BFH X. Senat
FGO § 96 Abs 1 S 3, FGO § 105 Abs 5, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 119 Nr 6
vorgehend Thüringer Finanzgericht , 09. July 2013, Az: 4 K 476/12
Leitsätze
NV: Fehlt eine Beweiswürdigung vollständig, ist das Urteil "nicht mit Gründen versehen", da es das FG als Tatsacheninstanz erforderlich und zumutbar ist, nach der Erhebung von Beweisen im gerichtlichen Verfahren die Gründe für die richterliche Überzeugung im Urteil anzugeben.
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute und in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Für betriebliche Reisen machte der Kläger Pauschbeträge sowie Übernachtungskosten geltend und gab an, diese Fahrten mit seinem im Privatvermögen gehaltenen PKW durchgeführt zu haben.
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ‑‑FA‑‑) für die Streitjahre 2007 bis 2009 ermittelte der Prüfer, dass dieser PKW aufgrund eines am 15. März 2005 erstellten Wertgutachtens zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 101 560 km und ausgehend von einem Antrag des Klägers auf Abschluss einer Kfz-Versicherung vom 16. Dezember 2008 zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 152 085 km gehabt hätte. Ausgehend von den eingereichten Reiseabrechnungen hätte der PKW nach Ansicht des Prüfers stattdessen im Dezember 2008 einen Kilometerstand von ca. 360 000 km aufweisen müssen.
Das FA änderte deshalb die Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre. Den Einspruch hiergegen wies das FA mit der Entscheidung vom 7. Mai 2012 zurück.
Das Finanzgericht (FG) erhob in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2013 durch Vernehmung des Zeugen X Beweis "über die Frage der streitigen Reisekosten dem Grund und der Höhe nach".
Die Klage wies das FG durch Urteil vom 10. Juli 2013 4 K 476/12 als unbegründet zurück. Dabei verwies es nach § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Einspruchsentscheidung und ergänzte durch Ausführungen zum Sachverhalt und den aus seiner Sicht teilweise widersprüchlichen Angaben des Klägers. Auf die durchgeführte Beweiserhebung ging es weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen ein.
Die Kläger machen mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde Verfahrensmängel und Divergenz geltend. Das Urteil beruhe auf der Nichtberücksichtigung der Zeugenaussage des Sohnes und gebe den Streitstoff deshalb nicht vollständig wieder. Auch sei somit eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung erfolgt.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
1. Nach § 116 Abs. 6 FGO kann der Bundesfinanzhof (BFH) das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegen. Ein Verfahrensfehler im Sinne der letztgenannten Vorschrift liegt vor, wenn das Urteil "nicht mit Gründen versehen ist" (§ 119 Nr. 6 FGO). Dies ist hier der Fall.
a) Der Mangel, dass ein Urteil nicht mit Gründen versehen ist, liegt dann vor, wenn eine Beweiswürdigung gänzlich fehlt (BFH-Beschluss vom 20. April 2004 IV B 113/02, BFH/NV 2004, 1411, m.w.N.). Das hat der BFH in einem Fall angenommen, in dem das FG einen Zeugen vernommen, jedoch gleichwohl nach § 105 Abs. 5 FGO von einer Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen hat (weiterführend: BFH-Urteil vom 20. Mai 1994 VI R 10/94, BFHE 174, 391, BStBl II 1994, 707; so auch Senatsbeschluss vom 4. Juli 2006 X B 135/05, BFH/NV 2006, 1797, unter 1.c).
b) Dies ist auch im Streitfall gegeben. Da das FG die einzige Tatsacheninstanz ist, ist es erforderlich und auch zumutbar, nach Erhebung von Beweisen im gerichtlichen Verfahren die Gründe für die richterliche Überzeugung im Urteil anzugeben (§ 96 Abs. 1 Satz 3 FGO). Dies gilt auch dann, wenn ‑‑wie hier‑‑ im Übrigen gemäß § 105 Abs. 5 FGO zustimmend auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung verwiesen wird (ebenso schon BFH-Urteil in BFHE 174, 391, BStBl II 1994, 707).
2. Weil das Urteil bereits aufgrund dieses Verfahrensmangels keinen Bestand haben kann, bedarf es keines Eingehens auf das weitere Vorbringen der Kläger. Nur rein vorsorglich weist der Senat die Kläger darauf hin, dass er die von den Klägern geltend gemachten Divergenzen des FG-Urteils zu den BFH-Urteilen vom 25. Oktober 1985 VI R 15/81 (BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200) und vom 5. Juni 1991 XI R 21/89 (BFH/NV 1991, 743) nicht zu erkennen vermag. Anders als dort hat das FG die Reisekosten nicht der Höhe nach, sondern bereits dem Grunde nach ‑‑für den Senat nachvollziehbar‑‑ nicht anerkennen können.
3. Der Senat hält es für angezeigt, gemäß § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren.
4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO, der auch für den Beschluss nach § 116 Abs. 6 FGO gilt, ab (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2012 X B 54/12, BFH/NV 2013, 747, m.w.N.).