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Beschluss vom 26. August 2013, IV B 62/13

Beiladung eines ehemaligen Gesellschafters zum Klageverfahren eines anderen ehemaligen Gesellschafters gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid nur bei Selbstbetroffenheit i.S. des § 40 Abs. 2 FGO - Umfang des Klagebegehrens gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid

BFH IV. Senat

AO § 157 Abs 2, AO § 179, AO § 180, FGO § 40 Abs 2, FGO § 48 Abs 1 Nr 3, FGO § 48 Abs 1 Nr 5, FGO § 60 Abs 3 S 1, FGO § 60 Abs 3 S 2

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 01. April 2013, Az: 5 K 1617/12

Leitsätze

1. NV: Mit der Vollbeendigung einer KG geht deren Klagebefugnis gegenüber Gewinnfeststellungsbescheiden auf die ehemaligen Gesellschafter über .

2. NV: Zu dem Klageverfahren eines ehemaligen Gesellschafters sind die ehemaligen Gesellschafter, die nicht selber Klage erhoben haben, beizuladen, soweit sie vom Ausgang des Verfahrens i.S. des § 40 Abs. 2 FGO betroffen sind .

3. NV: Der Feststellungsbescheid stellt sich als eine Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen dar, die ‑‑soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung enthalten‑‑ auch als selbständiger Gegenstand eines Klageverfahrens in Betracht kommen und einem eigenständigen prozessualen Schicksal unterliegen .

4. NV: Der Umfang des Klagebegehrens gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid ist durch Auslegung des gesamten Klagevorbringens zu ermitteln .

Tatbestand

  1. I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind ehemalige Gesellschafter (Kommanditisten) der X GmbH & Co. KG (KG). Weitere Kommanditisten der KG waren in dem Streitjahr 1990 A und B, die beide zwischenzeitlich verstorben und von der Beigeladenen C beerbt worden sind. Die KG hat ihren Geschäftsbetrieb zum 31. Dezember 1990 endgültig eingestellt und ist spätestens nach Durchführung des Konkursverfahrens erloschen und damit vollbeendet. Die ehemalige Komplementärin der KG, die Y-GmbH (Komplementär-GmbH), ist zwischenzeitlich ebenfalls erloschen.

  2. Am 4. Januar 1996 erließ der Beklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) gegenüber der KG einen Bescheid für 1990 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (im Weiteren Gewinnfeststellungsbescheid).

  3. Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid haben die Kläger Einspruch eingelegt. Mit Einspruchsentscheidung vom 18. April 2012 hat das FA den Gewinnfeststellungsbescheid teilweise abgeändert und im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

  4. Dagegen richtet sich die am 18. Mai 2012 beim Finanzgericht (FG) eingegangene Klage. Die zu den FG-Akten gereichte Prozessvollmacht ist ausschließlich von den Klägern unterschrieben. Das FG ist auf Grund der Bezeichnung des Rubrums in der Klageschrift vom 18. Mai 2012 davon ausgegangen, dass die Klage nicht nur namens der Kläger, sondern auch namens der ehemaligen KG sowie der Komplementär-GmbH erhoben worden ist. Auf entsprechende Hinweise der Berichterstatterin hat der Prozessbevollmächtigte die Klage der ehemaligen KG und der Komplementär-GmbH zurückgenommen.

  5. In der Klageschrift vom 18. Mai 2012 wird ohne weitere Begründung der Gegenstand des Klagebegehrens wie folgt bezeichnet:
    "1. Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb,
    2. Verteilung der Höhe der Gewinne zwischen allen Feststellungsbeteiligten (auch der Komplementär-GmbH),
    3. Höhe der Verlustfeststellungen nach § 15a EStG für die Feststellungsbeteiligten D, E, B und A.
    4. Höhe der Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben der Feststellungsbeteiligten D, E, B und A.
    5. Höhe der Veräußerungsgewinne der Feststellungsbeteiligten D, E, B und A."

  6. Sodann enthält die Klageschrift den Hinweis, dass eine weitere Klagebegründung sowie eine Klageerweiterung vorbehalten bleiben.

  7. Mit Schriftsatz vom 23. August 2012 nahmen die Kläger ausführlich zu dem Streitgegenstand (Gegenstand des Klagebegehrens) Stellung. Danach begehrten sie, ‑‑im Einzelnen benannte‑‑ mit dem Betrieb der KG zusammenhängende und von den Klägern getätigte Aufwendungen bei diesen als Betriebsausgaben bzw. Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen. Lediglich bezüglich der Aufwendungen für einen von den Gesellschaftern A und B geführten Rechtsstreit, die ebenfalls der Kläger übernommen hatte, machten die Kläger hilfsweise geltend, diese ‑‑soweit sie beim Kläger nicht zu berücksichtigen seien‑‑ bei B als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen.

  8. Das FG hat die Beigeladene mit Beschluss vom 2. April 2013  5 K 1617/12 zu dem Klageverfahren der Kläger gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig beigeladen.

  9. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kläger. Sie halten die Beiladung für rechtsfehlerhaft, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO nicht vorlägen. Die Beigeladene sei durch die hier allein streitigen Sonderbetriebsausgaben der Kläger in keiner Weise von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen.

  10. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und in dem internen Beschluss vom 3. Juni 2013 unter Verweis auf den Klageschriftsatz vom 18. Mai 2012 ausgeführt, dass nicht nur das Sonderbetriebsvermögen in Streit stehe.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des Beiladungsbeschlusses. Das FG hat C zu Unrecht gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO beigeladen.

  2. 1. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte beizuladen (notwendige Beiladung), wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).

  3. a) Die Vollbeendigung einer KG hat zur Folge, dass die KG selbst kein Klagerecht mehr in Anspruch nehmen kann. Die Klagebefugnis gegenüber den Gewinnfeststellungsbescheiden steht nunmehr uneingeschränkt den beteiligten Gesellschaftern zu. Deshalb müssen nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft die ehemaligen Gesellschafter einen die Zeit ihrer Mitgliedschaft betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid selbständig angreifen (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 19. Juli 2011 IV R 40/08, BFH/NV 2012, 393, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 VIII B 94/98, BFH/NV 1999, 1483). Zu dem Klageverfahren eines ehemaligen Gesellschafters sind grundsätzlich alle gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klagebefugten ehemaligen Gesellschafter, die nicht selbst Klage erhoben haben, beizuladen, soweit sie vom Ausgang des Rechtsstreits i.S. des § 40 Abs. 2 FGO selbst betroffen sind (BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 IV R 37/08, BFH/NV 2011, 1120, m.w.N.).

  4. b) Eine notwendige Beiladung der nicht klagenden ehemaligen Gesellschafter (Beteiligten) ist allerdings nicht geboten, wenn sie steuerrechtlich von dem Ausgang des Rechtsstreits unter keinem denkbaren Gesichtspunkt betroffen sein können (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1120) oder wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist (BFH-Beschluss vom 20. Juni 2012 IV B 147/11, BFH/NV 2012, 1614, m.w.N.).

  5. 2. Davon ausgehend war C als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Gesellschafter der vollbeendeten KG, A und B, nicht beizuladen. Denn die ehemaligen Gesellschafter A und B sind von dem Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits nicht i.S. des § 40 Abs. 2 FGO selbst betroffen.

  6. a) Wird gegen einen Feststellungsbescheid i.S. von §§ 179, 180 der Abgabenordnung (AO) Klage erhoben, ist zu beachten, dass Streitgegenstand die einzelnen gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen sein können (§ 157 Abs. 2 AO). Diese sind selbst Regelungsgegenstand dieses Steuerverwaltungsakts. Das gilt z.B. für Regelungen zur Qualifikation der Einkünfte, zum Vorliegen einer Mitunternehmerschaft, zur Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns (BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 IV R 15/08, BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764, m.w.N.). Der Feststellungsbescheid stellt sich daher als eine Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen dar, die ‑‑soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung enthalten‑‑ auch als selbständiger Gegenstand eines Klageverfahrens in Betracht kommen und demgemäß einem eigenständigen prozessualen Schicksal unterliegen (BFH-Urteil in BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764).

  7. Eine Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid kann demzufolge verschiedene Zielsetzungen haben. Welche Besteuerungsgrundlagen der Kläger mit seiner Klage angreift und damit zum Streitgegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht hat, ist durch Auslegung der Klageschrift oder der darin ausdrücklich in Bezug genommenen Schriftstücke zu ermitteln (BFH-Urteile vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509, und in BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764).

  8. b) Vorliegend begehren die Kläger ausweislich der Klagebegründungsschrift vom 23. August 2012 ausschließlich die Berücksichtigung weiterer Sonderbetriebsausgaben. Streitgegenstand ist damit nur die Feststellung der jeweiligen Sondergewinne der Kläger. Unerheblich ist, dass die Kläger in der Klageschrift vom 18. Mai 2012 zunächst den Gegenstand des Klagebegehrens ohne jede Begründung auch auf weitere Feststellungen erstreckt haben. Denn maßgeblich für die Auslegung des Klagebegehrens ist das gesamte Klagevorbringen. Im Übrigen haben die Kläger bereits im Einspruchsverfahren nur die Berücksichtigung weiterer Sonderbetriebsausgaben beantragt.

  9. c) Von dem Rechtsstreit betreffend die Sonderbetriebsausgaben der Kläger sind die ehemaligen Gesellschafter A und B unter keinem denkbaren Gesichtspunkt betroffen. Insoweit steht auch C als deren Rechtsnachfolgerin keine eigene Klagebefugnis gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 40 Abs. 2 FGO zu.

  10. d) Die Beiladung der C ist auch nicht im Hinblick auf den von den Klägern gestellten Hilfsantrag gerechtfertigt, Aufwendungen für einen von den Gesellschaftern A und B geführten Rechtsstreit, die ebenfalls der Kläger übernommen hatte, (hilfsweise) bei B als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen.

  11. Von einer gemäß § 60 Abs. 3 FGO i.V.m. § 48 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 FGO insoweit grundsätzlich notwendigen Beiladung der C als Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Gesellschafters B ist vorliegend deshalb abzusehen, weil die Klage hinsichtlich dieses Hilfsantrages offensichtlich unzulässig ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1614, m.w.N.). Denn bezüglich der Feststellung des Sondergewinns des ehemaligen Gesellschafters B fehlt es an der eigenen Rechtsverletzung der Kläger; ihnen steht daher insoweit keine Klagebefugnis gemäß § 40 Abs. 2 FGO zu.

  12. 3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da die Entscheidung über die Beiladung in einem unselbständigen Zwischenverfahren ergeht (§ 143 Abs. 1 FGO) und die Kosten dieses Nebenverfahrens eine Einheit mit den Kosten des Klageverfahrens bilden (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1483).

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