BFH I. Senat
FGO § 40 Abs 2, UmwStG § 4 Abs 1, UmwStG § 14 S 1, UmwStG § 20 Abs 4, AO § 171 Abs 10, AO § 175 Abs 1 S 1 Nr 1
vorgehend FG Münster, 05. October 2011, Az: 9 K 1308/10 K
Leitsätze
NV: Der Umstand der rechtsformwechselnden Umwandlung und die streitgegenständliche Frage der Bewertung in der sog. Schlussbilanz der "übertragenden Gesellschaft" (hier: der GmbH) vermittelt bei einer "Nullfestsetzung" zur Körperschaftsteuer des Umwandlungsjahres keine eigenständige Beschwer durch den angefochtenen Bescheid. Die KG kann auch nicht unter Hinweis auf die Übernahme der Schlussbilanzwerte der GmbH als sog. Drittbetroffene ein Klagerecht gegen die Festsetzung der Körperschaftsteuer geltend machen .
Tatbestand
I. Streitig ist die Aktivierung immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, in der steuerlichen Übertragungsbilanz bei einer formwechselnden Umwandlung einer GmbH in eine KG. Streitjahr ist 2004.
Die X-GmbH (GmbH) war Gesellschafterin (Kommanditistin) der A-GmbH & Co. KG (KG). Zum 31. Mai 2004 schied die B-GmbH (Komplementärin) aus dieser KG aus. Die GmbH als allein verbliebene Gesellschafterin übernahm deren Vermögen unter Ausbuchung der bislang mit 1 Mio. € aktivierten Kommanditbeteiligung. Später veräußerte sie den übernommenen Maschinenpark.
Mit notariell beurkundetem Umwandlungsbeschluss vom August 2004 wurde die GmbH zum 1. Juli 2004 (Umwandlungsstichtag) in die C-GmbH & Co. KG, die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), formwechselnd umgewandelt.
Die Körperschaftsteuererklärung der GmbH für das Streitjahr (Rumpfgeschäftsjahr 1. Januar bis 30. Juni 2004) wies ein zu versteuerndes Einkommen von 0 € aus (Jahresüberschuss 270.724 € zuzüglich Korrekturbetrag nach § 60 Abs. 2 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in Höhe von 463.860 € bzw. nicht abziehbare Betriebsausgaben in Höhe von 359 € [damit Gesamtbetrag der Einkünfte: 734.923 €] abzüglich Verlustvortrag). Bei der Ermittlung des Jahresüberschusses hatte die GmbH eine Zuschreibung zum Geschäfts- und Firmenwert in Höhe von 600.000 € und eine Aktivierung des Auftragsbestands ("in Arbeit befindliche Aufträge") in Höhe von 100.000 € einbezogen (jeweils unter Hinweis auf einen Teilwertansatz aufgrund der formwechselnden Umwandlung nach § 3 des Umwandlungssteuergesetzes ‑‑UmwStG 2002‑‑).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte dieser Rechtsauffassung nicht: Zwar seien die Grundsätze des Senatsurteils vom 5. Juni 2007 I R 97/06 (BFHE 218, 226, BStBl II 2008, 650) auch bei einem Formwechsel anzuwenden, so dass ein Bewertungswahlrecht für die Wirtschaftsgüter der Übertragungsbilanz bestehe. Allerdings umfasse das Wahlrecht nur solche Wirtschaftsgüter, die in der Steuerbilanz vom Grundsatz her aktiviert werden dürften, nicht aber selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter. Der Gewinn sei daher um 700.000 € zu mindern. Die gegen die entsprechende (auf der Grundlage eines Steuerbilanzgewinns von 24.592 € und unter Berücksichtigung eines Verlustabzugs) auf 0 € lautende Festsetzung gegenüber der GmbH erhobene Klage war erfolgreich (Finanzgericht ‑‑FG‑‑ Münster, Urteil vom 6. Oktober 2011 9 K 1308/10 K, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2012, 990); sie führte ‑‑bei einem steuerlichen Gewinn von 724.931 € (gerechnet: 24.592 € zuzüglich nicht abziehbare Betriebsausgaben 359 € abzüglich Spenden 20 € und unter Ansatz eines Firmenwerts von 600.000 € und des Auftragsbestands von 100.000 €)‑‑ zu einer Festsetzung der Körperschaftsteuer 2004 auf (ebenfalls) 0 €.
Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage ist als unzulässig abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat der Klägerin zu Unrecht ein Rechtsschutzbedürfnis zugesprochen.
1. Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Aus dem Regelungsausspruch des im Streitfall angefochtenen Verwaltungsakts lässt sich eine aktuelle Rechtsverletzung nicht ableiten ("Nullfestsetzung").
2. Der Umstand der rechtsformwechselnden Umwandlung und die streitgegenständliche Frage der Bewertung in der sog. Schlussbilanz der "übertragenden Gesellschaft" vermittelt keine eigenständige Beschwer durch den angefochtenen Bescheid.
a) Für den Fall der rechtsformwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft sieht § 14 Satz 1 UmwStG 2002 die entsprechende Anwendung der §§ 3 bis 8 und 10 UmwStG 2002 vor. Nach § 3 Satz 1 UmwStG 2002 können die Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der Körperschaft (sog. Übertragungsbilanz, s. § 14 Satz 2 UmwStG 2002) mit dem Buchwert oder einem höheren Wert angesetzt werden. Der Ansatz mit dem Buchwert ist auch zulässig, wenn in der Handelsbilanz das eingebrachte Betriebsvermögen nach handelsrechtlichen Vorschriften mit einem höheren Wert angesetzt werden muss (§ 3 Satz 2 UmwStG 2002). Die Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter dürfen nicht überschritten werden (§ 3 Satz 4 UmwStG 2002).
b) Fehlt es an einer (beschwerenden) Steuerfestsetzung bei der "übertragenden Gesellschaft" (wie im Streitfall mit Blick auf einen Verlustvortrag), besteht kein Bedürfnis für die Gewährung von Rechtsschutz. Insbesondere ist eine spätere steuerliche Folgewirkung einer nicht zugestandenen Wertaufholung bei dieser Gesellschaft (als Subjekt der Körperschaftsteuer) ausgeschlossen.
c) Die Bindung der "übernehmenden Gesellschaft" an die Werte der Schlussbilanz gemäß § 14 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 UmwStG 2002 ("Zwang zur Übernahme der Wertansätze aus der Schlussbilanz", so Blümich/Klingberg, § 4 UmwStG 2006 Rz 15) ist entsprechend der Bindung des Einbringenden gemäß § 20 Abs. 4 UmwStG 2002 (s. dazu zuletzt Senatsurteil vom 25. April 2012 I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649, m.w.N.) "nur" eine materiell-rechtliche. An einer verfahrensrechtlichen Verknüpfung im Wege eines Grundlagenbescheides (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) bei der übertragenden Gesellschaft fehlt es: Mit der Steuerfestsetzung bei der übernehmenden Gesellschaft wird weder festgestellt noch unterstellt, in welcher Weise das Ansatzwahlrecht ausgeübt worden ist; es wird dort nur auf der Grundlage des tatsächlich erfolgten Ansatzes (insoweit als unselbständige Besteuerungsgrundlage i.S. des § 157 Abs. 2 Alternative 1 AO) die Steuer festgesetzt. Eine etwaige Änderung in der Schlussbilanz (z.B. nach einer Außenprüfung) wirkt nur über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) auf die übernehmende Gesellschaft ein (z.B. Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 3 UmwStG Rz 68, und Pung, ebenda, § 4 UmwStG Rz 8 und § 4 UmwStG nF Rz 3).
3. Die Klägerin kann auch nicht unter Hinweis auf die Übernahme der Schlussbilanzwerte der übertragenden Gesellschaft als sog. Drittbetroffene ein Klagerecht gegen die Festsetzung der Körperschaftsteuer geltend machen.
Der Senat folgt der Vorinstanz nicht darin, aus der materiell-rechtlichen Bindungswirkung (s. zu 2.c der Gründe) auf eine eigenständige Klagebefugnis als sog. Drittbetroffene zu schließen (so aber auch FG Düsseldorf, Urteile vom 26. März 2012 6 K 4454/10 K,F, EFG 2012, 1484; vom 3. Dezember 2012 6 K 1883/10 F, juris). Denn die Klägerin ist verfahrensrechtlich nicht gehindert, sich im Rahmen ihrer Gewinnermittlung bzw. ihrer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte des Streitjahres auf die Aktivierung der immateriellen Wirtschaftsgüter in der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft zu berufen und diese Werte bilanziell fortzuschreiben bzw. im Wege der Absetzung für Abnutzung einkünftemindernd zu berücksichtigen. Insoweit steht ihr eine eigenständige Rechtsschutzmöglichkeit zu; eine Rechtsschutzlücke besteht nicht.