangen, sofern begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen.

2. NV: Die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung des FG ist unzulässig, wenn zwar ein Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung (Nichtzulassungsbeschwerde) eingelegt wurde, dieses jedoch unzulässig ist.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 24. Juli 2014  4 K 2394/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen der Umsatzsteuer-Voranmeldungen Januar bis Dezember 2010 als unzulässig verworfen. Diese Klage hatten die Rechtsanwälte X und Y im Namen des Klägers erhoben, trotz mehrfacher Aufforderung des FG aber keine schriftliche Prozessvollmacht eingereicht. Das FG begründete die Klageabweisung damit, dass der Mangel einer Vollmacht auch dann geprüft werden könne, wenn als Bevollmächtigter eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 bis 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) auftritt (§ 62 Abs. 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Im Klageverfahren gegen die ‑‑zwischenzeitlich erlassenen‑‑ Umsatzsteuer-Jahresbescheide 2010 und 2011 seien nicht die Prozessvertreter des vorliegenden Verfahrens (X und Y) aufgetreten, sondern die Z-Ltd. Das Agieren unterschiedlicher Prozessvertreter habe Anlass zur Prüfung gegeben, ob der Kläger in dem die Umsatzsteuer-Voranmeldungen betreffenden Verfahren die erforderliche Prozessvollmacht erteilt habe. Da die Prozessvertreter ihre Bevollmächtigung nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgewiesen hätten, sei die Klage als unzulässig abzuweisen.

  2. Mit ihrer Beschwerde rügt der Kläger einen Verfahrensmangel. Das FG habe die Vollmacht ermessensfehlerhaft angefordert. Die im Urteil angeführten Zweifel an einer Bevollmächtigung seien in keiner Weise nachvollziehbar, sondern beruhten auf Willkür. Dem FG sei bekannt, dass der Rechtsanwalt X und die Z-Ltd. in einem engen kollegialen Verhältnis zueinander stünden; es gebe daher eine Unzahl an Verfahren, in denen Rechtsanwalt X Verfahren als Bevollmächtigter von der Z-Ltd. übernommen habe, nachdem diese Gesellschaft als Bevollmächtigte zurückgewiesen worden sei. Die Bearbeitung der einen Streitsache (Umsatzsteuer 2010) von der Z-Ltd. und der anderen (Umsatzsteuer-Voranmeldungen 2010) von Rechtsanwalt X gebe in keinerlei Hinsicht Anlass zu Zweifeln an der Bevollmächtigung.

  3. Ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, dass die Verfahrenskosten nicht nur dem Rechtsanwalt X, sondern auch der bei diesem nur angestellten Rechtsanwältin Y auferlegt worden seien. Da Y in keiner Weise als Bevollmächtigte in der Sache aufgetreten und auf dem Briefkopf ausdrücklich als Angestellte bezeichnet worden sei, bestehe gegen diese kein Haftungstatbestand.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde ist unbegründet.

  2. 1. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Rechtsanwälte X und Y im finanzgerichtlichen Verfahren keine Vollmacht vorgelegt haben.

  3. a) Nach § 62 Abs. 2 FGO können sich die Beteiligten u.a. durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Bevollmächtigung ist durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen (§ 62 Abs. 6 Satz 1 FGO). Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter eine in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO bezeichnete Person oder Gesellschaft auftritt (§ 62 Abs. 6 Satz 4 FGO).

  4. Aus § 62 Abs. 6 Satz 4 FGO folgt nicht zwingend, dass das Fehlen der Prozessvollmacht bei Auftreten einer in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO bezeichneten Person oder Gesellschaft unbeachtlich ist. Vielmehr ist in einem solchen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob die Vorlage einer Vollmacht für notwendig erachtet wird oder nicht (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15. April 2010 V B 7/09, BFH/NV 2010, 1830). Danach kann eine Vollmacht bei begründeten Zweifeln an der Bevollmächtigung angefordert werden (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 2003 VII R 18/02, BFHE 201, 409, BStBl II 2003, 606, m.w.N.). Für die Annahme derartiger Zweifel an einer Bevollmächtigung, die bei dem Auftreten von Personen i.S. von § 3 Nr. 1 bis 3 StBerG die Anforderung einer Vollmacht rechtfertigen können, müssen jedoch konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die in § 62 Abs. 6 Satz 4 FGO genannte Person oder Gesellschaft tatsächlich nicht oder nicht wirksam bevollmächtigt ist (BFH-Beschluss vom 7. Mai 2014 II B 117/13, BFH/NV 2014, 1232, m.w.N.). Da die Anforderung der Vollmacht keinen strengen Ausnahmecharakter hat, darf der Nachweis der Vollmacht verlangt werden, sofern ‑‑zumindest geringe‑‑ Zweifel bestehen (BFH-Beschluss vom 24. Juni 2008 IV B 83/07, BFH/NV 2008, 1856, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 62 FGO in BTDrucks 14/4061, S. 7 f., unter III.B. zu Nr. 3).

  5. b) Im Streitfall enthalten sowohl das Schreiben des FG vom 5. Februar 2013 als auch die Entscheidungsgründe des Urteils Erwägungen, die geeignet sind, Zweifel an der Bevollmächtigung der Rechtsanwälte X und Y zu rechtfertigen: Das FA hatte am 24. September 2012 einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2010 erlassen, gegen den die Z-Ltd. im Namen des Klägers Klage erhob. Damit waren für das Streitjahr 2010 zwei Rechtsstreitigkeiten anhängig, in denen es um dieselben materiell-rechtlichen Fragen ging und die zueinander in vielfältiger Beziehung stehen:

  6. Die Jahressteuerfestsetzung nimmt materiell-rechtlich den Inhalt der Steuerfestsetzungen für die Voranmeldungszeiträume in sich auf, sodass die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide ihre Wirksamkeit verlieren (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671; BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2009 V B 23/08, BFH/NV 2010, 1866). Das materielle Ergebnis der im Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich mit dem Jahresumsatzsteuerbescheid festgestellt (BFH-Beschluss vom 22. August 1995 VII B 107/95, BFHE 178, 532, BStBl II 1995, 916, 917; BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 130/86, BFHE 163, 408, BStBl II 1991, 465, 466). Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen haben eine nur vorläufige Wirkung. Dies zeigt sich daran, dass diese keiner materiellen Bestandskraft in dem Sinne fähig sind, dass ‑‑mit gegenüber dem Jahressteuerbescheid durchsetzbarer Verbindlichkeit‑‑ über das Bestehen einer Umsatzsteuerschuld entschieden wird (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 1999 VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46 ff., 51, unter 2.b ddd) mit Hinweis auf die Senatsurteile vom 29. November 1984 V R 146/83 (BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370) sowie vom 1. Oktober 1992 V R 81/89 (BFHE 169, 117, BStBl II 1993, 120). Das endgültige materiell-rechtliche Schicksal der Vorauszahlungsschuld hängt daher grundsätzlich von der Festsetzung der Jahresumsatzsteuer ab (BFH-Urteil in BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46 ff., 51, unter 2.b ddd). In verfahrensrechtlicher Hinsicht bewirkt die Festsetzung der Jahresumsatzsteuer, dass sich die Steuerfestsetzungen für Voranmeldungszeiträume aufgrund von Voranmeldungen oder Vorauszahlungsbescheiden nach § 124 Abs. 2 der Abgabenordnung auf andere Weise erledigen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, m.w.N.).

  7. Auch wenn es einem Steuerpflichtigen unbenommen ist und bleibt, in derartigen Fällen zwei Vertreter mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen, entspräche dies nicht dem Regelfall. Die aufgezeigten Besonderheiten geben vielmehr Anlass zur Nachfrage und Prüfung des FG, ob tatsächlich der Ausnahmefall einer doppelten Bevollmächtigung vorliegt.

  8. c) Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass das FG von einer kollegialen Zusammenarbeit des Rechtsanwalts X mit der Z-Ltd. gewusst und dieser zahlreiche Verfahren der Z-Ltd. nach deren Zurückweisung als Bevollmächtigte übernommen habe. Denn es ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass die Z-Ltd. im Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer 2010 vom FG zurückgewiesen wurde.

  9. d) Kommt das Gericht ‑‑wie im Streitfall‑‑ zu dem Ergebnis, dass die Vorlage der Vollmacht nicht verzichtbar ist, so ist der von dem vollmachtlosen Vertreter eingelegte Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 1830, und vom 11. November 2009 I B 153/09, BFH/NV 2010, 904).

  10. 2. Soweit der Kläger rügt, dass die Kosten des Rechtsstreits zu Unrecht auch der Rechtsanwältin Y auferlegt wurden, ist die Beschwerde gemäß § 145 FGO unzulässig. Hiernach ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht ein Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung eingelegt wird bzw. wenn dieses ‑‑wie im Streitfall‑‑ unzulässig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. November 2011 IV B 85/10, BFH/NV 2012, 585, und vom 19. Dezember 2007 X B 89/07, BFH/NV 2008, 599).

  11. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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