BFH IX. Senat
FGO § 126 Abs 1, FGO § 145, AO1977§180Abs2V § 1 Abs 3
vorgehend FG Düsseldorf, 28. August 2012, Az: 7 K 3012/09 F
Leitsätze
NV: Hat das Finanzamt bei einem Gesamtobjekt die Höhe der Schuldzinsen nach § 1 Abs. 3 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung festgestellt und auf die Feststellungsbeteiligten verteilt und hat das Finanzgericht den Feststellungsbescheid lediglich hinsichtlich der Verteilung der Schuldzinsen geändert, so fehlt dem Finanzamt die Beschwer für eine Revision, mit der es eine andere Verteilung der Schuldzinsen herbeizuführen sucht.
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten zu 1. und 2. (Kläger X) erwarben von einem Bauträger acht noch zu errichtende Eigentumswohnungen zu hälftigem Miteigentum. Der Kläger und Revisionsbeklagte zu 3. (Kläger Z) erwarb von demselben Bauträger vier andere noch zu errichtende Eigentumswohnungen zu Alleineigentum. Die Wohnungen bilden zusammen ein separates Gebäude innerhalb eines größeren Ensembles. Für die Wohnungen vereinbarten die Kläger mit dem Bauträger einen Gesamtpreis. Davon hatten die Kläger X für die von ihnen erworbenen acht Wohnungen 64,2 % und der Kläger Z für die von ihm erworbenen vier Wohnungen 35,8 % zu tragen. Die Kaufverträge wurden in einer Urkunde gemeinsam beurkundet.
Nach Fertigstellung des Bauwerks vermieteten die Kläger X und der Kläger Z die von ihnen erworbenen Wohnungen jeweils auf eigene Rechnung. Die Mieten vereinnahmten sie auf einem gemeinsamen Konto.
Zur Finanzierung ihrer jeweiligen Anschaffungen nahmen die Kläger bei verschiedenen Kreditinstituten als Gesamtschuldner Darlehen auf. In den Darlehensverträgen sind die Kläger als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bezeichnet. Zins- und Tilgungsleistungen erbrachten sie für jedes Darlehen zunächst in dem für die Aufteilung des Gesamtkaufpreises vereinbarten Verhältnis. Nachdem die Kläger X in Zahlungsschwierigkeiten geraten waren, pfändete die A-Bank die Mieteinnahmen der Kläger X und zog sie in voller Höhe ein. Der Kläger Z leistete in den Streitjahren 2004 und 2005 über seinen bisherigen Anteil hinaus Zahlungen an die B-Bank und die C-Bank.
2005 einigte sich der Kläger Z mit der C-Bank gegen Zahlung eines Einmalbetrags darauf, aus der gesamtschuldnerischen Haftung für das von der C-Bank gewährte Darlehen entlassen zu werden. Hieraus leiten die Kläger X eine Überzahlung zu ihren Gunsten in Höhe von 21.286 € her.
Der Kläger Z nahm die Kläger X wegen der von ihm überobligationsmäßig geleisteten Zahlungen auf Ausgleich in Anspruch. Das Landgericht verurteilte die Kläger X, an den Kläger Z 30.423,09 € zu zahlen. Auf die Berufung der dortigen Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil aufgehoben, soweit die Beklagten zur Zahlung von mehr als 16.546,05 € verurteilt worden sind. Die Vollstreckung des Klägers Z gegen die Kläger X war erfolglos. Der Kläger X hat am 25. Juni 2010 seine Vermögenslosigkeit an Eides Statt versichert.
Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) stellte die dem Gebäude zuzurechnenden Schuldzinsen gemäß § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 1 Abs. 3 der Verordnung zu § 180 AO gesondert und einheitlich fest und rechnete sie den Klägern nach dem für die Aufteilung des Kaufpreises vereinbarten Schlüssel zu. Dagegen erhoben die Kläger X und der Kläger Z Einsprüche. Das FA zog den jeweils anderen zum Einspruchsverfahren hinzu und wies die Einsprüche als unbegründet zurück.
Dagegen haben die Kläger X und der Kläger Z gesondert Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat das FA geänderte Feststellungsbescheide erlassen. Das Finanzgericht (FG) hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es hat die Feststellung höherer als der bisher festgestellten Schuldzinsen abgelehnt und die Verteilung mit der Maßgabe geändert, dass die von dem Kläger Z geleisteten Zahlungen allein ihm zuzurechnen seien.
Das FA beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils, die Klage der Kläger X für das Jahr 2005 als unzulässig zu verwerfen und die Klagen im Übrigen abzuweisen, hilfsweise, die Kostenentscheidung mit der Maßgabe zu berichtigen, dass die Kosten des Verfahrens den Klägern X auferlegt werden.Die Kläger haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Für die Revision fehlt die Beschwer.
1. Keine Beschwer liegt vor, soweit sich das FA dagegen wehrt, dass die Kostenentscheidung des FG offensichtlich unrichtig ist. Da gegen eine (isolierte) Kostenentscheidung die Revision nicht statthaft wäre (§ 145 FGO), ergibt sich die Beschwer für eine Revision gegen ein Urteil (mit Kostenentscheidung) auch nicht aus der Unrichtigkeit der Kostenentscheidung (vgl. nur Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 145 Rz 4, m.w.N.).
2. Ebenfalls nicht beschwert ist das FA, soweit es geltend macht, über die Klage hätte durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil entschieden werden müssen, denn die Rechtskraft des Sachurteils reicht weiter (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 6. Oktober 2010 II R 29/09, BFH/NV 2011, 603). Durch die begehrte Änderung kann eine Verbesserung nicht erreicht werden.
3. Aber auch soweit das FA die Entscheidung des FG in der Sache angreift, fehlt ihm die Beschwer.
a) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es beim Beklagten auf die materielle Beschwer ankommt (ständige Rechtsprechung seit Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 7/70, BFHE 103, 456, BStBl II 1972, 120). Sie liegt vor, wenn das Urteil für ihn "nachteilig" ist und er durch sein Rechtsmittel eine für ihn günstigere Entscheidung herbeiführen kann (z.B. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 115 bis 134 FGO Rz 19, m.w.N.). Eine materielle Beschwer liegt für das FA danach nur vor, wenn das FG den angefochtenen Verwaltungsakt ganz oder zum Teil aufgehoben hat, wenn es die Steuer zu niedrig festgesetzt, oder wenn es zwar nicht die Höhe der vom FA festgesetzten Steuer geändert, aber im Urteilsausspruch (Tenor) von der Rechtsauffassung des FA abweichende Bilanzansätze angesetzt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2003 IV R 7/99, BFH/NV 2004, 789, m.w.N.). Sie kann auch vorliegen, wenn das FG Besteuerungsgrundlagen ausnahmsweise mit bindender Wirkung für künftige Veranlagungszeiträume festgestellt hat und wenn dadurch unter Einbeziehung künftiger Steuerfestsetzungen insgesamt eine geringere Steuer anfallen könnte (Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 IX R 158/86, BFH/NV 1991, 391). All dies ist vorliegend nicht der Fall.
b) Gegenstand der einheitlichen und gesonderten Feststellung ist im Streitfall (a) die Höhe der dem Objekt (Mehrfamilienhaus) zurechenbaren Schuldzinsen und (b) deren Verteilung auf die Wohnungseigentümer. Hinsichtlich der Summe der Schuldzinsen hat das FG den Inhalt der angegriffenen Bescheide bestätigt, sodass sich hieraus eine Beschwer des Beklagten nicht ergeben kann.
c) Aber auch hinsichtlich der vom FG geänderten Verteilung der Schuldzinsen auf die Wohnungseigentümer ist eine Beschwer des Beklagten zu verneinen.
aa) Die Entscheidung über die Verteilung der festgestellten Schuldzinsen dient dazu, eine mögliche mehrfache Inanspruchnahme der tatsächlich angefallenen Schuldzinsen in den Einkommensteuer-Veranlagungen der Wohnungseigentümer auszuschließen. An der materiellen Frage, welcher Eigentümer Zinsen in welcher Höhe geltend machen kann, besteht hingegen kein schützenswertes rechtliches Interesse des Beklagten.
bb) Von (wirtschaftlichem) Interesse ist die Frage im vorliegenden Fall allein deshalb, weil ein Eigentümer zahlungsunfähig ist, sodass sich bei ihm im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung die Zinsen möglicherweise nicht auswirken. Darauf kommt es jedoch nicht an. Die Frage, wie sich die Zurechnung der Schuldzinsen bei der Einkommensteuer der Wohnungseigentümer letztlich auswirkt, hat auf die Frage der Zurechnung ersichtlich keinen Einfluss. Dafür spricht auch die Selbständigkeit des Feststellungsverfahrens. Für die im Feststellungsverfahren zu beurteilenden Rechtsfragen kommt es grundsätzlich auf ihre konkreten Auswirkungen in etwaigen Folgebescheiden nicht an.
cc) Es kann insofern auch nicht allein darauf abgestellt werden, dass das FG inhaltlich in den Bescheid eingegriffen und ihn geändert hat, denn dies würde von der ständige Rechtsprechung abweichen und auf eine bloß formelle Beschwer des Beklagten hinauslaufen.