BFH II. Senat
FGO § 142, ErbStG § 23 Abs 2, AO § 163
Tatbestand
I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) erhielt aufgrund eines Vermächtnisses ihres am … Februar 1980 verstorbenen Lebensgefährten (L) einen Betrag von … DM sowie eine wertgesicherte Leibrente von anfangs monatlich … DM.
Mit dem Vermächtnis waren der Sohn (S) und die Tochter (T) des L als Erben beschwert. Nach Abschluss eines wegen des Vermächtnisses geführten Rechtsstreits zwischen der Antragstellerin und den Erben wurde T zu Lasten des S aus der Vermächtnisverpflichtung entlassen. S übernahm eine Bankbürgschaft in Höhe von … DM. Die Rente betrug zu diesem Zeitpunkt … DM.
Die Antragstellerin beantragte beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑), die Rente nach § 23 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für 1980 geltenden Fassung (ErbStG) mit dem Jahreswert zu besteuern. Das FA setzte mit Bescheid vom 22. September 1982 ‑‑neben der Erbschaftsteuer für den sonstigen Erwerb‑‑ auch Erbschaftsteuer für die Rente in Höhe von … DM jährlich fest. Die Antragstellerin entrichtete zunächst die jeweils am 28. Februar/1. März fällige Jahressteuer.
In den Jahren 1997/1998 wurde S zahlungsunfähig. Die Rentenzahlungen an die Antragstellerin wurden bis einschließlich Mai 2005 aus der Bankbürgschaft geleistet. Für die Zeit ab Juni 2005 erhielt sie wegen der Überschuldung des S keine Rentenzahlungen mehr.
Die Anträge der Antragstellerin, die Jahressteuer 2005 und 2006 aus sachlichen und persönlichen Billigkeitsgründen nach § 227 der Abgabenordnung (AO) zu erlassen bzw. nach § 163 AO niedriger festzusetzen, hatten keinen Erfolg.
Am 8. Dezember 2010 beantragte sie beim FA, die Jahressteuer nach § 23 Abs. 2 ErbStG abzulösen und wegen des Vermögensverfalls des S den Kapitalwert der Rente sowie die Erbschaftsteuer jeweils mit 0 € anzusetzen. Das FA lehnte diesen Antrag ab und berechnete die bei der Ablösung zu entrichtende Erbschaftsteuer mit … €. Einspruch und Klage, mit denen die Antragstellerin eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO begehrte, blieben ohne Erfolg.
Gegen das Urteil des Finanzgerichts hat die Antragstellerin Revision eingelegt.
Im vorliegenden Verfahren beantragt sie, ihr für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und Steuerberater Wolfgang Hoffmann als Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
Das FA tritt dem Antrag entgegen.
Die Antragstellerin bezieht derzeit gesetzliche Renten in Höhe von insgesamt monatlich 478,82 €, die durch Sozialhilfe aufgestockt werden.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für ein Revisionsverfahren und auf Beiordnung eines Prozessvertreters ist begründet.
1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
2. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel dann als hinreichend anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind; eine abschließende Prüfung darf bei der Abwägung nicht vorgenommen werden (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 24. September 2013 III S 21/13 (PKH), BFH/NV 2014, 43).
3. Nach diesen Maßstäben ist PKH zu bewilligen. Die Rechtsfrage, ob bei einer Ablösung der für eine lebenslange Rente zu entrichtenden Jahressteuer nach § 23 Abs. 2 ErbStG eine niedrigere Festsetzung der Erbschaftsteuer nach § 163 AO in Betracht kommt, wenn der Leistungsverpflichtete zahlungsunfähig ist und der Rentenberechtigte keine Zahlungen mehr erhält, ist bei summarischer Prüfung nicht eindeutig zu beantworten.
Der BFH hat zwar bisher Umstände, die erst nach dem Todestag des Erblassers eintreten, nicht als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO angesehen, und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die Erbschaftsteuer bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) entsteht (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 2000 II R 46/98, BFH/NV 2001, 420). Das im Erbschaftsteuerrecht geltende Stichtagsprinzip (vgl. § 11 ErbStG) schließt es aber nicht generell aus, dass im Einzelfall nachträglich eintretende Umstände eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO rechtfertigen können. Ob dies der Fall ist, wenn eine von Todes wegen erworbene lebenslange Rente vom Leistungsverpflichteten nicht mehr gezahlt werden kann, bedarf der Klärung durch den BFH. In der Literatur wird für solche Fallgestaltungen ein Erlass der Erbschaftsteuer befürwortet (vgl. Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 23 ErbStG Rz 7; Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG, Rz 16; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 23 Rz 8; Weinmann in Moench/Weinmann, § 23 ErbStG Rz 26; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 23 Rz 23; Jochum in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 23 Rz 79, 80).
4. Gründe für die Annahme einer mutwilligen Rechtsverfolgung i.S. von § 114 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.
5. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen.