BFH VIII. Senat
EStG § 20, EStG § 9 Abs 1 S 1, EStG § 9 Abs 1 S 2, HGB § 255 Abs 1
vorgehend FG Köln, 21. May 2012, Az: 15 K 183/09
Leitsätze
NV: Aufwendungen zur Sicherung der Rückzahlung eines notleidend gewordenen Darlehens sind nachträgliche Anschaffungskosten auf den Vermögensstamm und nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar .
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und der Beigeladene und Beschwerdeführer (Beigeladener) waren zu jeweils 25 % als Kommanditisten an einer GmbH & Co. KG (KG) beteiligt, die im Jahr 2001 nach ihrer Liquidation vollbeendet wurde. Bei der KG handelte es sich um eine vermögensverwaltende, nicht gewerblich geprägte Kommanditgesellschaft, die Einkünfte aus Kapitalvermögen und sonstige Einkünfte erzielte.
Im Jahr 1999 gewährte die KG zwei in den USA ansässigen Unternehmen verzinsliche Darlehen in Höhe von insgesamt … US-Dollar. Nachdem die Schuldner in Liquiditätsschwierigkeiten und mit den Zinszahlungen in Rückstand geraten waren, erhielt die KG nach Verhandlungen mit der an den Schuldnern beteiligten X AG (AG) den vollen Darlehensbetrag zurück und die noch rückständigen Zinsen in Höhe von … DM ausgezahlt. Die Zinsen leitete die KG unmittelbar an die AG weiter. Sie erzielte aus der Darlehenshingabe insgesamt einen Totalüberschuss.
In der Gewinnermittlung machte die KG die an die AG weitergeleiteten Zinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) lehnte eine Berücksichtigung der an die AG gezahlten Provision als Werbungskosten ab, da diese nicht mit der Erzielung von Einnahmen aus Kapitalvermögen, sondern mit der Rückzahlung des Darlehens in Zusammenhang gestanden habe. Das Finanzgericht (FG) gab in seinem Urteil vom 22. Mai 2012 der Klage insoweit statt, als die Zahlung an die AG auf die Realisierung der Zinsen entfallen sei (rund 7 % der Gesamtsumme des weitergeleiteten Betrags). Im Übrigen wies es die Klage ab.
Das FA erließ am 23. Juli 2012 einen geänderten Feststellungsbescheid für das Streitjahr 2000, in dem es die Zahlung der KG an die AG nach Maßgabe des FG-Urteils teilweise als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigte.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der geänderte Feststellungsbescheid für das Streitjahr vom 23. Juli 2012. Das angefochtene FG-Urteil ist nicht wegen Ergehens dieses Änderungsbescheids aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Der geänderte Bescheid vom 23. Juli 2012 ist entsprechend § 68 i.V.m. § 127 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
Zwar ist die Vorentscheidung grundsätzlich entsprechend § 127 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, wenn während des Verfahrens über eine zulässige, aber unbegründete Nichtzulassungsbeschwerde ein Änderungsbescheid ergangen ist. Die Vorentscheidung ist jedoch nicht aufzuheben, wenn der Änderungsbescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder diese Entscheidung nicht streitig ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15. Oktober 2008 X B 60/07, BFH/NV 2009, 205, m.w.N.). So liegt es im Streitfall, da die festgesetzte Steuer durch den geänderten Bescheid herabgesetzt worden ist.
2. Die Beschwerde ist unbegründet, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO nicht erfüllt sind.
a) Die Frage, ob die von der KG an die AG weitergeleiteten Zinsen als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) zu berücksichtigen sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist auch keine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erforderlich.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist der durch die Hingabe des Kapitals erworbene Darlehensrückerstattungsanspruch Gegenstand eines Anschaffungsvorgangs. Demgemäß gehören weder die für den Erwerb eines solchen Wirtschaftsguts anfallenden Anschaffungskosten noch die Anschaffungsnebenkosten zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (Senatsurteil vom 20. Juni 2000 VIII R 37/99, BFH/NV 2000, 1342, m.w.N.). Dabei setzt die Zurechnung von Aufwand als Nebenkosten zu den Anschaffungskosten von Kapitalvermögen nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs grundsätzlich voraus, dass er einzelnen, bestimmten Kapitalanlagen zugeordnet werden kann. Zu den Anschaffungskosten gehören auch nachträgliche Anschaffungskosten auf den Vermögensstamm, die aufgewendet werden, um die notleidende Kapitalanlage zu retten. Dies ist vorliegend der Fall. Nach der Zahlungseinstellung der Schuldner in den USA schaltete die KG die AG als Vermittler ein, um ihr Kapital und die noch ausstehenden Zinsen ohne streitige Auseinandersetzung und Zwangsvollstreckung in den USA zu erhalten. Im Gegenzug verpflichtete sie sich, die Zinsen bei Zahlung unverzüglich an die AG weiterzuleiten. Die für die Vermittlungstätigkeit der AG entstandenen Aufwendungen sind danach einer bestimmten Kapitalanlage ‑‑der Darlehensgewährung‑‑ konkret zuordenbar.
Solche nachträglichen Anschaffungskosten können im Bereich der Überschusseinkünfte nur nach Maßgabe der ‑‑vorliegend nicht in Betracht kommenden‑‑ Sonderregelungen der §§ 17, 23 EStG sowie des § 21 des Umwandlungssteuergesetzes für die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer von Bedeutung sein. Im Übrigen ist der Werbungskostenabzug für Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten solcher Wirtschaftsgüter im Bereich der Überschusseinkünfte ausgeschlossen (Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 VIII R 22/07, BFHE 228, 28, BStBl II 2010, 469, m.w.N.).
Folglich ist auch die Frage, ob hinsichtlich der Einkünfteerzielungsabsicht nicht allein auf die vollbeendete KG, sondern auch auf deren Gesellschafter abgestellt werden müsste, nicht klärungsbedürftig, da es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen nicht um Werbungskosten, sondern um nicht abziehbare nachträgliche Anschaffungsnebenkosten handelt.
b) Es liegt auch keine Divergenz zu der Rechtsprechung des BFH vor, nach der Aufwendungen auf Kapitalanlagen uneingeschränkt zum Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzulassen sind, wenn bei der jeweiligen Kapitalanlage die Absicht zur Erzielung steuerfreier Vermögensvorteile nicht im Vordergrund steht, d.h. nur mitursächlich für die Anschaffung der ertragbringenden Kapitalanlage ist (z.B. BFH-Urteil vom 24. November 2009 VIII R 11/07, BFH/NV 2010, 1417, m.w.N.). Denn dies gilt nur, wenn der Aufwand ohne Bezug zu der Kapitalanlage seiner Art nach die allgemeine vermögensverwaltende Tätigkeit abgelten soll (BFH-Urteil in BFHE 228, 28, BStBl II 2010, 469). Dies ist vorliegend ‑‑wie bereits ausgeführt‑‑ nicht der Fall.
c) Das von den Klägern und dem Beigeladenen zitierte Urteil des BFH vom 28. August 1952 IV 448/51 U (BFHE 56, 690, BStBl III 1952, 265) ist weder zu einem vergleichbaren Sachverhalt noch zu einer gleichen Rechtsfrage ergangen. In dem dortigen Rechtsstreit ging es um die Frage, ob Aufwendungen eines GmbH-Gesellschafters, die ihm durch die Beratung der GmbH entstanden sind, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind. Der BFH hat dies aufgrund der Unterbrechung der unmittelbaren Beziehung zwischen den Aufwendungen und den Einkünften aus Kapitalvermögen durch die Zwischenschaltung der juristischen Person verneint. Eine Divergenz des FG-Urteils zur Rechtsprechung des BFH ist danach nicht gegeben.