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Beschluss vom 07. November 2012, XI E 4/12

Bekanntgabe der Gerichtskostenrechnung an den Prozessbevollmächtigten - Keine Beschränkung des Umfangs der Prozessvollmacht vor dem BFH

BFH XI. Senat

FGO § 62 Abs 4, FGO § 62 Abs 6 S 5, FGO § 62 Abs 3 S 3, FGO § 146, FGO §§ 146ff, KostVfg § 27 Abs 1, KostVfg § 31 Abs 1, GKG § 66 Abs 1, ZPO § 81, ZPO § 172

Leitsätze

NV: Die Gerichtskostenrechnung ist im Finanzgerichtsprozess gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO dem Prozessbevollmächtigten des erledigten Verfahrens bekannt zu geben, auf das sich der Kostenansatz in Form der Kostenrechnung bezieht .

Tatbestand

  1. I. Mit Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 XI B 8/12 wurde die Beschwerde der Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Erinnerungsführerin) wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Berlin-Brandenburg vom 29. November 2011  5 K 5220/11 als unbegründet zurückgewiesen.

  2. Daraufhin hat die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) die Gerichtskosten gegen die Erinnerungsführerin mit Kostenrechnung vom August 2012 in Höhe von … € angesetzt. Die Kostenrechnung, in der die Erinnerungsführerin ausdrücklich als Kostenschuldnerin bezeichnet ist, ist an den als Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin im Beschwerdeverfahren auftretenden Rechtsanwalt X adressiert.

  3. Mit ihrer Erinnerung macht die Erinnerungsführerin geltend, die Kostenrechnung vom August 2012 sei nicht ordnungsgemäß, weil sie entgegen § 27 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 der Kostenverfügung (KostVfg) an ihren Prozessbevollmächtigten gerichtet sei. Der Empfang von Kostenrechnungen sei nicht von der erteilten Prozessvollmacht gedeckt. Die Prozessvollmacht, die gemäß § 81 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf ein aktives Handeln ziele, erfasse lediglich die Entgegennahme von Zustellungen im Rahmen eines Rechtsstreits gemäß § 172 ZPO, zu denen Kostenrechnungen nicht gehörten. Darüber hinaus habe sie die Zustellung von Kostenrechnungen ausdrücklich von der Prozessvollmacht ausgenommen. Der BFH-Beschluss vom 6. Mai 1998 IX E 2/98 (BFH/NV 1999, 46), auf den sich die Kostenstelle des BFH in ihrem Schreiben vom 26. September 2012 beziehe, sei überholt. Sämtliche dort zitierten Entscheidungen stützten sich auf die inzwischen aufgehobenen §§ 146 bis 148 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

  4. Die Erinnerungsführerin beantragt, die Kostenstelle anzuweisen, eine den Bestimmungen der KostVfg entsprechende Kostenrechnung zu erstellen und die Anordnung der Vollstreckung der Kosten für unzulässig zu erklären.

  5. Die Vertreterin der Staatskasse (Kostengläubigerin und Erinnerungsgegnerin) beantragt, die Erinnerung, der nicht abgeholfen wurde, als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Erinnerung i.S. des § 66 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ist unbegründet.

  2. Die Kostenrechnung vom August 2012, in der die Erinnerungsführerin ausdrücklich als Kostenschuldnerin bezeichnet ist, ist zu Recht an ihren Prozessbevollmächtigten adressiert worden.

  3. 1. Die Bekanntgabe der Kostenrechnung hat an den Bevollmächtigten des erledigten Verfahrens zu erfolgen, auf das sich der Kostenansatz in Form der Kostenrechnung bezieht (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 46, m.w.N.). Denn nach der Bestellung eines Bevollmächtigten ‑‑wie hier‑‑ sind gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO alle Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an diesen zu richten. Die Vorschrift trägt der umfassenden prozessualen Vertretung des Beteiligten durch seinen Prozessbevollmächtigten Rechnung und soll bewirken, dass der gesamte Prozessstoff in einer Hand, der des Bevollmächtigten, vereint bleibt (vgl. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 62 FGO Rz 192, m.w.N.). Sie gilt auch für die Kostenrechnung (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 62 Rz 110; zur gleichlautenden Vorgängervorschrift § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F., ferner BFH-Beschluss vom 3. Oktober 1972 VII B 152/70, BFHE 107, 163, BStBl II 1973, 84, m.w.N.).

  4. 2. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Erinnerungsführerin greifen nicht durch.

  5. a) Die Erinnerungsführerin wurde ‑‑entgegen ihrem Vorbringen‑‑ in der angefochtenen Kostenrechnung den Vorgaben i.S. des § 27 Abs. 1 KostVfg entsprechend mit Namen und Anschrift als Kostenschuldnerin bezeichnet. Aus § 31 Abs. 1 KostVfg, der anders als hier vorweg zu erhebende Gebühren und Kostenvorschüsse betrifft und ergänzend auf § 27 Abs. 1 KostVfg verweist, ergibt sich nichts Abweichendes.

  6. b) Es kann dahinstehen, ob ‑‑wie die Erinnerungsführerin meint‑‑ die Entgegennahme von Kostenrechnungen nach §§ 81, 172 ZPO nicht durch die Prozessvollmacht gedeckt sei. Dem Prozessbevollmächtigten des erledigten Verfahrens sind Kostenrechnungen jedenfalls gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO bekannt zu geben.

  7. c) Ebenso wenig ist es von Belang, ob die Erinnerungsführerin ‑‑wie sie behauptet‑‑ die Zustellung von Kostenrechnungen ausdrücklich von der Prozessvollmacht ausgenommen hat. In Verfahren vor dem BFH ist ‑‑anders als in Verfahren vor den FG (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 14. August 2012 V B 95/11, nicht veröffentlicht, juris)‑‑ eine Beschränkung des gesetzlichen Umfangs der Prozessvollmacht wegen des nach § 62 Abs. 4 FGO bestehenden Vertretungszwangs unzulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juli 1983 II B 68/82, BFHE 138, 529, BStBl II 1983, 644; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 62 Rz 110, m.w.N.).

  8. d) Soweit die Erinnerungsführerin schließlich vorbringt, der BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 46 sei überholt, trifft dies nicht zu.

  9. aa) Der eine Kostenrechnung vom Januar 1998 betreffende BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 46 erging schon zur Rechtslage nach Aufhebung der §§ 146 bis 148 FGO durch Art. 4 § 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gerichtskostengesetzes, des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher, der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und anderer Vorschriften vom 20. August 1975 (BGBl I 1975, 2189).

  10. bb) Die Notwendigkeit, die Kostenrechnung nach erledigtem Verfahren gemäß § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO dem Prozessbevollmächtigten bekannt zu geben, weil im Zweifel allein er mit dem Prozessstoff und dem Kostenrecht genügend vertraut ist, um die Rechtmäßigkeit der Kostenrechnung beurteilen zu können (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 107, 163, BStBl II 1973, 84), besteht auch nach gegenwärtiger Rechtslage. Es kommt mithin insoweit nicht darauf an, dass aus einem Vergleich des Wortlautes der Vorschriften § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. und § 147 Satz 1 FGO a.F. ‑‑wie dies vor Aufhebung des § 147 FGO noch möglich war‑‑ gefolgert werden kann, dass sich § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. ‑‑nunmehr § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO‑‑ nicht nur auf Entscheidungen im Rahmen der rechtsprechenden Tätigkeit, sondern auf sämtliche Äußerungen des Gerichts einschließlich des Kostenansatzes aus Anlass eines Rechtsstreits bezieht (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFHE 107, 163, BStBl II 1973, 84).

  11. 3. Einwendungen, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, also gegen Ansatz und Höhe einzelner Kosten oder gegen den Streitwert (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 1. September 2005 III E 1/05, BFH/NV 2006, 92; vom 8. Dezember 2010 IX E 6/10, BFH/NV 2011, 1365; vom 30. August 2011 IV E 7/11, BFH/NV 2012, 55; vom 19. Oktober 2011 IX E 9/11, BFH/NV 2012, 58), sind weder vorgebracht noch weist die Kostenrechnung die Erinnerungsführerin belastende Rechtsfehler auf.

  12. 4. Bei dieser Sachlage kann die Anordnung der Vollstreckung nicht für unzulässig erklärt werden.

  13. 5. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).

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