BFH II. Senat
FGO § 56, FGO § 120 Abs 2 S 3
vorgehend FG München, 29. May 2012, Az: 4 K 689/09
Leitsätze
1. NV: Eine Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist nur dann als schuldlose Verhinderung zu behandeln, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwer ist, dass es für den Prozessbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen.
2. NV: Eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist kann nur aufgrund eines vor ihrem Ablauf gestellten Antrags erfolgen. Eine gesonderte Wiedereinsetzung hinsichtlich des verspäteten Antrags auf Fristverlängerung sieht das Gesetz nicht vor.
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wegen Schenkungsteuer teilweise ab. Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG ließ der Senat mit Beschluss vom 6. Februar 2013 II B 94/12 die Revision zu. Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten (Steuerberatungsgesellschaft) des Klägers am 20. Februar 2013 zugestellt.
Mit einem beim Bundesfinanzhof (BFH) am 23. März 2013 eingegangenen Telefax-Schreiben verwies die Prozessbevollmächtigte auf einen bereits mit Schriftsatz vom 18. März 2013 gestellten Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der vom 18. März 2013 datierende, für die Prozessbevollmächtigte des Klägers von deren Sekretariatsmitarbeiterin H unterzeichnete Fristverlängerungsantrag ging am 25. März 2013, die Revisionsbegründung ging am 1. April 2013 beim BFH ein. Mit Schriftsatz vom 5. April 2013 beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers, den Antrag vom 23. März 2013 zugleich als Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist auszulegen.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags trägt für die Prozessbevollmächtigte des Klägers der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater L unter Vorlage eines ärztlichen Attests vor, er sei vom 12. bis 22. März 2013 bettlägerig krank gewesen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der Kläger hat die Revision nicht rechtzeitig begründet. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO liegen nicht vor.
1. Lässt ‑‑wie im Streitfall‑‑ der BFH auf Beschwerde die Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil zu, beginnt mit der Zustellung der Entscheidung für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist (§ 116 Abs. 7 Satz 2 FGO). Sie beträgt für den Beschwerdeführer einen Monat nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses (§ 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO). Die Frist kann nach § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden.
Die erst am 1. April 2013 eingegangene Begründung war verspätet. Der Beschluss des BFH vom 6. Februar 2013 II B 94/12 wurde am 20. Februar 2013 zugestellt; folglich lief die Frist zur Begründung der Revision gemäß § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) am 20. März 2013 ab. Die Revisionsbegründung ging erst am 1. April 2013 und daher verspätet beim BFH ein.
2. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision ist der Antrag gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die den Antrag begründenden Tatsachen müssen innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden.
Vorliegend hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO einzuhalten. Er muss sich dabei das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
a) Eine als Entschuldigungsgrund geltend gemachte Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist nur dann als schuldlose Verhinderung zu behandeln, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwer ist, dass es für den Prozessbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen (BFH-Beschlüsse vom 16. März 2005 X R 8/04, BFH/NV 2005, 1341; vom 24. März 2005 XI B 62/04, BFH/NV 2005, 1347; vom 13. Oktober 2006 XI R 4/06, BFH/NV 2007, 253). Dabei erfordert ein schlüssiger Wiedereinsetzungsantrag die Darlegung einer geeigneten Notfall-Vorsorge, die auch bei einer unvorhersehbaren Verhinderung des Steuerberaters die Funktionsfähigkeit des Büros, insbesondere die Überwachung der Fristsachen, gewährleistet. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen, wenn ein Prozessbevollmächtigter, der Mitglied einer Sozietät und für die Bearbeitung des Falls zuständig ist, erkrankt, die ebenfalls beauftragten übrigen Mitglieder der Sozietät es jedoch unterlassen, die erforderlichen fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 253).
b) Im Streitfall ist schon nicht erkennbar, inwiefern die Erkrankung des L in der Zeit vom 12. bis 22. März 2013 für die Fristversäumnis ursächlich war. Es fehlt an jeder Darlegung, dass die zur Bettlägerigkeit führende Erkrankung des L so plötzlich und schwer auftrat, dass jegliche Tätigkeit eingestellt werden musste und für L auch kein Vertreter bestellt werden konnte. Nach der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs ist eine solche krankheitsbedingte Einstellung jeglicher Tätigkeit ersichtlich nicht erfolgt, weil L der H am 18. März 2013 ‑‑also noch während seiner Krankheit und vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist‑‑ einen Fristverlängerungsantrag telefonisch diktiert, H mit der persönlichen Aufgabe des Briefs zur Post noch am gleichen Tage beauftragt und H ferner über die Wichtigkeit des rechtzeitigen Zugangs des Antrags beim BFH belehrt hat.
c) Der Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht ferner entgegen, dass der Wiedereinsetzungsantrag keinerlei Angaben dazu enthält, ob und ggf. aus welchen Gründen der Prozessbevollmächtigten des Klägers die Bestellung eines Vertreters für L nicht möglich war und ob bzw. welche Vorkehrungen zur Wahrung von Fristen die Prozessbevollmächtigte für den Fall einer Erkrankung des L getroffen hatte.
3. Eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist nach § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO konnte aufgrund des vom Kläger erstmals am 23. März 2013 und damit verspätet gestellten Verlängerungsantrags nicht eintreten. § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO bietet dem Revisionskläger nur die Möglichkeit, durch einen vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist gestellten Antrag diese verlängern zu lassen. Eine gesonderte Wiedereinsetzung hinsichtlich des verspäteten Antrags auf Fristverlängerung sieht das Gesetz nicht vor (BFH—Beschlüsse vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85, BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264; vom 30. Mai 1996 V R 15/96, BFH/NV 1996, 911; vom 5. November 1996 VII R 55/96, BFH/NV 1997, 251, und vom 1. September 1998 V R 36/98, BFH/NV 1999, 482).