BFH VII. Senat
TrZG § 1 Abs 1, TrZG § 3 Abs 1, TrZG § 4 Abs 1, TrZG § 4 Abs 2, NATOProtG Art 4, NATOPersRÜbk Art 1, NATOPersRÜbk Art 2, NATOTrStat Art 11 Abs 5, NATOTrStat Art 11 Abs 6, NATOTrStat Art 11 Abs 8 Buchst b, NATOTrStatZAbk Art 65 Abs 3, NATOTrStatZAbk Art 66 Abs 1, NATOTrStatZAbk Art 66 Abs 4
vorgehend Finanzgericht des Saarlandes , 15. March 2011, Az: 2 K 1070/08
Leitsätze
NV: Werden von Mitgliedern des zivilen Gefolges der NATO-Hauptquartiere abgabenbegünstigt bezogene Waren ohne Genehmigung der zuständigen Zollstelle an Nichtberechtigte veräußert, werden sie der Truppenzollgutverwendung mit der Folge entzogen, dass eine Abgabenschuld entsteht, wie sie bei der Einfuhr der Waren entstünde. Dies gilt auch bei Veräußerung der Waren an einen im Ausland ansässigen Erwerber .
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist britische Staatsangehörige und war bis 2007 in Deutschland bei einem Alliierten Hauptquartier als Zivilangestellte tätig. Von 1999 bis 2005 erwarb sie in Großbritannien, Belgien und Deutschland 13 neue PKW, die ihr als Mitglied des zivilen Gefolges der Truppe frei von Abgaben geliefert wurden. Die PKW wurden nach Deutschland verbracht, mit NATO-Kennzeichen versehen und von der Klägerin und deren Ehemann genutzt, jedoch nach Ablauf von mindestens sechs Monaten nach Großbritannien verbracht und dort an Autohändler oder Privatpersonen verkauft. Nachdem dieser Sachverhalt aufgrund einer seitens der britischen Finanzverwaltung veranlassten Umsatzsteuersonderprüfung bekannt geworden war, bewertete das Hauptzollamt (HZA) die PKW-Verkäufe als Entnahmen aus der Zollgutverwendung und setzte mit Steuerbescheid vom 12. Februar 2007 die auf die PKW entfallende Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von … € gegen die Klägerin fest.
Bezüglich vier der genannten PKW-Verkäufe wurde die Klägerin wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Verfahren wegen angeklagter weiterer Fälle der Steuerhinterziehung wurde vorläufig eingestellt.
Das Finanzgericht (FG) wies die gegen den Steuerbescheid des HZA erhobene Klage ab. Die Steuerschuld sei gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Truppenzollgesetzes (in der im Streitfall anzuwendenden bis zum 31. Oktober 2009 geltenden Fassung ‑‑TrZG‑‑) durch Entnahme der PKW aus der Zollgutverwendung in den freien Verkehr entstanden. Eine Entnahme im Sinne dieser Vorschrift sei insbesondere gegeben, wenn eine in der Truppenzollgutverwendung befindliche Ware an eine Person veräußert werde, die nicht Mitglied der ausländischen Streitkräfte sei. Nach dem TrZG sei der Erwerb von Waren durch die Mitglieder der ausländischen Streitkräfte abgabenfrei, solange die Waren in der truppenzollrechtlichen Verwendung blieben. Der Grund für die Abgabenbefreiung entfalle jedoch, sobald die truppenzollrechtliche Verwendung ende. Insoweit komme es auch nicht darauf an, wohin die Ware ‑‑wie im Streitfall ins Ausland‑‑ veräußert werde. Vielmehr sei immer dann von einer Entnahme zu sprechen, wenn eine nach dem TrZG abgabenfrei erworbene Ware dauerhaft aus der Truppenzollgutverwendung entfernt werde. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TrZG sei die Klägerin auch zu Recht als Abgabenschuldner in Anspruch genommen worden.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin unter Berufung auf ein Urteil des FG Düsseldorf vom 15. November 2006 4 K 3191/05 Z, EU (nicht veröffentlicht ‑‑n.v.‑‑) geltend, die Veräußerung in der Truppenzollgutverwendung befindlicher Waren an einen Nichtberechtigten habe nur abgabenrechtliche Konsequenzen, wenn dieser seinen Wohnsitz im Inland habe. Die Veräußerung solcher Waren im Ausland könne dagegen nicht als eine die Abgabenschuld begründende Entnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG angesehen werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den Steuerbescheid vom 12. Februar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2008 aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es schließt sich der Auffassung des FG an.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Nach Art. 4 des Gesetzes zum Protokoll über die NATO-Hauptquartiere und zu den Ergänzungsvereinbarungen vom 17. Oktober 1969 (BGBl II 1969, 1997) ist auf Waren, die (u.a.) von in Art. 1 des sog. Statusübereinkommens (Übereinkommen vom 7. Februar 1969 über die Rechtsstellung des einem internationalen militärischen Hauptquartier der NATO in der Bundesrepublik Deutschland zugeteilten Personals der Entsendestaaten) genannten Personen, zu denen die Klägerin seinerzeit gehörte, gemäß Art. 2 des Statusübereinkommens abgabenbegünstigt bezogen werden, das TrZG in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG entsteht mit der Entnahme von Zollgut aus der Zollgutverwendung der ausländischen Streitkräfte oder ihrer Mitglieder in den freien Verkehr eine Abgabenschuld, wie sie bei der Einfuhr der Waren entstünde. Eine abgabenbegründende Entnahme liegt vor, wenn in der Truppenzollgutverwendung befindliche Ware aus dem Besitz der ausländischen Streitkräfte oder eines ihrer Mitglieder in den Besitz eines Nichtberechtigten übergeht und dadurch die für die Abgabenbegünstigung maßgebliche Zweckbestimmung der ausschließlichen Verwendung als Truppenzollgut aufgehoben wird, was insbesondere der Fall ist, wenn einem Nichtberechtigten das Eigentum an dem Zollgut verschafft wird (Senatsbeschluss vom 3. Mai 1994 VII B 49/94, BFH/NV 1994, 755).
Diese Voraussetzungen der Entstehung der Abgabenschuld sind im Streitfall erfüllt. Die von der Klägerin abgabenfrei erworbenen PKW waren gemäß § 1 Abs. 1 TrZG in die Zollgutverwendung übergegangen und wurden mit ihrer Veräußerung an Nichtberechtigte i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG aus der Zollgutverwendung entnommen.
2. Der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG lässt sich nichts für die von der Klägerin vertretene Auffassung entnehmen, die Abgabe in der Truppenzollgutverwendung befindlicher Waren an einen im Ausland ansässigen Nichtberechtigten sei keine zur Entstehung der Abgabenschuld führende Entnahme im Sinne dieser Vorschrift.
Auch die Ausführungen des FG Düsseldorf im Urteil vom 15. November 2006 4 K 3191/05 Z, EU (n.v.), welche die Klägerin sich zu eigen macht, sind nicht geeignet, § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG in dieser Weise auszulegen. Anders als die Klägerin unter Berufung auf das vorgenannte Urteil meint, lässt sich diese Ansicht nicht auf die dem TrZG zugrunde liegenden Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags (NATO-Truppenstatut und Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut) stützen. Nach Art. 2 des Statusübereinkommens bestimmt sich zwar die Rechtsstellung der Mitglieder einer Truppe und eines zivilen Gefolges, die einem Hauptquartier zugeteilt werden, nach den Vorschriften des NATO-Truppenstatuts und des Zusatzabkommens. Die in dem Urteil des FG Düsseldorf erwähnten Art. XI Abs. 8 Buchst. b des NATO-Truppenstatuts und Art. 65 Abs. 3 Satz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut sind im Streitfall jedoch nicht einschlägig. Art. XI Abs. 8 Buchst. b des NATO-Truppenstatuts bezieht sich auf die vorstehenden Abs. 2 Buchst. b und Abs. 4 bis 6 der Vorschrift, welche ‑‑soweit sie nicht ohnehin nur die Truppe oder das zivile Gefolge, sondern in den Abs. 5 und 6 auch die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges betreffen‑‑ die Einfuhr von Hausrat und persönlicher Habe sowie privater Kraftfahrzeuge der Mitglieder der Truppe oder des zivilen Gefolges aus ihrem jeweiligen Heimatland in den Aufnahmestaat regeln. Um derartige Einfuhren geht es im Streitfall nicht. Die in Art. 65 Abs. 3 Satz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vorgesehene Möglichkeit der Veräußerung von Waren in der Zollgutverwendung an andere Personen gilt nur für die Truppe oder das zivile Gefolge.
Den abgabenfreien Bezug anderer als in Art. XI Abs. 5 und 6 des NATO-Truppenstatuts genannter Waren durch Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges regelt Art. 66 Abs. 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut und erlaubt diesen nur für zum persönlichen oder häuslichen Gebrauch oder Verbrauch durch diese Mitglieder bestimmte Waren. Dementsprechend bestimmt Art. 66 Abs. 4 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut, dass die Mitglieder der Truppen oder der zivilen Gefolge und ihre Angehörigen solche abgabenbegünstigt bezogenen Waren nur untereinander veräußern dürfen, hingegen Verfügungen zu Gunsten anderer Personen nur nach Genehmigung durch die zuständigen deutschen Behörden zugelassen sind. Auch dieser Regelung lässt sich nichts für die Ansicht der Klägerin entnehmen, Verfügungen zu Gunsten anderer Personen im Ausland seien zulässig.
3. Von Mitgliedern einer Truppe bzw. eines zivilen Gefolges nach vorgenannten Vorschriften abgabenfrei bezogene Waren befinden sich nach § 1 Abs. 1 TrZG i.V.m. § 55 des Zollgesetzes im Verfahren der Zollgutverwendung. Dem Inhaber dieses Verfahrens obliegen bestimmte zollrechtliche Pflichten, nämlich ‑‑wie ausgeführt‑‑ die Waren ausschließlich zum persönlichen oder häuslichen Gebrauch oder Verbrauch zu verwenden und sie nicht ohne Genehmigung der deutschen Zollbehörden an Nichtberechtigte zu veräußern. Diese dem Inhaber des Zollverfahrens persönlich obliegenden Pflichten entfallen nicht etwa, sobald er sich im Ausland aufhält. Auch gibt es ‑‑anders als die Klägerin evtl. meint‑‑ keinen rechtlichen Grundsatz, dem zufolge ein Auslandssachverhalt keine abgabenrechtlichen Konsequenzen nach deutschem Recht nach sich ziehen kann.
4. Im Streitfall hat die Klägerin die abgabenfrei erworbenen PKW (unstreitig) ohne die nach Art. 66 Abs. 4 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut i.V.m. § 3 Abs. 1 TrZG erforderliche Genehmigung der zuständigen Zollstelle an Nichtberechtigte veräußert. Nach der sinngemäß (vgl. Art. 4 des Gesetzes zum Protokoll über die NATO-Hauptquartiere und zu den Ergänzungsvereinbarungen) anzuwendenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG ist daher eine Abgabenschuld entstanden. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TrZG ist die Klägerin Schuldner der entstandenen Abgaben. Einwendungen gegen die berechnete Höhe der festgesetzten Abgaben sind nicht erhoben.
5. Die nach Ansicht der Klägerin erforderliche Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt nicht in Betracht. Eine Vorschrift des Unionsrechts, deren Auslegung zweifelhaft ist und die es dem nationalen Gesetzgeber evtl. verwehren könnte, im Fall einer unzulässigen Verwendung abgabenfreien Truppenzollguts die entsprechenden Abgaben einzufordern, deren Erhebung wegen der Truppenzollgutverwendung zunächst unterblieben ist, ist weder seitens der Klägerin bezeichnet noch ersichtlich.