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Beschluss vom 04. Dezember 2012, I R 42/11

Aktivierung des Tantiemeanspruchs des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA - trotz Gewerbesteuerbefreiung der KGaA keine Gewerbeertragskürzung beim persönlich haftenden Gesellschafter nach § 9 Nr. 2b GewStG - Ermittlung des Gewinnanteils des persönlich haftenden Gesellschafters durch Betriebsvermögensvergleich - Erstreckung der Befreiung der Betriebskapitalgesellschaft von der Gewerbesteuer auf die Vermietungstätigkeit der Besitzpersonengesellschaft

BFH I. Senat

GewStG § 3 Nr 23, GewStG § 8 Nr 4, GewStG § 9 Nr 2b, KStG § 9 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 5 Abs 1, EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 3, GewStG § 3 Nr 20 Buchst c

vorgehend FG Münster, 05. April 2011, Az: 9 K 1046/09 G,F

Leitsätze

1. NV: Der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA hat eine ertragsabhängige Geschäftsführungsvergütung in dem Jahr als Ertrag zu erfassen, für das er die Vergütung bezieht.  

2. NV: Eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 2b GewStG 1999 um die nach § 8 Nr. 4 GewStG 1999 dem Gewerbeertrag der KGaA hinzugerechneten Gewinnanteile unterbleibt beim persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA auch dann, wenn die letztere von der Gewerbesteuer befreit ist.

Tatbestand

  1. I. Streitig ist zum einen, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft in Liquidation (AG i.L.), als Komplementärin einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) eine ergebnisabhängige Geschäftsführungsvergütung als Ertrag zu erfassen hat, und zum anderen, ob bei einer Kapitalgesellschaft die Summe des Gewinns aus Gewerbebetrieb und der Hinzurechnungen nach § 9 Nr. 2b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999) zu kürzen ist, soweit die Gesellschaft Geschäftsführungsvergütungen als Komplementärin einer KGaA bezieht, die ihrerseits von der Gewerbesteuer befreit ist. Streitjahre sind 1999 bis 2001.

  2. Die Klägerin war in den Streitjahren Komplementärin der X-KGaA. Letztere war als Unternehmensbeteiligungsgesellschaft gemäß § 3 Nr. 23 GewStG 1999 nicht gewerbesteuerpflichtig. § 5 Abs. 3 der Satzung der X-KGaA in der am 7. Januar 1999 beschlossenen Fassung regelte die Geschäftsführungsvergütung wie folgt:

  3. "Die persönlich haftende Gesellschafterin erhält für ihre Geschäftsführungstätigkeiten eine gemäß Abs. a) bis c) zu berechnende Vergütung. Diese Vergütung wird der persönlich haftenden Gesellschafterin jeweils zum 30.6. und 31.12. eines jeden Geschäftsjahres von der Gesellschaft auf ihrem Verrechnungskonto gutgeschrieben. Im Verhältnis zu den Kommanditaktionären ist die voranstehende, an die persönlich haftende Gesellschafterin zu leistende Vergütung ungeachtet etwa abweichender steuerlicher Vorschriften als Aufwand der Gesellschaft zu behandeln. Die Vergütung besteht

    a) aus einer Pauschalaufwandsentschädigung in Höhe von 2,5 % p.a. auf das durchschnittliche Beteiligungsvolumen. ...

    b) aus einer ergebnisabhängigen Komponente in Höhe von 3 % p.a. auf das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit nach Abzug dieser und anderer Tätigkeitsvergütungen. Diese Vergütung wird an dem Zahlungstermin nach Abs. (3) Satz 2 gutgeschrieben, der auf die Feststellung des Jahresabschlusses folgt; sowie

    c) aus einer halbjährlich zahlbaren Haftungsvergütung in Höhe von 5 % p.a. auf die Kapitaleinlage der persönlich haftenden Gesellschafterin nach dem Stand zum Ende des Halbjahres bzw. des Geschäftsjahres. Die Haftungsvergütung wird zu Lasten des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit verbucht."

  4. Dementsprechend erhielt die Klägerin folgende Geschäftsführungsvergütungen: für das Jahr 1999  2.518.894 DM (davon 46.563 DM ergebnisabhängig), für das Jahr 2000  7.574.124 DM (davon 749.185 DM ergebnisabhängig) und für das Jahr 2001  6.818.139 DM (davon 0 DM ergebnisabhängig).

  5. Die Klägerin vertrat die Auffassung, der ergebnisabhängige Teil der Komplementärvergütung für 2000 sei steuerlich erst im Jahr 2001 zu erfassen. Überdies seien ihre Gewinne für die Streitjahre bei Ermittlung ihrer Gewerbeerträge gemäß § 9 Nr. 2b GewStG 1999 entsprechend zu kürzen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte dem im Ergebnis nicht. Der ergebnisabhängige Teil der Komplementärvergütung für 2000 sei bereits in diesem Jahr zu erfassen, weil der Vergütungsanspruch als fester vertraglicher Bestandteil unabhängig von einem Gewinnausschüttungsbeschluss entstehe. Außerdem berechtige die Komplementärvergütung nicht zu einer Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG 1999. Denn das setze eine Hinzurechnung der Komplementärvergütung gemäß § 8 Nr. 4 GewStG 1999 bei der KGaA voraus, und daran fehle es im Streitfall, weil die X-KGaA von der Gewerbesteuer befreit sei.

  6. Die Klage gegen die hiernach geänderten Steuerbescheide blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Münster wies sie mit Urteil vom 6. April 2011  9 K 1046/09 G,F ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2000 abgedruckt.

  7. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung der angefochtenen Bescheide die Gewerbesteuermessbeträge 1999 und 2000 mit 0 DM festzusetzen und die vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 1999 mit 2.248.404 DM, auf den 31. Dezember 2000 mit 8.432.638 DM und auf den 31. Dezember 2001 mit 16.514.702 DM festzustellen.

  8. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Er hält die Revision eistimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind vorher darüber unterrichtet worden; sie hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

  2. 1. Die Vorinstanz hat zu Recht entschieden, dass auch der ergebnisabhängige Teil der Komplementärvergütung für das Jahr 2000 bereits im Streitjahr 2000 als Ertrag zu erfassen war. Das ergibt sich leichthin aus den allgemein wirkenden Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB); das FG hat seine Revisionszulassung denn auch zu Recht ausdrücklich nur auf den zweiten Streitpunkt gestützt.

  3. Dabei kann dahinstehen, ob sich diese Erfassung auf die Besonderheiten des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG 1997‑‑ (hier i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes ‑‑KStG 1999‑‑ und § 7 Satz 1 GewStG 1999) stützen lässt (so z.B. Reiß in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 15 Rz 406; Schmidt/Wacker, EStG, 31. Aufl., § 15 Rz 891), weil der von dem persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA erzielte anteilige Gewinn diesem einkommen- und körperschaftsteuerrechtlich unmittelbar ‑‑"an der Wurzel"‑‑ zuzurechnen ist (vgl. dazu z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 21. Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881). Denn auch, wenn man sich von diesem Regelungsverständnis distanziert (zur gegenwärtigen Diskussion über die derzeit noch herrschende sog. transparente Betrachtung und die dem entgegenstehende sog. intransparente Betrachtung s. umfassend und m.w.N. Drüen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 KStG Rz 21 ff., 24 ff.), bleibt es dabei, dass die ergebnisabhängige Geschäftsführungsvergütung bereits im Streitjahr 2000 als Ertrag zu berücksichtigen ist. Der Gewinnanteil des persönlich haftenden Gesellschafters einschließlich der Sondervergütungen, Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben ist durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881). Es gelten nach § 5 Abs. 1 EStG 1997 die besagten allgemeinen handelsrechtlichen GoB, und danach war der hier in Rede stehende Tantiemeanspruch unbeschadet seines zivilrechtlichen Entstehens wirtschaftlich als bereits zum Bilanzstichtag des Streitjahres 2000 hinreichend gesicherte künftige Forderung gewinnerhöhend zu aktivieren (bzw. auf Schuldnerseite rückzustellen, siehe z.B. im Hinblick auf eine tantiemeabhängige Versorgungszusage Senatsurteile vom 16. Dezember 1992 I R 105/91, BFHE 170, 169, BStBl II 1993, 792; vom 3. März 2010 I R 31/09, BFHE 228, 495; BFH-Urteil vom 9. November 1995 IV R 2/93, BFHE 179, 106, BStBl II 1996, 589). Die Rechtsprechung zur sog. phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen, welche bilanziell in aller Regel erst mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses abzubilden sind (vgl. dazu grundlegend BFH-Beschluss vom 7. August 2000 GrS 2/99, BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632, und nachfolgend), widerspricht dem nicht, weil der Anspruch auf die Geschäftsführungsvergütung anders als jene Dividendenansprüche nicht von einem Gewinnverwendungsbeschluss abhängig war (vgl. abgrenzend auch Senatsurteil vom 18. Dezember 2002 I R 11/02, BFHE 201, 228, BStBl II 2003, 400). Auf § 5 Abs. 3 Satz 4 Buchst. b 2. Satz der Satzung der X-KGaA und auf die Frage, ob die darin getroffene Vereinbarung nur die Fälligkeit der Forderung bestimmt, ist in diesem Zusammenhang nicht weiter einzugehen.

  4. 2. Die Summe des Gewinns aus Gewerbebetrieb und der Hinzurechnungen ist nicht um die von der Klägerin als Komplementärin der X-KGaA bezogenen Geschäftsführungsvergütungen zu kürzen; die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2b GewStG 1999 liegen nicht vor. Auch insoweit ist der Vorinstanz uneingeschränkt beizupflichten.

  5. a) Gewerbeertrag ist nach § 7 Satz 1 GewStG 1999 der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG 1999 bezeichneten Beträge. Für die Ermittlung des Gewerbeertrags der KGaA werden die Geschäftsführungsvergütungen des Komplementärs wie Betriebsausgaben abgezogen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG 1999) und sind dem Komplementär unmittelbar zuzurechnen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1997). Für die Ermittlung des Gewerbeertrags der KGaA ordnet § 8 Nr. 4 GewStG 1999 allerdings die Hinzurechnung der Gewinnanteile an, welche an persönlich haftende Gesellschafter der KGaA auf ihre nicht in das Grundkapital gemachten Einlagen oder als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind. Bezogen auf den Komplementär bestimmt § 9 Nr. 2b GewStG 1999 wiederum, dass die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um die nach § 8 Nr. 4 GewStG 1999 dem Gewerbeertrag einer KGaA hinzugerechneten Gewinnanteile gekürzt wird, wenn sie bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG 1999) angesetzt worden sind.

  6. b) Hiervon ausgehend sind diejenigen Gewinnanteile, die seitens der X-KGaA an die Klägerin als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind, nicht nach § 9 Nr. 2b GewStG 1999 zu kürzen. Denn sie wurden bei der KGaA infolge deren Steuerbefreiung (nach § 3 Nr. 23 GewStG 1999) nicht, wie nach dem eindeutigen Regelungswortlaut indessen vonnöten, nach § 8 Nr. 4 GewStG 1999 "hinzugerechnet". Ausschlaggebend für die Kürzung ist also nicht die "abstrakte" materielle Rechtslage, sondern der Umstand, dass die betreffenden Gewinnanteile tatsächlich hinzugerechnet worden sind; § 9 Nr. 2b GewStG 1999 ist korrespondierend mit der tatsächlichen Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 4 GewStG 1999 verknüpft (ebenso Hölzerkopf in Bergemann/Winkler, GewStG, § 9 Rz 154; kritisch Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 15 Rz 406 a.E.). Die Regelungslage entspricht in diesem Punkt derjenigen nach Maßgabe der Hinzurechnungen und Kürzungen von Mieten und Pachten gemäß § 8 Nr. 7 GewStG a.F. beim Vermieter oder Verpächter einerseits und gemäß § 9 Nr. 4 GewStG a.F. beim Mieter oder Pächter andererseits; dazu ist auf die einschlägige Spruchpraxis des BFH zu verweisen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 18. Januar 1958 I R 120/57 U, BStBl III 1959, 274; Senatsbeschluss vom 19. Januar 1995 I B 162/93, BFH/NV 1995, 822; BFH-Urteile vom 7. Juli 2004 X R 26/01, BFHE 207, 35, BStBl II 2005, 145; vom 7. November 2000 III R 81/97, BFH/NV 2001, 814; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 231 f.). Dieses Ergebnis deckt sich gleichermaßen mit dem Regelungszweck von § 9 Nr. 2b GewStG 1999, die andernfalls drohende gewerbesteuerliche Doppelbelastung von KGaA und Komplementär mit ein und demselben Gewinnanteil auszuschließen (vgl. auch Senatsurteil vom 6. Oktober 2009 I R 102/06, BFH/NV 2010, 462); eine solche gewerbesteuerliche Doppelbelastung scheidet jedoch aus, wenn die KGaA, wie hier die X-KGaA, ihrerseits von der Gewerbesteuer befreit ist. Dass diesem Regelungsziel ‑‑die Vermeidung der gewerbesteuerlichen Doppelbelastung‑‑ kein allgemeiner gewerbesteuerlicher Grundsatz zugrunde liegt und ein solches Regelungsziel deswegen einer besonderen gesetzlichen Anordnung bedarf (siehe auch zuletzt Senatsbeschluss vom 24. Januar 2012 I B 34/11, BFH/NV 2012, 1175), ändert daran ebenso wenig wie der Umstand, dass die Regelungskorrespondenzen in anderen, vergleichbaren Hinzurechnungs- und Kürzungszusammenhängen ‑‑wie beispielsweise in § 9 Nr. 2 oder Nr. 2a GewStG 1999‑‑ möglicherweise großzügiger und unabhängig vom Vorliegen einer tatsächlichen Doppelbelastung bestimmt worden sind, letzterenfalls ‑‑in § 9 Nr. 2a GewStG 1999‑‑ bezogen gerade auch auf eine (persönlich) steuerbefreite Unternehmensbeteiligungsgesellschaft i.S. von § 3 Nr. 23 GewStG 1999. Maßgebend ist im Streitfall allein die beschriebene Regelungslage in § 9 Nr. 2b i.V.m. § 8 Nr. 4 GewStG 1999. Aus gleichem Grunde unbeeinflusst bleibt diese Regelungslage schließlich auch von der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung, wonach die Befreiung der Betriebskapitalgesellschaft von der Gewerbesteuer nach § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 1999 sich bei einer Betriebsaufspaltung auch auf die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit der Besitzpersonengesellschaft erstreckt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. März 2006 X R 59/00, BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661; vom 19. Oktober 2006 IV R 22/02, BFHE 215, 268, BFH/NV 2007, 149).

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