BFH X. Senat
EStG § 7g Abs 1, EStG § 7g Abs 2, EStG VZ 2008
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 16. January 2012, Az: 2 K 1319/10
Leitsätze
1. NV: Da nach § 7g Abs. 1 EStG ein Investitionsabzugsbetrag nur für künftige Investitionen gebildet werden darf, kommt seine Inanspruchnahme im Jahr der Investition (Herstellung oder Anschaffung) nicht in Betracht .
2. NV: § 7g Abs. 2 EStG normiert keine Sonderabschreibung. Die Vorschrift ist nur bei vorheriger Bildung eines Investitionsabzugsbetrags anwendbar .
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin, Eigentümerin des von den Klägern und ihren Kindern selbstgenutzten Einfamilienhauses, bestellte Mitte März 2008 eine Photovoltaikanlage, die im April 2008 geliefert und in Betrieb genommen wurde.
Seit Mai 2008 erzielt die Klägerin aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die sie für das Streitjahr 2008 mit ./. 23.639,53 € erklärte. Ausgehend von den Nettoanschaffungs-/Herstellungskosten der Anlage in Höhe von 60.846,98 € hatte die Klägerin einen Investitionsabzug von 24.338 € (40 %) vorgenommen und vom verbleibenden Betrag in Höhe von 36.508,98 € unter Berücksichtigung einer 20-jährigen Nutzungsdauer zeitanteilige Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 1.369,98 € abgezogen. Zusätzlich nahm sie die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG 2008) in Höhe von 1 € in Anspruch.
Im Einkommensteuerbescheid berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) gewerbliche Einkünfte der Klägerin in Höhe von ./. 12.383 €. Den erklärten Investitionsabzug ließ es nicht zu, weil "dies Kraft Gesetz im Jahr der Anschaffung" ausgeschlossen sei. Das FA setzte jedoch eine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG 2008 von 12.169,40 € (= 20 % der Anschaffungs-/Herstellungskosten der Photovoltaikanlage) sowie eine zeitanteilige AfA für neun Monate nach § 7 Abs. 1 EStG in Höhe von 2.281,76 € an.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, zu Recht habe das FA den begehrten Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 bzw. 2 EStG 2008 abgelehnt. Unabhängig von der Frage, ob die Photovoltaikanlage überhaupt als "bewegliches" Wirtschaftsgut i.S. des § 7g EStG 2008 anzusehen sei, lägen jedenfalls die Voraussetzungen für den Investitionsabzug nicht vor. Der Abzug nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG 2008 setze die Absicht der "künftigen" Anschaffung/Herstellung eines abnutzbaren, beweglichen Wirtschaftsguts voraus. Das begünstigte Wirtschaftsgut müsse voraussichtlich in den dem Wirtschaftsjahr der Inanspruchnahme des Investitionsabzugs "folgenden" drei Wirtschaftsjahren angeschafft bzw. hergestellt werden. Im Investitionsjahr komme ein Abzug nicht in Betracht. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut dürfe der Abzugsbetrag nur für den künftigen Erwerb bzw. die künftige Herstellung eines Wirtschafsguts gebildet werden. Dies folge auch aus § 7g Abs. 2 EStG 2008, wonach der Steuerpflichtige im Jahr der Anschaffung/Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts den für dieses Wirtschaftsgut in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrag dem Gewinn hinzurechnen müsse.
Das von den Klägern zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Mai 2006 X R 43/03 (BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868) stütze ihre Rechtsauffassung nicht. Der BFH habe in diesem Urteil den Steuerpflichtigen die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 1 EStG in der im Jahr 2001 geltenden Fassung (EStG 2001) in Höhe von 20 % im Wege der Rechtsfortbildung für im Eröffnungsjahr angeschaffte Photovoltaikanlagen trotz der nach § 7g Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 bis 7 EStG 2001 erforderlichen, aber nicht gebildeten Rücklage zugebilligt, weil ansonsten der vom Gesetzgeber mit der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 1 EStG 2001 (= 20 % der Anschaffungs-/Herstellungskosten) verfolgte Förderungszweck vereitelt würde. Im Streitfall habe aber das FA der Klägerin die nunmehr in § 7g Abs. 5 EStG 2008 geregelte Sonderabschreibung von 20 % der Anschaffungs-/Herstellungskosten zuerkannt, so dass der Förderungszweck der Vorschrift auch ohne Rücklagenbildung gewährleistet sei. Für eine richterliche Rechtsfortbildung im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868 bestehe im Anwendungsbereich des § 7g EStG 2008 kein Anlass.
Mit ihrer Revision tragen die Kläger vor, zwar sei ihnen wegen der Firmenneugründung die Bildung eines Investitionsabzugsbetrags wegen fehlender Investitionsabsicht in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren noch nicht möglich gewesen. Dennoch sei ihnen die Steuervergünstigung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008 zu gewähren, auch wenn sie bei einer buchstabengetreuen Auslegung des Gesetzes die Voraussetzungen nicht erfüllten. Die Ausführungen stünden in Widerspruch zu den im Senatsurteil in BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868 entwickelten Rechtsgrundsätzen, die auf den Streitfall unmittelbar übertragbar und anwendbar seien. Nach § 7g Abs. 1 EStG 2001 sei die Geltendmachung einer Sonderabschreibung von einer in den Vorjahren gebildeten Ansparrücklage abhängig gewesen. § 7g EStG 2008 sei insoweit novelliert worden, als die Vergünstigung ausgeweitet und in einer in den Voraussetzungen und Auswirkungen einer Sonderabschreibung völlig identischen Steuervergünstigung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008 fortgeführt worden sei. Die Geltendmachung und Wahrnehmung auch dieser Vergünstigung setze nun in gleicher Weise die Bildung eines als Investitionsabzugsbetrag bezeichneten, in steuerlicher Wirkung mit der Ansparrücklage jedoch völlig identischen Abzugsbetrags in den Vorjahren voraus.
§ 7g EStG 2008 habe die Fördermaßnahmen in Anbetracht der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise unter gesamtpolitischen Gesichtspunkten erweitert und ausgedehnt. Sonderabschreibungen würden nun auch auf gebrauchte Wirtschaftsgüter gewährt und allen Steuerpflichtigen vorbehaltlos zugebilligt. Die Förderung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008 sei mit der früheren Sonderabschreibung in seinen Voraussetzungen, der Auswirkung und dem Zweck praktisch identisch. Sowohl bei der Alt- als auch bei der Neuregelung des § 7g EStG ergebe sich die steuerliche Auswirkung durch die Sonderabschreibung im Jahr der Investition und der Minderung der Anschaffungs-/Herstellungskosten im gleichen Jahr. Die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG 2008 sei kein Ersatz für die Vergünstigung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008.
Die Kläger weisen darauf hin, im Rahmen des Streitverfahrens sei ausschließlich die Steuervergünstigung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008 beantragt worden. Die Ausführungen des FG zum Investitionsabzugsbetrag seien aus ihrer Sicht zu keinem Zeitpunkt relevant gewesen, ohne unmittelbare steuerliche Auswirkung und somit nicht streitbefangen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb mit ./. 23.640 € festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das FA habe die Sonderabschreibung antragsgemäß gewährt. Da die Klägerin in den Jahren vor 2008 noch keine Investitionsabsicht gehabt habe ‑‑so auch die Ausführungen der Kläger in der Revisionsbegründung‑‑, sondern die Photovoltaikanlage im Streitjahr bestellt und angeschafft habe, stehe ihr nicht zusätzlich ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG 2008 zu. Ein solcher könne nur für die künftige Anschaffung oder Herstellung gewinnmindernd abgezogen werden. Nach den Ausführungen in der Revisionsbegründung sei der Investitionsabzugsbetrag auch nicht (mehr) streitig.
§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008, auf den die Kläger ihre Revision stützen, normiere keine (weitere) Sonderabschreibung. Diese sei abschließend in § 7g Abs. 5 und 6 EStG 2008 geregelt. § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008 bestimme, wie im Jahr der Anschaffung zu verfahren sei, wenn im Vorfeld ein Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen worden sei. Nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG 2008 sei der in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag im Jahr der Anschaffung zunächst stets dem Gewinn hinzuzurechnen. § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008 biete dann die Möglichkeit, die gewinnerhöhende Hinzurechnung nach Satz 1 durch eine gewinnmindernde Kürzung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des investierten Wirtschaftsgutes zu kompensieren. Im Streitfall sei weder ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG 2008 in Anspruch genommen worden noch eine gewinnerhöhende Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG 2008 erfolgt. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008 komme deshalb eine kompensierende Gewinnminderung nicht in Betracht.
Dem Begehren der Kläger könne auch nicht unter Berücksichtigung der im Senatsurteil in BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868 aufgestellten Grundsätze entsprochen werden. Nach dieser zum Veranlagungszeitraum 2001 ergangenen Entscheidung könne ein Steuerpflichtiger die Sonderabschreibung von 20 % nach § 7g Abs. 1 EStG 2001 für im Jahr der Betriebseröffnung angeschaffte oder hergestellte begünstigte Wirtschaftsgüter auch dann in Anspruch nehmen, wenn er kein Existenzgründer i.S. von § 7g Abs. 7 EStG 2001 sei und keine Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 ff. EStG 2001 habe bilden können. Die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 1 EStG 2001 entspreche § 7g Abs. 5 EStG 2008. In Anwendung der BFH-Entscheidung in BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868 habe das FA bereits die Sonderabschreibung in Höhe von 20 % im angefochtenen Bescheid berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
1. Zu Recht hat das FG erkannt, dass der Klägerin kein Abzug gemäß § 7g Abs. 1 EStG 2008 zusteht. Dieser Abzug setzt die Absicht einer künftigen Anschaffung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts voraus. Das begünstigte Wirtschaftsgut muss in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs, also der Inanspruchnahme des Investitionsabzugs, folgenden drei Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt werden. Er darf nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur für den künftigen Erwerb bzw. die künftige Herstellung eines Wirtschaftsguts gebildet werden. Da ausdrücklich nur künftige Investitionen begünstigt sind, kommt die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags im Jahr der Investition (Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts) nicht in Betracht (Bartone in Korn, § 7g n.F. EStG Rz 20; Kaligin in Lademann, EStG, § 7g n.F. EStG Rz 15; Kratzsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 7g Rz 16; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7g EStG Rz 21; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. November 2013 IV C 6-S 2139-b/07/10002, BStBl I 2013, 1493, Rz 17). Die Möglichkeit des 40 %-igen Abzugs entfällt somit bei Investitionen, die "spontan" oder im Jahr der Betriebseröffnung vorgenommen werden (Schmidt/Kulosa, EStG, 33. Aufl., § 7g Rz 27).
2. § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008 normiert ‑‑worauf das FA zutreffend hinweist‑‑ keine Sonderabschreibung. Diese ist abschließend in § 7g Abs. 5 und 6 EStG 2008 geregelt. § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG 2008 bestimmt lediglich "technisch", wie im Jahr der Anschaffung zu verfahren ist, wenn im Vorjahr ein Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen worden ist.
3. Die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG in Höhe von 20 % der Anschaffungs-/Herstellungskosten hat das FA der Klägerin gewährt.
4. Auch aus dem Senatsurteil in BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868 kann ‑‑entgegen der Auffassung der Kläger‑‑ nicht abgeleitet werden, dass sie im Streitfall Anspruch auf eine Sonderabschreibung in Höhe von 40 % der Anschaffungs-/Herstellungskosten der Photovoltaikanlage haben.
In dem Verfahren in BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868 hat der Senat erkannt, es dürfe dem Steuerpflichtigen nicht zum Nachteil gereichen, dass er die im Rahmen der Neugründung seines Betriebes geplante Anschaffung der wesentlichen Betriebsgrundlage in zügiger Weise noch im Gründungsjahr tätigt mit der Folge, dass ‑‑mangels Vorhandenseins eines der Anschaffung vorgelagerten Wirtschaftsjahres‑‑ für eine Ansparrücklage und das dadurch bewirkte "Vorziehen der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 1 EStG" weder Raum noch ein Bedürfnis besteht.
Im Streitfall hat das FA die im Verfahren in BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868 streitige Sonderabschreibung in Höhe von 20 % der Klägerin zugesprochen.
§ 7g EStG 2008 unterscheidet ‑‑anders als § 7g EStG 2001‑‑ nicht zwischen Existenzgründern und anderen Steuerpflichtigen.
Vor allem aber ist die Bildung eines Investitionsabzugsbetrags auch bereits vor Abschluss der Betriebseröffnung möglich (Roland in Bordewin/Brandt, § 7g n.F. EStG Rz 12 4. Spiegelstrich). Die Klägerin hätte im Jahr 2007 einen Investitionsabzugsbetrag bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen können, wenn denn ihre Investitionsentscheidung ausreichend konkretisiert gewesen wäre. Im Streitjahr 2008, dem Jahr der Anschaffung/ Herstellung der Photovoltaikanlage, hätte dies dann zur Folge gehabt, dass der in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag gewinnerhöhend hinzuzurechnen gewesen wäre (§ 7g Abs. 2 Satz 1 EStG 2008) und nach Satz 2 der Vorschrift hätten die Anschaffungs-/Herstellungskosten des Wirtschaftsguts um bis zu 40 % gewinnmindernd wiederum herabgesetzt werden können; die Bemessungsgrundlage vor allem für Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG 2008 hätte sich allerdings entsprechend verringert.
Die wortlautgetreue Auslegung des Gesetzes führt im hier zu beurteilenden Sachverhalt ‑‑anders als in dem dem Verfahren in BFHE 213, 494, BStBl II 2006, 868 zugrunde liegenden Streitfall‑‑ zu keinem sinnwidrigen Ergebnis.
Für eine richterliche (ergänzende) Rechtsfortbildung besteht daher kein Raum, zumal der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck gebracht hat, ein Abzug des Investitionsabzugsbetrags im Wirtschaftsjahr der Investition sei nicht möglich. Zudem ist der Gesetzesbegründung auch zu entnehmen, dass die Anwendung des § 7g Abs. 2 EStG 2008 nur im Fall der Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags möglich ist (BTDrucks 16/4841, S. 52).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.