BFH XI. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 76 Abs 2, ZPO § 295
vorgehend Finanzgericht des Saarlandes , 07. November 2012, Az: 1 K 1252/11
Leitsätze
NV: Ein FG ist jedenfalls dann nicht verpflichtet, einen Beteiligten vorab darauf hinzuweisen, dass es dessen Angaben für widersprüchlich hält, wenn der andere Beteiligte dies bereits schriftsätzlich gerügt hat.
Gründe
Die Beschwerde ist ‑‑bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit‑‑ jedenfalls unbegründet.
1. Die als Verfahrensfehler geltend gemachte Verletzung der richterlichen Hinweispflicht liegt nicht vor.
Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) rügt, das Finanzgericht (FG) habe seine richterliche Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) dadurch verletzt, dass es sie nicht vorab darauf hingewiesen habe, dass es ihre Angaben für widersprüchlich halte und davon ausgehe, dass die Villa zu Wohnzwecken genutzt werde, greift diese Rüge nicht durch.
a) Ein Gericht ist nicht dazu verpflichtet, vor seiner Entscheidungsfindung seine Rechtsansicht mündlich oder schriftlich mitzuteilen bzw. die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte und Rechtsfragen im Voraus anzudeuten oder sogar umfassend zu erörtern (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 28. August 2012 VII B 181/11, BFH/NV 2013, 210, und vom 13. Juli 2012 IX B 3/12, BFH/NV 2012, 1635, m.w.N.; Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1997 1 BvR 1934/93, BVerfGE 96, 189). Einen fachkundig vertretenen Prozessbeteiligten braucht es auf naheliegende rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte nicht hinzuweisen (BFH-Beschlüsse vom 27. Oktober 2008 XI B 202/07, BFH/NV 2009, 118; vom 19. Dezember 2011 VII B 28/11, BFH/NV 2012, 752).
Eine solche Hinweispflicht besteht nur dann, wenn das FG auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dessen Berücksichtigung ein Beteiligter schlechterdings nicht rechnen konnte (vgl. BFH-Beschluss vom 5. März 2013 X B 179/11, BFH/NV 2013, 926, m.w.N.). Das ist hinsichtlich beider von der Klägerin für notwendig erachteter Hinweise nicht der Fall. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass beide Punkte bereits vom FA im Klageverfahren vorgetragen worden waren, was sich auch aus dem der Klägerin vorab übersandten wesentlichen Inhalt der Akten ergibt. Beide Beteiligte haben ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung erklärt, dass die übersandte Zusammenfassung den wesentlichen Akteninhalt ordnungsgemäß wiedergebe.
b) Darüber hinaus hat ‑‑ohne dass es darauf noch ankäme‑‑ der Berichterstatter im Verfahren vor dem FG mit Schreiben vom 16. Mai 2012, mit dem er das Schreiben des FA vom 11. Mai 2012 übersandt hat, die Klägerin an die Wahrheitspflicht erinnert. Daraus ergab sich für die Klägerin erkennbar, dass das FG am Wahrheitsgehalt ihrer bisherigen Ausführungen zweifelt.
2. Die Rüge der Klägerin, das FG habe verfahrensfehlerhaft unter Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt, genügt bereits nicht den formellen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Da die Sachaufklärungspflicht dazu dient, die Spruchreife der Klage herbeizuführen, hat das FG nur das aufzuklären, was aus seiner materiell-rechtlichen Sicht entscheidungserheblich ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2011 IX B 11/11, BFH/NV 2011, 1891; vom 5. August 2011 III B 144/10, BFH/NV 2011, 1915, Leitsatz 2, Rz 8; vom 18. Juli 2012 V B 99/11, BFH/NV 2012, 1818, Rz 6). Um einen Sachaufklärungsmangel hinreichend darzulegen, muss deshalb vorgetragen werden, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären und welche genau bezeichneten Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, warum ein Beschwerdeführer nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und warum sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne besonderen Antrag als erforderlich hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme ‑‑auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG‑‑ zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 2010 III B 50/09, BFH/NV 2010, 919; vom 12. Dezember 2012 XI B 70/11, BFH/NV 2013, 705).
b) Bei der Verletzung der Sachaufklärungspflicht handelt es sich zudem um einen verzichtbaren Verfahrensmangel (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), bei dem das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren geht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge (BFH-Beschluss vom 6. Dezember 2011 XI B 44/11, BFH/NV 2012, 745, m.w.N). Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann, muss ein Beschwerdeführer vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe oder aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 IX B 24/07, BFH/NV 2008, 92; vom 29. April 2009 VI B 126/08, BFH/NV 2009, 1267, jeweils m.w.N.).
c) Beide Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.
aa) Die Einwände der Klägerin auf S. 6 bis 12 der Beschwerdebegründung, auf denen sie die Nichtvernehmung mehrerer Personen als Zeugen rügt, richten sich im Kern gegen die Würdigung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung durch das FG. Mit solchen Einwendungen wird kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht. Die Sachverhaltswürdigung und die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und der Prüfung des BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 9. September 2013 III B 26/13, juris; vom 21. Januar 2013 III B 167/11, BFH/NV 2013, 754; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 82; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 246, jeweils m.w.N.).
bb) Außerdem hat die bereits im Verfahren vor dem FG durch eine Prozessbevollmächtigte vertretene Klägerin insbesondere nicht dargelegt, warum sie in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2012, zu der vom FG keine Zeugen geladen worden waren, die Nichtvernehmung von Zeugen nicht gerügt hat, zumal das FG den Beteiligten eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts der Akten ‑‑mit der Darstellung u.a. der unterschiedlichen Sicht der Beteiligten im Hinblick auf die tatsächliche Verwendung der Gebäude bzw. deren beabsichtigte Verwendung‑‑ vorab übersandt hatte.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).