BFH V. Senat
KBV § 1 Abs 2
vorgehend FG Nürnberg, 16. December 2012, Az: 2 K 1648/12
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) reichte eine Umsatzsteuererklärung 2009 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ein, aus der sich eine Umsatzsteuer von 2.073 € ergab und die nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung galt. In ihrer Umsatzsteuererklärung hatte sie nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) einen Minderungsbetrag in Höhe von 9,79 € geltend gemacht.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2011 änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung auf 2.092,58 €, indem es das Vorzeichen für diesen Betrag (Steuerbeträge die nach § 17 Abs. 1 Satz 6 UStG geschuldet werden) korrigierte und dadurch die Steuer um denselben Betrag erhöhte.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren erläuterte der steuerliche Vertreter der Klägerin, dass es sich bei dem Minderungsbetrag von 9,79 € nicht um eine Änderung i.S. von § 17 UStG gehandelt habe, sondern dass dieser Minderungsbetrag dazu diene, die Umsatzsteuer um einen Betrag unter 10 € abzurunden, um § 1 Abs. 2 der Kleinbetragsverordnung (KBV) auszunutzen. So verfahre er bei allen Mandanten.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging bei seinem Urteil davon aus, dass sich die materiell-rechtlich richtige Steuer auf 2.082,79 € belaufe, einem gegenüber der Steuerklärung der Klägerin um 9,79 € erhöhten Betrag. Danach sei der vom FA erlassene Steuerbescheid zwar materiell-rechtlich um 9,79 € zu mindern. Hieran sei das Gericht aber durch § 1 Abs. 2 KBV gehindert.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die von der Klägerin geltend gemachte Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Februar 2011 X R 21/10 (BFHE 233, 1, BStBl II 2011, 671) liegt nicht vor.
Der BFH hat in diesem Urteil die Rechtsgültigkeit von § 1 Abs. 2 KBV im Hinblick auf die Ermächtigungsgrundlage in § 156 AO bestätigt und zudem entschieden, dass diese Vorschrift auch im finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden sei. Nach dem Urteil des BFH ist auch das FG an die Beschränkungen nach § 1 Abs. 2 KBV gebunden, wenn das FA zuvor auf Grundlage dieser Bestimmung die Änderung einer Steuerfestsetzung abgelehnt hat. Ist danach § 1 Abs. 2 KBV auch im finanzgerichtlichen Verfahren zu beachten, gilt dies auch dann, wenn sich die Frage nach einer Anwendung dieser Vorschrift erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren stellt. Daher hat das FG die Minderung der angefochtenen Steuerfestsetzung um 9,79 € zu Recht abgelehnt, so dass insoweit auch keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erkennbar ist.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt kein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO vor. Insoweit berücksichtigt die Klägerin nicht hinreichend, dass der Umstand, dass das FG zu einer anderen rechtlichen Würdigung als die Klägerin gelangt, einen Gehörsverstoß nicht begründet (BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2010 III B 151/11, BFH/NV 2013, 396). Das FG hat keinen Vortrag oder Antrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, sondern den Streitfall abweichend von der Rechtsauffassung der Klägerin entschieden.
Denn das FG ging bei seinem Urteil davon aus, dass entgegen dem Klageantrag eine Herabsetzung der festgesetzten Steuer auf 2.073 € bereits deshalb nicht in Betracht kam, weil sich diese Steuer nur ergab, weil die Klägerin von der materiell-rechtlich zutreffenden Steuer von 2.082,79 € rechtswidrig ‑‑als "Minderungsbetrag" und ohne Bezug zu § 17 UStG‑‑ einen Betrag von 9,79 € abgezogen hatte. Einer Herabsetzung auf die zutreffende Steuer in Höhe von 2.082,79 € stand schließlich § 1 Abs. 2 KBV entgegen. Dass sich der von der Klägerin erstrebte Vorteil aus der Anwendung von § 1 Abs. 2 KBV dadurch in sein Gegenteil verkehrte, ist im Übrigen eine Folge der Rechtsanwendung im Einzelfall, deren Beanstandung im Beschwerdeverfahren nicht zu einer Revisionszulassung führt.
3. Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, dass das FG in seinem Urteil darauf hingewiesen hat, dass über einen missbräuchlichen Gebrauch der KBV nicht zu entscheiden sei und die Klägerin hieraus eine Voreingenommenheit des Einzelrichters rügt, ist die Beschwerde unzulässig, da die Klägerin nicht den an die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zu stellenden Darlegungsanforderungen nicht genügt.