BFH V. Senat
GG Art 101 Abs 1, FGO § 52 Abs 1, FGO § 62 Abs 4, FGO § 70, FGO § 115, FGO § 116, FGO § 119, FGO § 128 Abs 2, FGO § 142, FGO § 145, ZPO § 114, ZPO § 121, GVG § 17a, GVG § 185
Leitsätze
1. NV: Ein Anspruch auf Hinzuziehung eines Dolmetschers (§ 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 185 GVG) besteht für die mündliche Verhandlung, nicht jedoch für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und zur Überprüfung von Entscheidungen eines Gerichts außerhalb der mündlichen Verhandlung .
2. NV: Über die Zuziehung eines Dolmetschers entscheidet das FG nach pflichtgemäßem Ermessen; es besteht kein Anspruch eines Beteiligten darauf, dass das FG bis zu einem bestimmten Zeitpunkt über die Bestellung eines Dolmetschers entscheidet .
3. NV: Einem Verweisungsbeschluss kommt ausnahmsweise dann keine Bindungswirkung zu, wenn er offensichtlich unhaltbar ist und sich in willkürlicher Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt .
4. NV: Ein Besetzungsmangel im Sinne des § 119 Nr. 1 FGO liegt nur vor, wenn an der Entscheidung ein zwar erfolglos wegen Befangenheit abgelehnter Richter mitgewirkt hat, die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs aber willkürlich war .
Tatbestand
I. Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) ist für seine beiden Kinder A und B, die mit ihm und seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt leben, als deren Betreuer bestellt. Er und seine Frau bezogen von der Arbeitsgemeinschaft ‑‑Integration, Beschäftigung, soziale Sicherung‑‑ (Arge) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld ‑‑ALG‑‑ II) nach § 19 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Das Kindergeld für die Tochter A, das die Beklagte (Familienkasse) dem Antragsteller als dem Kindergeldberechtigten auszahlte, rechnete die Arge als Einkommen des Antragstellers auf das ALG II an.
Zur Vermeidung der Anrechnung des Kindergeldes auf das ALG II beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 29. März 2010, das Kindergeld für A auf deren eigenes Konto bei der Sparkasse X zu überweisen. Die Familienkasse teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 6. April 2010 mit, dass das gesamte Kindergeld (das Kindergeld für A und B) grundsätzlich nur auf ein Konto überwiesen werden dürfe. Nur bei Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Kindergeldberechtigten sei die Zahlung des Kindergeldes für ein Kind an einen Dritten möglich. Falls er selbst eine Änderung der Kontoverbindung wünsche, solle er dies mitteilen.
Den gegen das Schreiben vom 6. April 2010 erhobenen Einspruch wies die Familienkasse als unzulässig zurück (Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010). Gleiches gilt für den gegen diese Einspruchsentscheidung erhobenen Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 23. April 2010).
Am 29. April 2010 erhob der Antragsteller beim Sozialgericht X "Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 13. und 23.04.2010 ...". Nachdem das Sozialgericht den Antragsteller auf die Unzuständigkeit des Sozialgerichts für seine Klage hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, verwies es mit Beschluss vom 17. Juni 2010 den Rechtsstreit an das Sächsische Finanzgericht (FG). Die hiergegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. August 2010 L 6 SV 5/10 B).
Die Familienkasse zweigte ab April 2011 das Kindergeld für A ab (Verfügung vom 30. März 2011).
Im Klageverfahren vertrat der Antragsteller die Auffassung, er habe keine Klage beim FG erhoben und sei daher nicht Beteiligter dieses Rechtsstreits. Das Sozialgericht hätte ihm die Klage "zurückgeben" müssen, weil es allein seine Entscheidung sei, bei welchem Gericht er Klage erheben wolle. Weil er den Begriff "verweisen" irrtümlich als "empfehlen" verstanden habe, habe er, nachdem seine Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss ohne Erfolg geblieben sei, gegen den Beschluss des Landessozialgerichts keine Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben. Die Übersendung der Akten an das FG stelle eine Verletzung der Menschenrechte dar; das Verfahren werde nur geführt, weil die Familienkasse seinen Anträgen nicht gefolgt sei. Nachdem die Familienkasse seinen Anträgen (für A mit Verfügung vom 30. Mai 2011) jedoch inzwischen entsprochen habe, sei die Angelegenheit erledigt, die Sache beendet und die Kosten seien der Familienkasse aufzuerlegen.
Das FG wies durch den Vorsitzenden Richter am FG Z nach § 79a Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Gerichtsbescheid vom 26. März 2012 die Klage ab. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 29. März 2012.
Mit dem am 5. April 2012 beim FG eingegangenen Schreiben beantragte der Antragsteller Prozesskostenhilfe (PKH) mit der Begründung, er habe keine Klage erhoben, er verstehe Deutsch schlecht und übersetze alle seine Schreiben mit Hilfe eines Übersetzungsprogrammes. Außerdem erhob er "Beschwerde" gegen die Willkür des Vorsitzenden Richters Z am FG. Das FG lud den Antragsteller am 4. Juli 2012 und einen Dolmetscher am 10. Juli 2012 zur mündlichen Verhandlung auf den 8. August 2012.
Mit Schreiben vom 7. August 2012 lehnte der Antragsteller den Vorsitzenden Richter am FG Z, dem das Verfahren mit Beschluss vom 3. April 2012 gemäß §§ 5 Abs. 3 Satz 1, 6 Abs. 1 FGO als Einzelrichter übertragen worden war, ab. Dieser habe als Kränkung nicht vergessen, dass er, der Antragsteller, ihn bereits im Verfahren 1 K 1551/09 (Kg) abgelehnt habe. Z habe für die mündliche Verhandlung keinen Dolmetscher geladen, obwohl Frau C, eine für aserbaidschanische und russische Sprachen öffentlich bestellte und allgemein beeidigte Dolmetscherin, auf seine Anfrage schriftlich versichert habe, dass er ihrem "Eindruck nach der deutschen Sprache nicht mächtig und unzureichend" sei und sie schon bei mehreren Gerichtsprozessen als seine Dolmetscherin berufen worden sei. Dieses Schreiben (vom 17. Juli 2012) sei dem FG bekannt. Auch habe Z mit Beschluss vom 16. Juli 2012 den Antrag auf PKH abgelehnt, weil er, der Antragsteller, keine Chance auf den Erfolg habe. Außerdem habe Z im PKH-Beschluss zu Unrecht auf § 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) hingewiesen, obwohl nach § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG der Antragsteller das Gericht auswählen könne; er, der Antragsteller, wolle seine Rechte nur im kostenlosen Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit verfolgen.
Das FG teilte dem Antragsteller am Tag vor der mündlichen Verhandlung per e-mail mit, der Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. August 2012 werde nicht verschoben, weil ein Dolmetscher anwesend sein werde.
Mit Beschluss vom 7. August 2012 wies das FG in der Senatsbesetzung ohne den Vorsitzenden Richter Z das Ablehnungsgesuch zurück. Zur Begründung führte es aus, ein Dolmetscher für die mündliche Verhandlung sei bestellt worden und dies dem Antragsteller mitgeteilt worden. Die Vorbefassung eines Richters in einem anderen Verfahren desselben Beteiligten rechtfertige keine Ablehnung.
Das FG wies die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung, zu der neben dem Antragsteller auch der geladene Dolmetscher erschienen war, mit Urteil vom 8. August 2012 ab.
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Antragstellers, er sei nicht Beteiligter geworden, sei nicht als Klagerücknahme auszulegen. Zwar habe der Antragsteller vorgetragen, die Familienkasse habe seinen Anträgen entsprochen; damit sei die Angelegenheit erledigt und sollte beendet und die Kosten der Familienkasse auferlegt werden. Nachdem der Antragsteller zuvor keine Rücknahme erklärt und es ihm nunmehr nur darum gehe, keine Gerichtskosten bezahlen zu müssen, weil er nicht Beteiligter des Verfahrens geworden sei, sei sein Antrag als Feststellungsantrag auszulegen. Dieser habe jedoch schon deshalb keinen Erfolg, weil der Antragsteller Klage beim Sozialgericht gegen die Familienkasse erhoben habe und deshalb Beteiligter dieses Verfahrens gewesen und nach Verweisung an das FG auch geblieben sei. An diesen Verweisungsbeschluss sei das FG nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG gebunden, wie bereits das Landessozialgericht im Beschluss vom 30. August 2011 L 6 SV 5/10 B bestätigt habe. Ob eine Feststellungsklage mit dem Antrag des Antragstellers überhaupt zulässig sei, könne offen bleiben.
Im Übrigen habe sich entgegen der Auffassung des Antragstellers auch der ursprüngliche Klageantrag (Überweisung des Kindergeldes auf ein Konto der Tochter A) nicht in der Hauptsache erledigt. Der Antragsteller habe mit diesem Antrag erreichen wollen, dass das Kindergeld für A weder auf sein ALG II noch auf die Grundsicherungsleistungen für A angerechnet werde. Auch eine Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes habe jedoch zur Folge, dass das Kindergeld für A auf die Grundsicherung für A anzurechnen sei (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 11. August 2010 III S 19/10 (PKH), BFH/NV 2010, 2064, und BSG-Urteil vom 8. Februar 2007 B 9b SO 5/06 R, BSGE 98, 121). Da dies seinem Anliegen, eine Anrechnung des Kindergeldes für A auf andere Leistungen zu vermeiden, nicht entspreche, habe sich durch die Abzweigung des Kindergeldes für A ab April 2011 auch sein ursprünglicher Klageantrag nicht erledigt.
Der Antragsteller beantragt nunmehr, ihm für eine Beschwerde gegen das Urteil des FG PKH zu gewähren. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, seinem Anliegen, dass das Kindergeld für die beiden schwerbehinderten Kinder direkt auf deren Konto überwiesen werde, habe die Familienkasse bereits am 11. und 30. März 2011 Rechnung getragen. Er sei daher Sieger in dieser Sache. Er habe kein Geld und nach § 64 Abs. 2 Satz 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sei das Verfahren kostenfrei. Im Urteil des FG seien ihm durch den Einzelrichter, Vorsitzenden Richter am FG Z, rechtswidrig und willkürlich Kosten auferlegt worden. Dies stehe im Widerspruch zur europäischen Konvention und zur Konvention für Behinderte, die Deutschland auch unterzeichnet habe, und verstoße gegen § 119 Abs. 1 und § 121 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO). Ungesetzlich und willkürlich sei auch der Beschluss vom 7. August 2012 durch die drei Richter des FG sowie der ungesetzliche Beschluss des Vorsitzenden Richters am FG Z vom 16. Juli 2012, mit dem ihm PKH abgelehnt worden sei. Nachdem ihm Z einen Dolmetscher gestellt habe ‑‑viel zu spät, weil er ihm eine Frist bis 11:00 Uhr gesetzt habe und dieser erst nach vier Stunden und 36 Minuten und 45 Sekunden die Bestellung bestätigt habe‑‑, sei der PKH ablehnende Beschluss annulliert worden. Bereits am 10. August 2012 seien ihm das Urteil, das Protokoll sowie der Beschluss über die Ablehnung zusammen zugesandt worden. Seiner Meinung nach sei das Urteil bereits fertig gewesen. Der von ihm als Anlage zur mündlichen Verhandlung (Anlage 8) mitgebrachte Schriftsatz in russischer Sprache sei nicht in einer schriftlichen Übersetzung mit dem Protokoll übersandt worden. Der Richter habe dessen Übersetzung nur angehört und zu seinen darin gestellten Fragen an die Familienkasse bemerkt, auf diese Fragen sei später einzugehen. Diese wichtigen Fragen an die Familienkasse seien nicht beantwortet worden. Er habe einen Anspruch, einen Dolmetscher zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung zu bekommen. Auch sei der Tatbestand des Urteils falsch, wenn er dort nur als Vater und nicht als der gesetzlich bestellte Betreuer bezeichnet worden sei. § 119 FGO sei nicht beachtet worden, weil sein Ablehnungsgesuch zu Unrecht abgelehnt worden sei.
Das Sozialgericht habe ‑‑ebenso wie das Landessozialgericht bei der Entscheidung über seine Beschwerde‑‑ ohne eine mündliche Verhandlung entschieden und ihm keinen Dolmetscher gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Der vom Antragsteller persönlich gestellte Antrag auf PKH für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Sächsischen FG vom 8. August 2012 1 K 1544/10 (Kg) ist zulässig, weil für den Antrag ungeachtet der Regelung des § 62 Abs. 4 FGO kein Vertretungszwang besteht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 2012 X S 27/11 (PKH), BFH/NV 2012, 758; vom 26. Januar 2012 V S 29/11 (PKH), BFH/NV 2012, 763).
2. Die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH liegen mangels Erfolgsaussicht nicht vor.
Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO ist einem Beteiligten, der außer Stande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts die Prozesskosten zu bestreiten, PKH zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 142 FGO i.V.m. § 121 ZPO) ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen für eine Bewilligung der PKH nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO vorliegen.
Der Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde, für deren Durchführung der Antragsteller PKH begehrt, hängt davon ab, ob ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO gegeben ist, d.h. ob die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder das Urteil des FG auf einem Verfahrensmangel beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Wird PKH für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, muss daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO bestehen.
a) Die hinreichende Aussicht auf Erfolg fehlt nicht schon deshalb, weil die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person oder Gesellschaft i.S. von § 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO erhoben worden ist. Einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, innerhalb der Rechtsmittelfrist wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO gewährt werden, wenn er innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schafft, d.h. mit seinem Antrag die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der gebotenen Form (§ 117 ZPO) beim Rechtsmittelgericht einreicht (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 763, m.w.N.) und zumindest in laienhafter Weise Anhaltspunkte für einen Zulassungsgrund darlegt (BFH-Beschluss vom 4. August 2009 V S 16/09 (PKH), Zeitschrift für Steuern & Recht 2009, R-1088, m.w.N.).
b) Bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags des Antragstellers, des Inhalts der vorliegenden Akten und des beanstandeten FG-Urteils ist jedoch kein Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
aa) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) in Bezug auf die Bestellung eines Dolmetschers.
Die Hinzuziehung eines Dolmetschers ist nach § 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 185 GVG erforderlich, wenn unter Beteiligung einer Person verhandelt wird, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Ein fremdsprachiger Beteiligter soll die ihn betreffenden Verfahrensvorgänge verstehen und sich in der Verhandlung verständlich machen können. Der Mitwirkung eines Dolmetschers bedarf es folglich nicht, wenn ein Beteiligter die deutsche Sprache zwar nicht beherrscht, sie aber in einem die Verständigung mit ihm in der mündlichen Verhandlung ermöglichenden Maße spricht und versteht (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 2064; vom 29. Februar 2000 V B 18/99, BFH/NV 2000, 983; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 1990 1 CB 6/90, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 3102). Über die Zuziehung eines Dolmetschers entscheidet das FG nach pflichtgemäßem Ermessen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 2064, m.w.N.). Allein der Umstand, dass ein zu früheren Verfahren hinzugezogener Dolmetscher eine Hinzuziehung befürwortet, präjudiziert dessen Entscheidung nicht. Im Streitfall hat das FG für die mündliche Verhandlung zudem einen Dolmetscher bestellt.
Ein Anspruch auf Bestellung eines Dolmetschers besteht jedoch entgegen der Ansicht des Antragstellers weder zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung noch zum Zweck der Überprüfung von Entscheidungen eines Gerichts außerhalb der mündlichen Verhandlung. Dass das Sozialgericht und das Landessozialgericht bei den außerhalb einer mündlichen Verhandlung getroffenen Entscheidungen dem Antragsteller keinen Dolmetscher gestellt haben, rechtfertigt daher schon deshalb keine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers. Auch besteht kein Rechtsanspruch auf eine schriftliche Übersetzung. Keinen Anspruch hat ein Beteiligter auf einen bestimmten Zeitpunkt für die Entscheidung über die Bestellung eines Dolmetschers. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Auch für einen Anspruch aus einer "Konvention zum Schutz Behinderter" auf Bestellung eines Dolmetschers zur Vorbereitung auf Gerichtsverhandlungen ergeben sich keine Anhaltspunkte.
bb) Soweit der Antragsteller die sachliche Unzuständigkeit des FG rügt, ergibt sich hieraus kein Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Ein Verweisungsbeschluss ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend (§ 70 Satz 1 FGO i.V.m. § 17a Abs. 1 GVG). Auch sachlich fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse binden das angewiesene Gericht und erlauben grundsätzlich keine weitere Überprüfung (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2004 VI S 7/03, BFHE 209, 1, BStBl II 2005, 573; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2001 X ARZ 266/01, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2002, 713). Einem Verweisungsbeschluss kommt ausnahmsweise nur dann keine Bindungswirkung zu, wenn er offensichtlich unhaltbar und sich in willkürlicher Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑) entfernt (BFH-Beschlüsse vom 27. September 2009 X S 42/08, BFH/NV 2009, 780; vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, und in BFHE 209, 1, BStBl II 2005, 573).
Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor. Das Sozialgericht hat den Antragsteller ‑‑entgegen seiner Behauptung‑‑ am 14. Mai 2010 auf seine Unzuständigkeit hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Im Übrigen wird zur zutreffenden Beurteilung der Zuständigkeit des FG für die Klage des Antragstellers zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe in dem gegenüber dem Antragsteller ergangenen Beschluss des Landessozialgerichts vom 30. August 2010 L 6 SV 5/10 B verwiesen, die der beschließende Senat teilt.
Eine Wahl zwischen mehreren Gerichten nach § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG ist ‑‑was der Antragsteller verkennt‑‑ nur zulässig, wenn mehrere Gerichte zuständig sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
cc) Auch soweit der Antragsteller geltend macht, ein befangener Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 119 Nr. 1 FGO), habe das Urteil gefällt, rechtfertigt sein Vortrag nicht die Annahme, eine einzulegende Beschwerde werde Erfolg haben.
Ein Besetzungsmangel i.S. des § 119 Nr. 1 FGO liegt nur vor, wenn an der Entscheidung ein zwar erfolglos wegen Befangenheit abgelehnter Richter mitgewirkt hat, die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs aber willkürlich war (BFH-Beschlüsse vom 25. Mai 2012 VIII B 155/11, BFH/NV 2012, 1610; vom 11. Mai 2010 X B 192, 193/08, BFH/NV 2010, 1645; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 9, m.w.N.). Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Entscheidung rechtfertigt für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2007 2 BvR 1730/06, nicht amtlich veröffentlicht, unter VI.1.e der Gründe; BFH-Beschluss vom 13. November 2008 XI B 20/08, BFH/NV 2009, 945).
Das Ablehnungsverfahren dient allein dazu, den Beteiligten vor der Mitwirkung eines Richters zu bewahren, an dessen Unparteilichkeit Zweifel begründet sind. Behauptete Rechtsfehler eines Richters können daher nur dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass der Beteiligte bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass Verfahrensfehler auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Juni 2012 VII B 221/11, BFH/NV 2012, 1805; vom 13. Januar 2010 I B 83/09, BFH/NV 2010, 913, m.w.N.).
Hierfür gibt der Vortrag des Antragstellers keinen Anlass. Weder der Umstand, dass der Richter schon in einem anderen Verfahren zuungunsten des Antragstellers entschieden hat, noch dass er in einem anderen Verfahren vom Antragsteller abgelehnt worden war, rechtfertigen allein die Annahme der unsachlichen Einstellung gegenüber dem Antragsteller. Gleiches gilt für die ‑‑nach Ansicht des Antragstellers um ca. fünf Stunden verspätete‑‑ Mitteilung über die Bestellung eines Dolmetschers zur mündlichen Verhandlung am Tag vor der mündlichen Verhandlung. Auch soweit der Antragsteller meint, die Entscheidung über seinen PKH-Antrag sei fehlerhaft, rechtfertigt dies allein nicht schon die Besorgnis der Befangenheit, denn ein ausschließlich auf eine beanstandete vorangegangene Entscheidung gestütztes Ablehnungsgesuch ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sich aus den Einzelheiten der Begründung und insbesondere aus der Art und Weise der Begründung der vorangegangenen Entscheidung ‑‑wie hier‑‑ keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die beteiligten Richter voreingenommen sein könnten. Insbesondere erlaubt weder die zügige Abfassung eines Urteils im Anschluss an die mündliche Verhandlung noch der Umstand, dass ein in der mündlichen Verhandlung überreichter und vom Antragsteller übersetzter Schriftsatz nicht zusätzlich als schriftliche Übersetzung dem Protokoll beigefügt worden ist, die Annahme der Befangenheit des abgelehnten Richters. Zu Unrecht macht der Antragsteller unter Hinweis auf die Kostenfreiheit im Verfahren vor den Sozialgerichten geltend, ihm hätten keine Kosten auferlegt werden dürfen. Denn Verfahren vor dem FG sind, wie sich ohne Weiteres aus §§ 135 ff. FGO ergibt ‑‑anders als Verfahren vor den Sozialgerichten‑‑ nicht kostenfrei.
dd) Soweit der Antragsteller geltend macht, das FG habe seinen Antrag auf Bewilligung von PKH im Beschluss vom 16. Juli 2012 zu Unrecht abgelehnt, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.
PKH-Beschlüsse sind gemäß § 128 Abs. 2 FGO zwar unanfechtbar. Im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde kann eine Ablehnung des PKH-Antrags jedoch als Verfahrensfehler berücksichtigt werden, wenn das FG den Antrag zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch den Antragsteller um die Möglichkeit gebracht hat, sich durch einen Prozessbevollmächtigten sachkundig vertreten zu lassen (BFH-Beschluss vom 7. Oktober 2011 VII S 6/11 (PKH), BFH/NV 2012, 242, m.w.N.). Eine rechtswidrige Ablehnung der begehrten PKH lässt sich dem vorliegenden Beschluss des FG über die Ablehnung von PKH jedoch nicht entnehmen. Das FG hat nachvollziehbar begründet, weshalb die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat.
ee) Auch soweit der Antragsteller meint, das Urteil bedürfe einer Überprüfung, weil sich seiner Auffassung nach durch die Entscheidungen der Familienkasse vom 11. und 30. März 2011 die Sache erledigt habe, ergibt sich daraus kein Anhaltspunkt für einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO. Selbst eine ‑‑wie der Antragsteller meint‑‑ fehlerhafte Beurteilung der Frage, ob sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, würde als bloß materiell-rechtlicher Fehler, der nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO genügt, keine Zulassung der Revision rechtfertigen.
ff) Auch eine Zulassung der Revision wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör deshalb, weil ‑‑wie der Antragsteller vorträgt‑‑ das FG sich nicht ausreichend mit den überreichten schriftlichen Ausarbeitungen und den darin enthaltenen Fragen befasst habe, kommt nicht in Betracht. Der Vortrag des Antragstellers gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das FG ‑‑ausgehend von der für eine Zulassung wegen eines Verfahrensfehlers maßgeblichen Rechtsauffassung des FG‑‑ entscheidungserheblichen Vortrag des Antragstellers nicht berücksichtigt haben könnte. Soweit sich der Antragsteller inhaltlich gegen die Entscheidung des FG wendet, rügt er keinen Verfahrensmangel, sondern lediglich materielle Fehler in der Rechtsanwendung, die eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen können (z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. Oktober 2010 IX B 11/12, juris; vom 3. Februar 2011 V B 132/09, BFH/NV 2011, 760).
gg) Soweit sich der Antragsteller gegen die Auferlegung von Kosten in dem Kindergeld betreffenden finanzgerichtlichen Verfahren wendet, ergibt sich daraus gleichermaßen kein Zulassungsgrund. Nach § 145 FGO ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung über die Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Diese Regelung gilt auch für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2012 VI B 98/11, BFH/NV 2012, 759; vom 11. November 2002 VI B 83/02, BFH/NV 2003, 331, m.w.N.). Sind Zulassungsgründe in Bezug auf die Hauptsache jedoch ‑‑wie vorliegend‑‑ nicht erkennbar, können auch Einwendungen gegen die Kostenentscheidung einer Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 759).
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis der Anlage 1).