BFH I. Senat
EStG § 1 Abs 3, EStG § 1a Abs 1 Nr 2, EStG § 49 Abs 1 Nr 7, EStG § 49 Abs 1 Nr 10, DBA AUT 2000 Art 18 Abs 1, DBA AUT 2000 Art 18 Abs 2, EStG VZ 2009 , EStR 2012 R 1 S 3, FGO § 60 Abs 3, EStG § 26 Abs 1 S 1
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern , 14. January 2014, Az: 1 K 385/11
Leitsätze
Bei der Frage, ob Ehegatten die Einkunftsgrenzen (relative oder absolute Wesentlichkeitsgrenze) für das Wahlrecht zur Zusammenveranlagung in Fällen der fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG 2009) wahren, ist im Rahmen einer einstufigen Prüfung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag zu verdoppeln (gegen R 1 EStR 2012) .
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Januar 2014 1 K 385/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) lebte im Streitjahr (2009) zusammen mit seiner Ehefrau (F) in Österreich. Beide sind österreichische Staatsbürger.
F hat im Streitjahr keine Einkünfte erzielt. Für den Kläger ergaben sich hingegen nach den Vorschriften des (deutschen) Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) ermittelte Welteinkünfte in Höhe von 18.791,83 €. Hierzu gehörte die von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) bezogene Leibrente, deren im Inland steuerpflichtiger Ertragsanteil (56 %; Rentenbeginn im Jahr 2008) sich nach Abzug des anteiligen Werbungskostenpauschbetrags (49 €) auf 8.977 € belief (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 49 Abs. 1 Nr. 7, § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG 2009 i.V.m. Art. 18 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. August 2000, BGBl II 2002, 734, BStBl I 2002, 584 ‑‑DBA-Österreich 2000‑‑). Zu den weiteren, nur in Österreich steuerpflichtigen Einkünften (insgesamt: 9.814,83 €; vgl. auch Art. 18 Abs. 1 DBA-Österreich 2000), gehörten neben Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Pensionskasse) aus der früheren Arbeitnehmertätigkeit des Klägers bei einem (inländischen) Arbeitgeber (rd. 10.000 €; Ertragsanteile: 3.260,41 €) Leistungen der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt (brutto: 11.798,97 €; Ertragsanteil (56 %) nach Abzug des anteiligen Werbungskostenpauschbetrags (53 €): 6.554,42 €).
Die Eheleute beantragten bezüglich der im Inland steuerpflichtigen Renteneinkünfte für das Streitjahr die Zusammenveranlagung. Dem Antrag war eine Bescheinigung EU/EWR des zuständigen österreichischen Finanzamts beigefügt, nach der im Rahmen der Veranlagung in Österreich Einkünfte in Höhe von 15.347,21 € angesetzt worden sind (davon: 9.603,95 € für die österreichische Pensionsleistung sowie 5.743,26 € für die Betriebsrente des inländischen Arbeitgebers).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) hat den Antrag abgelehnt und den Kläger mit seinen Einkünften aus der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) als beschränkt einkommensteuerpflichtig veranlagt. Eine Zusammenveranlagung komme nicht in Betracht, weil der Kläger die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009 nicht erfülle; die der inländischen Besteuerung unterliegenden Einkünfte beliefen sich auf weniger als 90 % seiner Welteinkünfte, zudem würden seine in Österreich steuerpflichtigen Einkünfte den ihm zustehenden Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 EStG 2009 (7.834 €) überschreiten. Eine Zusammenveranlagung gemäß § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 scheide deshalb ungeachtet dessen aus, dass im Falle der Verdoppelung des Grundfreibetrags (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG 2009) diese Grenze (15.668 €) ‑‑bezogen auf die Einkünfte beider Eheleute‑‑ nicht überschritten werde. Der Einspruch der Eheleute blieb ohne Erfolg; die Einspruchsentscheidung ist nur an den Kläger gerichtet.
Der hiergegen gerichteten Klage des Klägers hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben und das FA verpflichtet, die Eheleute zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15. Januar 2014 1 K 385/11, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2014, 1106).
Mit der Revision beantragt das FA, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger mit seiner Ehefrau im Streitjahr nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen ist.
1. Die Klage des Klägers ist zulässig. Über den Antrag zur Zusammenveranlagung ist ‑‑wie vom FG zutreffend angenommen‑‑ sachlich ohne Beiladung von F zu entscheiden. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen seines Urteils vom 1. Oktober 2014 I R 18/13 (BFHE 247, 388, BStBl II 2015, 474).
2. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG 2009 werden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG 2009 erzielen. Voraussetzung hierfür ist gemäß Satz 2 der Vorschrift, dass entweder die Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2009 nicht übersteigen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze). Die vorgenannten Regelungen werden in § 1a EStG 2009 in der Weise ergänzt, dass für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU), die nach § 1 Abs. 1 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder die nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln sind, bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG 2009) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009) und bei Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009 (relative und absolute Wesentlichkeitsgrenze) auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2009 zu verdoppeln ist.
a) Die Vorinstanz ist im Einvernehmen mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass der Kläger und seine Ehefrau, die beide im Streitjahr weder ihren Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt (§§ 8, 9 der Abgabenordnung) im Inland hatten und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der EU (Österreich) sind, dann die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer erfüllen, wenn in die Prüfung der absoluten Wesentlichkeitsgrenze (Einkunftsgrenze) nur die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte beider Ehegatten einbezogen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009) und diese mit dem doppelten Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2009; 2 x 7.834 € = 15.668 €) verglichen werden. Der Senat hat nach dem festgestellten Sachverhalt keine Veranlassung, dieses (rechnerische) Ergebnis in Frage zu stellen. Die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung sind, folgt man dem FG, indessen nicht erfüllt, wenn die Wesentlichkeitsgrenzen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009 ‑‑vor der Verdoppelung des Grundfreibetrags und unter Einbeziehung der Einkünfte beider Ehegatten‑‑ für die Eheleute zusätzlich jeweils isoliert und unter Ansatz des einfachen Grundfreibetrags geprüft werden müssen. Im Einzelnen kann Letzteres dahinstehen, weil es einer eigenständigen Vorabprüfung der Einkunftsgrenzen der Ehegatten nicht bedarf.
b) Allerdings besteht dazu kein einheitliches Meinungsbild. Die Finanzverwaltung (so erstmals ausdrücklich R 1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien ‑‑EStR 2012‑‑) und Teile des Schrifttums (z.B. Blümich/Vogt, § 1a EStG Rz 45) halten eine solche Vorabprüfung für erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt Urteil vom 1. Oktober 2014 I R 18/13, BFHE 247, 388, BStBl II 2015, 474) ist hingegen im Zusammenhang mit § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 nach dessen Satz 3 auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Betrag von (damals Streitjahre 2005 und 2006) 6.136 € (heute: 7.834 €) zu verdoppeln (ebenso bereits zuvor Senatsurteile vom 20. August 2008 I R 78/07, BFHE 222, 517, BStBl II 2009, 708; vom 8. September 2010 I R 28/10, BFHE 231, 105, BStBl II 2011, 269). Eine eigenständige Vorabprüfung der Einkunftsgrenzen des Klägers scheidet damit aus (gl.A. Gosch in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 1a Rz 9; Schmidt/Heinicke, EStG, 34. Aufl., § 1a Rz 21; Lochte in Frotscher, EStG, § 1a Rz 31; Reimer/Weimar in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1a B 186 und B 187: verfassungskonforme Auslegung entgegen Gesetzessystematik; Hahn in Lademann, EStG, § 1a EStG Rz 7; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Juni 2014 6 K 6279/12, EFG 2015, 104; vgl. auch FG Köln, Beschluss vom 5. April 2013 11 V 1596/13, EFG 2013, 1565). Daran ist festzuhalten.
aa) Zwar ist der Gegenansicht einzuräumen, dass nach dem Einleitungssatz von § 1a Abs. 1 EStG 2009 die Vorschrift in personeller Hinsicht für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der EU gilt, die nach § 1 Abs. 1 EStG 2009 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder nach § 1 Abs. 3 EStG 2009 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln sind. Es lässt sich deshalb die Meinung vertreten, dass in der Wahrung dieser individuellen Voraussetzungen (hier: Einkunftsgrenzen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009 entsprechend den Verhältnissen des Klägers) auch eine unverzichtbare Bedingung für die hierauf aufbauende Sonderregelung zur Zusammenveranlagung mit dem nicht im Inland ansässigen und nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 26 EStG 2009) zu sehen ist. Folge davon wäre, dass hieran ‑‑auf einer zweiten Stufe‑‑ nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG 2009 die Prüfung der Wesentlichkeitsgrenzen (Einkunftsgrenzen) bezogen auf die Verhältnisse beider Ehegatten anzuschließen ist. Der Senat kann sich jedoch dieser Beurteilung auch nach erneuter Überprüfung seines bisherigen Standpunkts nicht anschließen.
bb) Tragend hierfür ist, dass § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG 2009 erkennbar nicht im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens auf eine nachgelagerte Einkunftsprüfung zielt. Vielmehr ordnet die Vorschrift nach ihrem Wortlaut an, dass ‑‑im Einklang mit dem Einleitungssatz des § 1a Abs. 1 EStG 2009‑‑ die Einkunfts- bzw. Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009 auch bei Inanspruchnahme des Zusammenveranlagungswahlrechts zu beachten sind und "bei Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009" ‑‑d.h. mit Rücksicht auf die Frage, ob diese Grenzen gewahrt werden‑‑ nicht auf die Verhältnisse des einzelnen Ehegatten, sondern unter Ansatz des doppelten Grundfreibetrags auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen ist. Demnach ist unter grammatikalisch-systematischen Gesichtspunkten die in Bezug genommene Vorschrift (Wesentlichkeitsgrenzen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009) nur nach Maßgabe der in § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG 2009 geregelten Modifikationen (Summe der Ehegatteneinkünfte) zu prüfen und einer vorgelagerten Wesentlichkeitsprüfung nach den jeweils individuellen Verhältnissen der Ehegatten (i.V.m. dem einfachen Grundfreibetrag) die Grundlage entzogen (ähnlich Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 1a Rz 9).
cc) Soweit im Schrifttum teilweise aus der Formulierung des Senatsurteils in BFHE 231, 105, BStBl II 2011, 269 "(§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 n.F.) ordne die Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG 2002 n.F. nicht an, sondern setze sie voraus" das Erfordernis einer zweistufigen Wesentlichkeitsprüfung abgeleitet wird (z.B. Blümich/Vogt, § 1a EStG Rz 45), beruht dies auf einem Missverständnis. Die wiedergegebene Erwägung steht erkennbar im Zusammenhang damit, dass nach der ab dem Veranlagungszeitraum 2008 geltenden Neufassung des § 1a Abs. 1 EStG 2002 (n.F.) durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) das Recht zur Zusammenveranlagung dann nicht mehr an die Wahrung der Einkunftsgrenzen gebunden ist, wenn der Steuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 1 EStG 2002 (d.h. aufgrund seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Fehlt es hieran jedoch, so bedarf es entsprechend der unmissverständlichen und insoweit unveränderten Regelungen der § 1 Abs. 3 Satz 2, § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 (a.F./n.F.) der Prüfung der Einkunftsgrenzen, die nach der Gesetzessystematik für beide Ehegatten in einem einstufigen Verfahren, d.h. gemeinsam durchzuführen ist.
dd) Dieses Auslegungsergebnis wird ferner durch den Gesetzeszweck des § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002/2009 bestätigt. Die Vorschrift beruht auf der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH; früher: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften), nach der es grundsätzlich Sache des Wohnsitzstaates ist, den Steuerpflichtigen nach seiner gesamten Leistungsfähigkeit zu besteuern, und deshalb ein Verstoß gegen die unionsrechtlich verbürgte Arbeitnehmerfreizügigkeit nur vorliegt, wenn der Gebietsfremde seine Einkünfte im Wesentlichen in seinem Beschäftigungsstaat erzielt und der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, die persönlichen und familienbezogenen Umstände des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFHE 247, 388, BStBl II 2015, 474). Hierzu gehört insbesondere auch das im Falle einer Zusammenveranlagung der Ehegatten zu gewährende Splittingverfahren (§ 32a Abs. 5 EStG 2009; ständige Spruchpraxis des EuGH; grundlegend EuGH-Urteil Finanzamt Köln-Altstadt/Schumacker vom 14. Februar 1995 C-279/93, EU:C:1995:31; BTDrucks 13/1558, S. 148) und werden hierbei aufgrund der Charakterisierung der Ehe als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft die von den Ehegatten erzielten Einkünfte diesen gemeinsam zugerechnet (§ 26b EStG 2009); zur Verhinderung einer übermäßigen Steuerprogression beträgt die (tarifliche) Einkommensteuer das Zweifache des Steuerbetrags, der sich nach der Grundtabelle für die Hälfte des gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt (§ 32a Abs. 5 EStG 2009, Splittingtarif; vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2006 I R 60/05, BFHE 212, 468, BStBl II 2007, 106). Es erscheint deshalb folgerichtig, diesen durch die Zusammenfassung der Ehegatteneinkünfte gekennzeichneten Regelungszusammenhang (einschließlich der doppelten Gewährung des Grundfreibetrags; § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 EStG 2009) auch der Prüfung der Wesentlichkeitsgrenzen des § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG 2009 zugrunde zu legen.
ee) Entgegen der Auffassung des FA erkennt der Senat keinen von dem Vorstehenden abweichenden Willen des Gesetzgebers. Abgesehen davon, dass der subjektive Wille der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen für die Auslegung nur insofern von Bedeutung sein kann, als er die Richtigkeit einer nach den sonstigen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167, m.w.N.), geben die Gesetzesmaterialien keinen hinreichenden Anhalt dafür, das Wahlrecht zur Zusammenveranlagung gemäß § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG 2009 an eine zweistufige Prüfung der Einkunftsgrenzen zu binden. Zwar findet sich ‑‑worauf das FA zu Recht hinweist‑‑ in der Gesetzesbegründung auch die Aussage, dass der Einleitungssatz des § 1a Abs. 1 den Personenkreis bestimme, der die Steuererleichterungen (dieser Norm) in Anspruch nehmen könne (BTDrucks ebenda, S. 151, linke Spalte). Andererseits stellt die Gesetzesbegründung ‑‑soweit es um die Gewährung des Splittingtarifs geht‑‑ ausdrücklich auf das gemeinsame Einkommen der Ehegatten ab (BTDrucks ebenda, S. 150 und S. 151, jeweils rechte Spalte). Letzteres lässt aber (im Sinne eines Vorrangs der spezielleren Gesetzerwägung) nur den Schluss zu, dass die Einkünfte der Ehegatten mit Rücksicht auf das Recht zur Zusammenveranlagung nur einer einstufigen und gemeinsamen Prüfung unterworfen werden.
ff) Zu Recht hat das FG hiernach der Klage stattgegeben. Insbesondere kommt es mit Rücksicht auf die Gewährung des Splittingtarifs nach den einfach-rechtlichen Bestimmungen der § 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 nicht darauf an, ob der hiernach begünstigte Steuerpflichtige sich zugleich auf die unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechte berufen könnte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung.