BFH III. Senat
FGO § 62 Abs 2 S 1, FGO § 62 Abs 4 S 1, FGO § 62 Abs 4 S 2, FGO § 116 Abs 2 S 1, BGB § 164 Abs 1
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 14. October 2013, Az: 11 K 2626/11
Leitsätze
1. NV: Ist eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision aufgrund ihres Briefkopfes und der Unterschrift als eigene Prozesshandlung des vor dem Bundesfinanzhof selbst nicht postulationsfähigen Klägers auszulegen, wird sie auch durch den darin enthaltenen Hinweis auf die beabsichtigte Einschaltung eines Steuerberaters und die im Stil einer Erklärung eines Prozessbevollmächtigten erfolgte Formulierung ("...namens und in Vollmacht des Klägers erheben wir...") nicht zu einer wirksamen Prozesshandlung eines Steuerberaters.
2. NV: Durch eine nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO eingegangene und von einem Steuerberater gefertigte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde tritt keine Heilung der durch den nicht postulationsfähigen Kläger innerhalb der Beschwerdefrist unwirksam eingelegten Beschwerde ein.
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wandte sich mit einer Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2009. Er begehrte die Gewährung eines Investitionsabzugsbetrags, die Anerkennung verschiedener Betriebsausgaben und eine Erhöhung des vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) im Wege einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 der Abgabenordnung) berücksichtigten "Büsinger Freibetrages".
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Das Urteil wurde dem vom Kläger benannten Prozess- und Empfangsbevollmächtigten am 26. Oktober 2013 zugestellt.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2013, das beim Bundesfinanzhof (BFH) am 4. November 2013 einging, erhob der Kläger gegen dieses Urteil Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision. Der Beschwerdeschriftsatz wies im Briefkopf den Namen und die Adresse des Klägers aus und wurde nur vom Kläger persönlich unterschrieben. Als Prozessbevollmächtigte benannte der Kläger einen Steuerberater und seinen Vater. Ferner verwies der Kläger darauf, dass die Vollmachten der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beigefügt werden sollen.
Mit Schreiben vom 5. November 2013 wies die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Kläger auf den beim BFH bestehenden Vertretungszwang hin.
Mit beim BFH am 10. Dezember 2013 eingegangenem Schreiben vom 30. November 2013, das den Briefkopf des Klägers, hingegen die Unterschrift des vom Kläger benannten Steuerberaters trägt, reichte der Kläger eine Beschwerdebegründung und eine Vollmacht für den vom Kläger benannten Steuerberater ein.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Der Kläger hat innerhalb der Beschwerdefrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO keine wirksame Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
a) Gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH einzulegen.
Gemäß § 62 Abs. 4 Satz 1 FGO müssen sich die Beteiligten vor dem BFH durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem BFH eingeleitet wird (§ 62 Abs. 4 Satz 2 FGO). Als Bevollmächtigte sind nur die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO bezeichneten Personen und Gesellschaften zugelassen. Die Beteiligten können sich danach ‑‑sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt‑‑ durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften i.S. des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln.
b) Im Streitfall stellt das Schreiben des Klägers vom 31. Oktober 2013 eine Prozesshandlung dar, durch die i.S. des § 62 Abs. 4 Satz 2 FGO ein Verfahren vor dem BFH ‑‑das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde‑‑ eingeleitet wird. Die Prozesshandlung unterliegt daher dem Vertretungszwang.
Die Prozesshandlung ist unwirksam, da sie nicht von einer der in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO als mögliche Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen oder Gesellschaften vorgenommen wurde. Der Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 erfüllt bereits in formaler Hinsicht nicht die Anforderungen an eine wirksame Prozesshandlung, da sie nicht von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten abgegeben wurde. Gemäß § 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) setzt ein wirksames Vertreterhandeln eine eigene Willenserklärung des Vertreters voraus. Da der Schriftsatz nach seinem Briefkopf und der darauf allein vorhandenen Unterschrift eindeutig vom Kläger selbst stammt, wird er auch durch den Hinweis auf die beabsichtigte Einschaltung u.a. eines Steuerberaters und die im Stil einer Erklärung eines Prozessbevollmächtigten erfolgte Formulierung ("...namens und in Vollmacht des Klägers erheben wir...") nicht zu einer wirksamen Prozesshandlung eines Steuerberaters.
Der von dem Steuerberater des Klägers unterzeichnete Schriftsatz vom 30. November 2013 und die diesem beigefügte Prozessvollmacht führen nicht zu einer rückwirkenden Heilung der unwirksamen Prozesshandlung im Schreiben vom 31. Oktober 2013. Vielmehr kann in einem solchen Fall nur von einer Wiederholung der Prozesshandlung ausgegangen werden, der nur Wirkung für die Zukunft beizumessen ist (BFH-Beschluss vom 16. Juni 1998 XI B 37/98, BFH/NV 1998, 1368; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 62 Rz 74).
c) Der Schriftsatz vom 30. November 2013 ist außerhalb der Beschwerdefrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO eingegangen. Die Beschwerde ist daher unzulässig.
Das Urteil des FG wurde dem vom Kläger benannten Empfangsbevollmächtigten gemäß der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 26. Oktober 2013 zugestellt. Die einmonatige Beschwerdefrist lief daher am Dienstag, den 26. November 2013, ab (§ 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Der Schriftsatz vom 30. November 2013 ging indes erst am 10. Dezember 2013 und damit verspätet beim BFH ein.
d) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) hat der Kläger nicht beantragt. Gründe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, sind auch anderweitig nicht ersichtlich. Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf Unkenntnis vom Vertretungszwang berufen, da er in der dem FG-Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Vertretungszwang vor dem BFH bereits für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gilt.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.