BFH I. Senat
EStG § 5 Abs 1 S 1, KStG § 8 Abs 1 S 1, KStG § 27 Abs 2, KStG § 37 Abs 2, GewStG § 7 S 1, HGB § 255 Abs 5 S 6, HGB § 266 Abs 2, EStG VZ 2005 , HGB § 92 Abs 4, FGO § 118 Abs 2
vorgehend FG Münster, 20. December 2011, Az: 9 K 3802/08 K,G,F,Zerl
Leitsätze
NV: Zwar gehört die Ermittlung des Inhalts der von den Vertragsparteien abgegebenen Willenserklärungen (hier: Vereinbarung aufschiebend bedingter Provisionsansprüche eines Versicherungsvertreters) zu den tatsächlichen Feststellungen des vorinstanzlichen Urteils. Die hierfür in § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich vorgesehene Bindung des Revisionsgerichts entfällt jedoch, wenn die Würdigung des FG mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht nachvollzogen werden kann und die Vorinstanz die für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände nicht erforscht hat. Gleiches gilt, wenn das FG eine naheliegende Auslegungsmöglichkeit nicht in Betracht gezogen hat.
Tatbestand
I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlussrevisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, vermittelte in den Streitjahren (2003 bis 2005) Rückdeckungsversicherungen der X-Versicherung (X) sowie der L-Versicherung (L) für aus der Umwandlung von Arbeitslohn entstandene Ansprüche auf betriebliche Altersvorsorge. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin die sog. stornobehafteten Teile ihrer Vermittlungsprovisionen zu aktivieren hatte und ‑‑soweit dies der Fall ist‑‑ ob für diese Beträge Rückstellungen zu bilden waren.
In den jeweils auf den 31. Dezember erstellten Jahresabschlüssen der Klägerin wurden die Provisionsumsätze aktiviert ‑‑2003: … € (X); 2004: … € (X) zzgl. … € (L); 2005: … € (X) zzgl. … € (L)‑‑ und die von den Versicherungen bestätigten stornobehafteten Anteile als Rückstellungen passiviert ‑‑2003: … € (X); 2004: … € (X) zzgl. … € (L); 2005: … € (X) zzgl. … € (L)‑‑. Für sämtliche Streitjahre ergaben sich Fehlbeträge (2003: … €; 2004: … €; 2005: … €) mit der Folge, dass der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) entsprechend den abgegebenen Erklärungen die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge auf jeweils 0 € festsetzte sowie die verbleibenden Verlustabzüge zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer feststellte. Der Bestand des Einlagenkontos wurde zum Ablauf der Streitjahre in Höhe von jeweils 0 €, das Körperschaftsteuerguthaben auf jeweils 49 € festgestellt (§ 27 Abs. 2 und § 37 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 ‑‑KStG 2002‑‑).
Im Rahmen einer Außenprüfung erläuterte die Klägerin, dass zwar keine schriftlichen Verträge über ihre Vermittlungstätigkeit geschlossen worden seien, nach den mündlichen Abreden jedoch die mit dem Abschluss der Versicherungsverträge entstandenen Provisionsansprüche bei Auftreten von "Leistungsstörungen" entfallen wären. Hieraus ergebe sich vorliegend die Rückstellung der gesamten stornobehafteten Beträge, da arbeitsgerichtliche Verfahren zu der Frage anhängig seien, ob die geschlossenen Versicherungen mit sog. gezillmerten Tarifen rückabgewickelt werden müssten und deshalb auch die Provisionen zurückzuzahlen seien. Nach Ansicht des FA bestand hingegen keine erhöhte Stornogefahr; hiervon Abweichendes habe die Klägerin weder dargelegt noch belegt. Auch aus den von der Klägerin angeführten arbeitsgerichtlichen Verfahren folge nichts anderes. Die Rückstellung sei deshalb nur in Höhe von 10 % der angesetzten Beträge (betreffend X und L) anzuerkennen (2003: … €; 2004: … €; 2005: … €).
Demgemäß setzte das FA mit Änderungsbescheiden vom 7. August 2008 und vom 18. August 2008 die Körperschaftsteuer (2003: 6.145 €; 2004: 7.824 €; 2005: 10.886 €) sowie die Gewerbesteuermessbeträge fest (2003: 1.195 €; 2004: 1.630 €; 2005: 2.210 €) und hob die jeweiligen Feststellungen zum verbleibenden Verlustabzug auf. Bezüglich der Feststellungen nach § 27 Abs. 2 und § 37 Abs. 2 KStG 2002 ergab sich gegenüber den zunächst ergangenen Bescheiden keine Änderung. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im finanzgerichtlichen Verfahren hat die Klägerin unter Vorlage der Bestätigungen der X über die unverdienten Provisionen bekräftigt, dass sie bei Leistungsstörungen innerhalb von fünf Jahren nach Vertragsschluss die erhaltenen Provisionsbeträge ganz oder anteilig hätte zurückerstatten müssen. Nachdem das Finanzgericht (FG) auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 15. September 2009 3 AZR 17/09 (BAGE 132, 100) hingewiesen hatte, demzufolge die Verwendung gezillmerter Tarife im Rahmen der Entgeltumwandlung zwar der Rechtskontrolle nicht standhalte, dies jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Entgeltumwandlungsvereinbarung, sondern zu einer höheren betrieblichen Altersvorsorge führe, hat die Klägerin mitgeteilt, dass für die von ihr vermittelten Versicherungsverträge zu keinem Zeitpunkt eine Rückabwicklung verlangt worden sei. Auch die allgemeine Stornogefahr habe sich bei keinem von ihr vermittelten Vertrag realisiert. Gleichwohl seien mit Rücksicht auf die erst durch das BAG geklärte Rechtslage die gebildeten Rückstellungen für die Streitjahre anzuerkennen.
Darüber hinaus hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihr ‑‑abweichend von dem bisherigen Vorbringen‑‑ nach der mündlichen Honorarvereinbarung mit X ab September 2002 Vorschüsse zum Aufbau ihres Geschäfts (einschließlich der Aufwendungen für Subunternehmer) in variabler Höhe ausgezahlt worden seien. Diese seien auf einem von X für sie geführten Agenturkonto erfasst worden. Das FG hat hierzu in der mündlichen Verhandlung den Filialdirektor der X, … (A), als Zeugen vernommen. Dieser hat erläutert, dass es bezüglich der Provisionsvereinbarungen bei der X zwei Modelle gegeben habe. Bei dem einen Modell seien die auf den jeweils vermittelten und abgeschlossenen Vertrag entfallenden Provisionen direkt ausgezahlt worden, hätten jedoch noch über bestimmte Zeiträume unter einem Stornovorbehalt gestanden. Bei dem zweiten mit der Klägerin vereinbarten Modell habe ebenfalls eine Stornolaufzeit bestanden, jedoch seien die Provisionen ratierlich ausgezahlt worden. Angesichts des hohen Vorfinanzierungsbedarfs der Klägerin habe X allerdings Vorschüsse geleistet. Demgemäß habe X für die Klägerin auch zwei Konten geführt. In der Regel hätten die Vorschusszahlungen nicht den vollen Betrag der noch unverdienten Provisionen erreicht. Da die ratierliche Auszahlung der von X verwendeten Standard-Courtagevereinbarung entspreche, sei auch die fehlende schriftliche Fixierung der Abreden unproblematisch gewesen. Diese Standardvereinbarung habe sich allerdings unmittelbar lediglich auf die Standardprodukte der X, nicht aber auf das von der Klägerin vertriebene besondere Produkt "…" bezogen. Da auch dieses Produkt jedoch letztlich eine Lebensversicherung sei, hätte X sich bei Streitigkeiten dennoch auf die Standard-Courtagevereinbarung berufen können.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Während das FG ‑‑nunmehr im Einvernehmen mit der Klägerin‑‑ im Hinblick auf die von L bezogenen Umsatzerlöse von einer sofortigen Gewinnrealisierung ausgegangen ist, hat es für die von X bezogenen Vergütungen angenommen, dass mit der Klägerin ratierlich entstehende Provisionsansprüche vereinbart worden seien. Eine erfolgswirksame Aktivierung dieser aufschiebend bedingten Provisionsteilbeträge (Stornohaftung) scheide aus; die empfangenen Vorschüsse seien als erhaltene Anzahlungen zu passivieren gewesen. Allerdings seien die auf die Versicherungen der X entfallenden Vermittlungsleistungen der Klägerin als unfertige Leistungen i.S. von § 266 Abs. 2 B.I.2 des Handelsgesetzbuches (HGB) zu aktivieren. Für die Streitjahre ergäben sich hieraus geschätzte Aktiva in Höhe von … € (2003), … € (2004) und … € (2005). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des FG Münster vom 21. Dezember 2011 9 K 3802/08 K,G,F,Zerl verwiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1286).
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, dass es sich bei den nach Ansicht des FG zu aktivierenden Aufwendungen um Vertriebskosten gehandelt habe, die nach § 255 Abs. 2 Satz 6 HGB a.F. (heute: Satz 4) einem Bewertungsverbot unterlägen. Sie habe lediglich nicht aktivierbare Gewinnaussichten erworben.
Das FA hat mit Schriftsatz vom 20. Juli 2012 Anschlussrevision erhoben und hierbei unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Oktober 1971 IV 305/65 (BFHE 104, 56, BStBl II 1972, 274) vorgetragen, dass die Provisionsansprüche auch vor dem Zeitpunkt ihres rechtlichen Entstehens zu aktivieren seien, wenn sie ‑‑wie ab Zahlung der Erstprämie‑‑ einen wirtschaftlich durchsetzbaren Vermögenswert darstellten. Hinzu komme, dass entgegen der Würdigung des FG die Provisionsansprüche der Klägerin im Einklang mit ihrer bisherigen Auffassung auch zivilrechtlich entstanden seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass entsprechend dem rechnerischen Ergebnis ihrer Steuerklärungen nur die am jeweiligen Bilanzstichtag nicht stornobehafteten Provisionsansprüche aktiviert werden.
Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG, soweit es über die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuermessbescheide 2003 bis 2005 sowie die jeweiligen Verlustfeststellungen entschieden hat, aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revisionen sind begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache mangels Entscheidungsreife an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen zu den vertraglichen Abmachungen reichen nicht aus, um durcherkennen zu können.
1. Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Anschlussrevision des FA sind zulässig. Letztere ist zwar erst am 20. Juli 2012 und damit nach Ablauf der Revisionsfrist, jedoch entsprechend der Regelung des § 554 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 Satz 1 FGO innerhalb von einem Monat nach der Zustellung der Revisionsbegründung der Klägerin (21. Juni 2012) eingelegt und begründet worden (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 84 ff.). Da sich ‑‑wie das FA nach Hinweis durch den Senat bestätigt hat‑‑ der vorliegende Rechtsstreit auf die Feststellungen zum Bestand des Einlagekontos sowie des Körperschaftsteuerguthabens (§ 27 Abs. 2 und § 37 Abs. 2 KStG 2002) nicht auswirkt, legt der Senat den Revisionsantrag der Klägerin rechtsschutzgewährend dahin aus, dass dieser sich nur gegen die Festsetzung der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbeträge sowie die Verlustfeststellungen richtet.
2. Zu der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, in welchem Umfang die Provisionsansprüche der Klägerin zu aktivieren sind, ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass die von X zu den Bilanzstichtagen der Streitjahre bescheinigten stornobehafteten Beträge deshalb nicht als i.S. von § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB (hier: i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 und § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 sowie § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes 2002) realisierte Gewinne zu qualifizieren seien, weil die diesen Beträgen zugrunde liegenden Provisionsansprüche unter der aufschiebenden Bedingung des Wegfalls der Stornohaftung vereinbart worden seien. Letztere Würdigung bindet den Senat indes nicht. Zwar gehört die Ermittlung des Inhalts der von den Vertragsparteien abgegebenen Willenserklärungen zu den tatsächlichen Feststellungen des vorinstanzliches Urteils. Die hierfür in § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich angeordnete Bindung des Revisionsgerichts entfällt jedoch, wenn ‑‑wie hier‑‑ das Revisionsgericht die Würdigung des FG mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht nachvollziehen kann und die Vorinstanz die für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände nicht erforscht; gleiches gilt, wenn das FG eine naheliegende Auslegungsmöglichkeit nicht in Betracht zieht (Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 55 und 24, jeweils m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 196, 198). Da zudem der Senat nach dem bisherigen Sachstand den Inhalt des Vertretervertrags der Klägerin mit X nicht selbst ermitteln kann (Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 57), ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Diese wird insbesondere zu überprüfen haben, ob die Vertragsparteien nicht eine bloße Fälligkeitsabrede mit der Folge getroffen haben, dass an den jeweiligen Bilanzstichtagen auch die erst später zu erfüllenden Provisionsansprüche zu aktivieren waren (s. nachfolgend zu II.2.b).
a) Nach § 92 Abs. 4 HGB hat der Versicherungsvertreter (§ 92 Abs. 1 HGB) Anspruch auf Provision (§ 87a Abs. 1 HGB), sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. Hiernach kann ‑‑je nach der Vertragsabrede‑‑ bei mehreren Prämienzahlungen der gesamte Provisionsanspruch bereits mit der Leistung der ersten Prämienzahlung oder ratierlich entsprechend den einzelnen Prämienzahlungen entstehen (s. dazu BFH-Urteil vom 17. März 2010 X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033, m.w.N.). § 92 Abs. 4 HGB ist aber darüber hinaus auch insoweit disponibel, als die Auszahlung des mit der ersten Prämienzahlung entstehenden Provisionsanspruchs an die Prämienzahlung des Versicherungsnehmers gebunden werden kann; eine solche Abrede hindert nicht das sofortige Entstehen des Provisionsanspruchs, sondern führt lediglich dazu, dass der Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs, d.h. der Zeitpunkt zu dem der Versicherungsvertreter die Provisionsleistung verlangen kann, hinausgeschoben wird (vgl. dazu auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 28. Mai 2002, juris).
b) Ansprüche aus Lieferungen und sonstigen Leistungen sind jedenfalls dann zu aktivieren, wenn der Leistungsverpflichtete seine Verpflichtung (wirtschaftlich) erfüllt hat und der Zahlungsanspruch entstanden ist. Auf die Fälligkeit des Anspruchs kommt es nicht an (Senatsurteil vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20; BFH-Beschluss vom 14. April 2011 X B 104/10, BFH/NV 2011, 1343). Gleiches gilt demgemäß für die Provisionen eines Handels- oder Versicherungsvertreters (Senatsurteil vom 15. April 1970 I R 107/68, BFHE 99, 31, BStBl II 1970, 517; BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 2033, zu II.1.; BMF-Schreiben vom 28. Mai 2002). Das Risiko, dass die noch nicht fälligen Provisionsteile nicht ausbezahlt werden, ist ‑‑je nach den Umständen des Einzelfalls‑‑ entweder bei der Bewertung der Forderung oder durch die Passivierung einer entsprechenden Rückstellung zu berücksichtigen (Senatsurteile in BFHE 99, 31, BStBl II 1970, 517; vom 15. Januar 1963 I 259/61 S, BFHE 76, 699, BStBl III 1963, 256; BFH-Urteil vom 17. Januar 1963 IV 335/59 S, BFHE 76, 702, BStBl III 1963, 257).
c) Der Senat ist an die Würdigung des FG, dass im Streitfall keine Fälligkeitsabrede getroffen, sondern das Entstehen der laufenden Provisionsansprüche unter die aufschiebende Bedingung des Ablaufs der jeweiligen Stornozeiträume gestellt worden ist, mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht gebunden. Abgesehen davon, dass die Klägerin mit X nur mündliche Abreden getroffen hatte, lässt sich der vom FG für maßgeblich erachteten Zeugenaussage des A kein hinreichender Hinweis auf die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung entnehmen. Vielmehr deutet seine Aussage, dass nach dem sog. zweiten Modell die "Auszahlung der Provisionen ratierlich erfolgen sollte" auch unter Berücksichtigung der weiteren Erläuterung des A, "die Provisionen (würden) ... nach dem zweiten Modell verdient", nach ihrem Wortlaut eher auf die Vereinbarung einer Fälligkeitsabrede hin. Da das FG diese Auslegungsmöglichkeit nicht in Betracht gezogen hat und zudem nach Aussage des A mit der Klägerin eine Standard-Courtagevereinbarung in schriftlicher Form über das "ratierliche Auszahlungsmodell" geschlossen worden ist, auf die X sich bei Streitigkeiten berufen hätte, wäre es jedenfalls angesichts der offenkundigen Unklarheit über den konkreten Inhalt der getroffenen Abreden (hier: Fälligkeits- oder Bedingungsabrede) geboten gewesen, sich die genannte Standardvereinbarung vorlegen zu lassen. Dem Senat ist es nicht nur verwehrt, dies im Revisionsverfahren nachzuholen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 41, 51). Hinzu kommt, dass er ohne weitere Erläuterung auch nicht erkennt, weshalb ‑‑wie vom FG angenommen‑‑ die ursprüngliche Einschätzung des Geschäftsführers, nach der die Provisionsansprüche durch die Vermittlung der Versicherungsverträge in voller Höhe entstanden seien, auf eine fehlerhafte steuerrechtliche Beurteilung zurückzuführen sein soll. Angesichts dessen gibt der bisherige Sachstand dem Senat weder Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, ob ‑‑wie vom FG im Einklang mit dem Urteil des X. Senats des BFH in BFH/NV 2010, 2033 angenommen‑‑ aufschiebend bedingte Provisionsansprüche erst mit Bedingungseintritt oder bereits bei Zahlung der Erstprämie zu aktivieren sind (so BFH-Urteil vom 21. Oktober 1971 IV 305/65, BFHE 104, 56, BStBl II 1972, 274), noch ist darauf einzugehen, ob ‑‑wie gleichfalls von der Vorinstanz vertreten‑‑ die auf die Vermittlung der Versicherungsverträge entfallenden Aufwendungen der Klägerin als unfertige Leistungen zu aktivieren sind.
3. Das vorinstanzliche Urteil ist demnach aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung zurückzuverweisen. Sollte sich im Rahmen der erneuten Würdigung der Abrede ergeben, dass die Klägerin mit X lediglich eine Fälligkeitsabrede getroffen hat, so wird es ferner darüber zu entscheiden haben, ob und in welcher Höhe ein etwaiges Rückzahlungsrisiko durch einen Forderungsabschlag oder durch den Ausweis einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu neutralisieren ist.