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Urteil vom 10. Dezember 2014, I R 76/12

Körperschaftsteuererhöhung: Ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des Endbestandes des EK 02 - Verfassungsmäßigkeit von § 38 Abs. 5 und 6 sowie von § 34 Abs. 16 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008

BFH I. Senat

GG Art 3 Abs 1, GG Art 20 Abs 3, KStG § 34 Abs 16, KStG § 38 Abs 5, KStG § 38 Abs 6, EStG § 3 Nr 66, KStG VZ 2007 , KStG § 38 Abs 4

vorgehend FG Hamburg, 23. September 2012, Az: 2 K 31/11

Leitsätze

1. Die durch das JStG 2008 eingeführte pauschale und ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des Endbestandes des EK 02 (§ 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008) geht zwar mit einer unechten Rückwirkung einher; die bloße Erwartung, dass bei Verzicht auf Ausschüttungen bis zum Ablauf eines 15- bzw. später 18-jährigen Übergangszeitraumes eine Nachbelastung vermieden werden kann, begründet aber keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz .

2. Das durch § 34 Abs. 16 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008 eingeräumte Recht, für die Anwendung des bisherigen Rechts zu optieren, begründet zwar eine Besserstellung steuerbefreiter Körperschaften sowie bestimmter Körperschaften aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft. Diese Besserstellung wird jedoch von sachlichen Gründen getragen und verstößt damit nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG .

3. Der unterschiedslose Einbezug sog. finanzschwacher Unternehmen in die Körperschaftsteuererhöhungsregelung des § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008 wird wiederum von sachlichen Gründen getragen und verstößt ebenfalls nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 24. September 2012  2 K 31/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2007 einen Entsorgungsfachbetrieb. Die drohende Insolvenz der Klägerin wurde Mitte der 90er Jahre durch einen Forderungsverzicht ihrer Gläubiger abgewendet. Der sich hieraus ergebende Sanierungsgewinn wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) nach § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1990 (aufgehoben durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997, BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) als steuerfrei behandelt und gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1991 in den nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals ‑‑vEK‑‑ (EK 02) eingestellt. Das FA stellte den (positiven) Endbetrag des EK 02 zum 31. Dezember 2001 mit 13.876.353 € fest (§ 36 Abs. 7 KStG 2002 i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35 ‑‑KStG 2002 a.F.‑‑). Der Endbetrag des EK 02 blieb unverändert und wurde in dieser Höhe letztmalig gemäß § 38 Abs. 4 KStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) ‑‑KStG 2002 n.F.‑‑ zum 31. Dezember 2006 festgestellt. Das steuerliche Einlagekonto wurde unverändert mit 168.891 € festgestellt.

  2. Das FA setzte demgemäß gegen die Klägerin einen Körperschaftsteuererhöhungsbetrag nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. auf den 31. Dezember 2007 auf 416.290 € fest.

  3. Mit ihrer dagegen gerichteten Klage machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass durch den festgesetzten Körperschaftsteuererhöhungsbetrag die damals gewährte Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 66 EStG 1990 wieder rückgängig gemacht werde. Nach der Rechtslage nach Umstellung des Anrechnungsverfahrens auf das sog. Halbeinkünfteverfahren wäre eine Körperschaftsteuererhöhung gemäß § 38 Abs. 2 KStG 2002 a.F. mit Ablauf des 15. bzw. 18. Wirtschaftsjahres vollständig entfallen. Die erneute Änderung mit dem Jahressteuergesetz 2008 führe nun zu einer Besteuerung. Diese Neuregelung sei verfassungswidrig, denn sie entfalte eine unzulässige Rückwirkung. Der Gesetzgeber greife in abgewickelte Sachverhalte ein. Zwar habe auch § 38 Abs. 2 Satz 3 KStG 2002 a.F. keine unbedingte Steuerbefreiung gewährt, jedoch habe es im Ermessen des Steuerpflichtigen gelegen, durch entsprechende Disposition die durch Zeitablauf eintretende Steuerbefreiung zu erlangen. Die Klägerin habe und hätte auch weiterhin bewusst auf Ausschüttungen verzichtet und damit eine Disposition getroffen. Diese Möglichkeit der Steuerbefreiung durch Zeitablauf werde ihr durch die Änderung des § 38 KStG 2002 a.F. entzogen.

  4. Das Finanzgericht (FG) Hamburg wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 155 veröffentlichtem Urteil vom 24. September 2012  2 K 31/11 ab.

  5. Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz und den Bescheid über die Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrages aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

  6. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. rechtsfehlerfrei angewendet. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) kommt nicht in Betracht, da der Senat von der Verfassungswidrigkeit der Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. nicht überzeugt ist. Der Senat erkennt weder einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG (nachfolgend unter II.2.) noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (nachfolgend unter II.3.).

  2. 1. a) Gemäß § 38 Abs. 5 Satz 1 KStG 2002 n.F. beträgt der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag 3/100 des nach § 38 Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 n.F. festgestellten Endbetrages. Der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag ist gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n.F. auf den Betrag begrenzt, der sich nach den Absätzen 1 bis 3 als Körperschaftsteuererhöhung ergeben würde, wenn die Körperschaft ihr am 31. Dezember 2006 bestehendes Eigenkapital laut Steuerbilanz für eine Ausschüttung verwenden würde. Der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag ist innerhalb des Zahlungszeitraumes von 2008 bis 2017 in zehn gleichen Jahresbeträgen zu entrichten (§ 38 Abs. 6 Satz 1 KStG 2002 n.F.) und wird für den gesamten Zahlungszeitraum festgesetzt (§ 38 Abs. 6 Satz 4 KStG 2002 n.F.).

  3. b) Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine Körperschaftsteuererhöhung im Streitfall vor. Der Endbetrag nach § 36 Abs. 7 KStG 2002 n.F. aus dem Teilbetrag i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1991, dem damaligen EK 02, zum 31. Dezember 2006 wurde mit 13.876.353 € festgestellt (§ 38 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 n.F.). Demgemäß hat das FA den Körperschaftserhöhungsbetrag zutreffend auf 416.290 € festgesetzt. Die nach § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n.F. durchzuführende Vergleichsrechnung führt nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nach § 38 Abs. 1 bis 3 KStG 2002 n.F. für eine Ausschüttung verwendbares Kapital in Höhe der fingierten Kapitalverwendung zur Verfügung gehabt hätte. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf insoweit keiner weiteren Ausführungen.

  4. 2. Über die Revision ist abschließend zu entscheiden, da die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht vorliegen. Der Senat ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. dem verfassungsrechtlich gewährten Vertrauensschutzgebot und damit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG widerspricht.

  5. a) Der spiegelbildlich zu dem Körperschaftsteuerminderungsbetrag nach § 37 Abs. 4 KStG 2002 i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4) eingeführte § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. hat die bis dahin in den Absätzen 1 bis 3 enthaltene Regelung abgelöst. Danach führten Leistungen, für die das gemäß § 36 Abs. 7 KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) festgestellte und fortgeschriebene EK 02 als verwendet galt, innerhalb des 15-, später 18-jährigen Übergangszeitraumes zu einer Körperschaftsteuererhöhung um 3/7 des Betrages (§ 38 Abs. 2 KStG 2002 a.F.). Dadurch sollte die für diese Leistungen nach dem alten Recht (sog. körperschaftsteuerrechtliches Anrechnungsverfahren) geltende Ausschüttungsbelastung von 30 v.H. erreicht werden.

  6. Da dem Gesetzgeber die bisherige Regelung als zu aufwendig erschien, schuf er mit dem Jahressteuergesetz 2008 § 38 Abs. 5 Satz 1 und 2 KStG 2002 n.F., mittels derer die sonst während des Übergangszeitraumes eingetretene Körperschaftsteuererhöhung in Fällen, in denen das EK 02 als verwendet galt, in pauschalierter Form abgegolten werden soll. Im Ergebnis werden damit verwendungsunabhängig ein Zehntel des am 31. Dezember 2006 vorhandenen Endbetrages an EK 02 mit der zuletzt im körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren geltenden Ausschüttungsbelastung von 30 v.H. besteuert. Der verbleibende restliche Bestand an EK 02 entfällt und löst keine weitere Körperschaftsteuererhöhung aus.

  7. b) Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 27. November 2013 I R 36/13, BFHE 245, 108, BStBl II 2014, 651, m.w.N. zu der Rechtsprechung des BVerfG). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist dabei zwischen einer sog. echten Rückwirkung und einer sog. unechten Rückwirkung zu unterscheiden.

  8. aa) Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Das ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig. Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, m.w.N.).

  9. bb) Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1, m.w.N.). Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 2012  1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, m.w.N.). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 8. März 1983  2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, BStBl II 1983, 779; vom 10. April 1984  2 BvL 19/82, BVerfGE 67, 1; vom 30. September 1987  2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256; BVerfG-Urteil vom 10. Dezember 1985  2 BvL 18/83, BVerfGE 71, 255). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Dezember 2009  2 BvR 758/07, BVerfGE 125, 104, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG).

  10. c) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen geht die Regelung des § 38 Abs. 5 Satz 1 und 2 KStG 2002 n.F., mittels derer die Körperschaftsteuererhöhung nunmehr in pauschalierter Form und damit verwendungsunabhängig abgegolten wird, mit einer unechten Rückwirkung einher, soweit sie an den nach § 38 Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 n.F. zum 31. Dezember 2006 festgestellten Endbetrag an EK 02 anknüpft. Das ist nach den genannten Grundsätzen verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

  11. aa) § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. entfaltet keine "echte" Rückwirkung. Die Körperschaftsteuererhöhung, als Rechtsfolge der Vorschrift, greift mit belastender Wirkung nicht auf einen schon vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm bereits abgeschlossenen Tatbestand zurück.

  12. aaa) Der nach § 38 Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 n.F. festgestellte Endbetrag an EK 02 beruht zwar nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Klägerin auf einem durch Forderungsverzicht der Gläubiger der Klägerin entstandenen Sanierungsgewinn, der gemäß § 3 Nr. 66 EStG 1990 steuerfrei war. Nach der gesetzlichen Anordnung in § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 KStG 1991 war der streitgegenständliche Sanierungsgewinn aber als sonstige Vermögensmehrung, die der Körperschaftsteuer nicht unterlag und nicht unter Nummer 3 oder 4 des § 30 Abs. 2 KStG 1991 einzuordnen war, in das EK 02 einzustellen.

  13. bbb) Entgegen der Auffassung der Revision kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass durch die Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. die Steuerfreiheit des aus dem Forderungsverzicht der Gläubiger resultierenden Sanierungsgewinns rückgängig gemacht und damit auf den bereits abgeschlossenen Sachverhalt des Forderungsverzichts durch die Gläubiger der Klägerin zurückgegriffen wird (so aber Pupeter, Der Betrieb vom 23. Juli 2013 DB 0603223; derselbe in Handelsblatt Steuerboard vom 17. Juli 2013).

  14. aaaa) Nach dem bis einschließlich 1999 geltenden Körperschaftsteuerrecht (sog. körperschaftsteuerrechtliches Anrechnungsverfahren) unterlag das zu versteuernde Einkommen, das eine Kapitalgesellschaft erzielte, regelmäßig einem Steuersatz von 45 v.H. (§ 23 Abs. 1 KStG 1996). Schüttete die Kapitalgesellschaft Gewinne aus, reduzierte sich die Körperschaftsteuer auf 30 v.H. (§ 27 Abs. 1 KStG 1996). Auch Ausschüttungen von unbelastetem vEK, dem EK 02, wurden grundsätzlich mit einem Steuersatz von 30 v.H. belegt. Die Körperschaftsteuer erhöhte oder minderte sich entsprechend um den Unterschiedsbetrag zwischen der bei der Kapitalgesellschaft eingetretenen Belastung des Eigenkapitals (Tarifbelastung), das nach § 28 KStG 1996 als für die Ausschüttung verwendet galt, und der Belastung, die sich hierfür bei Anwendung eines Steuersatzes von 30 v.H. des Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer ergab (sog. Ausschüttungsbelastung, § 27 Abs. 1 KStG 1996). Die hiernach im Ausschüttungsfall bei der Kapitalgesellschaft erhobene Körperschaftsteuer in Höhe von 30 v.H. des Ausschüttungsbetrages wurde unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auf die vom Ausschüttungsempfänger zu zahlende Steuer angerechnet (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1997, § 49 Abs. 1 KStG 1996).

  15. bbbb) Über § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. wird dieses System der Herstellung der Ausschüttungsbelastung auf das ab dem Veranlagungszeitraum 2000 geltende neue Körperschaftsteuersystem (sog. Halbeinkünfte- bzw. ‑‑später‑‑ Teileinkünfteverfahren) übertragen. Durch die Nachbelastung des Endbestandes des EK 02 werden aber allein die steuerlichen Folgen von noch vorhandenem EK 02 abgewickelt. Mit der Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. wird damit nicht die ursprüngliche Steuerfreiheit der laufenden Einkünfte der Klägerin rückgängig gemacht und an den diesen Einkünften zugrunde liegenden Sachverhalt des Forderungsverzichts der Gläubiger angeknüpft.

  16. bb) Die Regelung des § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. knüpft tatbestandlich an einen bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt an; es liegt eine "unechte" Rückwirkung vor. Diese ist allerdings verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

  17. aaa) Die Nachbelastung des Endbestandes des EK 02 im neuen Körperschaftsteuersystem wird durch § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. pauschal und ausschüttungsunabhängig vorgenommen. Das bisherige System, bei dem die Ausschüttungsbelastung erst hergestellt worden ist, wenn Ausschüttungen tatsächlich vorgenommen worden sind, wird seit den gesetzlichen Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2008 durch eine verwendungsunabhängige, pauschale Abschlagszahlung (vgl. BTDrucks 16/6290, S. 75) ersetzt. Die Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 Abs. 5 Satz 1 KStG 2002 n.F. knüpft tatbestandlich (nur noch) an den nach § 38 Abs. 4 KStG 2002 n.F. festgestellten Endbetrag des EK 02 an. Die belastenden Rechtsfolgen der Regelung des § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. (hier: Körperschaftsteuererhöhung) werden unter Rückgriff auf einen in der Vergangenheit bereits verwirklichten Sachverhalt (Vorhandensein von EK 02-Beständen) ausgelöst.

  18. bbb) Der Gesetzgeber muss, soweit er in solcher Weise für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Auch hier muss der Normadressat eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist.

  19. Greift eine Rechtsnorm im Wege der unechten Rückwirkung auf einen nicht schon vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm bereits abgeschlossenen Tatbestand zurück, genießen im Grundsatz vor dem Gesetzeserlass getätigte Dispositionen des Steuerpflichtigen Vertrauensschutz und eine Enttäuschung des Vertrauens in die alte Rechtslage ist nur hinzunehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1).

  20. aaaa) Im Streitfall sind derartige Dispositionen der Klägerin weder vorgetragen noch ersichtlich. Die bloße Absicht der Klägerin u.a. aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation keine Ausschüttungen vornehmen zu wollen, genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Es fehlen die besonderen Momente der Schutzbedürftigkeit, deretwegen der Gesetzgeber verpflichtet sein könnte, bei der Bestimmung des zukünftigen Steueraufkommens bei zurückliegenden Dispositionen auf Erwartungen der Steuerpflichtigen Rücksicht zu nehmen.

  21. bbbb) Die Möglichkeit, bei Verzicht auf Ausschüttungen bis zum Ablauf des 15-, später 18-jährigen Übergangszeitraumes eine Nachbelastung der vorhandenen EK 02-Bestände zu vermeiden, begründet keine (vertrauens-)rechtlich geschützte, konkret verfestigte Vermögensposition der Klägerin. Die Position der Klägerin mag zwar von der Erwartung bestimmt gewesen sein, nach diesem Übergangszeitraum Ausschüttungen ohne entsprechende Nachbelastung vornehmen zu können. Dies geht jedoch über die allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde unverändert bleiben, nicht hinaus (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 1).

  22. ccc) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Gesetzgeber mit § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. eine bereits bestehende Übergangsregelung abgeändert hat.

  23. aaaa) Der Gesetzgeber schafft zwar nach der Rechtsprechung des BVerfG durch eine Übergangsregelung, in der er die Fortgeltung des bisherigen Rechts in modifizierter Form für einen Übergangszeitraum bestimmt, einen besonderen Vertrauenstatbestand, von dem er sich zu Lasten des Steuerpflichtigen nur lösen kann, wenn schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sind (BVerfG-Beschluss vom 15. März 2000  1 BvL 16-20/96, 1 BvL 18/97, BVerfGE 102, 68, 96). Die Besonderheit des Streitfalls besteht aber darin, dass die ursprüngliche bis 2018 befristete Übergangsregelung des § 38 Abs. 1 bis 3 KStG 2002 a.F. nicht aufgehoben, sondern in modifizierter Form weitergeführt worden ist; eine "Loslösung" von der bisherigen Übergangsregelung geht damit nicht einher. Obwohl § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. tatbestandlich unmittelbar (nur) das Vorhandensein von EK 02-Beständen voraussetzt, wird die Rechtsfolge der Körperschaftsteuererhöhung dennoch gedanklich an eine fiktive Vollausschüttung geknüpft. Ein Systemwechsel, der einer Abschaffung der ursprünglichen Übergangsregelung möglicherweise gleichgestellt werden könnte, ist damit nicht verbunden. Der Unterschied zur bisherigen Rechtslage besteht lediglich darin, dass eine Ausschüttung verwendungsunabhängig fingiert wird. Dementsprechend kann in der Körperschaftsteuererhöhung auch keine ‑‑möglicherweise verfassungsrechtlich problematische‑‑ Besteuerung von Vermögen gesehen werden.

  24. bbbb) Die bestehende (Übergangs-)Regelung wurde damit vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Frist nicht zu Lasten der Berechtigten beseitigt und das Interesse der Betroffenen in den Fortbestand der Regelung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Der Rechtsprechung des BVerfG und dem nachfolgend des Senats (Senatsbeschluss vom 10. August 2011 I R 39/10, BFHE 234, 396, BStBl II 2012, 603) ist nicht zu entnehmen, dass jegliche Änderung einer Übergangsregelung nur noch möglich wäre, wenn ansonsten schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sind. Eine derart verfestigte Rechtsposition war jedenfalls mit der ursprünglichen Übergangsregelung bei deren Modifikation nicht verbunden. Auf die Absichten der Klägerin hinsichtlich ihres zukünftigen Ausschüttungsverhaltens kommt es wiederum nicht an. Insoweit verbleibt letztlich als Rechtsposition nur das Vertrauen in die Fortgeltung einer günstigen Rechtslage, das aber nicht schutzwürdig ist.

  25. cccc) Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 (SEStEG) ‑‑und damit zeitlich vor dem Jahressteuergesetz 2008‑‑ das frühere System der ausschüttungsabhängigen Körperschaftsteuerminderung zugunsten einer ratierlichen Auszahlung des zum 31. Dezember 2006 noch vorhandenen Körperschaftsteuerguthabens umgestellt hatte (vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 38 KStG Rz 60). Die Klägerin musste daher spätestens seit diesen Änderungen durch das SEStEG auch für die spiegelbildliche Körperschaftsteuererhöhung mit der Möglichkeit einer Ersetzung des ausschüttungsabhängigen Systems der Körperschaftsteuererhöhung rechnen. Vor diesem Hintergrund reichen jedenfalls die allgemeinen Ziele der Administrierbarkeit der Regelung (vgl. BTDrucks 16/6290, S. 75) zur Rechtfertigung aus.

  26. ddd) Die Klägerin kann sich im Streitfall schließlich nicht auf ein berechtigtes Vertrauen im Hinblick auf die Gewährleistungsfunktion der Rechtsordnung (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 31) berufen. Um Vertrauensschutz gegen rückwirkende Gesetzesänderungen aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts auslösen zu können, bedarf ein Geschäftsvorgang nach der Rechtsprechung des BVerfG eines erkenn- und belegbaren gesteigerten Grades der Abgeschlossenheit (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932). Von einer derartigen Abgeschlossenheit des Vorgangs ist im Streitfall nicht auszugehen. Denn der für die Nachbelastung des EK 02-Bestandes nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. maßgebliche Sachverhalt, nämlich das Vorhandensein eines Bestandes an EK 02, war für die Klägerin nicht "definitiv". Für die Klägerin bestand zwar die Möglichkeit, bei Verzicht auf Ausschüttungen bis zum Ablauf des 15-, später 18-jährigen Übergangszeitraumes eine Nachbelastung der vorhandenen EK 02-Bestände zu vermeiden. Diese Möglichkeit war jedoch von bestimmten weiteren Faktoren, wie beispielsweise der wirtschaftlichen Situation der Klägerin in einer zum damaligen Zeitpunkt kaum überschaubaren Zeitperiode abhängig. Und auf diese Faktoren hatte die Klägerin nur bedingt Einfluss.

  27. 3. Der Senat ist weiter nicht davon überzeugt, dass die hier zu beurteilenden gesetzlichen Regelungen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen. Die Klägerin macht zwar zu Recht geltend, dass die steuerlichen Nachteile der ausschüttungsunabhängigen Nachbelastung von EK 02-Beständen vor allem diejenigen Kapitalgesellschaften trafen, die ‑‑wie sie selbst‑‑ aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation gar keine Ausschüttungen aus dem EK 02 hätten vornehmen können und § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F. (nur) steuerbefreiten Unternehmen sowie bestimmten Unternehmen aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft das Recht einräumt, für die Anwendung des bisherigen Rechts zu optieren, nicht aber finanzschwachen Unternehmen, wie dem der Klägerin. Daraus lässt sich aber eine verfassungswidrige Benachteiligung der Klägerin nicht ableiten.

  28. a) Der allgemeine Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Verschonungsregelungen ‑‑im Streitfall § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F.‑‑ im Ausgangspunkt erheblichen Spielraum, der allerdings mit Rücksicht auf betroffene Freiheitsrechte und auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung Einschränkungen bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliegen kann.

  29. aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es gilt für ungleiche Belastungen ebenso wie für ungleiche Begünstigungen (vgl. zuletzt BVerfG-Urteil vom 17. Dezember 2014  1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; vom 17. April 2008  2 BvL 4/05, BVerfGE 121, 108; BVerfG-Urteil vom 30. Juli 2008  1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, BVerfGE 121, 317; BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010  1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.

  30. bb) Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (vgl. BVerfG-Urteil vom 5. November 2014  1 BvF 3/11, BGBl I 2014, 1764, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG). Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, BStBl II 2009, 1035). Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes, vgl. z.B. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 400, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 18. Juli 2012  1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179).

  31. cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Gesetzgeber nicht gehindert, mit Hilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förder- und Lenkungsziele zu verfolgen (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1995  2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655). Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten der Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 121). In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274). Insbesondere verfügt er über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält. Allerdings bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet zunächst aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Umstände stützt und insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 274). Die Freiheit des Gesetzgebers kann allerdings nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG beispielsweise durch das Ausmaß der mit der Steuerverschonung bewirkten Ungleichbehandlung insgesamt eingeschränkt sein (vgl. BVerfG-Urteil in BStBl II 2015, 50, Rz 126).

  32. b) Dass § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F. steuerbefreiten Körperschaften und bestimmten Unternehmen aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft das Recht einräumt, für die Anwendung des bisherigen Rechts zu optieren, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Privilegierung der in § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F. genannten Rechtsträger bewirkt keine sachwidrige Ungleichbehandlung, denn der Gesetzgeber will das Verhalten dieser Rechtsträger aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken; er knüpft dabei an Besonderheiten dieser Unternehmen an und damit an sachbezogene Gesichtspunkte.

  33. aa) Die Besserstellung steuerbefreiter Körperschaften und bestimmter Unternehmen aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft durch § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F. wird zunächst in zweierlei Hinsicht begrenzt. Zum einen ist der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n.F. auf den Betrag begrenzt, der sich nach den Absätzen 1 bis 3 als Körperschaftsteuererhöhung ergeben würde, wenn die Körperschaft ihr am 31. Dezember 2006 bestehendes Eigenkapital laut Steuerbilanz für eine Ausschüttung verwenden würde. Zum anderen wird im Ergebnis (nur) ein Zehntel des am 31. Dezember 2006 vorhandenen Endbestandes an EK 02 mit der zuletzt im körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren geltenden Ausschüttungsbelastung von 30 v.H. besteuert. Der verbleibende restliche Bestand an EK 02 entfällt in dieser Fallgestaltung und löst keine weitere Körperschaftsteuererhöhung aus. Im Ergebnis wird dadurch die durch die Verschonungsregelung bewirkte Ungleichbehandlung zwischen den begünstigten und den von der Begünstigung ausgeschlossenen Körperschaften minimiert. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass für die Klägerin zwar die Möglichkeit bestand, bei Verzicht auf Ausschüttungen bis zum Ablauf des 15-, später 18-jährigen Übergangszeitraumes eine Nachbelastung der vorhandenen EK 02-Bestände zu vermeiden, diese Möglichkeit jedoch von bestimmten weiteren Faktoren, wie beispielsweise der wirtschaftlichen Situation der Klägerin in einer zum damaligen Zeitpunkt kaum überschaubaren Zeitperiode, abhängig war, auf die die Klägerin nur bedingt Einfluss gehabt hätte. All dies führt dazu, dass der Gesetzgeber im Rahmen der gleichheitsrechtlichen Überprüfung der streitgegenständlichen Regelungen keiner über eine bloße Willkürprüfung hinausgehenden strengeren Kontrolle am Maßstab der Verhältnismäßigkeit unterliegt.

  34. bb) Durch die Verschonungsregelung des § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F. sollen namentlich (bestimmte) Unternehmen der Wohnungswirtschaft die bisherige Übergangsregelung weiterhin in Anspruch nehmen können. Bei dem vom Gesetzgeber damit offensichtlich verfolgten Ziel der Wohnungsbauförderung handelt es sich um einen grundsätzlich förderungswürdigen Sachgrund. Die Schaffung von ausreichendem und angemessenem Wohnraum und damit einhergehend der Abbau von Engpässen auf dem Wohnungsmarkt und die angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum vermögen grundsätzlich eine Entlastung der Wohnungswirtschaft zu legitimieren. Es ist weder eine willkürliche noch eine sachfremde Begünstigung der Unternehmen der Wohnungswirtschaft durch die Verschonungsregelung des § 34 Abs. 16 KStG 2002 n.F. erkennbar. Entsprechendes gilt für die steuerliche Verschonung von steuerbefreiten (wie z.B. gemeinnützigen) Körperschaften.

  35. Es obliegt der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, ob und aus welchen sachlichen Gründen er bestimmte Unternehmen fördern will. Der Gesetzgeber wird wegen seines weiten Gestaltungsspielraumes durch den Gleichheitssatz auch nicht gezwungen, nach einer einmal getroffenen Entscheidung für ein bestimmtes Steuerobjekt zugleich auch alle anderen, ähnlichen, für den Steuerzweck ebenfalls geeigneten Steuerobjekte in die Entlastung einzubeziehen. Soweit in der Literatur eine Ungleichbehandlung darin gesehen wird, dass nicht allen betroffenen Unternehmen ein Wahlrecht in Bezug auf eine weitere Anwendung der bisherigen ausschüttungsabhängigen Besteuerung eingeräumt wird (Streck/Binnewies, KStG, 8. Aufl., § 38 Rz 70; Gosch/Bauschatz, KStG, 2. Aufl., 2009, § 38 Rz 116), überzeugt dies nicht. Die vorgenommene Differenzierung ist durch Sachgründe gerechtfertigt.

  36. c) Auch der Einbezug finanzschwacher Unternehmen in die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung von EK 02-Beständen führt nicht zu einer verfassungsrechtlichen Benachteiligung jener Unternehmen. Die Klägerin macht zwar zu Recht geltend, dass die steuerlichen Nachteile der ausschüttungsunabhängigen Nachbelastung von EK 02-Beständen vor allem diejenigen Kapitalgesellschaften trafen, die ‑‑wie sie selbst‑‑ aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation gar keine Ausschüttungen aus dem EK 02 hätten vornehmen können. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich daraus aber nicht ableiten.

  37. aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG verstößt eine gesetzliche Regelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie entweder von der Interessenlage her gleich liegende Lebenssachverhalte ungleich behandelt oder bei der Behandlung ungleicher Sachverhalte eine sachlich gebotene Differenzierung nicht vornimmt. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, welche Sachverhalte er als gleichwertig und welche er als voneinander verschieden ansieht. Diese Entscheidung kann im Hinblick auf den Gleichheitssatz nur daraufhin überprüft werden, ob die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unvereinbar ist, ob also ein sachlicher Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt (BVerfG-Urteil vom 10. Februar 1987  1 BvL 18/81, 1 BvL 20/82, BVerfGE 74, 182, 200, BStBl II 1987, 240, 245; BVerfG-Beschlüsse vom 13. März 1979  2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386, 392, BStBl II 1979, 322; vom 11. Februar 1992  1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238, 245).

  38. bb) Im Rahmen der ihm hiernach obliegenden wertenden Entscheidung darf sich der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts u.a. von steuertechnischen Überlegungen leiten lassen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 74, 182, 200, BStBl II 1987, 240, 245; BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 50, 386, 392, und in BVerfGE 85, 238, 244). Eine solche Überlegung, nämlich die Vereinfachung des Verfahrens durch eine ausschüttungsunabhängige Nachbelastung der noch vorhandenen EK 02-Bestände (vgl. BTDrucks 16/6290, S. 75), trägt die von der Klägerin angegriffene Körperschaftsteuererhöhungsvorschrift des § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. Es liegt in der Natur der Sache, dass die konkreten Auswirkungen jener Vorschrift von den individuellen wirtschaftlichen Rahmendaten des einzelnen Unternehmens abhängen. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann daraus schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil eine Sonderbehandlung von Unternehmen je nach ihrer wirtschaftlichen Situation wiederum zu Differenzierungen genötigt und damit die angestrebte Vereinfachung in Frage gestellt hätte. Darin liegt ein sachlicher Grund dafür, dass auch jene Unternehmen unterschiedslos in die Körperschaftsteuererhöhungsregelungen einbezogen worden sind. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Körperschaftsteuererhöhungsbetrag nach § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n.F. auf den Betrag begrenzt hat, der sich nach den Absätzen 1 bis 3 als Körperschaftsteuererhöhung ergeben würde, wenn die Körperschaft ihr am 31. Dezember 2006 bestehendes Eigenkapital laut Steuerbilanz für eine Ausschüttung verwenden würde. Er hat damit die Höhe des vorhandenen Eigenkapitals bei der Bemessung der Körperschaftsteuererhöhung berücksichtigt.

  39. Zudem hat der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass die bisherige Regelung von Unternehmen mit hohen EK 02-Beständen als Ausschüttungssperre empfunden worden ist (vgl. BTDrucks 16/6290, S. 75). Eine ausschüttungsunabhängige Nachbelastung beseitigt damit ein für viele Unternehmen vorhandenes Ausschüttungshindernis bzw. reduziert es auf ein erträgliches Maß (vgl. Ott, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 274). Auch dies trägt als sachlicher Grund die von der Klägerin angegriffene Körperschaftsteuererhöhungsvorschrift des § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n.F. Von daher ist nicht mehr darauf einzugehen, ob dem Gesetzgeber im Rahmen einer Änderung einer bestehenden Übergangsvorschrift wie bei der erstmaligen Ausgestaltung einer Übergangsvorschrift ein besonders weiter Spielraum bei der Ausgestaltung der Vorschriften einzuräumen ist (dies verneinend Senatsbeschluss in BFHE 234, 396, BStBl II 2012, 603).

  40. cc) Der weiter von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen den Gleichheitssatz in seiner Ausprägung durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit, weil defizitär wirtschaftende Gesellschaften mit einer ausschüttungsunabhängigen Nachbesteuerung belastet würden, obwohl laufende Verluste die Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners beeinträchtigen würden, liegt nicht vor. Die Klägerin lässt unberücksichtigt, dass durch die Nachbelastung des Endbestandes des EK 02 allein die steuerlichen Folgen eines noch vorhandenen EK 02-Bestandes abgewickelt werden. Das FA weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die Besteuerung der laufenden Einkünfte einer Körperschaft im neuen Körperschaftsteuersystem systemgerecht von der Nachbelastung der EK 02-Bestände abgekoppelt worden ist (vgl. etwa Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 38 KStG Rz 8).

  41. 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

  42. 5. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig. Ein diesbezüglicher Antrag (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) kann nur beim FG gestellt werden (z.B. Senatsbeschluss vom 28. Juni 2005 I R 35/03, BFH/NV 2005, 1847; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 139 Rz 122, jeweils m.w.N.).

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