BFH I. Senat
FGO § 69 Abs 3, UmwStG § 20 Abs 2 S 4, UmwStG § 20 Abs 4 S 1, EStG § 7g Abs 3, AO § 175 Abs 1 S 1 Nr 2, AO § 355 Abs 1 S 1
vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt , 22. September 2013, Az: 2 V 782/12
Leitsätze
1. NV: Bei Einbringung eines Einzelunternehmens gegen Gewährung von Anteilen an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft gilt gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Geschäftsanteile. Der Einbringende kann deshalb im Rahmen der Ermittlung seines Einbringungsgewinns nicht mit der Einwendung gehört werden, der von der übernehmenden Kapitalgesellschaft angesetzte Betrag für eine fortgeführte Ansparrücklage nach § 7g EStG 2002 a.F. sei unzutreffend.
2. NV: Maßgeblich auch für die Besteuerung des Einbringenden ist insoweit der Wert, der der Besteuerung der Kapitalgesellschaft tatsächlich zugrunde gelegt worden ist. Erlässt das für die Besteuerung der Kapitalgesellschaft zuständige FA zunächst einen Körperschaftsteuerbescheid mit erklärungsgemäßem Wertansatz und ändert es diesen später unter "Korrektur" dieses Wertansatzes ab, sind die korrigierten Werte maßgeblich.
3. NV: Der Einbringende kann den geänderten Körperschaftsteuerbescheid als Drittbetroffener anfechten. Ist ihm der Änderungsbescheid in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger der Kapitalgesellschaft bekannt gegeben worden, wirkt die Bekanntgabe auch für seine Rechtsschutzmöglichkeiten als Drittanfechtungsberechtigter.
Tatbestand
I. Der mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) betrieb im Streitjahr (2005) ein einzelkaufmännisches Unternehmen. In seinem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2005 passivierte der Antragsteller Rücklagen (sog. Ansparabschreibungen) gemäß § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.F. vor dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) ‑‑EStG 2002 a.F.‑‑ im Gesamtbetrag von 154.000 € (u.a. für 50 Container, einen PKW, einen Schreibtisch und einen Chefsessel).
Im August 2006 gliederte der Antragsteller sein Einzelunternehmen mit steuerlicher Wirkung zum 31. Dezember 2005 im Wege der Ausgliederung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes in die von ihm neu gegründete J-GmbH aus. Die J-GmbH übernahm die Aktiva und Passiva des Einzelunternehmens (einschließlich der Ansparrücklagen) in ihrer Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 mit den Buchwerten. Im Juli 2010 wurde das Vermögen der J-GmbH wieder mit dem Vermögen des Antragstellers verschmolzen, der das Unternehmen erneut als Einzelunternehmer fortführte.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) vertrat nach einer Außenprüfung unter Hinweis auf § 20 Abs. 2 Satz 4 des Umwandlungssteuergesetzes 2002 (UmwStG 2002) die Auffassung, die zum 31. Dezember 2005 vom Antragsteller gebildeten Ansparrücklagen seien im Zuge der Einbringung bis zu dem Betrag von 1.823,82 € aufzulösen, weil dem übersteigenden Betrag kein positives Betriebsvermögen gegenübergestanden habe. Das FA erließ demzufolge am 26. November 2010 gegenüber dem Antragsteller als Rechtsnachfolger der J-GmbH einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2006, in dem in der Eröffnungsbilanz die Ansparrücklagen nur im Betrag von 1.823,82 € berücksichtigt wurden. Zugleich änderte das FA den Einkommensteuerbescheid des Antragstellers für das Streitjahr in der Weise, dass es den (laufenden) Gewinn aus Gewerbebetrieb um den Betrag der aufgelösten Ansparrücklagen (152.176,18 €) erhöhte. Auf den Einspruch des Klägers änderte das FA den Einkommensteuerbescheid nur insoweit, als es den mit der Auflösung der Ansparrücklagen entstandenen Gewinn nunmehr als begünstigten Veräußerungsgewinn behandelte. Über die Klage gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid hat das Finanzgericht (FG) des Landes Sachsen-Anhalt noch nicht entschieden.
Den Antrag, die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, hat das FG mit Beschluss vom 23. September 2013 2 V 782/12 abgelehnt. Nach Auffassung des FG ist der Antrag unzulässig, weil der Antragsteller Rechtsschutz gegen den Ansatz der Ansparrücklagen nur im Wege der Drittanfechtung des Körperschaftsteuerbescheids der J-GmbH (als aufnehmender Kapitalgesellschaft) hätte erreichen können. Letzterer entfalte insoweit gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 materielle Bindungswirkung für die Bemessung des Veräußerungsgewinns des Antragstellers als Einbringendem.
Gegen den FG-Beschluss richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des Antragstellers, der das FG nicht abgeholfen hat.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß), den FG-Beschluss aufzuheben und die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Das Rechtsmittel ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgelehnt wird.
1. Entgegen der Sichtweise der Vorinstanz ist der Antrag auf AdV zulässig. Der Antragsteller begehrt die AdV eines ihn belastenden und von ihm durch Einspruch und Klage angefochtenen Festsetzungsbescheids. Der Umstand, dass nach Ansicht des FG für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns des Antragstellers aus der im Streitjahr erfolgten Einbringung gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 eine materielle Bindungswirkung der der Besteuerung der aufnehmenden J-GmbH zugrundeliegenden Wertansätze bestanden hat, führt nicht dazu, dass es dem Antragsteller an einem Rechtsschutzbedürfnis gegen die Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Rahmen seiner Einkommensteuerfestsetzung fehlte.
2. Der Antrag ist jedoch in der Sache unbegründet. Es fehlt an den für die AdV-Gewährung erforderlichen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids.
a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2012 I B 128/12, BFHE 238, 452, BStBl II 2013, 30).
b) Solche ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids fehlen im Streitfall. Das FA hat für die Bemessung des Veräußerungspreises im Rahmen der Ermittlung des Einbringungsgewinns des Antragstellers aus der Einbringung zu Recht auch im Hinblick auf die Ansparrücklagen nach § 7g Abs. 3 EStG 2002 a.F. auf jene Beträge abgestellt, die der Besteuerung der J-GmbH zugrunde gelegen haben.
aa) Bei der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft gilt gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile. Dem entnimmt der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung, dass der Einbringende im Rahmen der Ermittlung des Einbringungsgewinns nicht mit der Einwendung gehört werden kann, der von der übernehmenden Kapitalgesellschaft nach § 20 Abs. 2 UmwStG 2002 für das eingebrachte Betriebsvermögen angesetzte Wert sei unzutreffend ermittelt worden (Senatsurteil vom 19. Dezember 2007 I R 111/05, BFHE 220, 152, BStBl II 2008, 536; vgl. auch BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 VIII R 12/08, BFHE 235, 407, BStBl II 2012, 381). Wird der von der Kapitalgesellschaft angesetzte Wert im Rahmen der Besteuerung jener Kapitalgesellschaft korrigiert, so ändert sich dadurch zugleich der beim Einbringenden zu berücksichtigende Veräußerungspreis (Senatsurteil vom 20. April 2011 I R 97/10, BFHE 233, 508, BStBl II 2011, 815). Dem Einbringenden steht gegen den Körperschaftsteuerbescheid, mit dem die Wertansätze der Kapitalgesellschaft zu seinem Nachteil korrigiert worden sind, der Rechtsbehelf der Drittanfechtungsklage zu (Senatsurteile vom 8. Juni 2011 I R 79/10, BFHE 234, 101, BStBl II 2012, 421; vom 25. April 2012 I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649).
bb) Nach diesen Maßgaben war das FA, nachdem es für die Zwecke der Gewinnermittlung der J-GmbH für das Jahr 2006 die Beträge der Ansparrücklagen in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 reduziert hatte, gehalten, die entsprechend geminderten Werte auch im Rahmen der Ermittlung des Einbringungsgewinns des Antragstellers anzusetzen. Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Wertansätze hätte der Antragsteller im Wege der (Dritt-)Anfechtung des die J-GmbH betreffenden Körperschaftsteuerbescheids für das Jahr 2006 geltend machen können; nicht aber kann er damit im Rahmen der Anfechtung seines Einkommensteuerbescheids gehört werden. Insofern besteht vielmehr die vom FG angenommene materiell-rechtliche Bindungswirkung der Körperschaftsteuerfestsetzung (vgl. Senatsurteil in BFHE 234, 101, BStBl II 2012, 421).
cc) Der vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung hervorgehobene Umstand, dass die J-GmbH in ihrer Eröffnungsbilanz die höheren Beträge angesetzt hatte und das FA diese Werte im Rahmen der ursprünglichen Steuerfestsetzungen übernommen hatte, ändert an dieser Beurteilung nichts. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 233, 508, BStBl II 2011, 815 näher ausgeführt hat, sind für die Besteuerung des Einbringenden jene Werte anzusetzen, die der Besteuerung der Kapitalgesellschaft tatsächlich zugrunde gelegt worden sind. Wird deren Körperschaftsteuerbescheid später geändert und werden dabei andere Wertansätze zugrunde gelegt, sind deshalb die geänderten Beträge maßgeblich. Die Änderung des Körperschaftsteuerbescheids stellt für die Besteuerung des Einbringenden ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) dar, welches eine Änderung auch des diesen betreffenden Steuerbescheids erfordert und ermöglicht.
dd) Inwiefern die AdV des Einkommensteuerbescheids des Einbringenden nach § 69 Abs. 3 FGO für den Zeitraum in Betracht kommt, in dem der Körperschaftsteuerbescheid der aufnehmenden Kapitalgesellschaft zumindest noch durch Drittanfechtung des Einbringenden angefochten werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der Antragsteller hat den Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuerfestsetzung 2006 der J-GmbH vom 26. November 2010 weder in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger der J-GmbH noch als Drittbetroffener angefochten, sodass der Bescheid in Bestandskraft erwachsen ist. Änderungsgründe nach Maßgabe der §§ 172 ff. AO sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Als Zeitpunkt der die Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO (oder gegebenenfalls jene des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO) auslösenden Bekanntgabe des Körperschaftsteuerbescheids 2006 der J-GmbH an den Antragsteller ist der Zeitpunkt anzusehen, zu dem dem Antragsteller (bzw. dessen Bevollmächtigten) der Bescheid in seiner Eigenschaft als Rechtnachfolger der J-GmbH zugegangen ist. Zu Recht hat die Vorinstanz angenommen, dass das FA zur Auslösung der Einspruchsfrist nicht gehalten war, dem Antragsteller den gleichen Bescheid ein weiteres Mal ‑‑in seiner Eigenschaft als Drittbetroffener‑‑ zuzustellen. Soweit der Antragsteller sich in der Beschwerdebegründung auf die Unwirksamkeit der Zustellung beruft, fehlt es hierfür an einer näheren Begründung.
3. Bei dieser Sachlage kommt es für die Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag nicht darauf an, ob die Reduzierung der Beträge der Ansparrücklagen in der Eröffnungsbilanz der J-GmbH durch das FA auf rechtlich zutreffenden Erwägungen beruht hat. Ebenso wenig muss darüber befunden werden, ob nicht schon die Passivierung der Ansparrücklagen in der Schlussbilanz des Antragstellers zum 31. Dezember 2005 ausgeschlossen war, weil die Ausgliederung des Unternehmens aus dessen Vermögen bei Einreichung der Steuererklärung für 2005 bereits absehbar war und deshalb die betreffenden Investitionen im Einzelunternehmen nicht mehr durchführbar gewesen sind (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2010 I R 70/09, BFH/NV 2010, 2072; dagegen Vorlagebeschluss des X. Senats des BFH an den Großen Senat des BFH vom 22. August 2012 X R 21/09, BFHE 238, 153).