BFH XI. Senat
UStG § 1 Abs 1 Nr 1, UStG § 13a Abs 1 Nr 1, UStG § 14 Abs 2, UStG § 14 Abs 3, UStG § 16, UStG § 18, EWGRL 388/77 Art 17 Abs 3, EWGRL 388/77 Art 17 Abs 4, EWGRL 1072/79 Art 1, UStDV §§ 59ff, UStAE Abschn 18.15 Abs 1 S 2, UStDV § 59
vorgehend Finanzgericht des Saarlandes , 06. December 2010, Az: 1 K 1237/07
Leitsätze
Ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, ist berechtigt und verpflichtet, alle in diesem Kalenderjahr abziehbaren Vorsteuerbeträge in dieser Steuererklärung geltend zu machen (entgegen Abschn. 18.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE) .
Tatbestand
I.
Die in X ansässige Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unterhält eine Spedition und ist im internationalen Transportgeschäft tätig. Sie führte im Inland Transportdienstleistungen aus. Sie erbrachte im Streitjahr 2002 nur Umsätze, für die gemäß § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) die Leistungsempfänger die Steuer schuldeten. Die Leistungen wurden in der Weise abgerechnet, dass die Leistungsempfänger der Klägerin Gutschriften mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer erteilten.
Die Klägerin stellte am 25. Juni 2003 (Eingang beim Bundesamt für Finanzen [BfF; jetzt Bundeszentralamt für Steuern]) fristgerecht einen Antrag auf Vorsteuervergütung; sie wies im Begleitschreiben darauf hin, dass sie für von ihr erbrachte Leistungen Gutschriften mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erhalten habe. Weiter schlug sie vor, eventuell geschuldete Umsatzsteuer mit den zu vergütenden Beträgen zu verrechnen. Das BfF führte dazu im Schreiben vom 7. Juni 2004 aus, eventuell lägen die Voraussetzungen für das Vergütungsverfahren nicht vor, da diese Gutschriften wie Rechnungen der Klägerin mit Umsatzsteuerausweis zu behandeln wären. Dies hätte zur Folge, dass sie, die Klägerin, diese Umsatzsteuer schulden würde und die beantragten Vorsteuerbeträge nur im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend gemacht werden könnten. Das BfF bat die Klägerin, dies zu prüfen. Daraufhin erläuterte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Oktober 2004, eine Berichtigung der Gutschriften sei nicht mehr möglich, und nahm den Vergütungsantrag zurück.
Die Klägerin reichte im September 2005 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr ein, in der sie Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Höhe von ... € (Umsatzsteuer ... €) und Vorsteuerbeträge in Höhe von ... € erklärte. Daraus ergab sich eine Umsatzsteuer in Höhe von ... €.
Abweichend davon erfasste das FA im Umsatzsteuerbescheid für 2002 vom 1. Dezember 2005 die Umsatzsteuer aus den erklärten Umsätzen als von der Klägerin ‑‑nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, sondern‑‑ nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldet. Es nahm an, die Klägerin habe dadurch, dass sie die Gutschriften mit gesondertem Steuerausweis widerspruchslos entgegengenommen habe, i.S. von § 14 Abs. 2 UStG in Rechnungen für sonstige Leistungen eine höhere Steuer ausgewiesen, als sie nach dem UStG für die Umsätze schulde; denn Steuerschuldner seien die Leistungsempfänger gemäß § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 UStG gewesen.
Die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge könnten im allgemeinen Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren nach § 18 Abs. 3 UStG nicht berücksichtigt werden, weil insoweit ausschließlich das (besondere) Vorsteuer-Vergütungsverfahren nach § 18 Abs. 9 UStG eingreife. Denn die Klägerin habe i.S. von § 59 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) im Streitjahr nur Umsätze ausgeführt, für die gemäß § 13b UStG die Leistungsempfänger die Steuer schuldeten. Dementsprechend setzte das FA die Umsatzsteuer für 2002 auf ... € fest.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des FA. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Klägerin die Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG schulde, da sie als Unternehmerin in einer Rechnung für eine sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag gesondert ausgewiesen habe, als sie für den Umsatz geschuldet habe. Die Klägerin habe (unzutreffende) Gutschriften mit offen ausgewiesenem Umsatzsteuerbetrag von den inländischen Leistungsempfängern unwidersprochen entgegengenommen. Dies sei der Ausstellung einer (unzutreffenden) Rechnung gleichzusetzen.
Das FA habe ferner zu Recht die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht berücksichtigt. Das allgemeine Besteuerungsverfahren gemäß der §§ 16 und 18 Abs. 1 bis 4 UStG sei insoweit für die Klägerin nicht durchführbar gewesen. Aufgrund der zwingenden Anordnung in § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG i.V.m. § 59 UStDV ("... ist ... durchzuführen ...") sei der ausländische Unternehmer unter den in § 13b UStG genannten Voraussetzungen auf das Vorsteuer-Vergütungsverfahren beschränkt. Er habe kein Wahlrecht, ob er die Erstattung seiner Vorsteuerbeträge in dem einen oder dem anderen Verfahren verfolge.
Die Klägerin stützt ihre Revision auf die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, dass sie die Vorsteuerbeträge auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend machen könne. Ein Vorrang des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens nach § 59 Nr. 2 UStDV bestehe nicht.
Die Klägerin beantragt,
das FG-Urteil sowie die Umsatzsteuerfestsetzung vom 1. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. März 2007 aufzuheben und die Umsatzsteuer auf ... € festzusetzen.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Das FA teilt die Ansicht des FG. Weise der Unternehmer für eine Leistung, für die nach den gesetzlichen Regelungen der Leistungsempfänger die Steuer schulde, Umsatzsteuer offen aus, sei dies keine Leistung, die zur Nichtanwendung des Mehrwertsteuer-Erstattungsverfahrens führe. Einen Ausschluss aus dem besonderen Mehrwertsteuer-Erstattungsverfahren bei Vorliegen einer Steuerschuld wegen unberechtigten Steuerausweises sehe die Achte Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 79/1072/EWG) nicht vor. Durch die Vorgaben der Richtlinie 79/1072/EWG grenze das Unionsrecht klar ab, in welchem Verfahren ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiger Unternehmer sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen müsse. Hätte der Steuerpflichtige die Wahl, die Vorsteuer sowohl im Vorsteuer-Vergütungsverfahren als auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend zu machen, wäre eine Kontrolle seitens der Finanzverwaltung nicht gewährleistet und es bestünde die Gefahr einer doppelten Gewährung des Vorsteuerabzugs. Die unionsrechtlichen Vorgaben stützten somit § 18 Abs. 9 UStG, §§ 59 bis 62 UStDV und die in Abschn. 18.15. Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) geregelte Verwaltungsauffassung.
Darüber hinaus gehe das Vorsteuer-Vergütungsverfahren als "lex specialis" in Abweichung von § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG dem allgemeinen Besteuerungsverfahren vor.
§ 62 UStDV sei in diesem Zusammenhang nicht einschlägig. Diese Vorschrift bezwecke, einen mehrfachen Vorsteuerabzug durch den im Ausland ansässigen Unternehmer zu verhindern. Die Anwendung dieser Regelung könne aber nur dann greifen, wenn bei Anwendung des allgemeinen Besteuerungsverfahrens die Voraussetzungen des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens im Besteuerungszeitraum nicht mehr erfüllt seien. Erfülle der Unternehmer weiterhin die Voraussetzungen des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens, gehe die Vorschrift ins Leere.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin die im Streitjahr entstandenen Vorsteuerbeträge nicht im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend machen kann. Ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine Steuererklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, ist ‑‑entgegen der Ansicht des FG und des FA‑‑ berechtigt und verpflichtet, alle in diesem Kalenderjahr entstandenen Vorsteuerbeträge in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung geltend zu machen.
Der Senat kann aufgrund fehlender Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für den Abzug der von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge vorliegen.
1. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG hat der Unternehmer im Regelfall für das Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben. Wie sich aus der Bezugnahme in § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG auf § 16 Abs. 1 bis 4 und § 17 UStG ergibt, besteht die Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für die Unternehmer, die einen oder mehrere der in diesen Vorschriften bezeichneten Tatbestände verwirklicht haben. Hierzu gehören insbesondere steuerbare Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, soweit für sie die Steuerschuldnerschaft gegeben ist (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 3 UStG), und die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 16 Abs. 2 Satz 1 UStG). Ferner ist ein Unternehmer in den Fällen, in denen er die Steuer nach § 14 Abs. 2 UStG oder nach § 14 Abs. 3 UStG schuldet, nach § 18 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 4 UStG verpflichtet, eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abzugeben. Dies gilt ‑‑wie im Streitfall‑‑ auch für Unternehmer mit Sitz im Ausland.
2. Danach war die Klägerin zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr verpflichtet, ohne dass es entscheidungserheblich ist, ob die Verpflichtung zur Abgabe darauf gestützt wird, dass die Umsatzsteuer für die den Gutschriften zugrunde liegenden Umsätze ‑‑wie von der Klägerin erklärt‑‑ gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG oder ‑‑wie vom FA vertreten‑‑ wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14 Abs. 2 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG entstanden ist.
3. Setzt das FA gegen einen im Ausland ansässigen Unternehmer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG, nach § 14 Abs. 2 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG oder nach § 14 Abs. 3 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG Umsatzsteuer im allgemeinen Besteuerungsverfahren fest, so sind gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der berechneten Steuer die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen.
Dem steht ‑‑entgegen der Ansicht des FA‑‑ nicht entgegen, dass nach § 18 Abs. 9 UStG zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren durch Rechtsverordnung geregelt werden kann (gl. A. Bunjes/Leonard, UStG, 11. Aufl., § 18 Rz 37; Maunz in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 248; a.A. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. Dezember 2009 IV B 9-S 7359/09/10001, BStBl I 2009, 1520, Rz 29; Abschn. 18.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE; Sterzinger, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 713, 714; Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 214 Rz 332; Huschens, Lexikon des Steuer- und Wirtschaftsrechts Heft 2/2013, Gruppe 7, 145, 175; Huschens in Vogel/Schwarz, UStG, § 18 Rz 150).
a) Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann die Vergütung von Vorsteuerbeträgen an im Ausland ansässige Unternehmer abweichend von den §§ 16, 18 Abs. 1 bis 4 UStG in einem besonderen Verfahren (Vergütungsverfahren) geregelt werden.
Aufgrund dieser Ermächtigung ist gemäß § 59 UStDV die Vergütung der abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer (§ 13b Abs. 4 UStG) abweichend von § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nach den §§ 60 und 61 UStDV durchzuführen, wenn der Unternehmer im Vergütungszeitraum
"1.
im Inland keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 des Gesetzes oder nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 3 des Gesetzes ausgeführt hat,
2.
nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b des Gesetzes) oder die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5 und § 18 Abs. 5 des Gesetzes) unterlegen haben, oder
3.
im Inland nur innergemeinschaftliche Erwerbe und daran anschließende Lieferungen im Sinne des § 25b Abs. 2 des Gesetzes ausgeführt hat."
b) § 18 Abs. 9 UStG und das im Streitjahr geltende Vorsteuer-Vergütungsverfahren beruhen auf Art. 17 Abs. 3 und 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) i.V.m. der Richtlinie 79/1072/EWG.
Art. 17 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 77/388/EWG lautet:
"(3) Die Mitgliedstaaten gewähren jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke:
a) seiner Umsätze, die sich aus den im Ausland ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 ergeben, für die das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn diese Umsätze im Inland bewirkt worden wären;
b) seiner nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe i), Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 1 Teile B, C und D und Absatz 2 befreiten Umsätze;
c) seiner nach Artikel 13 Teil B Buchstaben a) und d) Nummern 1 bis 5 befreiten Umsätze, wenn der Leistungsempfänger außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit zur Ausfuhr in ein Land außerhalb der Gemeinschaft bestimmten Gegenständen zusammenhängen.
(4) Der Rat wird möglichst vor dem 31. Dezember 1977 auf Vorschlag der Kommission einstimmig gemeinschaftliche Durchführungsbestimmungen erlassen, nach denen Erstattungen nach Absatz 3 an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige erfolgen. Bis zum Inkrafttreten dieser gemeinschaftlichen Durchführungsbestimmungen legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten der Erstattung selbst fest. Ist der Steuerpflichtige nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässig, so können die Mitgliedstaaten die Erstattung ausschließen oder von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen."Nach Art. 1 der Richtlinie 79/1072/EWG gilt für "die Anwendung dieser Richtlinie ... als nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger derjenige Steuerpflichtige nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG, der in dem Zeitraum nach Artikel 7 Absatz 1 erster Unterabsatz Sätze 1 und 2 in diesem Land weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, noch - in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer festen Niederlassung - seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt hat und der in dem gleichen Zeitraum im Inland keine Gegenstände geliefert oder Dienstleistungen erbracht hat mit Ausnahme von:
a) Beförderungsumsätzen und den damit verbundenen Nebentätigkeiten, die gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe i), Artikel 15 oder Artikel 16 Absatz 1 Teile B, C und D der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind, oder
b) Dienstleistungen, bei denen die Steuer gemäß Artikel 21 Nummer 1 Buchstabe b) der Richtlinie 77/388/EWG lediglich vom Empfänger geschuldet wird".aa) Wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 79/1072/EWG ergibt, ist es ihr Zweck zu vermeiden, dass ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Steuerpflichtiger die Steuer, die ihm in einem anderen Mitgliedstaat für die Lieferung von Gegenständen oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen in Rechnung gestellt worden ist, endgültig tragen muss und damit einer Doppelbesteuerung unterliegt. Nach dem achten Erwägungsgrund sehen die in der Richtlinie 79/1072/EWG enthaltenen Durchführungsbestimmungen insbesondere vor, dass die Bescheide über die Erstattungsanträge binnen sechs Monaten nach Einreichung dieser Anträge zuzustellen und die Erstattungen innerhalb derselben Frist vorzunehmen sind.
Die Richtlinie 79/1072/EWG bezweckt damit ‑‑wie auch mit der Schaffung einer zentralen Antragsstelle‑‑ eine Vereinfachung und Beschleunigung der Vorsteuererstattung an im Ausland ansässige Steuerpflichtige in bestimmten Fällen.
bb) Die Richtlinie 79/1072/EWG bezweckt aber nicht, dass im allgemeinen Besteuerungsverfahren allein für im Ausland ansässige Unternehmer die Möglichkeit versagt wäre, den Vorsteuerabzug geltend machen zu können.
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung des Vergütungsverfahrens nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. § 59 UStDV nicht vor. Zwar handelt es sich bei der Klägerin um ein im Ausland ansässiges Unternehmen, das entsprechend § 59 Nr. 2 UStDV nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b UStG).
Gleichwohl reicht dies für die Anwendung des Vergütungsverfahrens nicht aus; denn im Fall einer Steuerfestsetzung durch das FA entfaltet § 59 UStDV bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung für gleichzeitig geltend gemachte Vorsteuerbeträge ‑‑entgegen der Auffassung des FA‑‑ keine Sperrwirkung für das allgemeine Besteuerungsverfahren (vgl. § 18 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 7. März 2013 V R 12/12, BFH/NV 2013, 1133, Rz 15).
aa) Die Auffassung des FA steht im Widerspruch zu dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 79/1072/EWG, nach dem die Regelung nicht dazu führen darf, dass die Steuerpflichtigen, je nachdem, in welchem Mitgliedstaat sie ansässig sind, unterschiedlich behandelt werden. Daher ist es unionsrechtlich geboten, dass jeder Unternehmer, der dem allgemeinen Besteuerungsverfahren im Inland unterliegt ‑‑unabhängig davon, wo er ansässig ist‑‑ auch den Vorsteuerabzug aus abziehbaren Vorsteuerbeträgen geltend machen kann (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 1133, Rz 17).
Es würde zudem nicht zu der von dem Vergütungsverfahren angestrebten "Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens" (vgl. § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG) führen, den im Ausland ansässigen Unternehmer für ein Kalenderjahr, für das er nach § 18 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 UStG eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abzugeben hat, daneben zur Geltendmachung der abziehbaren Vorsteuer im Vergütungsverfahren zu verpflichten (vgl. BFH-Urteil vom 14. April 2011 V R 14/10, BFHE 233, 360, BStBl II 2011, 834, Rz 29).
bb) Der Wortlaut des § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG i.V.m. § 59 UStDV steht einer solchen unionsrechtskonformen Auslegung nicht entgegen; denn dort heißt es nicht, dass in den in § 59 UStDV genannten Fällen nur eine Erstattung im Vorsteuer-Vergütungsverfahren möglich ist.
Vielmehr sieht § 62 Abs. 1 UStDV ausdrücklich Regelungen für den Fall vor, dass bei einem in § 59 UStDV genannten Unternehmer eine Besteuerung nach § 18 Abs. 1 bis 4 UStG durchzuführen ist; im Rahmen des allgemeinen Besteuerungsverfahrens sind dann nur die Vorsteuerbeträge nicht zu berücksichtigen, "die nach § 59 UStDV vergütet worden sind", nicht aber allgemein die nach § 59 UStDV vergütbaren Vorsteuerbeträge (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 360, BStBl II 2011, 834, Rz 29). Dieser aus dem Wortlaut des § 62 Abs. 1 UStDV abgeleitete Umkehrschluss ist entgegen der Auffassung des FA zulässig.
Dabei kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 oder Abs. 3 UStG im Streitfall tatsächlich vorliegen. Entscheidend ist, dass das FA durch Heranziehung dieser Vorschrift das allgemeine Besteuerungsverfahren angewandt hat. Daran muss es sich festhalten lassen.
cc) Dieses Ergebnis stimmt mit dem des BFH-Urteils in BFHE 233, 360, BStBl II 2011, 834 überein.
Der BFH hat dort entschieden, ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 UStG ist und gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine Steuererklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, sei berechtigt, alle in diesem Kalenderjahr entstandenen Vorsteuerbeträge in der Jahreserklärung geltend zu machen (Urteil in BFHE 233, 360, BStBl II 2011, 834, Leitsatz 1).
Der Streitfall betrifft zwar einen anderen Sachverhalt, er ist dem dortigen aber insofern vergleichbar, als die Klägerin gleichfalls Steuerschuldnerin ist ‑‑sei es nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG, nach § 14 Abs. 2 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG oder nach § 14 Abs. 3 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG‑‑ und deshalb gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine Steuererklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, und vom FA auch zur Umsatzsteuer veranlagt worden ist.
d) Die übrigen vom FA erhobenen Einwendungen greifen ebenfalls nicht durch.
aa) Ohne Erfolg wendet das FA ein, der im Ausland ansässige Unternehmer unterliege für den Fall, dass der unberechtigte Steuerausweis berichtigt werde, nicht mehr dem allgemeinen Besteuerungsverfahren und sei dann (wieder) zur Geltendmachung seines Vorsteueranspruchs zwingend auf das Vorsteuer-Vergütungsverfahren angewiesen. Ob diese Auffassung zutrifft, kann im Streitfall offenbleiben, weil die Gutschriften nicht berichtigt wurden. Zudem ist eine Berichtigung nach den Angaben der Klägerin im Schreiben vom 5. Oktober 2004 nicht mehr möglich.
bb) Auch die weitere Einwendung des FA, bei einem Wahlrecht des Steuerpflichtigen, die Vorsteuer sowohl im Vergütungsverfahren als auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend zu machen, wäre eine Kontrolle durch die Finanzverwaltung nicht gewährleistet und es bestünde die Gefahr einer doppelten Gewährung des Vorsteuerabzugs, greift nicht durch; denn ein solches "Wahlrecht" besteht nicht. Im Übrigen hat im Streitfall die Klägerin den ‑‑fristgerecht gestellten‑‑ Antrag auf Vorsteuervergütung beim BfF zurückgenommen.
4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Klägerin ist berechtigt, alle in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge von der berechneten Steuer abzusetzen (§ 18 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG).
Das FG hat im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung geltend gemachten Vorsteuerbeträge abziehbar sind. Es wird dabei zu erwägen haben, ob es eventuell noch vorhandene Akten des BfF zum Vergütungsantrag vom 25. Juni 2003 (wegen § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG) beizieht.