BFH III. Senat
FGO § 138 Abs 1, FGO § 138 Abs 2, EStG § 38b, FGO § 143 Abs 1, EStG § 2 Abs 8, EStG § 38b Abs 2 S 1 Nr 3 Buchst a, EStG § 38b Abs 2 S 1 Nr 5, LPartG , EStG § 26b, EStG VZ 2010
vorgehend FG Düsseldorf, 26. October 2011, Az: 14 K 1890/11 E
Leitsätze
NV: Wird mit einer von eingetragenen Lebenspartnern im Juni 2011 erhobenen Klage die Änderung ihrer auf der Lohnsteuerkarte 2010 eingetragenen Lohnsteuerklassen begehrt, so hat diese keine Aussichten auf Erfolg, weil die Änderung des Lohnsteuerabzugs für 2010 nach Ablauf des Monats März 2011 nicht mehr möglich ist. Erklären die Beteiligten die Erledigung der Hauptsache, nachdem das FA infolge der einkommensteuerlichen Gleichstellung von Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften mit Ehegatten und Ehen durch § 2 Abs. 8 EStG den aktuellen Lohnsteuerabzug entsprechend geändert hat, so haben gleichwohl die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen .
Gründe
1. Aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) und des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist damit einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 29. August 2012 X R 5/12, BFH/NV 2013, 53). Gemäß § 143 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat der BFH durch Beschluss nur noch über die Kosten zu entscheiden.
2. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes sind die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen gemäß § 138 Abs. 1 FGO den Klägerinnen aufzuerlegen.
a) Die Klägerinnen, die seit März 2008 nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz miteinander verpartnert sind, beantragten im November 2010, die Lohnsteuerkarten dergestalt zu ändern, dass die Klägerin zu 1. von der Steuerklasse I in die Steuerklasse V und die Klägerin zu 2. von der Steuerklasse I in die Steuerklasse III eingereiht wird. Das FA lehnte den Antrag im Dezember 2010 ab. Am 23. Mai 2011 wies es den Einspruch der Klägerin zu 2. als unbegründet zurück und verwarf den Einspruch der Klägerin zu 1. als unzulässig.
Das FG wies die Klage, mit der das FA verpflichtet werden sollte, die auf der Lohnsteuerkarte 2010 eingetragene Lohnsteuerklasse der Klägerin zu 2. von I in III zu ändern, mit Urteil vom 27. Oktober 2011 ab. Während des Revisionsverfahrens, mit dem die Klägerinnen ihren Antrag, "die auf der Lohnsteuerkarte 2010 eingetragene Lohnsteuerklasse" der Klägerin zu 2. von I in III zu ändern, weiter verfolgten, teilte der Senatsvorsitzende den Klägerinnen mit, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 7. Mai 2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 (BGBl I 2013, 1647) entschieden habe, dass der Ausschluss eingetragener Lebenspartner vom Ehegattensplitting verfassungswidrig sei und Entsprechendes für den Lohnsteuerabzug gelte, so dass eingetragene Lebenspartner wie Ehegatten für einen von ihnen die Steuerklasse III und für den anderen die Steuerklasse V wählen könnten. Dem Erfolg der Revision stehe aber entgegen, dass in einem Verfahren wegen Lohnsteuerabzugs spätestens drei Monate nach Ende des Kalenderjahres das Rechtsschutzbedürfnis entfalle, weil der Lohnsteuerabzug dann nicht mehr geändert werden könne.
Da die Klägerinnen zunächst keine Erledigungserklärung abgaben, erging im September 2013 ein die Revision der Klägerinnen zurückweisender Gerichtsbescheid, der wegen des rechtzeitigen Antrags der Klägerinnen auf Durchführung der mündlichen Verhandlung als nicht ergangen gilt (§ 90a Abs. 3 i.V.m. § 121 FGO).
b) Die nach Erledigung der Hauptsache zu treffende Kostenentscheidung richtet sich nach § 138 Abs. 1 FGO. Das FA hat dem Klagebegehren mithin nicht abgeholfen, so dass die Kosten nicht nach § 138 Abs. 2 FGO dem FA auferlegt werden konnten. Denn die Erledigung der Hauptsache ist nicht dadurch eingetreten, dass das FA ‑‑wie im Schriftsatz der Klägerinnen vom 4. November 2013 dargelegt‑‑ "nun endlich die Lohnsteuerklassen ... geändert" habe. Die Änderung ist vielmehr, wie das FA mit Schriftsatz vom 22. November 2013 dargelegt hat, mit Wirkung von August 2012 ‑‑gemeint ist möglicherweise 2013‑‑ vorgenommen worden und betraf somit nicht den Streitgegenstand dieses Verfahrens. Die Erledigung der Hauptsache trat jedoch dadurch ein, dass der Lohnsteuerabzug für 2010, der den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildete, seit April 2011 nicht mehr geändert werden konnte und somit das Rechtsschutzbedürfnis entfiel. Der Rechtsstreit bezweckte ‑‑entgegen der Ansicht des FA‑‑ nicht die Änderung des Lohnsteuerabzugs für 2011; dies ergibt sich aus dem vom FG protokollierten und im Urteil wiedergegebenen Antrag und dem im klägerischen Schriftsatz vom 29. Dezember 2011 gestellten Antrag.
c) Die am 3. Juni 2011 erhobene Klage auf Änderung der Lohnsteuerkarte für 2010 hatte, da der Monat März 2011 bereits abgelaufen war und eine Änderung des Lohnsteuerabzugs deshalb nicht mehr in Betracht kam, zu keinem Zeitpunkt Aussichten auf Erfolg. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Klage sich aufgrund des BVerfG-Beschlusses in BGBl I 2013, 1647 als materiell begründet erwiesen hat. Die Klägerinnen waren jedoch durch die Besonderheiten des Lohnsteuerverfahrens nicht rechtlos gestellt: Sie hätten lediglich die Einkommensteuerveranlagung für 2010 aufgrund der nach § 149 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) bis Ende Mai 2011 abzugebenden Erklärungen abwarten müssen, gegen die sie sodann mit Einspruch und Klage hätten vorgehen können; einstweiliger Rechtsschutz hätte nach § 361 AO und § 69 FGO (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 5. März 2012 III B 6/12, BFH/NV 2012, 1144) beantragt werden können.
d) Der vom Prozessbevollmächtigten in einem Parallelverfahren vorgelegte Kostenbeschluss des FG Düsseldorf vom 15. November 2011 ist nicht geeignet, seinem Antrag, die Kosten dem FA aufzuerlegen, zum Erfolg zu verhelfen. Denn er betraf ein Verfahren wegen Einkommensteuer 2008 ‑‑nicht Lohnsteuer‑‑, das durch Abhilfe des FA erledigt wurde. Die Entscheidung beruht dementsprechend auch nicht auf § 138 Abs. 1 FGO, sondern befasst sich mit der Frage, ob der dortige Kläger die Kosten nach § 137 Satz 2 FGO tragen musste, weil er nach § 363 Abs. 2 AO die Fortsetzung seines Einspruchsverfahrens beantragt hatte, obwohl beim BVerfG ein Verfahren anhängig war.