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Urteil vom 27. Februar 2014, III R 14/11

Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands - Rechtspflicht zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen - Handelsvertreter als Versicherungsmakler - Rüge des Fehlens einer tragfähigen Tatsachengrundlage durch das Revisionsgericht

BFH III. Senat

EStG § 6 Abs 1 Nr 3a Buchst b, EStG § 6 Abs 1 Nr 3a Buchst e, HGB § 84, HGB § 92 Abs 1, HGB § 93, BGB § 675, VVG § 42aff, VVG § 59ff, GewO § 34d, AO § 162, EStG VZ 2005 , HGB § 249 Abs 1 S 1, EStG § 5 Abs 1, FGO § 118 Abs 2, VVG § 42a, VVG § 59, FGO § 96 Abs 1

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 25. January 2010, Az: 8 K 15222/07

Leitsätze

1. Die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands ‑‑hier für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen‑‑ setzt u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige zur Betreuung der Versicherungen rechtlich verpflichtet ist. Bei einem Versicherungsmakler kommt als möglicher Rechtsgrund hierfür der Maklervertrag in Betracht .

2. Einen für einen Versicherungsmakler tätigen Handelsvertreter, der nicht selbst Vertragspartner der Maklerverträge wird, trifft aus diesen Maklerverträgen keine solche Nachbetreuungsverpflichtung .

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten über die Bildung einer Rückstellung für das Streitjahr 2005.

  2. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Handelsvertreter Mitarbeiter der ... AG (AG) und vermittelt Versicherungsverträge sowie Geldanlagen, Darlehen und Beteiligungen. Er erzielte im Streitjahr 2005 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seinen Gewinn ermittelte er für die Jahre bis einschließlich 2004 durch Überschussrechnung, ab dem Jahr 2005 durch Betriebsvermögensvergleich. In seiner Bilanz zum 31. Dezember 2005 bildete er eine sonstige Rückstellung in Höhe von 360.946,92 € und wies in der Gewinn- und Verlustrechnung einen "sonstigen Personalaufwand" in Höhe von 350.763,92 € aus. Im Streitjahr war allein die Klägerin im Unternehmen des Klägers beschäftigt. Er erklärte für 2005 einen laufenden Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 218.563 € sowie einen Übergangsgewinn in Höhe von 33.115 €.

  3. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte die Einkommensteuer für 2005 zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 € fest. Auf Nachfrage des FA teilte der Kläger mit, dass die Rückstellung in Höhe von 350.763,92 € für den laufenden Betreuungsaufwand aus Kranken- und Lebensversicherungen mit einmaliger Provisionszahlung gebildet worden sei. Daraufhin erkannte das FA die Rückstellung in dieser Höhe nicht mehr an und setzte mit Änderungsbescheid vom 29. Dezember 2006 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung die Einkommensteuer für 2005 auf 55.374 € fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

  4. Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrten die Kläger die Bildung einer Rückstellung in Höhe von 150.000 € für die Betreuung der Kranken- und Lebensversicherungen mit einmaliger Provisionszahlung. Während des Klageverfahrens wurde die Einkommensteuer für 2005 ‑‑aus nicht streitbefangenen Gründen‑‑ mit Änderungsbescheid vom 25. September 2007 herabgesetzt. Die Klage war teilweise erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) erkannte eine Rückstellung in Höhe von 83.337 € an. Zur Begründung führte es aus:

  5. Der Kläger sei dem Grunde nach zur Bildung einer Rückstellung für Betreuungsleistungen berechtigt gewesen. Nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (EStG) i.V.m. § 249 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) seien für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bereits entschieden, dass ein Versicherungsvertreter, der rechtlich zur Betreuung vermittelter Vertragsverhältnisse verpflichtet sei, hierfür aber keine Bestandspflegevergütung erhalte, eine entsprechende Rückstellung zu bilden habe (BFH-Urteil vom 28. Juli 2004 XI R 63/03, BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866). Im Streitfall liege eine hiermit vergleichbare Situation vor. Der Kläger sei, wie sich aus seinem Vertrag mit der AG, der Bestätigung des Geschäftsstellenleiters der AG und dem beispielhaft vorgelegten (Makler-)Vertrag ergebe, zur Betreuung des Bestandes verpflichtet gewesen. Hierfür habe er neben der Abschlussprovision keine sonstigen Leistungen erhalten.

  6. Allerdings könne nur eine Rückstellung in Höhe von 83.336,61 € gebildet werden. Nachvollziehbar seien zwar noch die Angaben des Klägers zum durchschnittlichen Stundenlohn (17 €) und zur durchschnittlichen Vertragslaufzeit (25 Jahre). Es bestünden aber Zweifel an dem vom Kläger geschätzten Zeitaufwand von einer Stunde pro Vertrag und Jahr, den er bereits selbst auf 40 Minuten reduziert habe. Die diesbezüglich vom Kläger auf der Grundlage der Aufzeichnung einzelner Kundenkontakte für den Zeitraum November 2009 bis Januar 2010 überschlägig vorgenommene Berechnung lasse nicht eindeutig erkennen, welcher Zeit-aufwand entstehe. Unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände sei ein durchschnittlicher Zeitaufwand von 20 Minuten pro Vertrag und Jahr zu schätzen. Danach sei die Höhe der Rückstellung unter Heranziehung der Tabelle 3 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26. Mai 2005 (BStBl I 2005, 699) wie folgt zu berechnen:

    Anzahl der Verträge

    Zeitaufwand pro
    Vertrag

    jährlicher Zeitaufwand

    Stundensatz

    Abzinsung

    Summe 

    1 067 

    = 20 min

    = 355,66 h

    x 17 €

    x 13,783

    83.336,61 €

  7. Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts. Es sei höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob die vertraglich bestehende Betreuungspflicht den Steuerpflichtigen wirtschaftlich wesentlich belasten müsse. Im Übrigen scheide im Streitfall eine Rückstellungsbildung aus, weil die AG ‑‑wie sich aus dem vorgelegten (Makler-)Vertrag ergebe‑‑ gegenüber den Kunden selbst die Betreuung der Versicherungsverträge übernommen habe. Aber selbst wenn eine Rückstellungsbildung dem Grunde nach zulässig sein sollte, habe das FG die Schätzung nicht sachgerecht vorgenommen. Es habe nicht berücksichtigt, dass ein Teil der künftigen Betreuungsleistungen auf die AG entfalle. Zudem habe es fehlerhaft alle 1 067 Verträge berücksichtigt. Ferner habe es die Arbeitsleistung von zwei Mitarbeitern einkalkuliert, die zum 31. Dezember 2005 noch nicht im Unternehmen des Klägers tätig gewesen seien. Somit liege eine unzulässige Schätzung ins Blaue vor. Nach alledem hätte die Klage unter Berücksichtigung der den Kläger treffenden Feststellungslast abgewiesen werden müssen.

  8. Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  9. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. 1. Nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind für ungewisse Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Ein Bilanzausweis ist u.a. aber dann geboten, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, m.w.N.). Es entspricht gefestigter BFH-Rechtsprechung, dass eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zu bilden ist, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält (BFH-Urteil vom 19. Juli 2011 X R 26/10, BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 8. November 2011 X B 221/10, BFH/NV 2012, 217, m.w.N.). Ein Erfüllungsrückstand setzt hiernach voraus, dass der Steuerpflichtige zur Betreuung der Versicherungen rechtlich verpflichtet ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856). Leistungen, die ohne Rechtspflicht erbracht werden, sind für die Bemessung der Rückstellung irrelevant (BFH-Urteil in BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856).

  3. 2. Nach diesen Grundsätzen kommt im Streitfall ‑‑auch wenn der Kläger kein Versicherungsvertreter sein sollte (dazu unten 3.b)‑‑ die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands in Betracht. Insbesondere greift der Einwand des FA nicht durch, die Bildung einer Rückstellung sei wegen Unwesentlichkeit der Verpflichtung ausgeschlossen. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des X. Senats des BFH an, wonach es keine Rechtsgrundlage für eine solche Annahme gibt (BFH-Urteil in BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856, Rz 30 ff.; vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 217, Rz 10). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die genannten Entscheidungen.

  4. 3. Allerdings tragen die (bisherigen) Feststellungen des FG nicht dessen Würdigung, der Kläger sei rechtlich gegenüber der AG zur Nachbetreuung der in Rede stehenden Versicherungsverträge verpflichtet.

  5. a) Das FG hat eine solche vertragliche Verpflichtung des Klägers gegenüber der AG bejaht. Es hat ausgeführt, der Kläger sei nach dem vorgelegten Vertrag mit der AG rechtlich zur Betreuung des Bestandes verpflichtet. Dies werde ‑‑so das FG‑‑ durch das Schreiben des Geschäftsstellenleiters der AG sowie dem beispielhaft vorgelegten (Makler-)Vertrag bestätigt. Diese Feststellungen sind jedoch zu vage, um hieraus eine entsprechende vertragliche Verpflichtung abzuleiten.

  6. Die Auslegung von Verträgen gehört zwar regelmäßig zu den tatsächlichen Feststellungen des Tatsachengerichts, die den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet, wenn sie den Auslegungsgrundsätzen entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 76/07, BFH/NV 2009, 1268). Das Fehlen einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung stellt aber einen materiellen Fehler dar, der ohne Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1995 II R 53/92, BFH/NV 1996, 18). So verhält es sich im Streitfall.

  7. aa) Bei dem vom FG in Bezug genommenen Vertrag des Klägers mit der AG handelt es sich um einen Auszug seines Mitarbeitervertrags, der nur die Präambel und die Provisionsrichtlinie umfasst. Der gesamte Mitarbeitervertrag des Klägers lag dem FG erkennbar nicht vor. In der Präambel heißt es u.a. wörtlich: "... Das vorrangige Ziel ist die auf Dauer angelegte und unabhängige Beratung und Betreuung des Kunden auf seinem gesamten Lebensweg. Jeder Kunde hat das Recht auf eine dauerhafte Betreuung. ...". Diese Formulierung ist zu allgemein, um hieraus eine Nachbetreuungspflicht des Klägers gegenüber der AG hinsichtlich konkreter Versicherungsverträge ableiten zu können. Im Übrigen deutet sie eher auf einen einzuhaltenden Qualitätsstandard als auf eine konkrete Nachbetreuungspflicht hin. Aus der "Provisionsrichtlinie" allein lässt sich ebenfalls keine Betreuungspflicht entnehmen.

  8. bb) Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem vom FG in Bezug genommenen Geschäftsstellenleiterschreiben, bei dem es sich um das des Leiters der Geschäftsstelle ... vom ... handelt. Hierin wird ausgeführt, dass der Kläger eine vertragliche Verpflichtung zur fortlaufenden Betreuung der Kunden und deren Verträge habe, was sich aus dem Mitarbeitervertrag und dessen Präambel ergebe. Die in diesem Schreiben niedergelegte Rechtsauffassung kann zwar durchaus bei Auslegung des Mitarbeitervertrags Bedeutung gewinnen. Da aber in diesem Schreiben auf die nur sehr allgemein gehaltene Präambel Bezug genommen wird und im Übrigen Feststellungen des FG zum konkreten Inhalt des Mitarbeitervertrags fehlen, sind auch diese Ausführungen zu vage, um hieraus eine konkrete Nachbetreuungspflicht abzuleiten.

  9. cc) Schließlich kann sich eine Nachbetreuungspflicht des Klägers im (Innen-)Verhältnis zur AG auch nicht aus dem beispielhaft vorgelegten (Makler-)Vertrag ergeben. Dieser Vertrag betrifft nicht das Rechtsverhältnis des Klägers zur AG, sondern die Beziehungen des Maklers zum Versicherungsnehmer.

  10. b) Weitere Feststellungen sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich eine Nachbetreuungspflicht des Klägers gegenüber der AG unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

  11. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ist der Kläger als Handelsvertreter der AG tätig (§§ 84 ff. HGB). Das FG führte in der Vorentscheidung aus, dass er, der Kläger, als Handelsvertreter ein Mitarbeiter der AG ist und u.a. Versicherungsverträge vermittelt. Diese Feststellungen tragen die Annahme, dass der Kläger ständig damit betraut ist, für ein anderes Unternehmen (hier die AG) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (vgl. § 84 HGB). Die §§ 84 ff. HGB normieren jedoch keine gesetzliche Verpflichtung für den Handelsvertreter, die Kunden des Unternehmers nachlaufend zu betreuen (BFH-Urteil in BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856, Rz 41; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 84 Rz 22 f., § 86 Rz 13). Etwas anderes ergäbe sich auch dann nicht, wenn der Kläger ‑‑was jedoch aufgrund seines Tätigwerdens für die AG, die, soweit ersichtlich, kein Versicherer ist, ausscheiden dürfte‑‑ zugleich ein Versicherungsvertreter i.S. des § 92 Abs. 1 HGB wäre (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 X R 41/07, BFH/NV 2010, 860).

  12. 4. Das FG-Urteil erweist sich in diesem Punkt ‑‑dem Bestehen einer nachlaufenden Betreuungspflicht‑‑ auch nicht deshalb als richtig, weil der Kläger als Versicherungsmakler aufgrund eigener Rechtsbeziehungen zum Versicherungsnehmer diesem gegenüber hierzu verpflichtet ist.

  13. a) Der Versicherungsmakler tritt zwar ‑‑im Gegensatz zum Handelsvertreter bzw. Versicherungsvertreter‑‑ in eigene vertragliche Beziehungen zum Kunden (Versicherungsnehmer). Das FG-Urteil enthält aber keine tragfähigen Feststellungen, wonach der Kläger selbst im eigenen Namen als Versicherungsmakler mit den Kunden Verträge abschließt.

  14. aa) Den Vertragsparteien eines Maklervertrags i.S. des § 93 HGB steht es frei, ausdrücklich eine Betreuungspflicht des Versicherungsmaklers zu vereinbaren. Eine solche lässt sich für den Kläger jedoch nicht allein aus dem beispielhaft vorgelegten Maklervertrag ableiten, auf den das FG Bezug genommen hat. In diesem Vertrag wird einleitend von einer Vereinbarung zwischen den Kunden und der AG gesprochen. Der Vertrag ist vom Kläger als "Berater" der AG unterschrieben. Dies alles deutet darauf hin, dass die AG ‑‑offensichtlich eine Versicherungsmaklerin‑‑ bei Vertragsschluss von dem Kläger als "Berater" vertreten wird. Im Übrigen entspricht die Annahme eines Tätigwerdens des Klägers im Namen der AG seiner Rechtsstellung als Handelsvertreter (vgl. § 84 Abs. 1 HGB). Danach tritt im Außenverhältnis zum Kunden die AG als Vertragspartner auf. Es kann daher dahinstehen, ob mit der in dem Maklervertrag enthaltenen Formulierung, dass gegenüber dem Kunden die Betreuung des Versicherungsvertrages übernommen wird, eine konkrete Nachbetreuungspflicht begründet wird.

  15. bb) Ebenso bedarf die Frage keiner Klärung, ob ein Versicherungsmakler auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im Maklervertrag zur Nachbetreuung der vermittelten Verträge gegenüber dem Kunden verpflichtet ist, weil als Rechtsgrund einer solchen "ungeschriebenen" Pflicht wiederum nur der Maklervertrag in Betracht kommt.

  16. So qualifiziert die herrschende Meinung im zivilrechtlichen Fachschrifttum den Maklervertrag als einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), der ein Dauerschuldverhältnis begründet und den Makler ‑‑auch ohne ausdrückliche Vereinbarung‑‑ verpflichtet, den vermittelten Versicherungsvertrag weiter zu betreuen (z.B. Dörner in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, § 59 Rz 50 ff.; Rixecker in Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz, 4. Aufl., 2014, § 59 Rz 8; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl., 2009, § 5 Rz 309 f.; Langheid/Wandt/Reiff, Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Bd. 1, § 60 Rz 29; Hannig, Betriebs-Berater 2013, 1202; Evers, Versicherungswirtschaft 2013, 55; vgl. aber auch Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 5. Juli 2006  7 U 68/05, Versicherungsrecht ‑‑VersR‑‑ 2006, 1546; FG Hamburg, Urteil vom 6. September 2012  2 K 90/12, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 191, nicht rechtskräftig; Az. beim BFH: X R 38/13). Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Denn der BGH leitet die umfassende ‑‑möglicherweise eine Nachbetreuungspflicht umfassende‑‑ Pflichtenstellung eines Versicherungsmaklers gegenüber dem Versicherungsnehmer ebenfalls aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Makler und Versicherungsnehmer ab (z.B. BGH-Urteile vom 22. Mai 1985 IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, unter II.1.; vom 14. Juni 2007 III ZR 269/06, VersR 2007, 1127, unter II.2.a).

  17. b) Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Kläger kraft Gesetzes gegenüber den Versicherungsnehmern zur Nachbetreuung der vermittelten Versicherungsverträge verpflichtet ist.

  18. aa) Dabei kann dahinstehen, ob der Handelsvertreter eines Versicherungsmaklers ‑‑im Streitfall ggf. der Kläger als Handelsvertreter der AG‑‑ für Zwecke der Anwendung der §§ 42 ff. des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlungsrechts vom 19. Dezember 2006 ‑‑VVG 2007‑‑ (BGBl I 2006, 3232) bzw. der an ihre Stelle getretenen §§ 59 ff. VVG i.d.F. des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 ‑‑VVG 2008‑‑ (BGBl I 2007, 2631) im Verhältnis zum Versicherungsnehmer selbst als Versicherungsmakler zu qualifizieren ist (dies bejahend BTDrucks 16/1935, S. 23; vgl. BTDrucks 16/3945, S. 77; so auch Dörner in Prölss/Martin, a.a.O., § 59 Rz 43; Bruck/Möller/Schwintowski, Versicherungsvertragsgesetz, 9. Aufl., 2010, § 59 Rz 66). Ein Eingehen hierauf erübrigt sich, weil die in §§ 60 bis 62 VVG 2008 normierten Pflichten des Versicherungsmaklers keine nachlaufende Betreuungspflicht, sondern Mitteilungs-, Beratungs- und Dokumentationspflichten in der Vermittlungsphase betreffen (Langheid/Wandt/Reiff, Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, § 60 Rz 28). Abgesehen davon kommen die genannten Vorschriften im Streitjahr 2005 ohnehin noch nicht zum Tragen, weil sie erst am 22. Mai 2007 (vgl. Art. 4 Satz 3 des Gesetzes vom 19. Dezember 2006, BGBl I 2006, 3232) bzw. am 1. Januar 2008 (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes vom 23. November 2007, BGBl I 2007, 2631) in Kraft getreten und auf sog. Altverträge im Grundsatz erst ab 1. Januar 2009 anwendbar sind (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz; dazu auch Langheid/Wandt/Looschelders, Münchner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Art. 1 EGVVG Rz 1, 3, 9 f.; Schneider, VersR 2008, 859).

  19. bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 34d der Gewerbeordnung. Diese im Streitjahr ebenfalls noch nicht anwendbare Vorschrift (zu deren Inkrafttreten am 22. Mai 2007 vgl. Art. 4 Satz 3 des Gesetzes vom 19. Dezember 2006, BGBl I 2006, 3232) regelt keine nachlaufende Betreuungspflicht, sondern eine berufsrechtliche Erlaubnispflicht (dazu z.B. Schönleiter, Gewerbearchiv 2007, 265).

  20. 5. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin:

  21. a) Bei Prüfung der Frage, ob der Kläger als Handelsvertreter gegenüber der AG zur nachlaufenden Betreuung der in Rede stehenden Verträge verpflichtet ist, ist insbesondere zu berücksichtigen, dass offensichtlich eine mehrstufige ‑‑(zumindest) aus der AG, ihren Geschäftsstellen und den Handelsvertretern bestehende‑‑ Vertriebsstruktur gegeben ist. Demnach kommen im Streitfall für die Erfüllung möglicher nachlaufender Betreuungspflichten verschiedene Ebenen (AG, Geschäftsstellen, Handelsvertreter) in Betracht.

  22. b) Weiter bleibt zu beachten, dass der Kläger nach Aktenlage für bestimmte Lebensversicherungsverträge offensichtlich Folgeprovisionen erhält. Für den Senat ist nicht ersichtlich, weshalb auch insoweit die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands in Betracht kommen soll. Vielmehr stünde der Anspruch auf Folgeprovisionen einer solchen Rückstellungsbildung entgegen, weil es insoweit an einer (vollständig) erbrachten Vorleistung des Vertragspartners (AG) fehlte.

  23. c) Sollte sich im zweiten Rechtsgang ergeben, dass der Kläger aufgrund seines Rechtsverhältnisses zur AG dem Grunde nach zur Bildung einer Rückstellung verpflichtet ist, sind hinsichtlich der Höhe der Rückstellung die Grundsätze zu beachten, die der X. Senat des BFH in den Urteilen in BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856, Rz 42 bis 61, X R 48/08 (BFH/NV 2011, 2032, Rz 30 bis 42), vom 19. Juli 2011 X R 8/10 (BFH/NV 2011, 2035, Rz 30 bis 42) und vom 12. Dezember 2013 X R 25/11 (Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2014, 840, Rz 32 bis 51) aufgestellt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die genannten BFH-Urteile verwiesen. Danach muss der Kläger nach Maßgabe der in diesen Entscheidungen dargelegten Grundsätze Aufzeichnungen führen und vorlegen. Allerdings konnte das FG jene Grundsätze noch nicht beachten, da es zeitlich vor den genannten BFH-Urteilen entschieden hat. Die bisherigen Aufzeichnungen des Klägers über einzelne Kundenkontakte für den Zeitraum November 2009 bis Januar 2010 werden den dargelegten Anforderungen offensichtlich nicht gerecht.

  24. Sollte der Kläger auch im zweiten Rechtsgang nicht in der Lage sein, solche Aufzeichnungen vorzulegen, führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass die Bildung einer Rückstellung gänzlich zu unterbleiben hat. Liegen nämlich die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung dem Grunde nach vor, ist der tatsächliche Umfang der Nachbetreuungsleistungen erst für die konkrete Bemessung der Höhe der Rückstellung von Bedeutung. Für diesen Fall hat das FG den künftigen Betreuungsaufwand aufgrund der Verhältnisse im Betrieb des Klägers erneut zu schätzen. Eine solche Schätzung des ‑‑nicht durch die geforderten substantiierten Aufzeichnungen belegten‑‑ Umfangs der Betreuungsleistungen durch das FG muss sich im Hinblick auf die den Steuerpflichtigen treffende Darlegungs- und Beweislast aber im unteren Rahmen bewegen (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in DStR 2014, 840, Rz 52 bis 56).

  25. Schließlich bleibt anzumerken, dass eine ggf. zu bildende Rückstellung ‑‑im Streitfall eine solche nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG‑‑ nach dem vom FG herangezogenen BMF-Schreiben nicht nach Tabelle 3, sondern nach Tabelle 2 (BStBl I 2005, 699, Tz. 26, 28) abzuzinsen ist. Wegen des maßgeblichen Abzinsungszeitraums (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG) verweist der Senat auf die Ausführungen des X. Senats in dem Urteil in DStR 2014, 840.

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