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Urteil vom 25. Juni 2014, I R 76/13

Pensionszusage: verdeckte Gewinnausschüttung infolge Ausscheidens des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers aus dem Unternehmen vor Ablauf der Erdienenszeit

BFH I. Senat

KStG § 8 Abs 3 S 2, KStG VZ 2006 , KStG VZ 2007 , KStG VZ 2008 , KStG VZ 2009 , KStG VZ 2010

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes , 17. September 2013, Az: 1 K 1124/12

Leitsätze

Scheidet der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, dem im Alter von 58 Jahren auf das vollendete 68. Lebensjahr von der GmbH vertraglich eine monatliche Altersrente zugesagt worden ist, bereits im Alter von 63 Jahren aus dem Unternehmen als Geschäftsführer aus, wird der Versorgungsvertrag tatsächlich nicht durchgeführt. Die jährlichen Zuführungen zu der für die Versorgungszusage gebildeten Rückstellung stellen deswegen regelmäßig verdeckte Gewinnausschüttungen dar .

Tatbestand

I.

  1. Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer im Jahre 1998 errichteten GmbH, waren anfänglich zu 55 v.H. JM, geboren am 21. März 1943, sowie zu 45 v.H. sein Sohn.

  2. Der Geschäftsführervertrag mit JM vom 30. Dezember 1998 sah ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 6.000 DM sowie eine Tantieme von 10 v.H. des bereinigten Jahresüberschusses (maximal 25 v.H. der Jahresgesamtbezüge) vor. Der Vertrag enthielt keine Regelungen über eine Versorgungsanwartschaft. In § 10 Abs. 3 des Vertrages war vereinbart:

  3. "Die Parteien sind berechtigt, zum Ende des Monats, in dem der Geschäftsführer das 65. Lebensjahr vollendet, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist den Vertrag zu kündigen."

  4. Mit Vertrag vom 1. Januar 2001 erteilte die Klägerin JM mit sofortiger Wirkung eine Pensionszusage. Danach sollte ihm mit Vollendung des 68. Lebensjahres eine monatliche Altersrente von 1.500 € zustehen. In § 5 des Vertrages war vereinbart:

  5. "Die GmbH behält sich vor, die Leistungen aus dieser Versorgungszusage zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erklärung dieser Zusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass der GmbH die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Berechtigten nicht mehr zugemutet werden kann."

  6. Am 25. August 2006 schloss die Klägerin mit JM einen Aufhebungsvertrag. Darin wurde vereinbart:

  7. "(JM) wird mit dem 31. August 2006 seine berufliche Tätigkeit beenden ... . Das mit dem Geschäftsführer bestehende Anstellungsverhältnis endet zum 1. September 2006 ... . Die Parteien erfüllen noch bis zum Ablauf des 31. August 2006 die Verpflichtungen aus dem Anstellungsverhältnis. Mit Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum 1. September 2006 stehen dem Geschäftsführer keinerlei Vergütungsansprüche mehr zu."

  8. Mit Vertrag vom 19. Juni 2007 veräußerte JM einen Anteil von 45 v.H. an der Klägerin an seinen Sohn, so dass er fortan mit 10 v.H. am Stammkapital der Klägerin beteiligt blieb. Diese hatte vor dem Finanzgericht (FG) vorgetragen, JM sei unter Aufrechterhaltung der Pensionszusage auch über den 1. September 2006 hinaus als geringfügig Beschäftigter mit einer Vergütung von 4.200 € pro Jahr, seit Februar 2009 mit einer Vergütung von 1.350 € monatlich für sie tätig gewesen. Zum 30. September 2011 sei das Arbeitsverhältnis beendet und JM in den Ruhestand versetzt worden. Seit dem 1. Oktober 2011 werde die vereinbarte Altersrente von 1.500 € monatlich ausbezahlt.

  9. Die Klägerin bildete für die Pensionszusage an JM eine entsprechende Pensionsrückstellung nach Maßgabe von § 6a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002/2009), die sich zum 31. Dezember 2006 auf 76.882 € belief. Die Pensionsrückstellung wurde zu den folgenden Bilanzstichtagen jeweils aufwandswirksam erhöht (2007 um 24.892 €, 2008 um 20.451 €, 2009 um 23.479 € und 2010 um 27.049 €).

  10. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte dem zunächst und setzte die Körperschaftsteuer für die Streitjahre 2006 bis 2010 insoweit erklärungsgemäß fest. In den Körperschaftsteuererklärungen waren in allen Streitjahren JM und dessen Sohn als gesetzliche Vertreter eingetragen. Auch in dem Jahresabschlussbericht zum 31. Dezember 2009 war JM noch als (Mit-)Geschäftsführer benannt.

  11. Aufgrund einer Nachfrage nach den Pensionsgutachten im Zusammenhang mit der Veranlagung 2010 teilte die Klägerin dem FA am 18. November 2011 mit, dass das Anstellungsverhältnis von JM im August 2006 beendet worden sei. Daraufhin erkannte das FA die Pensionsrückstellung zum 31. Dezember 2006 nicht mehr an, löste diese gewinnerhöhend auf und erließ unter Ansatz von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) in Höhe der durch die Rückstellung ausgelösten Einkommensminderungen ‑‑für die Streitjahre 2007 bis 2009 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte und für das Streitjahr 2010 erstmalig‑‑ entsprechende Steuerbescheide. Es mangele, wie nunmehr bekannt geworden sei und es die Änderung der ursprünglich ergangenen Steuerbescheide als sog. neue Tatsache rechtfertige, an der Einhaltung der sog. Erdienbarkeitsfristen, so dass eine vGA vorliege, die zu außerbilanziellen Hinzurechnungen führe.

  12. Die daraufhin erhobene Klage war weitgehend erfolgreich. Das FG des Saarlandes gab ihr durch Urteil vom 18. September 2013  1 K 1124/12 in der Sache statt. Abgewiesen wurde sie allerdings in jenem Umfang, in welchem die Zuführungen zu der gebildeten Rückstellung zu Wertansätzen führten, die die Teilwerte der Versorgungsanwartschaft aufgrund der veränderten Situation nach dem Ausscheiden von JM rechnerisch überstiegen; die Zuführungen zu der Rückstellung wurden nach versicherungsmathematischen Maßstäben entsprechend gekürzt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 308 abgedruckt.

  13. Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

  14. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Für die Streitjahre 2007 bis 2010 ist die Klage abzuweisen; für das Streitjahr 2006 ist die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat dem vorzeitigen Ausscheiden von JM aus dem Unternehmen der Klägerin zu Unrecht nur Bedeutung im Hinblick auf den Eintritt der Unverfallbarkeit des erteilten Pensionsversprechens und eine ratierliche Kürzung der späteren Pensionsleistung beigemessen, nicht aber für die Frage, ob die Zusage durch JM überhaupt hat erdient werden können. Um den Umfang der dadurch ausgelösten vGA für das Streitjahr 2006 zu bestimmen, bedarf es aber noch weiterer Sachaufklärung.

  2. 1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002/2009 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, seit Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahe stehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 17. Dezember 1997 I R 70/97, BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545; vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111, jeweils m.w.N.).

  3. 2. Auf Basis dieser Maßstäbe kann nach der gleichermaßen gefestigten Rechtsprechung des Senats eine dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH erteilte Pensionszusage u.a. nur dann steuerlich anerkannt werden, wenn zwischen dem Zusagezeitpunkt und dem vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand mindestens zehn Jahre liegen (z.B. Senatsurteile vom 21. Dezember 1994 I R 98/93, BFHE 176, 412, BStBl II 1995, 419; vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318; vom 19. Mai 1998 I R 36/97, BFHE 186, 226, BStBl II 1998, 689; vom 23. September 2008 I R 62/07, BFHE 223, 64, BStBl II 2013, 39). Diesen Grundsatz will auch die Klägerin nicht in Frage stellen. Ihm wird im Streitfall indessen nicht genügt.

  4. a) Das wäre zwar womöglich anders, wenn man sich (allein) an dem Zeitpunkt orientiert, in welchem JM die Versorgungszusage erteilt worden ist. Seinerzeit ‑‑am 1. Januar 2001‑‑ stand dem damals knapp 58-jährigen Gesellschafter-Geschäftsführer bezogen auf den ins Auge genommenen Eintritt des Versorgungsfalls mit Vollendung seines 68. Lebensjahres im März 2011 noch ein hinreichender Zeitraum zur Verfügung, in welchem er nach den beschriebenen Maßstäben die Anwartschaft "aktiv" hätte erdienen können. Auf jenen Zeitpunkt kommt es regelmäßig an, um abzuschätzen, ob eine vermögensmindernde Zuwendung an den Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst worden ist, und die nachfolgende Entwicklung ist insofern unbeachtlich. Allerdings könnte im Streitfall die zwischen der Klägerin und JM im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vorbehaltene Möglichkeit, den Anstellungsvertrag mit JM zum Ende des Monats, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, durchaus zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit der auf das 68. Lebensjahr projizierten Erdienenszeit berechtigen.

  5. b) Im Einzelnen kann das aber dahinstehen. Denn infolge des Ausscheidens von JM aus dem Unternehmen am 1. September 2006 wurde die getroffene Zusagevereinbarung vom 1. Januar 2001 jedenfalls tatsächlich nicht (mehr), wie aber bei einem beherrschenden Gesellschafter vonnöten, durchgeführt. Auch daran erweist sich im Allgemeinen die mangelnde Ernsthaftigkeit der Verabredung (vgl. z.B. Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 331, m.w.N.). Anders verhielte es sich nur dann, wenn für die verkürzte Laufzeit plausible betriebliche Gründe des Einzelfalls erkennbar oder vorgebracht worden wären (s. z.B. Senatsurteil vom 30. Januar 2002 I R 56/01, BFH/NV 2002, 1055). Das ist jedoch nicht geschehen. Der Frage, ob und in welchem Umfang JM u.U. nach dem vom FG nicht festgestellten Vorbringen der Klägerin in der Folgezeit noch im Rahmen eines geringfügigen Arbeitsverhältnisses für die Klägerin weiterhin tätig geworden ist, braucht in Anbetracht dessen nicht nachgegangen zu werden; ausschlaggebend ist, dass ihm die Pensionszusage nach Grund und Höhe nicht "abstrakt", sondern für seine im Zusagezeitpunkt ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer erteilt worden ist.

  6. c) Die in den Streitjahren der Pensionsrückstellung zugeführten Beträge stellen sonach vollen Umfangs vGA dar, ohne dass es noch auf die Rechtsfragen ankäme, ob auch in dem Fehlen spezifischer Regelungen in der Pensionsvereinbarung zur Unverfallbarkeit der Anwartschaft und zu einer ratierlichen Anspruchskürzung beim vorzeitigen Ausscheiden des Begünstigten ein Indiz für eine im Gesellschaftsverhältnis wurzelnde Veranlassung gesehen werden müsste (s. dazu Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 9. Dezember 2002, BStBl I 2002, 1393; s. auch z.B. Gosch, a.a.O., § 8 Rz 1082).

  7. 3. Das FA war infolgedessen befugt, die der Rückstellung jährlich zugeführten Beträge dem Gewinn außerhalb der Bilanz hinzuzurechnen. Es war jedoch nicht befugt, die Rückstellung in Höhe der zum 31. Dezember 2005 ausgewiesenen Höhe gewinnerhöhend aufzulösen. Denn die Klägerin war JM gegenüber durch die diesem gegebene Pensionszusage nach wie vor zivilrechtlich und damit auch zur Bildung der Rückstellung verpflichtet. Es fehlt deshalb insoweit an dem bilanziellen Unterschiedsbetrag, der außerbilanziell zu korrigieren wäre. Dass die Pensionszusage auch in jenem Umfang als vGA zu qualifizieren ist, ändert daran nichts. Ist eine Hinzurechnung in den Jahren der Zuführung unterblieben und aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Änderung der betreffenden Steuerbescheide nicht mehr möglich, scheidet der Ansatz einer vGA in Höhe der rückgestellten Beträge auf der Ebene der Kapitalgesellschaft aus (vgl. Senatsurteile vom 21. August 2007 I R 74/06, BFHE 218, 487, BStBl II 2008, 277; vom 28. April 2010 I R 78/08, BFHE 229, 234, BStBl II 2013, 41). Die entsprechenden Beträge können vielmehr erst im Zeitpunkt ihrer Auszahlung an JM als solche behandelt werden. Dass dann zeitgleich die für die Pensionszusage gebildete Pensionsrückstellung (anteilig) aufgelöst wird, steht der Annahme einer Vermögensminderung nicht entgegen; es gilt insofern eine geschäftsvorfallbezogene, nicht aber eine handelsbilanzielle Betrachtungsweise (vgl. Senatsurteil vom 23. Oktober 2013 I R 89/12, BFHE 244, 262).

  8. 4. Im Einzelnen lassen sich dem angefochtenen Urteil zwar die jeweiligen Zuführungsbeträge entnehmen. Nähere Feststellungen zu dem Rückstellungsausweis am 31. Dezember 2005 fehlen indessen. Das FG wird diese Feststellungen im 2. Rechtsgang nachzuholen und die Körperschaftsteuer für 2006 anderweitig festzusetzen haben. Im Übrigen ist das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das ergibt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht aus dem Vorstehenden. Und dass das FA die ursprünglichen Steuerbescheide für die Streitjahre 2006 bis 2009 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO hat ändern können, weil ihm das vorzeitige Ausscheiden von JM aus dem Unternehmen der Klägerin erst nachträglich bekannt geworden ist, ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG und ist von der Klägerin im Revisionsverfahren auch nicht mehr angegriffen worden.

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