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Beschluss vom 27. November 2013, X B 192/12

Besteuerung von NATO-Pensionen ist nicht mehr klärungsbedürftig

BFH X. Senat

EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 22 Nr 1 S 3 Buchst a, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 22 Nr 1 S 3 Buchst a, EStG VZ 2006 , EStG VZ 2007 , EStG VZ 2008 , EStG VZ 2009 , EStG § 11 Abs 1 S 1, EStG § 11 Abs 1 S 1

vorgehend FG Köln, 14. August 2012, Az: 5 K 189/11

Leitsätze

NV: Die Frage, in welcher Weise NATO-Pensionen zu versteuern sind, ist bereits geklärt .

Tatbestand

  1. I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger war bis 2003 ziviler Angestellter des Internationalen Stabes der NATO. Im Ruhestand erhält er nunmehr Versorgungsbezüge der Wehrbereichsverwaltung sowie Pensionszahlungen der NATO. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) behandelte Letztere als nachträgliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), während die Kläger der Meinung sind, es handele sich um sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG.

  2. Mit ihren Einsprüchen beriefen sich die Kläger auf die seinerzeit anhängige Verfassungsbeschwerde 2 BvR 367/07. Nach deren Nichtannahme wies das FA die Einsprüche zurück. Mit der Klage machten die Kläger im Wesentlichen geltend, bei Bemessung der an die Gehälter nationaler Beamter angelehnten steuerfreien Bezüge der aktiven Dienstzeit bei der NATO sei bereits eine fiktive Steuerlast berücksichtigt worden, so dass es bei nochmaliger Besteuerung zu einer Doppelbesteuerung komme. Für die Aufnahme in das Versorgungssystem seien während der aktiven Dienstzeit 8 % des Gehalts einbehalten worden. Dies sei daher keine Gehaltskürzung, sondern eine Gehaltsverwendung gewesen. Sie beantragten weiter, einen vormaligen NATO-Repräsentanten als Zeugen zu verschiedenen Strukturelementen der NATO-Pensionen zu vernehmen.

  3. Das Finanzgericht (FG) hörte den in mündlicher Verhandlung gestellten Zeugen nicht. Es wies die Klage unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 22. November 2006 X R 29/05 (BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402) mit der wesentlichen Begründung ab, die Einbehalte der aktiven Dienstzeit seien nicht Gehaltsverwendungen, sondern Gehaltskürzungen gewesen, da sie damals noch nicht im lohnsteuerlichen Sinne zugeflossen seien. Zu einer Doppelbesteuerung komme es nicht, da die Einbehalte ungeachtet einer fiktiven Steuerlast tatsächlich ‑‑worauf es ankomme‑‑ nicht der Einkommensteuer unterlegen hätten. Einer Vernehmung des Zeugen habe es nicht bedurft, da keine Sachverhalts-, sondern lediglich Rechtsfragen streitig gewesen seien.

  4. Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend.

  5. Es gebe eine Reihe von Dokumenten und neuen Gesichtspunkten, die dem Bundesfinanzhof (BFH) in der Entscheidung aus dem Jahre 2006 nicht zur Verfügung gestanden hätten. Nach den in der aktiven Dienstzeit erteilten Gehaltsabrechnungen, die ein Gesamtgehalt auswiesen und davon den Einbehalt für die Versorgung abzögen, unterscheide sich aus der maßgebenden Sicht des Steuerpflichtigen Letzterer nicht von den üblichen Renteneinbehalten, auch, soweit der Einbehalt zwingend gewesen sei. Bei einer Gehaltskürzung hätte ein Einbehalt vor der Darstellung des Gesamtgehalts abgezogen werden müssen. Aus weiteren Regelungen im Versorgungssystem werde deutlich, dass dieser Einbehalt als Zahlung aus eigenem, bereits versteuerten Vermögen zu bewerten sei, denn die Kalkulation der Gehälter beruhe auf dem vorgängigen Abzug der Steuern. Gleichzeitig sei so eigenes Kapital aufgebaut worden. Der Zeuge hätte zu der Behandlung der Pensionsgelder in der NATO und der Doppelbesteuerung Auskunft geben können, mit der sich das FG nicht befasst habe. Stattdessen werde der Kläger gegenüber den NATO-Rentnern des Systems vor 1974 steuerlich benachteiligt.

  6. Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde ist unbegründet.

  2. 1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt angesichts des Senatsurteils in BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402 nicht mehr vor.

  3. Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt u.a. voraus, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Das ist nicht mehr der Fall, wenn die Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen. Sind jedoch einzelne FG'e der Rechtsprechung des BFH nicht gefolgt oder sind in der Literatur oder seitens der Finanzverwaltung beachtliche Argumente gegen die Rechtsprechung vorgetragen worden, die der BFH noch nicht erwogen hat, so kann eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gleichwohl geboten sein (vgl. i.e. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28; Senatsbeschluss vom 16. Mai 2013 X B 172/11, BFH/NV 2013, 1404).

  4. Hieran fehlt es. Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine Zulassung der Revision nach diesen Grundsätzen ausnahmslos voraussetzt, dass diejenigen neuen und nicht von vornherein abwegigen Argumente, die an den BFH herangetragen werden, im Schrifttum oder seitens der Finanzverwaltung geäußert wurden, oder ob es nicht auch genügen kann, dass der betroffene Steuerpflichtige diese äußert, der ebenso wie die Finanzverwaltung in Gestalt des FA Beteiligter des Rechtsstreits ist. Alle wesentlichen Argumente, die die Kläger gegen die im Senatsurteil in BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402 aufgestellten Grundsätze vorbringen, sind zwar nicht von vornherein abwegig, aber nicht neu. Der BFH hat sie in jener Entscheidung bereits berücksichtigt und erwogen, ist ihnen jedoch letztlich nicht gefolgt. Vor diesem Hintergrund ist die Thematik in einem Revisionsverfahren nicht mehr erneut klärungsbedürftig.

  5. a) Die Kläger machen geltend, die Gehaltsabrechnung, in der die Beiträge von dem Gesamtgehalt abgezogen worden seien, zeige die zutreffende Qualifikation als Gehaltsverwendung. Hierzu hatte der Senat unter II.3.c d bereits sinngemäß ausgeführt, dass die Abreden zwischen der NATO und dem jeweiligen Bediensteten ‑‑und damit, wie zu ergänzen ist, erst recht die äußere Darstellung der Gehaltsabrechnungen‑‑ unerheblich seien, es vielmehr allein darauf ankomme, ob tatsächlich bereits Arbeitslohn zugeflossen sei. Dies hatte der Senat verneint. Die abweichende Auffassung der Kläger beruht auf einer anderen Bewertung dieser Abreden.

  6. b) Soweit die Kläger beanstanden, gerade die zwingende und nicht freiwillige Einbeziehung in das Versorgungssystem unterscheide sich nicht von der Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung oder den verschiedenen Versorgungswerken, rügen sie die inhaltliche Tragfähigkeit dieses Gesichtspunkts, bringen indes nichts Neues vor.

  7. c) Soweit es die Überlegungen der Kläger betrifft, die Möglichkeit vorfristiger Auszahlung oder der Übernahme erworbener Ansprüche in andere Rentenkassen belege den Aufbau eigenen Vermögens, hat sich der Senat inhaltlich unter II.2.c damit auseinandergesetzt. Er hat ausgeführt, dass das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten regelmäßig noch nicht zum Zufluss von Einnahmen und damit noch nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führe, es sei denn, der Arbeitnehmer erlange einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen einen Dritten (vgl. dort unter aa sowie ff). Dies entspricht der nach wie vor aktuellen Rechtsprechung des VI. (sog. "Lohnsteuer"-) Senats des BFH (Urteile vom 15. September 2011 VI R 36/09, BFH/NV 2012, 201, und vom 5. Juli 2012 VI R 11/11, BFHE 238, 408, BStBl II 2013, 190). Es steht aber außer Streit, dass die Ansprüche des Klägers nicht gegen einen Dritten, sondern gegen seinen Arbeitgeber, die NATO, gerichtet sind, gleich, wie diese intern kassentechnisch organisiert ist.

  8. d) Die Kläger machen weiter geltend, der Wechsel in bzw. aus derartigen anderen Versorgungssystemen von und zum NATO-Versorgungssystem setze vergleichbare Systeme voraus und zeige daher im Rückschluss, dass auch das Versorgungssystem der NATO generell in den Regelungsbereich des § 22 EStG fallen müsse, um eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung zu vermeiden.

  9. Mit dem Wechsel der Versorgungssysteme hat sich der Senat in seinem damaligen Urteil unter II.3.b ‑‑im Wesentlichen durch Bezugnahme auf sein früheres Urteil vom 7. Februar 1990 X R 36/86 (BFHE 161, 16, BStBl II 1990, 1062)‑‑ auseinandergesetzt. In derartigen Fällen ist mit dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst und dem Wegfall der Verwendungssperre ein Zufluss anzunehmen. Hiernach ist die ggf. auch anteilige Besteuerung der späteren Zahlungen auszurichten. Der Wechsel der Versorgungssysteme setzt danach die Vergleichbarkeit der Systeme gerade nicht voraus, sondern erfordert je nach Einzelfall eine nähere Prüfung, in welchem Umfang die folgenden Versorgungsbezüge welchem Besteuerungsmodus zu unterwerfen sind.

  10. e) Die Kläger tragen ferner vor, die Einbehalte seien bereits versteuert, da auf der Grundlage dieser Vorstellung realiter ‑‑und nicht fiktiv‑‑ die Gehälter der NATO als Nettogehälter bemessen worden seien und die NATO selbst dies auch so betrachte. Der Senat hat aber in seinem Urteil in BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402 gerade die Frage, ob mit den Einbehalten bereits steuerpflichtiger Lohn zugeflossen ist, im Einklang mit der Rechtsprechung des VI. Senats verneint. Er hat ausdrücklich ausgeführt, dass es für diese Frage allein auf einkommensteuerrechtliche Grundsätze ankomme. Unerheblich sei, wie die Höhe der Gehälter zustande gekommen sei (unter II.3.d).

  11. In der Sache hat die NATO bei ihrer Entscheidung und Berechnung, welche Bezüge sie für angemessen erachtet, die Steuerfreiheit der Bezüge berücksichtigt und sie entsprechend niedriger angesetzt. Das führt gerade nicht dazu, dass es sich um steuerpflichtige Bezüge handelt. Die als Vergleichsmaßstab gewählten höheren Bezüge, die Ausgangspunkt dieser Berechnungen gewesen sein dürften, sind tatsächlich ‑‑letztlich in der Sache unstreitig‑‑ nie versteuert worden. Es hat niemals eine Finanzverwaltung aus diesen gedachten höheren Bezügen Steuereinnahmen verzeichnet. Bei den vermeintlichen Steuern handelt es sich lediglich um einen Rechenposten.

  12. f) Ob den Bediensteten der NATO regelmäßig Übersichten über die Summe der bisherigen Einbehalte zur Verfügung gestellt werden, ist eine Frage der internen Informationspolitik der NATO und vor diesem Hintergrund ersichtlich ohne Bedeutung.

  13. g) Inwieweit es schließlich von Bedeutung sein soll, ob das Pensionsbudget der NATO unterfinanziert ist und auf Zuschüsse der Mitgliedsländer angewiesen ist, ist für den Senat ebenfalls nicht erkennbar. Wenn die Pensionen nicht (nur) aus den Einbehalten oder Beiträgen finanziert werden, sind sie erst recht nicht Rückflüsse bereits versteuerten Einkommens.

  14. h) Ob eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Vergleich zu dem Rentensystem der NATO vor 1974 vorliegt, hatte der Senat mit seinem Urteil in BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402 notwendig inzident zu entscheiden und verneint. Der Senat vermag auch keinen Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass die Umstellung eines Versorgungssystems, die stets möglich sein muss, zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung führen soll (vgl. zu dem Übergang in eine neue gesetzgeberische Konzeption das insoweit grundlegende Senatsurteil vom 26. November 2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710).

  15. 2. Auch ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor.

  16. a) Das FG hat die Vernehmung des Zeugen, der im Einzelnen zu der Frage hätte Auskunft geben sollen, wie die Gehälter der NATO-Bediensteten berechnet wurden, zu Recht abgelehnt. Es handelt sich um Tatsachen, die einerseits unstreitig, andererseits auf der Grundlage der ‑‑mit der Senatsrechtsprechung übereinstimmenden‑‑ Rechtsauffassung des FG nicht erheblich waren.

  17. b) Mit der Frage der Doppelbesteuerung hat sich das FG ausdrücklich befasst und diese mit Hinweis auf die von den Klägern materiell-rechtlich beanstandete Annahme, die Besteuerung der Bezüge sei lediglich ein fiktiver Sachverhalt, verneint (S. 13, 14 des Urteils).

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