BFH X. Senat
AO § 39 Abs 2 Nr 1 S 2, AO § 174 Abs 5 S 2, FGO § 60 Abs 1 S 1, FGO § 60 Abs 3 S 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 3
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 24. May 2011, Az: 15 K 11318/09
Leitsätze
1. NV: Im Verfahren betreffend den Spendenabzug des Spenders ist der Spendenempfänger nicht notwendig beizuladen .
2. NV: Auf einer unterbliebenen einfachen Beiladung kann eine Entscheidung nicht beruhen .
3. NV: Hat das FG eine Frage von möglicherweise grundsätzlicher Bedeutung zu Gunsten des Beschwerdeführers entschieden, setzt die Zulassung der Revision Zulassungsgründe auch hinsichtlich der die Entscheidung des FG tragenden nachteiligen Erwägungen voraus (Ähnlichkeit zur kumulativen Begründung) .
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich gegen die Versagung des Abzugs einer ‑‑streitigen‑‑ Sachspende in eine nichtrechtsfähige Stiftung.
Verwandte des Klägers hatten im Jahre 2004 die Stiftung (S) als nichtrechtsfähige, treuhänderische Stiftung gegründet. S sollte das künstlerische Erbe eines Vorfahren, eines Malers, erhalten. Die Stifter brachten Kunstwerke sowie einen Geldbetrag ein. Der Kläger, der von Beruf Rechtsanwalt ist, wurde als Rechtsträger und Treuhänder eingesetzt.
Der Kläger hat im Rahmen seines Besteuerungsverfahrens im Jahre 2007 oder 2008 eine Spendenbescheinigung der S vorgelegt, die er als gesetzlicher Vertreter und Treuhänder der S unterzeichnet hat. Danach habe er der S am 17. Dezember 2004 sechs Bilder des betreffenden Malers zugewendet. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) lehnte den Spendenabzug ab, da es bezweifelte, dass die Zuwendung noch 2004 erfolgt sei. Der Kläger behauptet, er habe an jenem Tage die Bilder in die Galerie verbracht, in der auch das übrige Stiftungsvermögen der S ausgestellt werde.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Zwar sei es dem Grunde nach möglich, dass der Treuhänder einer nicht-rechtsfähigen Stiftung eine eigene Spende an diese bewirke, obwohl diese kein zivilrechtliches Eigentum erwerben könne, denn durch eine entsprechende Treuhandabrede könne das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) der Stiftung zuzuordnen sein. Eine solche Überführung der Bilder in das Treugut habe jedoch nicht stattgefunden. Zum einen sei auch nach den Aussagen zweier als Zeugen vernommener Verwandter (einer der Stifter und eine andere betagte Angehörige) nicht sicher festzustellen, dass der Kläger die Bilder tatsächlich noch 2004 in den Ausstellungsraum gebracht habe. Zum anderen könne das Treuhandverhältnis nicht anerkannt werden, da es an einer korrekten bilanziellen Darstellung des Vorgangs bei der S fehle.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung sowie verschiedene Verfahrensfehler geltend. Im Übrigen sei das FG-Urteil tendenziös.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Der Senat nimmt daher nicht dazu Stellung, inwieweit im Einzelnen den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt ist.
1. Dem FG ist kein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO unterlaufen.
a) Der Kläger rügt, dass dem FG bei der Würdigung der Aussage namentlich der betagten Angehörigen Verstöße gegen Denkgesetze unterlaufen seien.
Das FG habe die vor der Zeugenaussage eingereichte eidesstattliche Erklärung, die die Sachverhaltsdarstellung des Klägers bestätigt habe, zu Unrecht allein deshalb "weggewischt", weil sie in juristischer Art vorformuliert erschienen sei. Letzteres sei allerdings üblich und zeige nicht, dass der Erklärende sich die Erklärung nicht zu eigen gemacht habe. Außerdem habe das FG unter Verkennung des Erinnerungsvermögens einer 84 Jahre alten Zeugin deren fehlender Erinnerung an das Randgeschehen übergroße Bedeutung beigemessen, so den eindeutigen Kern der Aussage in das Gegenteil verkehrt und der Zeugin dadurch noch eine uneidliche Falschaussage unterstellt.
aa) Diese Einwände begründen keinen Verfahrensfehler. Selbst Verstöße gegen Denkgesetze und andere Fehler bei der Beweiswürdigung gehören revisionsrechtlich grundsätzlich zum materiellen Recht und stellen keinen Verfahrensfehler dar (im Einzelnen Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2009 X B 249/08, BFH/NV 2010, 444, und vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 76). Allein das Vorliegen eines etwaigen materiell-rechtlichen Fehlers rechtfertigt außerhalb der greifbaren Gesetzeswidrigkeit die Zulassung der Revision nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 30. August 2012 X B 97/11, BFH/NV 2013, 13).
bb) Der Senat vermag im Übrigen noch nicht einmal einen denklogischen (materiell-rechtlichen) Fehler zu erkennen.
Es ist kein denklogischer Fehler, wenn das FG unterschiedliche Erinnerungen eines Zeugen an das Hauptgeschehen und das Randgeschehen unter bestimmten Umständen dahin würdigt, dass eine präzise Erinnerung an das Hauptgeschehen und wenig Erinnerung an das Randgeschehen gegen die Richtigkeit der Aussage zum Hauptgeschehen spricht. Insbesondere dann, wenn auch das Hauptgeschehen kein einschneidendes Ereignis wie etwa ein Unfall war, das alles andere in den Hintergrund treten lässt, erscheint diese Wertung vielmehr naheliegend. Die Ausführungen des Klägers dazu, dass eine allzu präzise Erinnerung an sieben Jahre zurückliegende Vorgänge Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin hätten wecken können, betreffen das Hauptgeschehen und das Nebengeschehen gleichermaßen und lassen allenfalls fragen, wie sich die (betagte) Zeugin überhaupt so präzise an den Bildertransport hat erinnern können, wie der Kläger reklamiert.
Es ist auch kein grundsätzlicher denklogischer Fehler, in Frage zu stellen, ob sich ein Zeuge ‑‑hier eine über 80 Jahre alte Verwandte des Klägers‑‑ eine von einem rechtskundigen Dritten vorformulierte eidesstattliche Erklärung tatsächlich in derselben Weise zu eigen macht, als hätte er sie selbst geschrieben.
Wenn das FG bestimmten Aussagen eines Zeugen aus bestimmten Gründen nicht glaubt, ist das der Kern der dem FG obliegenden Beweiswürdigung und der revisionsrechtlichen Prüfung entzogen.
b) Der Kläger meint weiter, die S hätte beigeladen werden müssen, da nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist, ob die fraglichen Bilder seinem eigenen Vermögen oder dem Treuhandvermögen der S zuzuordnen sind. Der Beiladung bedurfte es jedoch nicht.
aa) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, diese beizuladen (notwendige Beiladung). An einer solchen Konstellation fehlt es.
Sie liegt nur vor, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, verändert oder zum Erlöschen bringt, insbesondere in Fällen, in denen das, was einen Prozessbeteiligten begünstigt oder benachteiligt, zwangsläufig umgekehrt den Dritten benachteiligen oder begünstigen muss (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 5. September 2012 II B 61/12, BFH/NV 2012, 1995). Die Entscheidung, ob dem Kläger ein Sonderausgabenabzug gewährt wird, hat aber keinen unmittelbaren Einfluss auf die steuerrechtlichen Verhältnisse der S. Allein sachlogische Zusammenhänge für die steuerliche Behandlung eines bestimmten Vorgangs gegenüber verschiedenen Personen, wie sie der Kläger geltend macht, erzwingen die Beiladung nicht, da eine unterschiedliche Behandlung des Vorgangs bei dem Kläger und bei der S möglicherweise nicht wünschenswert, aber ohne weiteres möglich ist (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 20).
bb) Ob eine einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO oder nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO hätte stattfinden können und sollen, ist unerheblich, da auf einem etwaigen diesbezüglichen Verfahrensfehler die Entscheidung jedenfalls nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruhen kann (vgl. Gräber/Levedag, a.a.O., § 60 Rz 153).
c) Soweit der Kläger meint, die eingehenden Schilderungen des Veranlagungsverfahrens des Klägers im Tatbestand, ohne dass diese in den Entscheidungsgründen verwertet worden seien, zeigten eine tendenziöse Darstellung gegen den Kläger, ist nicht erkennbar, welchen Verfahrensfehler er damit rügen will. Er hat insbesondere nicht vorgetragen, der Tatbestand sei falsch und beruhe auf einem Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO.
d) Die aus dem Verlauf der mündlichen Verhandlung abgeleiteten weiteren Einwände gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Richters hat der Kläger erst mit einem am 31. Oktober 2011 und damit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 116 Abs. 3 FGO (9. September 2011) eingegangenem Schriftsatz vorgebracht. Die Gründe für die Zulassung der Revision müssen innerhalb der Begründungsfrist in der gebotenen Form dargelegt werden. Spätere Darlegungen sind abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen des fristgemäßen Vorbringens nicht zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 11. April 2012 X B 56/11, BFH/NV 2012, 1331).
e) Aus letzterem Grunde kann auch der Vortrag des Klägers aus seinem Schriftsatz vom 18. Januar 2013 nicht mehr berücksichtigt werden.
aa) Das betrifft die Rüge, das FG habe durch die fehlerhafte Art der Zeugenvernehmung hinsichtlich der betagten Verwandten seine Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 FGO verletzt. Dieser Einwand geht über bloße Erläuterungen und Ergänzungen des ursprünglichen Beschwerdevorbringens hinaus, denn er betrifft nicht mehr die Würdigung, sondern die Erhebung der Beweise.
bb) Es betrifft ferner die Rüge, das FG habe die Aussagen des weiteren Zeugen, des Stifters, nicht berücksichtigt.
cc) Es betrifft schließlich die Rüge, die sich mit der bilanziellen Behandlung der Bilder bei der S befasst. Der Senat kann daher offenlassen, ob die erstmalige Erwähnung der Bilder im Jahresabschluss 2006 rückwirkend den Anforderungen an eine korrekte bilanzielle Darstellung des Treuhandverhältnisses genügen könnte.
2. Die Voraussetzungen der Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO liegen ebenfalls nicht vor.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt neben der (rechtssystematischen) Bedeutung der betreffenden Rechtsfrage voraus, dass sie im Revisionsverfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2012 X B 133/11, BFH/NV 2013, 341).
a) Der Kläger wirft zunächst die Frage auf, ob Zustiftungen zu einer bzw. Spenden an eine nicht rechtsfähige(n) Stiftung durch den Stiftungstreuhänder mangels Rechtsträgerwechsels überhaupt möglich sind.
aa) Das FG hat die von dem Kläger für grundsätzlich erachtete Frage zu seinen Gunsten bejaht. Es ist jedoch zur Abweisung der Klage gekommen, da es die Voraussetzungen der von ihm grundsätzlich für möglich erachteten Zuwendung in zweierlei Hinsicht nicht für gegeben erachtete. Dies betraf zum einen die tatsächliche Durchführung der Zuwendung, zum anderen die bilanzielle Darstellung des Vorgangs bei der S.
bb) Auch wenn das FG die Frage in einer für den Kläger vorteilhaften Weise beantwortet hat, kann zwar die Allgemeinheit an einer Entscheidung des Revisionsgerichts ein Interesse haben. Es fehlt aber in einer derartigen Konstellation generell, so auch hier, an der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage, wenn nicht hinsichtlich der nachteilig beantworteten Fragen ebenfalls Gründe für die Zulassung der Revision dargelegt sind und vorliegen.
aaa) Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt u.a. voraus, dass die aufgeworfene Rechtsfrage im Revisionsverfahren voraussichtlich geklärt werden könnte (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 30, sog. Klärungsfähigkeit).
Ist das FG auf der Grundlage einer für den Beschwerdeführer noch positiv beantworteten Vorfrage im Rahmen der weiteren Prüfung zu einer Entscheidung zum Nachteil des Beschwerdeführers gekommen, ist in entsprechender Anwendung der zu kumulativen Begründungen entwickelten Grundsätze die Revisionszulassung nur möglich, wenn auch zu den die nachteilige Entscheidung tragenden Gründen Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegen (vgl. zu kumulativen Begründungen Senatsbeschlüsse vom 29. August 2012 X B 69/12, BFH/NV 2013, 185 sowie in BFH/NV 2013, 13). Beruht die nachteilige Entscheidung auf bestimmten Sachverhaltsfeststellungen, so kommt die Zulassung nur in Betracht, wenn in Bezug hierauf zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben wurden oder wenn die Bindung des BFH an den festgestellten Sachverhalt aus anderen Gründen entfällt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 30).
Das FG hat seine Entscheidung maßgebend darauf gestützt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Zustiftung/Spende nicht hätten festgestellt werden können, und zwar weder die tatsächliche Zuwendung der Bilder noch die korrekte bilanzielle Behandlung des Treuguts. Die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen greifen aus den unter 1. genannten Gründen nicht durch.
bbb) Zwar handelt es sich in der vorliegenden Konstellation nicht um eine kumulative Begründung in dem Sinne, dass das FG seine Entscheidung auf zwei parallele und voneinander unabhängige Begründungen gestützt hat, von denen jede für sich genommen die Entscheidung trüge. Vielmehr handelt es sich um aufeinander aufbauende Überlegungen. Diese Gestaltung kann jedoch nicht anders beurteilt werden als der Fall kumulativer Begründungen.
Hätte das FG schon die Vorfrage, ob Zustiftungen oder Spenden wie hier überhaupt möglich sind, zum Nachteil des Klägers beantwortet und sich zusätzlich oder hilfsweise darauf gestützt, dass auch die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer solchen Zustiftung oder Spende nicht vorlägen, läge eine Kumulativbegründung im eigentlichen Sinne vor. Es wäre widersinnig, wenn die Revision nur zugelassen werden könnte, wenn und weil das FG die streitige Rechtsfrage gerade zu Gunsten des Beschwerdeführers beantwortet hat.
b) Weiter wirft der Kläger die Frage auf, ob sich die Zustiftung nach den Regeln des Übergangs von wirtschaftlichem Eigentum und zudem noch unter den erschwerten Nachweisvoraussetzungen von Geschäften zwischen nahen Angehörigen vollzieht oder hierfür angesichts der Stiftungssatzung nicht bereits die vom Zustifter eingegangene Verpflichtung verbunden mit einer tatsächlichen Veränderung der Herrschaftsverhältnisse über das Stiftungsgut ausreichend ist.
Diese Frage ist aus denselben Gründen nicht klärungsfähig. Auf ihre Beantwortung kommt es nur an, wenn die tatsächliche Veränderung der Herrschaftsverhältnisse festgestellt worden wäre. Daran fehlt es.
c) Schließlich ist auch die Frage, ob S notwendig beizuladen war, nicht klärungsbedürftig. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn die Rechtslage eindeutig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2012 X B 169/11, nicht veröffentlicht). Dies ist aus den unter 1. genannten Gründen der Fall.
3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.