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Urteil vom 06. Mai 2014, IX R 27/13

Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften nach der BVerfG-Entscheidung "Rückwirkung im Steuerrecht I" - im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 6. Mai 2014 IX R 39/13 - Die Entscheidung wurde nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; sie war seit dem 03.09.2015 als NV-Entscheidung abrufbar

BFH IX. Senat

EStG § 23 Abs 1 S 1, EStG § 23 Abs 3 S 1, EStG § 23 Abs 3 S 3, EStG § 52 Abs 39 S 1, GG Art 3 Abs 1, GG Art 20 Abs 1

vorgehend FG Münster, 20. June 2013, Az: 4 K 1918/11 E

Leitsätze

1. Wird eine Immobilie nach Ablauf der ursprünglichen Spekulationsfrist von zwei Jahren und vor Ablauf der neuen Spekulationsfrist von zehn Jahren steuerbar veräußert, sind Sonderabschreibungen und AfA-Beträge, die in der Zeit bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 zum 1. April 1999 in Anspruch genommen worden sind, dem nicht steuerbaren Zeitraum zuzuordnen.

2. Die in Ziff. II.1. des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2010 (BStBl I 2011, 14) vorgesehene Vereinfachungsregel, wonach bei der Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Umfang des steuerbaren Wertzuwachses entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31. März 1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit linear (monatsweise) zu ermitteln ist, entspricht insoweit nicht der Rechtsprechung des BVerfG, als dadurch Wertsteigerungen, die im Fall einer Veräußerung vor dem 1. April 1999 nicht steuerverhaftet waren, nachträglich in die Besteuerung einbezogen werden (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76).

3. Veräußerungskosten sind bei der Ermittlung der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht aufzuteilen, sondern als Werbungskosten in vollem Umfang vom steuerbaren Veräußerungsgewinn abzuziehen (Anschluss an die frühere Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 14, unter II.1.; entgegen der späteren Auffassung in der Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern S 2256.1.1 4/8 St 32 vom 20. April 2011).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 21. Juni 2013  4 K 1918/11 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Gewinns aus der Veräußerung eines Grundstücks im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) teilweise für verfassungswidrig erklärte Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre.

  2. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Vertrag vom 3. Dezember 1996 erwarb der Kläger ein bebautes Grundstück. Die Anschaffungskosten betrugen insgesamt 360.679 DM. Der Kläger vermietete das Grundstück, bis er es mit Vertrag vom 1. September 1999 für 290.000 DM veräußerte. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nahm er für das Gebäude im Anschaffungsjahr eine Sonderabschreibung nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FöGbG) in Höhe von 170.020 DM und im Übrigen Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 6.712 DM in 1997, 7.384 DM in 1998 und 6.768 DM in 1999 vor. Die Abschreibungen beliefen sich insgesamt auf 190.884 DM. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1999 erklärte der Kläger folgende Berechnung des Veräußerungsgewinns:

  3. Anschaffungskosten 1996

          

    360.679 DM

    § 4 FöGbG

    170.020 DM

            

    Regel-AfA 1997

    6.712 DM

            

    Regel-AfA 1998

    7.384 DM

            

    Regel-AfA 1999

    6.768 DM

            

    AfA gesamt

            

    190.884 DM

    "Buchwert"

            

    169.795 DM

    Verkaufspreis

            

    290.000 DM

    Differenz

            

    120.205 DM

    Veräußerungskosten

            

    172 DM

    Veräußerungsgewinn

            

    120.033 DM

  4. Zugleich beantragte der Kläger, den Veräußerungsgewinn wegen der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ‑‑StEntlG 1999/2000/2002‑‑ (BGBl I 1999, 402) steuerfrei zu stellen.

  5. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte im erstmaligen Einkommensteuerbescheid für 1999 den vollen Veräußerungsgewinn als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Das Verfahren über den hiergegen eingelegten Einspruch ruhte zunächst wegen der beim BVerfG anhängigen Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der Spekulationsfrist. Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05 (BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76) entschieden hatte, dass die Verlängerung der Spekulationsfrist verfassungswidrig ist, soweit Wertsteigerungen bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 besteuert werden, legte das FA unter Anwendung des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 20. Dezember 2010 (BStBl I 2011, 14) in einem geänderten Einkommensteuerbescheid einen geminderten Veräußerungsgewinn in Höhe von 18.222 DM zugrunde. Diesen berechnete es wie folgt:

  6. Zeitraum

    Wertzuwachs

           

    03.12.1996 - 01.09.1999 = 32,935 Monate

    120.033 DM

            

    03.12.1996 - 31.03.1999 = 27,935 Monate

    101.811 DM

    steuerfrei

    01.04.1999 - 01.09.1999 = 5 Monate

    18.222 DM

    steuerpflichtig

  7. Im Übrigen wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

  8. Die dagegen von den Klägern erhobene Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte in der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1499 veröffentlichten Entscheidung die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 mit 4.904 DM an. In den Fällen, in denen die Spekulationsfrist am 31. Dezember 1998 bereits abgelaufen sei, verstoße die Anwendungsbestimmung zur Neuregelung gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und sei nichtig, soweit in dem Veräußerungsgewinn auch Wertsteigerungen erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden seien und die nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Verkündung steuerfrei hätten realisiert werden können. Der auf den Zeitraum vor dem 1. April 1999 entfallende Veräußerungsgewinn betrage 115.129 DM und sei nicht steuerbar. Es sei bei der Berechnung des bis zum 31. März 1999 entstandenen und damit nicht steuerbaren Teils des Veräußerungsgewinns zutreffend die bis zu diesem Zeitpunkt in Anspruch genommenen AfA sowie die Sonderabschreibung nach § 4 FöGbG von den Anschaffungskosten abzuziehen. Es komme nicht darauf an, ob es sich um tatsächliche Steigerungen des Grundstückswerts handele oder der Veräußerungsgewinn überwiegend deshalb entstehe, weil in der Vergangenheit gesetzlich zulässige Sonderabschreibungen in Anspruch genommen worden seien. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Steuerfreiheit der mit Ablauf der Zweijahresfrist geschützten Vermögensposition sei in diesem Fall verfassungsrechtlich ebenso geschützt wie bei tatsächlichen Wertsteigerungen. Eine zeitlich lineare Aufteilung, wie sie vom FA entsprechend dem BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 14 vorgenommen worden sei, entspreche nicht den Vorgaben des BVerfG. Der steuerfrei zu belassene Veräußerungsgewinn betrage 115.129 DM. Nur die Differenz zum gesamten Veräußerungsgewinn nach Abzug der Veräußerungskosten (120.033 DM) in Höhe von 4.904 DM sei daher steuerpflichtig.

  9. Mit seiner Revision bringt das FA vor, das FG habe den Veräußerungsgewinn unzutreffend ermittelt. Sonderabschreibungen und AfA seien keine Wertzuwächse im Sinne der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76. Unter Wertzuwachs sei nur eine Steigerung des Werts zu sehen. Sonderabschreibungen und AfA seien aber das genaue Gegenteil einer Werterhöhung. Dies werde durch die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestätigt. Die Vorschrift regele, dass die AfA die Anschaffungskosten mindere, nicht aber den Wert des Wirtschaftsguts erhöhe. Die Auffassung des FG gehe auch nach Sinn und Zweck des § 23 Abs. 3 EStG fehl. Ziel der Vorschrift sei es, durch Gegenüberstellung von Buchwert und Veräußerungspreis die stillen Reserven vollständig zu erfassen und gleichmäßig zu besteuern. Eine Sonderabschreibung führe aber zu einem gegenteiligen Effekt. Sie führe dazu, dass die Steuerlast im Jahr der Inanspruchnahme unmittelbar sinke und in der Folge ein etwaiger Veräußerungsgewinn ansteige. Zudem gehe auch das BVerfG davon aus, dass die Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei zu realisieren, für sich alleine noch keine vertrauensrechtlich geschützte Position begründe. Zu den tatsächlichen Wertzuwächsen, auf die es alleine ankomme, habe das FG aber keine Feststellungen getroffen.

  10. Das FA beantragt,
    das Urteil des FG Münster vom 21. Juni 2013  4 K 1918/11 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  11. Die Kläger beantragen,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

  2. Die vom FG vorgenommene Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ist nicht zu beanstanden. Das FG hat im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 zutreffend bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften eine Aufteilung zwischen dem steuerbaren und dem nicht steuerbaren Veräußerungsgewinn vorgenommen (1.). Das FG hat weiter in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage der Entscheidung in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 auf den 31. März 1999 einen Verkehrswert in Höhe von 290.000 DM zugrunde gelegt (2.). Weiter hat es zutreffend in Abweichung der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung die von den Klägern vorgenommene Sonderabschreibung dem Zeitraum bis zum 31. März 1999 dem nicht steuerbaren Zeitraum zugeordnet (3.). Ebenfalls hat das FG die Veräußerungskosten zu Recht in vollem Umfang von dem nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Veräußerungsgewinn abgezogen (4.).

  3. 1. Das FG hat im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 zutreffend bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften eine Aufteilung zwischen dem steuerbaren und dem nicht steuerbaren Veräußerungsgewinn vorgenommen.

  4. a) Nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auch Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass hinsichtlich des streitigen Grundstücks ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegt. Denn der Kläger hat das bebaute Grundstück im Dezember 1996 erworben und mit Vertrag vom 1. September 1999 innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist wieder veräußert.

  5. b) Gewinn oder Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindern sich um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 EStG abgezogen worden sind (§ 23 Abs. 3 Satz 3 EStG). Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG in der bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Fassung waren Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken nur dann steuerbar, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre betrug. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 wurde § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dahingehend geändert, dass nunmehr eine zehnjährige Frist gilt. Die Neuregelung ist auf alle Veräußerungsgeschäfte anwendbar, bei denen der obligatorische Vertrag nach dem 31. Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossen wurde (§ 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002).

  6. c) Nach der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 ist die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre wegen des Verstoßes gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes insoweit verfassungswidrig und daher nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind und nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war. Insoweit war bereits eine konkret verfestigte Vermögensposition entstanden, die durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist nachträglich entwertet wird. Aufgrund dieser Entscheidung ist ‑‑was zwischen den Beteiligten im Ausgangsverfahren unstreitig ist‑‑ eine Aufteilung des Veräußerungsgewinns aus der Veräußerung des Grundstücks in einen Anteil für den bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/ 2002 (31. März 1999) entstandenen nicht steuerbaren Wertzuwachs und in einen Anteil für den nach Verkündung dieses Gesetzes entstandenen steuerbaren Wertzuwachs vorzunehmen.

  7. 2. Das FG hat weiter in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage der Entscheidung in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 auf den 31. März 1999 einen Verkehrswert in Höhe von 290.000 DM zugrunde gelegt.

  8. a) Nach der Entscheidung in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 ist für die Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns nicht auf die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzustellen, sondern auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 21. August 2013  9 K 252/11, EFG 2013, 1840, unter 1.b bb). Insoweit ist auf den Marktpreis, also den Verkehrswert zu diesem Zeitpunkt (und nicht auf die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten) abzustellen. Aufgrund der Schwierigkeit und Streitanfälligkeit, den zutreffenden Wert auf diesen Zeitpunkt zu ermitteln, kann dieser im Wege der Schätzung ermittelt werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b cc(3); vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 25. April 2013  8 K 3988/11 F, juris, unter juris-Rz 24).

  9. b) Danach hat das FG in revisionsrechtlich zutreffender Weise den Verkehrswert des streitigen Grundstücks zum 31. März 1999 zutreffend mit 290.000 DM angesetzt. Maßgebend für die Auffassung des FG, den Verkehrswert und den späteren Veräußerungspreis deckungsgleich anzusetzen, war die Tatsache, dass das Grundstück nur fünf Monate später an einen fremden Dritten für 290.000 DM veräußert worden war. Aufgrund dieses verhältnismäßig kurzen Zeitraums zwischen Bewertungsstichtag und Veräußerung ist das FG davon ausgegangen, dass das Grundstück in diesem Zeitraum keinen Wertveränderungen ausgesetzt war. Diese tatsächliche Würdigung des FG ist möglich und in sich schlüssig, sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze oder gesetzliche Auslegungsregeln. Der Bundesfinanzhof (BFH) ist daher an diese zu den tatsächlichen Feststellungen gehörende und nicht weiter mit Verfahrensrügen angegriffene Gesamtwürdigung des FG gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

  10. 3. Das FG hat auch zutreffend die vorgenommene Sonderabschreibung dem Zeitraum zugeordnet, in dem sie steuerlich berücksichtigt worden ist, und damit dem Zeitraum der nicht steuerverstrickten Wertsteigerung. Nach der Entscheidung des BVerfG sind Wertsteigerungen steuerlich nicht zu erfassen, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind oder nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zur Verkündung des Gesetzes steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Denn die Verlängerung der Spekulationsfrist führte zu einer unechten Rückwirkung (a), der im Ausgangsfall das schutzwürdige Vertrauen des Klägers auf die steuerlich wirksame Vornahme einer Sonderabschreibung entgegenstand (b). Für die Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens spielt es auch keine Rolle, ob die Wertsteigerungen aufgrund einer Erhöhung des Verkehrswerts oder aufgrund von Sonderabschreibungen entstanden sind (c). Der von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 14 vertretenen Auffassung einer zeitanteiligen Aufteilung ist daher insoweit nicht zu folgen (d).

  11. a) Im Fall des Klägers führte die Verlängerung der Spekulationsfrist zu einer unechten Rückwirkung (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.). Denn bei Inkrafttreten der Neuregelung war die zweijährige Spekulationsfrist abgelaufen und der aus der Vornahme der Sonderabschreibung resultierende (erhöhte) Veräußerungsgewinn wäre ‑‑z.B. bei einer Veräußerung Ende Dezember 1998‑‑ nicht steuerbar gewesen. Diese Vermögensposition ‑‑zu der auch die wirksame Vornahme einer Sonderabschreibung gehört‑‑ wird durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist und die damit verbundene Anwendung des § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG nachträglich entwertet (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b aa).

  12. b) Das Vertrauen des Klägers ist hier auch besonders schutzwürdig, weil zum einen die Sonderabschreibung bereits 1996 in Anspruch genommen wurde und zum anderen die zweijährige Spekulationsfrist bereits am 3. Dezember 1998  24:00 Uhr abgelaufen war, mithin der Kläger bereits mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1998 und damit vor Inkrafttreten der Neuregelung den Veräußerungsgewinn nicht steuerbar hätte realisieren können. Für diesen Fall erhöhen sich die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Denn im Fall des Ablaufs der zweijährigen Spekulationsfrist vor Inkrafttreten der Neuregelung und vor Ablauf des Veranlagungszeitraums 1998 läuft der einkommensteuerliche Zugriff auf die nicht steuerbar erworbenen Vermögenszugänge dem Gebot einer folgerichtigen Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Belastungsentscheidung zuwider (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b bb).

  13. Wie die Besteuerung betrieblicher Gewinne zielt die Besteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen nach § 23 EStG und die damit verbundene Berücksichtigung der in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen und AfA auf eine die Liquidität der Steuerpflichtigen schonende Erfassung von Wertsteigerungen an einzelnen Vermögensgegenständen erst im Zeitpunkt der Realisierung des Gewinns durch Veräußerung. Dies erfolgt nicht deshalb, weil erst zu diesem Zeitpunkt der Wertzuwachs oder die stille Reserve entsteht, obwohl beide bereits zuvor beim Steuerpflichtigen vorhanden waren und sich im Fall der Sonderabschreibung auch steuerlich zu seinen Gunsten ausgewirkt haben. Vielmehr werden die Besteuerung früherer Vermögenszuwächse und damit auch die Aufholung in Anspruch genommener Sonderabschreibungen und AfA im Zeitpunkt der Veräußerung nachgeholt. Insoweit folgt nach Ansicht des BVerfG die Gewinnermittlung nach § 23 EStG im Zeitpunkt der Veräußerung der Logik der allgemeinen betrieblichen Gewinnermittlung bei der Veräußerung der einzelnen Gegenstände (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b bb).

  14. Diesen durch Vermögensvergleich und Realisationsprinzip geprägten systematischen Zusammenhang der einkommensteuerlichen Gewinnbesteuerung durchbricht die rückwirkende Erfassung von Wertzuwächsen und die Rückgängigmachung in Anspruch genommener Sonderabschreibungen in gleicher Weise. Soweit im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns Abschreibungsbeträge einbezogen werden, die sich vor dem Veranlagungszeitraum 1999 ausgewirkt haben und deren Aufholung bis zum Ende des Jahres 1998 nicht steuerbar gewesen wäre, kann von einem "Nachholen" der Besteuerung daher nicht die Rede sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.2.b bb). Die Besteuerung erfasst vielmehr in nicht folgerichtiger Weise Gewinnbestandteile, die bis dahin nicht der Einkommensteuer unterlegen hätten.

  15. Hätte der Kläger nach Ablauf der alten Spekulationsfrist von zwei Jahren am 4. Dezember 1998 das Grundstück bis zum 30. März 1999 veräußert, so hätten die bis dahin gewährten Sonderabschreibungen und AfA in Höhe von insgesamt 186.654 DM gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG die Anschaffungskosten gemindert, d.h. der entsprechende Veräußerungsgewinn wäre im Streitfall entsprechend erhöht ‑‑aber nicht steuerbar‑‑ gewesen. Da ab 31. März 1999 bis zum Verkauf des Grundstücks nur noch AfA in Höhe von insgesamt 4.230 DM gewährt wurden und sich steuerlich im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ausgewirkt haben, wird deutlich, dass der weitaus höhere Anteil des nach der Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ermittelten Veräußerungsgewinns in den Zeitraum vom 3. Dezember 1996 bis 30. März 1999 fällt und nicht steuerbar ist.

  16. c) Weiter wird vom BVerfG in seinen tragenden Entscheidungsgründen nicht unterschieden, ob die Wertsteigerungen aufgrund einer Erhöhung des Verkehrswerts über die Anschaffungskosten hinaus oder aufgrund der Vornahme von Sonderabschreibungen und AfA sowie des Absinkens des "Buchwerts" i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG unter die Anschaffungskosten entstanden sind. Zwar führt das FA zutreffend aus, dass die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen keinen Einfluss auf den Wert eines Grundstücks hat. Darauf kommt es aber nicht an. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Nichtsteuerbarkeit der mit Ablauf der (alten) zweijährigen Spekulationsfrist geschützten Vermögensposition ist im Fall der Vornahme einer Sonderabschreibung ebenso schützenswert wie bei tatsächlichen Wertsteigerungen des Grundstücks (Niedersächsisches FG in EFG 2013, 1840, unter 1.b bb(2); FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 2013  8 K 3145/11, juris, unter 1.c; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. März 2012  7 V 7191/11, EFG 2012, 1462; auch FG Düsseldorf, Urteil vom 25. April 2013  8 K 3988/11 F, juris, unter juris Rz 25, 27). Das FA kann sich auch nicht darauf berufen, die Sonderabschreibung gewähre nur einen vorübergehenden Steuerstundungseffekt, der sich auf die Gesamtperiode gesehen nicht auswirken dürfe. Denn auch unter Geltung der zehnjährigen Frist bei privaten Veräußerungsgeschäften kann mangels besonderer, über diesen Zeitraum hinausgehender Behaltefristen im Fördergebietsgesetz nach Ablauf der Frist ein begünstigtes abnutzbares unbewegliches Wirtschaftsgut nichtsteuerbar veräußert und damit der durch die Sonderabschreibung bewirkte Unterschiedsbetrag zwischen Verkehrswert und Buchwert vom Steuerpflichtigen ohne Steuerbelastung realisiert werden.

  17. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Fördergebietsgesetz in Gestalt der Sonderabschreibung dem Steuerpflichtigen eine Steuervergünstigung anbietet, die er nur in einem bestimmten Zeitraum annehmen kann. Dieses Angebot für eine steuerliche Disposition schafft mit der zeitlichen Bindung eine Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpflichtige seine Entscheidung stützt. Er entscheidet sich um des steuerlichen Vorteils willen für ein bestimmtes Verhalten ‑‑z.B. Anschaffung einer Immobilie im Fördergebiet‑‑, das er ohne den steuerlichen Anreiz so nicht gewählt hätte. Das Vertrauen auf die steuerwirksame Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung gehört damit vom Tag der Inanspruchnahme an zu einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, unter C.I.2.; vom 5. Februar 2002  2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, 105, 17, unter C.II.3.b cc; BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.2.d und 4.b).

  18. d) Der von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 14, unter II.1. vertretenen Auffassung einer zeitanteiligen linearen Zuordnung entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31. März 1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit ist daher insoweit nicht zu folgen, als dadurch Wertsteigerungen, die im Fall einer Veräußerung vor dem 1. April 1999 nicht steuerverhaftet waren, nachträglich in die Besteuerung einbezogen werden. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nachvollziehbar. Sie widerspricht jedoch der Entscheidung des BVerfG, wonach in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich nicht zu erfassen sind, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/ 2002 am 31. März 1999 entstanden waren oder nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zur Verkündung des Gesetzes steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Denn die zeitanteilige Zuordnung der Abschreibungen wie sie vom FA entsprechend der Regelung in Tz. II.1. des BMF-Schreibens in BStBl I 2001, 14 vorgenommen wurde, hat zur Folge, dass in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns "stille Reserven" einbezogen werden, die bis zum 30. März 1999 nicht steuerbar hätten realisiert werden können (so auch Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 1840, unter 1.b bb; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 2013  8 K 3145/11, juris, unter 1.c).

  19. 4. Das FG hat die Veräußerungskosten zutreffend in vollem Umfang von dem nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Veräußerungsgewinn abgezogen und die Veräußerungskosten nicht anteilig auf die nicht steuerbare und die steuerbare Wertsteigerung aufgeteilt.

  20. a) Es werden in Finanzverwaltung und finanzgerichtlicher Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten, ob die im Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks entstandenen Veräußerungskosten ‑‑im Streitfall in Höhe von 172 DM‑‑ in vollem Umfang oder nur anteilig zu berücksichtigen sind. Das Niedersächsische FG hält eine Aufteilung der Kosten im Verhältnis des steuerpflichtigen Anteils des Veräußerungsgewinns zum Gesamtveräußerungsgewinn (jeweils ohne Berücksichtigung der Veräußerungskosten) in Anlehnung an das § 3c Abs. 1 EStG zugrunde liegende Korrespondenzprinzip für zutreffend (Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 1840, unter 1.b bb(3)). Die Finanzverwaltung vertrat in dem BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 14, unter II.1. zunächst die Auffassung, dass es einer anteiligen Zuordnung der nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften abziehbaren Werbungskosten nicht bedürfe, sondern diese in vollem Umfang vom steuerbaren Veräußerungsgewinn abzuziehen seien. Nunmehr soll nach geänderter Auffassung der Finanzverwaltung eine Zuordnung zeitanteilig der steuerbaren und der nicht steuerbaren Besitzzeit vorgenommen werden (vgl. Bayerisches Landesamt für Steuern S 2256.1.1-4/8 St 32 vom 20. April 2011, juris).

  21. b) Der Senat hält im Ergebnis die im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 14 vertretene Auffassung ‑‑Abzug der Veräußerungskosten vom steuerpflichtigen Teil‑‑ für zutreffend. Die Kosten werden allein durch die steuerbare Veräußerung im September 1999 ausgelöst, während bis zum 31. März 1999 keine Veräußerung und damit kein Ereignis vorliegt, das steuerlich bedeutsame Kosten verursacht. Zudem bezieht sich die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76 allein auf die Nichtsteuerbarkeit der Wertsteigerungen, die bis zum 31. März 1999 steuerfrei realisiert worden sind oder hätten realisiert werden können. Der Tenor der Entscheidung stellt mithin die bis zum 31. März 1999 entstandene Wertsteigerung insgesamt steuerfrei, ohne sich zu einer Verringerung um (anteilige) Veräußerungskosten zu äußern.

  22. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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