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auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

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Beschluss vom 09. April 2014, XI B 6/14

Unternehmereigenschaft kann beim Verkauf von Schmuckstücken über "ebay" begründet werden

BFH XI. Senat

FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, UStG § 1 Abs 1, UStG § 19 Abs 1, UStG § 2 Abs 1

vorgehend FG Köln, 05. February 2013, Az: 14 K 1469/11

Leitsätze

NV: Hat das FG bei der gebotenen und revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls bei Verkäufen von Schmuckstücken im ebay-Handel die Unternehmereigenschaft des Verkäufers bejaht, liegt keine die Revisionszulassung rechtfertigende Divergenz zum BFH-Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634 vor.

Tatbestand

  1. I. Die Beteiligten streiten hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2004 (Streitjahr) darum, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als Schmuckhändlerin unternehmerisch tätig war.

  2. Die Klägerin wurde am 13. Juni 2003 unter der Bezeichnung "…" beim Auktionshaus eBay als "seller" registriert. In der Folgezeit gab die Klägerin bis zum 12. August 2003 und anschließend im Zeitraum zwischen Juli bis einschließlich November 2005 und sodann im April 2006 unter dieser Bezeichnung insgesamt 40 Verkaufsangebote überwiegend für Schmuckgegenstände und Uhren ab. Im Jahr 2004 (Streitjahr) wurden unter dem Namen der Klägerin insgesamt mindestens 16 Kleinanzeigen überwiegend in der ... Zeitung, ferner in anderen Tageszeitungen in Deutschland und Österreich veröffentlicht und einzelne oder mehrere Schmuckstücke oder Pfandscheine über Schmuckgegenstände zum Verkauf angeboten. Dabei reichten die in den Anzeigen angegebenen Werte der Verkaufsgegenstände von 990 € bis 22.500 €. Für die Inserate entstanden der Klägerin Kosten in Höhe von insgesamt 2.194,92 €.

  3. Die Klägerin ist Mutter eines Kindes, dessen Vater der vom Finanzgericht (FG) vernommene Zeuge … (H) ist. Der Zeuge H war im Ausland als Schmuckhändler tätig. Sein Name war ebenfalls auf dem Klingelschild der Mietwohnung der Klägerin in A angegeben. Die Klägerin unterhielt unter der Adresse ihrer Mutter in B ein Konto bei der Bank. Auf dieses Konto erfolgten ab dem 3. September 2003 bis zum 23. September 2004 insgesamt etwa 50 Bareinzahlungen mit Einzelbeträgen von 20 € bis zu 7.575 €. Hiervon entfielen auf das Streitjahr Einzahlungen im Gesamtbetrag von ca. 65.000 €. Als Abgänge von diesem Konto wurden beginnend mit dem 26. April 2004 Zahlungen auf Konten des Zeugen H im Ausland in Höhe von insgesamt rd. 53.000 € im Streitjahr erfasst. Als die Klägerin im Streitjahr von einem Bediensteten der Bank auf die Bareinzahlungen angesprochen wurde, habe sie mitgeteilt, es handele sich um finanzielle Unterstützungen aus dem familiären Umfeld. Die Auslandsüberweisungen seien zur Begleichung privater Schulden erfolgt.

  4. Nachdem die Klägerin zur Abgabe von Steuererklärungen aufgefordert worden war, gab sie erstmals für das Jahr 2004 eine Einkommensteuererklärung und eine Umsatzsteuererklärung ab. In der Umsatzsteuererklärung waren keine Umsätze erklärt und keine Vorsteuerbeträge angesetzt. Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung schätzte das seinerzeit zuständige Finanzamt A Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Bescheid vom 17. Oktober 2007 ausgehend von Umsätzen in Höhe von 58.183 € die Umsatzsteuer für 2004 auf 9.309,28 € fest.

  5. Mit dem Einspruch machte die Klägerin u.a. geltend, die Schmuckverkäufe seien H bzw. dessen Firma zuzurechnen. Während des Einspruchsverfahrens zog die Klägerin nach C um, so dass nunmehr der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) zuständig wurde. Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 18. April 2011 erhöhte das FA nach vorheriger Androhung der Verböserung die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2004 auf 11.274,80 €.

  6. Das FG wies die anschließend erhobene Klage (auch wegen Einkommensteuer für das Streitjahr) als unbegründet ab.

  7. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin als Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Verletzung rechtlichen Gehörs durch eine unzulässige Überraschungsentscheidung, und macht mehrere Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme sowie hinsichtlich der dem FG obliegenden Sachaufklärungspflicht geltend. Außerdem beruft sich die Klägerin aus mehreren Gründen auf das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO.

  8. Der für die Einkommensteuer zuständige X. Senat des BFH hat das Verfahren wegen Umsatzsteuer 2004 mit Beschluss vom 22. November 2013 zum Az. X B 35/13 abgetrennt und an den hierfür zuständigen XI. Senat abgegeben und die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Einkommensteuer 2004 als unbegründet zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde der Klägerin wegen Umsatzsteuer 2004 hat keinen Erfolg.

  2. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen zum Teil nicht vor bzw. sind nicht entsprechend den in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO vorgesehenen Anforderungen dargelegt.

  3. 1. Der von der Klägerin behauptete Verfahrensfehler in Gestalt einer Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) durch eine unzulässige Überraschungsentscheidung ist nicht gegeben.

  4. a) Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. September 2013 XI B 114/12, BFH/NV 2013, 1947, Rz 10, m.w.N.).

  5. b) Die Klägerin führt hierzu aus, das FG habe das Vorliegen einer nachhaltigen unternehmerischen Tätigkeit i.S. von § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) im Streitjahr auf Verkäufe in den Jahren 2003 bis Frühjahr 2006, auf die Anzahl von mindestens 56 Verkaufsanzeigen und darauf gestützt, dass sie bereits in den Jahren 1998, 2000 und 2002 als Schmuckverkäuferin aufgetreten sei, was sich aus den polizeilichen Ermittlungen in diesen Jahren ergebe. Bei dieser Argumentation im Urteil des FG handele es sich um eine unzulässige Überraschungsentscheidung, da weder die Jahre 1998, 2000, 2002, 2005 und 2006 noch die angeblichen polizeilichen Ermittlungen in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gekommen seien.

  6. aa) Soweit die Klägerin vorträgt, das FG habe zu ihren Lasten zu Unrecht auch Vorfälle aus den Jahren 2003 bis zum Frühjahr 2006 außerhalb des Streitjahres berücksichtigt, handelt es sich nicht um eine unzulässige Überraschungsentscheidung. Denn Vorfälle aus diesen Zeiträumen waren bereits im Rahmen der Betriebsprüfung untersucht und zum Teil mit der Klägerin erörtert worden, wie sich u.a. aus einem Aktenvermerk über die mit ihr telefonisch geführte Schlussbesprechung ergibt. Die Klägerin musste daher davon ausgehen, dass auch außerhalb des Streitjahres liegende aktenkundige Umstände im Rahmen des FG-Urteils Berücksichtigung finden könnten.

  7. bb) Hinsichtlich der Jahre 1998, 2000 und 2002 sowie der den entsprechenden polizeilichen Ermittlungen liegt schon deshalb keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, weil das FG diese nicht für entscheidungserheblich gehalten hat.

  8. 2. Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) erforderlich.

  9. a) Soweit die Klägerin eine Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO behauptet, entspricht ihre Rüge schon nicht den in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genannten Darlegungsanforderungen.

  10. aa) Zur Darlegung einer Divergenz muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 2006 V B 159/05, BFH/NV 2006, 1892, und vom 22. März 2007 V B 136/05, BFH/NV 2007, 1719). Dabei ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom 1. Dezember 2006 VIII B 2/06, BFH/NV 2007, 450; vom 11. Mai 2012 V B 106/11, BFH/NV 2012, 1339, und vom 24. September 2013 XI B 75/12, BFH/NV 2014, 164).

  11. bb) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, dass nach der ständigen Rechtsprechung ein Umsatz bei "ebay" von 4.974,67 € oder von 21,01 € im Jahr 2003 keine Unternehmerstellung begründen könne, wie sich dies aus den entsprechenden Urteilen des BFH ergebe. Sie hat es aber schon versäumt, entsprechende Urteile zu zitieren.

  12. Soweit die Klägerin damit sinngemäß eine Divergenz zu den vom BFH in seinem Urteil vom 26. April 2012 V R 2/11 (BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634) aufgestellten Rechtsgrundsätzen rügt, wäre eine solche Divergenz nicht gegeben, da das FG im Streitfall die entsprechend gebotene Einzelfallwürdigung vorgenommen hat (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 35 f.).

  13. b) Die Klägerin hat auch keinen schwerwiegenden Rechtsfehler aufgezeigt, der eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geboten erscheinen lässt.

  14. aa) Ein Fehler bei der Rechtsanwendung kann nur ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein derartiger Fehler liegt nur dann vor, wenn die angefochtene FG-Entscheidung objektiv willkürlich oder zumindest greifbar gesetzwidrig ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 164, Rz 34).

  15. bb) Soweit die Klägerin ausführt, das FG habe eindeutig die Aussage des Zeugen H falsch gewürdigt, und eine "grob fehlerhafte" Beweiswürdigung vorgenommen, genügt dieses Vorbringen nicht, um eine objektiv willkürliche oder greifbar gesetzwidrige Entscheidung darzutun.

  16. Denn eine Beweiswürdigung ist nur dann willkürlich, wenn sie so schwerwiegende Fehler aufweist, dass sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist und offensichtlich jedem Zweck einer Beweiswürdigung zuwiderläuft, so dass ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung besteht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14. März 2012 V B 10/11, BFH/NV 2012, 1315, Rz 11, m.w.N.). Diese besonderen Umstände sind substantiiert darzulegen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 24. Juli 2006 IX B 208/05, BFH/NV 2006, 2269), was im Streitfall nicht geschehen ist; vielmehr ersetzt die Klägerin lediglich die vom FG gezogenen Schlussfolgerungen durch ihre eigene Würdigung.

  17. cc) Soweit die Klägerin die Nichtanwendung des § 19 UStG rügt, kann sie ‑‑wie das FG zutreffend ausgeführt hat‑‑, die in dieser Vorschrift vorgesehene Kleinunternehmerregelung, wonach bei Unterschreiten einer Umsatzgrenze von 50.000 € im laufenden Kalenderjahr ausnahmsweise von der Erhebung der entsprechend geschuldeten Umsatzsteuer abgesehen wird, nicht in Anspruch nehmen, weil sie nach den tatsächlichen Feststellungen des FG Umsätze in Höhe von mehr als 50.000 € ausgeführt hat.

  18. 3. Das FG hat auch keinen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO im Zusammenhang mit der von der Klägerin beanstandeten Durchführung der Beweisaufnahme bzw. im Hinblick auf weitere dem FG obliegenden Aufklärungspflichten begangen.

  19. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des X. Senats in seinem Beschluss vom 22. November 2013 X B 35/13 (unter II.4., II.5. und II.6.) zum Parallelverfahren betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2004, denen sich der Senat auch für die in diesem Verfahren streitbefangene Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2004 in vollem Umfang anschließt.

  20. 4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

  21. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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