BFH III. Senat
InvZulG § 7 Abs 1 S 1, InvZulG § 9, AO § 3 Abs 1, AO § 71, AO § 191 Abs 1, AO § 370 Abs 4 S 2, StGB § 264 Abs 1 Nr 1, StGB § 27, BGB § 823 Abs 2, BGB § 830 Abs 1 S 1, StGB § 263, StGB § 264 Abs 7, BGB § 830 Abs 2, AO § 37 Abs 2
vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 23. June 2009, Az: 4 K 2207/04
Leitsätze
1. Wer einen Subventionsbetrug begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet nicht nach § 71 AO für die zu Unrecht gewährte Investitionszulage (Änderung der Senatsrechtsprechung).
2. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB kann nicht mittels eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 AO geltend gemacht werden.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendet sich gegen einen nach § 71 der Abgabenordnung (AO) ergangenen Bescheid, durch den ihn der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) für eine der W-GmbH zu Unrecht gewährte Investitionszulage für das Jahr 1994 in Höhe von 520.000 DM (= 265.871,78 €) als Haftungsschuldner in Anspruch genommen hat.
Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der M-GmbH. Er unterzeichnete für die nicht existente XY-GmbH als Lieferant im Mai 1991 den "Vertrag Nr. ..." mit einer AG als Abnehmer. Auf Anweisung eines Herrn ... eröffnete der Kläger im Oktober 1991 für die M-GmbH als deren Geschäftsführer ein Geschäftskonto bei einer Schweizer Bank. Auf dieses Konto überwies die AG im Oktober 1991 einen Betrag von 6,5 Mio. DM als Anzahlung auf den genannten Vertrag. Der Kläger überwies diesen Betrag entsprechend einem bereits im Voraus abgegebenen Überweisungsversprechen unmittelbar wieder an die AG zurück. Am 31. Juli 1993 erklärte der Kläger gegenüber der W-GmbH sinngemäß, er sei damit einverstanden, dass die W-GmbH bezüglich des genannten Vertrages an die Stelle der AG trete und die XY-GmbH auf diesen Vertrag eine Anzahlung von 6,5 Mio. DM erhalten habe. Weiter gab der Kläger im August 1993 gegenüber dem bei der steuerlichen Beraterin der W-GmbH tätigen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ... eine von ihm unterschriebene Erklärung ab, wonach er mit dem von der AG ermittelten Saldo per 31. Juli 1993 zu "unseren" Lasten bezüglich des genannten Vertrages in Höhe von 6,5 Mio. DM und der Übernahme dieses Vertrages durch die W-GmbH einverstanden sei. In einem von der steuerlichen Beraterin der W-GmbH im August 1993 erstellten Bericht über die Prüfung einer Kapitalerhöhung im Wege von Sacheinlagen der W-GmbH wurde u.a. ausgeführt, Sacheinlagen im Wert von 31.631.000 DM seien dadurch erbracht worden, dass die AG ihre Rechte und Pflichten aus den im Einzelnen genannten Verträgen mit bereits vorgenommenen Zahlungen auf die W-GmbH übertragen habe. Unter den übertragenen Verträgen und Zahlungen wird die im Oktober 1991 geleistete "Anzahlung" in Höhe von 6,5 Mio. DM aus dem obengenannten Vertrag angeführt.
Die W-GmbH beantragte bereits für das Jahr 1993 ohne Erfolg Investitionszulage für die im Jahr 1991 geleistete Anzahlung. Aufgrund eines Änderungsantrags vom Oktober 1995 wurde ihr durch geänderten Investitionszulagenbescheid für das Jahr 1994 vom 29. Dezember 1995 eine Investitionszulage gewährt, in deren Bemessungsgrundlage die genannte Anzahlung in Höhe von 6,5 Mio. DM einbezogen war.
Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der W-GmbH am 1. Mai 1996 meldete das FA den Anspruch auf Rückzahlung der für das Jahr 1994 gewährten Investitionszulage mit Schreiben vom 25. Juni 1996 zum Forderungsverzeichnis an. Der Anspruch wurde festgestellt. Zahlungen hierauf sind nicht erfolgt. Das Gesamtvollstreckungsverfahren wurde am 2. November 2007 eingestellt.
Der Kläger wurde in dieser Sache mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts ... wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug (§ 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 des Strafgesetzbuches ‑‑StGB‑‑) verurteilt.
Das FA nahm den Kläger mit Bescheid vom 19. September 2003 nach § 71 AO wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug in Höhe von 520.000 DM (= 6,5 Mio. DM x 8 %; dies entspricht 265.871,78 €) für die im Zusammenhang mit der nicht geleisteten Anzahlung zu Unrecht ausbezahlte Investitionszulage für das Jahr 1994 in Haftung. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 691 veröffentlichten Urteil ab.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er ‑‑der Kläger‑‑ als Gehilfe eines Subventionsbetrugs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes 1993 (InvZulG 1993) i.V.m. §§ 71, 191 AO hafte. Der Subventionsbetrug sei nicht vom möglichen Wortsinn des § 71 AO erfasst. Ebenso scheide eine analoge Anwendung des § 71 AO aus. Aber selbst wenn § 71 AO (analog) anwendbar sein sollte, hätte das FG gegen Ermessensgrundsätze (§ 5 AO, § 102 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) verstoßen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene FG-Urteil, den Haftungsbescheid des FA vom 19. September 2003 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. August 2004 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, im Streitfall komme infolge des Verweises in § 7 Abs. 1 InvZulG 1993 die Haftungsvorschrift des § 71 AO zur Anwendung. Daneben sei die vom Bundesfinanzhof (BFH) zu § 71 AO ergangene Rechtsprechung, wonach in Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung das Ermessen vorgeprägt sei, uneingeschränkt auf Fälle der Beihilfe zum Subventionsbetrug übertragbar.
Das beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) vertritt ebenfalls die Auffassung, dass infolge der in § 7 Abs. 1 InvZulG 1993 angeordneten entsprechenden Anwendung des § 71 AO das in dieser Norm genannte Tatbestandsmerkmal der "Steuerhinterziehung" bei der Investitionszulage als "Subventionsbetrug" zu verstehen sei. Die Frage einer analogen Rechtsanwendung stelle sich daher nicht. Abgesehen davon seien auch die Voraussetzungen einer Analogie gegeben.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung, der Haftungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 7 Abs. 1 InvZulG 1993 i.V.m. § 71 AO haftet (dazu 1. und 2.). Auch kann der im Streitfall ggf. vorliegende deliktische Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) i.V.m. § 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB nicht mittels eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 AO geltend gemacht werden (dazu 3.).
1. Das FG hat die Anwendbarkeit des § 71 AO ‑‑im Einklang mit der bisherigen Senatsrechtsprechung‑‑ zu Unrecht bejaht.
a) Nach bisheriger Auffassung des Senats war auf eine Person, die sich als Gehilfe eines Subventionsbetrugs strafbar gemacht hat, die Haftungsnorm des § 71 AO entsprechend anwendbar. Der Senat hat dies in seinem zum Investitionszulagengesetz 1982 (InvZulG 1982) ergangenen Urteil vom 27. April 1999 III R 21/96 (BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670) mit der in § 5 Abs. 5 Satz 1 InvZulG 1982 (= § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993) enthaltenen Gesetzesverweisung begründet, wonach die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend anwendbar seien. Diese allgemein gehaltene Verweisung auf die AO umfasse auch die Vorschriften über die Haftung (§§ 69 ff. AO). Insbesondere scheitere eine entsprechende Anwendung des § 71 AO nicht daran, dass diese Vorschrift lediglich eine Haftung (u.a.) des Steuerhinterziehers, nicht jedoch des Subventionsbetrügers normiere. Die in der Gesetzesverweisung angeordnete entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften sei vielmehr so zu verstehen, dass der Fall des Subventionsbetruges im Rahmen der Haftung nach § 71 AO abgabenrechtlich wie ein Fall der Steuerhinterziehung zu behandeln sei (vgl. auch Senatsurteil vom 28. August 1997 III R 3/94, BFHE 183, 324, BStBl II 1997, 827, zur Investitionszulage nach dem Berlinförderungsgesetz ‑‑BerlinFG‑‑ wegen verlängerter Festsetzungsverjährung). Die Frage einer analogen Rechtsanwendung stelle sich daher nicht.
Die Verwaltung hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (BMF-Schreiben vom 28. Juni 2001, BStBl I 2001, 379, Tz. 188).
b) Hieran hält der Senat nicht mehr fest. Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG enthaltene (allgemeine) Verweisung, nach der die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend anzuwenden sind, erlaubt es nach ihrem Wortsinn nicht, das auf die "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten als eine Steuerhinterziehung i.S. des § 71 AO zu behandeln.
aa) Die Investitionszulage ist keine Steuer i.S. des § 3 Abs. 1 AO (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 1 AO Rz 23). Der Gesetzgeber hat die Investitionszulage materiell-rechtlich auch nicht als eine Steuervergütung ausgestaltet. Es fehlt ‑‑anders als z.B. für das Kindergeld (vgl. § 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes)‑‑ eine Norm, welche die Investitionszulage als Steuervergütung qualifiziert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in den Investitionszulagengesetzen enthaltenen Gesetzesverweisung (z.B. § 5 Abs. 5 Satz 1 InvZulG 1982, § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993), die eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der AO anordnet. Durch diese Verweisungsnorm wird die Investitionszulage abgabenrechtlich nicht in eine Steuervergütung umqualifiziert, sondern allgemein das Investitionszulageverfahren geregelt (ebenso Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 6. Juni 2007 5 StR 127/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2007, 1157, zur Eigenheimzulage). Demnach hat der Gesetzgeber in Anbetracht des in § 1 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Anwendungsbereichs der AO und des Umstands, dass die Investitionszulage gerade keine Steuervergütung ist, in § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993 folgerichtig nur eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der AO angeordnet.
Aufgrund dieser Verweisung sind zwar auch die Haftungsnormen der §§ 69 ff. AO entsprechend anwendbar. Nach dem Wortsinn des § 71 AO scheitert dessen Anwendung auf die Investitionszulage aber daran, dass das auf die "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten strafrechtlich keine Steuerhinterziehung, sondern ein Betrug (§ 263 StGB) bzw. ein Subventionsbetrug (§ 264 StGB) ist (vgl. BGH-Beschluss vom 7. Februar 1984 1 StR 10/83, HFR 1984, 391). Auch wenn die Abgrenzung zwischen den unter § 370 AO fallenden Steuern bzw. Steuervorteilen und den von § 264 StGB erfassten Subventionen schwierig sein kann, gehört doch die Investitionszulage zu den Subventionen i.S. des § 264 Abs. 7 StGB und nicht zu den Steuern oder Steuervorteilen (vgl. auch Perron in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl., § 264 Rz 10 a.E.). Abweichendes ergibt sich nicht aus § 370 Abs. 4 Satz 2 AO, wonach auch Steuervergütungen Steuervorteile sind. Die Investitionszulage ist ‑‑wie aufgezeigt‑‑ materiell-rechtlich gerade keine Steuervergütung. Schließlich lässt sich etwas anderes auch nicht aus § 9 InvZulG 1993 (= § 5a InvZulG 1977/1982/1986) entnehmen, nach dem die Vorschriften der AO über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend gelten. Hierdurch werden lediglich die Verfahrensvorschriften der §§ 385 ff. AO einschließlich der Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörden (vgl. § 386 Abs. 2 AO) für anwendbar erklärt (ebenso BGH-Urteil in HFR 2007, 1157, zur Eigenheimzulage).
bb) Auch die in § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993 angeordnete "entsprechende" Anwendung des § 71 AO rechtfertigt es nicht, von dem tatbestandlichen Erfordernis einer Steuerhinterziehung abzusehen oder das auf die "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten als eine Steuerhinterziehung i.S. des § 71 AO zu behandeln.
Dass es sich hierbei um eine Rechtsgrund- und nicht um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, entspricht auch der bisherigen Senatsrechtsprechung. Ein bloßer Verweis nur auf die Rechtsfolge des § 71 AO könnte schon gar nicht umgesetzt werden, weil der Haftungsumfang im Dunkeln bliebe. Allerdings reicht ‑‑entgegen der bisherigen Rechtsprechung‑‑ im Zusammenhang mit der Investitionszulage der Subventionsbetrug als Rechtsgrund nicht aus. Eine derartige ‑‑auf das Wort "entsprechend" gestützte‑‑ Gesetzesauslegung überspannt den möglichen Wortsinn. Die entsprechende Geltung der Steuervergütungsvorschriften führt zwar ‑‑wie bereits erwähnt‑‑ dazu, dass die §§ 69 ff. AO dem Grunde nach anwendbar sind. Der Gesetzgeber hat aber bewusst davon abgesehen, im InvZulG ‑‑im Gegensatz zu anderen Zulagen- und Prämiengesetzen‑‑ auch eine entsprechende Anwendung des § 370 Abs. 1 bis Abs. 4 AO anzuordnen, weil er die Investitionszulage unter den besonderen strafrechtlichen Schutz des § 264 StGB gestellt hat (dazu nachfolgend 2.). Hiernach ist § 370 AO auf die Investitionszulage gerade nicht entsprechend anwendbar. Damit wäre jedoch der Wortsinn einer entsprechenden Anwendung überspannt, wollte man die Erschleichung einer Investitionszulage abgabenrechtlich doch wieder wie eine Steuerhinterziehung behandeln.
2. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 71 AO liegen nicht vor.
Eine Analogie würde voraussetzen, dass sich zum einen eine Gesetzeslücke feststellen ließe, zum anderen, dass sich aus dem Gesetzeswortlaut bzw. Gesamtzusammenhang oder aus den Gesetzesmaterialien eindeutig Rechtsprinzipien ergäben, nach denen diese Lücke zu schließen wäre (BFH-Urteil vom 14. Februar 2007 II R 66/05, BFHE 217, 176, BStBl II 2007, 621, m.w.N.). Hieran fehlt es.
Ein Prinzip, wonach der im Zusammenhang mit einer Investitionszulage begangene Subventionsbetrug abgabenrechtlich wie eine Steuerhinterziehung zu behandeln ist, ist nicht eindeutig erkennbar. Ein solches Prinzip lässt sich weder § 7 Abs. 1 InvZulG 1993 noch § 9 InvZulG 1993 entnehmen.
§ 9 InvZulG 1993 (= § 5a InvZulG 1977/1982/1986) bestimmt, dass die Vorschriften der AO über die Verfolgung von Steuerstraftaten (§§ 385 ff. AO) entsprechend gelten. Diese Regelung geht auf das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (1. WiKG) vom 29. Juli 1976 (BGBl I 1976, 2034) zurück, mit dem die Vorschrift des § 264 StGB in das StGB neu eingefügt wurde. Der Gesetzgeber betrachtete die Investitionszulage als eine Subvention i.S. des § 264 StGB und wollte deren Vergabe strafrechtlich besonders schützen (BTDrucks 7/3441, S. 48, BTDrucks 7/5291, S. 24). Da die Investitionszulage von den Finanzbehörden verwaltet wurde, fügte er den § 5a InvZulG neu ein, wonach u.a. für die Verfolgung einer Straftat nach § 264 StGB die Vorschriften der Reichsabgabenordnung vom 23. Mai 1931 über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend gelten. Demnach werden nach § 9 InvZulG 1993 (bzw. § 5a InvZulG 1977) lediglich die Verfahrensvorschriften der §§ 385 ff. AO einschließlich der Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörden (vgl. § 386 Abs. 2 AO) für anwendbar erklärt (ebenso BGH-Urteil in HFR 2007, 1157, zur Eigenheimzulage). Hieraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass der Subventionsbetrug abgabenrechtlich wie eine Steuerhinterziehung zu behandeln ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993. Diese Vorschrift hat die für den Streitfall maßgebliche Fassung im Kern bereits durch das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3341) erhalten. § 5 Abs. 5 Satz 1 InvZulG 1977 ‑‑die Vorgängerregelung zu § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993‑‑ lautete, dass "auf die Investitionszulage die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung ... entsprechend anzuwenden" sind (vgl. Art. 64 Nr. 1 EGAO 1977). Daneben wurde in § 5a InvZulG das Wort "Reichsabgabenordnung" durch das Wort "Abgabenordnung" ersetzt (vgl. Art. 64 Nr. 2 EGAO 1977). In den Gesetzesmaterialien heißt es lediglich, dass nunmehr auch für die Investitionszulagen die für die Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO gelten sollen (BTDrucks 7/261, S. 54), ferner, dass sich die Anwendbarkeit der Vorschriften der AO über die Verfolgung von Steuerstraftaten auf die Investitionszulage bereits aus dem durch das 1. WiKG eingefügten § 5a InvZulG ergibt (BTDrucks 7/5458, S. 20). Zugleich normierte der Gesetzgeber im EGAO 1977 für andere Zulagen- und Prämien-Gesetze, in denen ebenfalls ‑‑wie im InvZulG‑‑ die Steuervergütungsvorschriften der AO für entsprechend anwendbar erklärt werden, dass auch § 370 Abs. 1 bis 4 AO entsprechend gilt (z.B. Art. 5 Nr. 5 und 6 EGAO 1977 zum BerlinFG, Art. 50 Nr. 5 EGAO 1977 zum Wohnungsbau-Prämiengesetz, Art. 83 Nr. 1 und 2 EGAO 1977 zum Dritten Vermögensbildungsgesetz). Eine solche Anordnung ist für das InvZulG unterblieben.
3. Es kann dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das FG im Klageverfahren oder der Senat im Revisionsverfahren die vom FA im Haftungsbescheid konkret zugrunde gelegte Haftungsnorm des § 7 Abs. 1 InvZulG 1993 i.V.m. §§ 71, 191 AO durch § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB hätte austauschen dürfen. Denn dieser ggf. verwirklichte deliktische Schadensersatzanspruch kann nicht durch einen Haftungsbescheid geltend gemacht werden.
a) Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Hiermit ist nicht nur die Haftung für Steuerschulden, sondern generell die Haftung für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) gemeint (Boeker in HHSp, § 191 AO Rz 16). Da auf das Investitionszulagenverfahren nach § 7 Abs. 1 InvZulG 1993 die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, ist auch der Anspruch auf Rückzahlung der Investitionszulage wie ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zu behandeln (vgl. § 37 Abs. 1, Abs. 2 AO). Das Haftungsverfahren nach § 191 AO ist daher im Grundsatz auch auf die Investitionszulage anwendbar.
b) Der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 Abs. 1 Nr. 1, § 27 StGB ist jedoch kein gesetzlicher Haftungsanspruch i.S. des § 191 Abs. 1 AO.
Nach ständiger Rechtsprechung können sich gesetzliche Haftungsansprüche i.S. des § 191 AO sowohl aus dem Steuerrecht als auch aus dem Zivilrecht ergeben (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82, BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156; vom 9. Mai 2006 VII R 50/05, BFHE 213, 194, BStBl II 2007, 600). Die Frage, ob auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB hierunter zu fassen sind, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.
aa) Soweit sich das Fachschrifttum mit dieser Frage beschäftigt, liefert es kein einheitliches Meinungsbild. Teilweise wird für deliktische Schadensersatzansprüche ‑‑ohne nähere Begründung‑‑ die Möglichkeit des Erlasses eines Haftungsbescheids bejaht (Loose in Tipke/Kruse, § 71 AO Rz 5, § 191 AO Rz 6; Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl., Rz 590). Andere vertreten die Auffassung, dass Schadensersatzansprüche gemäß § 823 BGB keine Haftungsansprüche seien und im Zivilrechtswege verfolgt werden müssten (Nacke, Die Haftung für Steuerschulden, 3. Aufl., Rz 165).
bb) Die Gesetzesmaterialien enthalten zu dieser Frage keine ausdrückliche Stellungnahme. Will man diesen jedoch eine Aussage entnehmen, deuten sie eher darauf hin, dass ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB wegen einer Schutzgesetzverletzung nicht mittels Haftungsbescheid geltend gemacht werden kann. Nach der Gesetzesbegründung bezieht sich die Vorschrift des § 191 AO (im Gesetzentwurf § 172) zwar auch auf "die Haftungsvorschriften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, soweit sie auch auf Steuerschulden anwendbar sind, wie z.B. § 128 HGB" (BTDrucks VI/1982, S. 159). Der Gesetzgeber spricht in diesem Zusammenhang aber von Haftungsvorschriften, nicht von Schadensersatzansprüchen, und verdeutlicht dies anhand § 128 des Handelsgesetzbuchs (HGB), einer Norm, die als Rechtsfolge das Einstehenmüssen für eine Verbindlichkeit eines Dritten ‑‑der offenen Handelsgesellschaft‑‑ begründet. In den Gesetzesmaterialien wird von Schadensersatzansprüchen nur in der Begründung zu § 71 AO gesprochen. Dort heißt es, dass Schadensersatzansprüche des Steuergläubigers, soweit sich solche aus der Steuerhinterziehung oder der Steuerhehlerei ‑‑etwa aufgrund der Vorschriften über unerlaubte Handlungen ergeben‑‑ nicht durch § 71 AO ausgeschlossen werden (BTDrucks VI/1982, S. 120). Der Gesetzgeber dürfte daher als zivilrechtliche Haftungsansprüche i.S. des § 191 AO eher solche Vorschriften vor Augen gehabt haben, die auf der Rechtsfolgenseite eine Einstandspflicht für anderweitig entstandene Steuerschulden begründen, wie z.B. die Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB oder Vorschriften wie §§ 25 ff. HGB.
Dieser Sichtweise entspricht auch die vom BGH gefundene Auslegung. So hat er in dem Urteil vom 1. Dezember 1988 IX ZR 61/88 (BGHZ 106, 134) ausgeführt, dass unter zivilrechtlichen Haftungsansprüchen i.S. des § 191 AO einerseits gesellschaftsrechtliche u.ä. Bestimmungen und andererseits solche Bestimmungen gemeint sind, die wie § 25 HGB oder § 419 BGB für anderweitig entstandene Steuerschulden die Einstandspflicht eines Dritten begründen.
cc) Als maßgeblich für die hier vertretene Ansicht sieht der Senat jedoch an, dass selbst die abgabenrechtlichen Haftungsnormen, denen nach der Rechtsprechung des BFH Schadensersatzcharakter zukommt, letztlich in ihrer vom Gesetz vorgegebenen abstrakt-generellen Struktur keine Schadensersatznormen sind.
Abgabenrechtliche Haftungsnormen mit Schadensersatzcharakter sind namentlich die §§ 69 und 71 AO (BFH-Urteile vom 26. September 2012 VII R 3/11, BFH/NV 2013, 337, zu § 71 AO; vom 11. November 2008 VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342, zu § 69 AO). Insbesondere die Haftung nach § 71 AO und die nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 StGB ähneln sich sehr. In beiden Fällen soll gegenüber demjenigen, der eine vorsätzliche Straftat begangen hat, eine Ersatzmöglichkeit bestehen. Unterschiede existieren aber in dem gesetzlich ‑‑abstrakt-generell‑‑ normierten Haftungsumfang. In Fällen des § 71 AO richtet sich der Haftungsumfang danach, inwieweit das strafrechtlich erhebliche Verhalten für den Steuerausfall (BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 337), in Fällen des § 69 AO, inwieweit die Pflichtverletzung für den Steuerausfall ursächlich ist (BFH-Urteil vom 5. September 1989 VII R 61/87, BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979). Auf diese steuerliche Haftung kann der im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht anerkannte Grundsatz des Vorteilsausgleichs ebenso wenig uneingeschränkt übertragen werden wie die Berücksichtigung des Mitverschuldens nach § 254 BGB, eines hypothetischen Kausalverlaufs oder die Lehre vom Schutzzweck der verletzten Norm (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 337, m.w.N.; vom 5. Juni 2007 VII R 65/05, BFHE 217, 233, BStBl II 2008, 273). Vielmehr entstehen die Haftungsansprüche nach §§ 69 und 71 AO gemäß § 38 AO, wenn deren Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 337). Die vorstehend bezeichneten Gesichtspunkte des zivilrechtrechtlichen Schadensersatzrechts haben in den genannten abgabenrechtlichen Haftungsansprüchen keinen Niederschlag gefunden.
Die Ersatzmöglichkeit aus § 823 Abs. 2 BGB führt hingegen zu einem originär zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch. Es mag zwar sein, dass ‑‑bei Vergleichbarkeit der Sachverhalte‑‑ ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen einen Gehilfen eines Subventionsbetrugs nach § 823 Abs. 2, § 830 BGB i.V.m. §§ 264, 27 StGB im Ergebnis auch der Höhe nach zu einer ähnlichen Ersatzmöglichkeit führt wie ein abgabenrechtlicher Haftungsanspruch nach § 71 AO gegen einen Gehilfen einer Steuerhinterziehung, insbesondere unter Berücksichtigung der bei § 191 AO anzustellenden Ermessenserwägungen (§ 5 AO). Entscheidend ist aber, dass der Gesetzgeber die genannten abgabenrechtlichen Haftungsnormen, auch wenn sie Schadensersatzcharakter besitzen, auf der Rechtsfolgenseite abstrakt-generell nicht als Schadensersatzansprüche ausgestaltet hat.
dd) Dass es aufgrund der Sachnähe des FA als der für die Verwaltung der Investitionszulage (§ 7 Abs. 1 InvZulG 1993) und der für die Verfolgung eines hiermit im Zusammenhang stehenden Subventionsbetrugs (§ 9 InvZulG 1993 i.V.m. § 385 ff. AO) zuständigen Behörde zweckmäßig sein mag, dem FA auch die Möglichkeit des Erlasses eines Haftungsbescheids einzuräumen, ändert an dem gefundenen Ergebnis nichts.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.