BFH VII. Senat
EnergieStG § 30 Abs 1, EnergieStG § 24 Abs 2, EnergieStG § 24 Abs 5, EnergieStG § 27 Abs 1 S 1 Nr 1, EnergieStV § 55, EnergieStV § 57 Abs 4, BGB § 929 S 2, EGRL 18/2008 Art 7, EGRL 18/2008 Art 37
vorgehend FG Hamburg, 18. May 2011, Az: 4 K 205/10
Leitsätze
1. Eine Abgabe von Energieerzeugnissen i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG liegt auch in den Fällen vor, in denen der Abgebende einer anderen Person aufgrund eines vereinbarten Besitzmittlungsverhältnisses den mittelbaren Besitz an den Energieerzeugnissen verschafft.
2. Die in § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG getroffene Regelung kann nicht als allgemeine Heilungsvorschrift verstanden werden, die ungeachtet eines Zwischenerwerbs durch einen Nichtberechtigten den in § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG normierten Steuerentstehungstatbestand verdrängt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1. (Klägerin zu 1.) kaufte bei der Klägerin und Revisionsbeklagten zu 2. (Klägerin zu 2.) insgesamt 36 720 L Gasöl, das im Auftrag der Klägerin zu 2. im Steuerlager der Firma H lagerte. Vereinbart war eine Lieferung am 24. Februar 2009. Die Klägerin zu 1. hatte das Gasöl an die Firma T zur Bunkerung eines Seeschiffs weiterverkauft. Mit E-Mail vom 20. Februar 2009 veranlasste die Klägerin zu 2. bei der Firma H die Freistellung des Gasöls für die Klägerin zu 1. zur Bunkerung des Seeschiffs, die am 24. Februar 2009 stattfand. Zu dieser Zeit war nur die Klägerin zu 2. im Besitz einer Erlaubnis als Verteilerin gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG). Eine solche Erlaubnis wurde der Klägerin zu 1. erst am 15. Juli 2009 erteilt. Mit der Begründung, sie sei zum Zeitpunkt der Abgabe der Energieerzeugnisse weder Inhaberin einer Erlaubnis zur steuerfreien Verteilung von Energieerzeugnissen noch selbst Verwenderin dieser Energieerzeugnisse zu steuerfreien Zwecken als Schiffsbetriebsstoff gewesen, nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) die Klägerin zu 1. nach § 30 Abs. 1 EnergieStG i.V.m. § 57 Abs. 9 und Abs. 4 der Energiesteuer-Durchführungsverordnung (EnergieStV) auf Zahlung von Energiesteuer in Anspruch. Aufgrund der Abgabe des Gasöls an die Klägerin zu 1. und somit an einen Nichtberechtigten wurde auch die Klägerin zu 2. gesamtschuldnerisch mit der Klägerin zu 1. auf diesen Betrag in Anspruch genommen. Die nach den erfolglosen Einspruchsverfahren erhobene Klage führte zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, es bedürfe keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die Klägerin zu 2. das Gasöl entgegen der in der Verteilererlaubnis genannten Zweckbestimmung an die Klägerin zu 1. abgegeben habe. Denn die Steuer sei nach § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG nicht entstanden, weil das Gasöl durch die Bunkerung eines Seeschiffs an die Firma T abgegeben worden sei, die ihrerseits im Zeitpunkt der Bunkerung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG, § 55 EnergieStV i.V.m. Nr. 3 Buchst. a der Anlage 1 zur EnergieStV im Besitz einer allgemeinen Erlaubnis zur Verwendung von Energieerzeugnissen für die Schifffahrt gewesen sei. In Bezug auf den Entstehungstatbestand des § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG komme es auf die erste Abgabe des Energieerzeugnisses nicht an. Neben der Abgabe von Energieerzeugnissen an berechtigte Personen werde durch diese Bestimmung auch der Untergang eines Energieerzeugnisses geregelt. In beiden Fällen solle eine Energiesteuer nicht entstehen. Sofern der Letzterwerber eine entsprechende Erlaubnis habe, sei es unbeachtlich, ob er das Energieerzeugnis von einem Berechtigten oder Nichtberechtigten erhalten habe. Dieses Normverständnis entspreche auch dem Charakter des § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG als Heilungsvorschrift für Fälle, in denen die Steuererhebung mangels Gefährdung des Steueranspruchs nicht geboten sei. Im Streitfall habe sich das Gasöl stets unter Steueraufsicht befunden, so dass ein solcher Fall vorliege.
Mit seiner Revision macht das HZA eine Verletzung des § 30 Abs. 1 EnergieStG geltend, bei dem es sich entgegen der Rechtsauffassung des FG nicht um eine allgemeine Heilungsvorschrift handele. Die in § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG normierten Rechtsfolgen einer Abgabe von Energieerzeugnissen an Berechtigte oder eines Untergangs dürften nicht eigenständig und losgelöst von dem in § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG normierten Entstehungstatbestand gesehen werden. Erst wenn feststehe, dass eine Steuer durch die zweckwidrige Abgabe entstanden sei, stelle sich die Frage, ob besondere Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von der Steuerentstehung rechtfertigten. Zu Unrecht habe das FG die Frage unbeantwortet gelassen, ob die Klägerin zu 2. das Gasöl an die Klägerin zu 1. abgegeben habe. Ein Verteiler müsse sich nach § 57 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 EnergieStV durch Anforderung des Erlaubnisscheins davon überzeugen, ob der Empfänger zum Bezug von steuerfreien Energieerzeugnissen berechtigt sei. Dies habe die Klägerin zu 2. pflichtwidrig unterlassen. Im Rahmen eines sog. Streckengeschäfts, bei dem Energieerzeugnisse über mehrere Verteiler ohne Inbesitznahme gehandelt würden, werde die Prüfungspflicht nach § 57 Abs. 4 i.V.m. Abs. 9 EnergieStV modifiziert. Ausreichend sei, dass jedem Beteiligten der gültige Erlaubnisschein seines jeweiligen Vertragspartners in der Kette vorliege. Ein Verteiler dürfe daher an einen Empfänger ohne Prüfung der Berechtigung abgeben. Jede Abgabe müsse für sich betrachtet werden.
Zudem sei zwischen der Übergabe und der Abgabe zu unterscheiden. Die Übergabe i.S. des § 57 Abs. 4 Satz 2 EnergieStV erfolge vom Erstveräußerer an den Letzterwerber. Eine Abgabe erfolge in der Strecke vom Erstveräußerer an den ersten Zwischenhändler und evtl. an weitere Zwischenhändler. Als Konsequenz der vom FG vorgenommenen Auslegung des § 30 Abs. 1 EnergieStG könnten sich Fallkonstellationen ergeben, in denen der Verteiler ohne Verletzung seiner Prüfungspflicht Steuerschuldner werde. Entstünde die Energiesteuer durch "Heilung" beim Zwischenhandel unter Beteiligung nichtberechtigter Personen nicht, sei der Handel mit Energieerzeugnissen der gesetzlich angeordneten Steueraufsicht entzogen.
Die Klägerinnen zu 1. und 2. beantragen die Revision als unbegründet abzuweisen. Zu Recht habe das FG § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG in Anlehnung an Art. 204 Abs. 1 des Zollkodex ausgelegt. Im Gegensatz zum Umsatzsteuerrecht stelle das Verbrauchsteuerrecht nicht auf rechtsgeschäftliche Beziehungen, sondern auf Realakte ab. Infolgedessen könne der Begriff der Abgabe in § 30 Abs. 1 EnergieStG nur als körperliche Übergabe verstanden werden. Die Grundsätze des umsatzsteuerrechtlichen Reihengeschäfts ließen sich nicht auf das Verbrauchsteuerrecht übertragen. Auch eines Rückgriffs auf das Besitzrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bedürfe es nicht. Die Abgabe müsse einen unmittelbaren Besitz verschaffen, der eine Verwendung ermögliche. Deshalb reiche die Verschaffung mittelbaren Besitzes nicht aus. Die Steuergerechtigkeit werde verletzt, wenn Ordnungsverstöße steuerschuldrechtlich sanktioniert würden. Eine bloße Unterbrechung der Steueraufsicht könne eine Steuerentstehung nicht rechtfertigen. Wolle man an eine verbotene Abgabe von Energieerzeugnissen eine Steuerentstehung knüpfen, müsse auch die Verwendung der Erzeugnisse verboten sein. Im Streitfall sei das Gasöl jedoch steuerbegünstigt verwendet worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des HZA ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG. Unter Verletzung von Bundesrecht hat dieses zu Unrecht angenommen, dass eine Entstehung der Steuer nach § 30 Abs. 1 EnergieStG ‑‑ungeachtet etwaiger dazwischen geschalteter Dritter‑‑ nicht in Betracht kommen kann, wenn das Energieerzeugnis an eine Person gelangt ist, die zum Bezug steuerfreier Energieerzeugnisse berechtigt ist. Die Steuer entsteht vielmehr bei Abgabe an einen Nichtberechtigten, der ‑‑evtl. in einer Lieferkette‑‑ zumindest mittelbaren Besitz an den Energieerzeugnissen erlangt.
1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG entsteht die Steuer nicht, wenn die Energieerzeugnisse untergegangen oder an Personen abgegeben worden sind, die zum Bezug von steuerfreien Energieerzeugnissen berechtigt sind. Entgegen der Auffassung des FG kann § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG nicht als allgemeine Heilungsvorschrift verstanden werden mit der Folge, dass eine Steuer in allen Fällen nicht entsteht, in denen von einem Erlaubnisinhaber abgegebene Energieerzeugnisse an einen berechtigten Letztverwender gelangen, selbst wenn diese zuvor ‑‑etwa in einer Lieferkette‑‑ auch an einen zur steuerbegünstigten Verwendung nicht berechtigten Abnehmer abgegeben worden sind.
a) Bei den in § 30 EnergieStG getroffenen Regelungen handelt es sich um Vorschriften, die das in den §§ 24 ff. EnergieStG festgelegte Verfahren der steuerfreien Verwendung und steuerfreien Verteilung näher ausgestalten. Grundsätzlich können die vom Gesetzgeber nach den §§ 25 bis 28 EnergieStG gewährten Steuerbefreiungen nur von Personen in Anspruch genommen werden, die über eine entsprechende Erlaubnis verfügen (§ 24 Abs. 2 EnergieStG). Als Maßnahme der Steueraufsicht dient die Erlaubnis der Überwachung des begünstigten Personenkreises. Durch den Antrag auf Erteilung einer förmlichen Verwender- oder Verteilererlaubnis erlangen die Finanzbehörden Kenntnis von denjenigen Wirtschaftsbeteiligten, die den Umgang mit unversteuerten Energieerzeugnissen begehren. Zugleich erhalten sie Gelegenheit, deren steuerliche Zuverlässigkeit zu überprüfen, die nach § 24 Abs. 5 Satz 1 EnergieStG unabdingbare Voraussetzung für die Erlaubniserteilung ist. Mit der Erteilung der Erlaubnis ist die Erwartung verbunden, der Erlaubnisinhaber werde von ihr in einer ihrem Regelungsgehalt entsprechenden Weise Gebrauch machen.
Für den Fall eines Missbrauchs hat der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG die Entstehung der Steuer angeordnet. Danach entsteht die Steuer u.a., wenn die Energieerzeugnisse entgegen der in der Erlaubnis genannten Zweckbestimmung verwendet oder abgegeben werden. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bestimmung lässt bereits die erstmalige Abgabe an einen Nichtberechtigten die Steuer entstehen. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen stellt die Steuerentstehung keine Sanktion dar, sondern sie ist als systemimmanente Folge eines Umgangs mit dem unter Steueraufsicht stehenden Erzeugnis anzusehen, der von den Voraussetzungen des Begünstigungstatbestands und vom Inhalt der diesem entsprechenden Erlaubnis nicht mehr gedeckt ist.
b) Allerdings soll diese Rechtsfolge dann nicht eintreten, wenn die Steueraufsicht aufgrund besonderer Umstände nachweislich nicht gefährdet ist. Nach den hierzu in § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG getroffenen Regelungen entsteht die Steuer nicht, wenn die Energieerzeugnisse untergegangen oder an Personen abgegeben worden sind, die zum Bezug steuerfreier Energieerzeugnisse berechtigt sind. Unter Annahme einer vollständigen Eliminierung oder begünstigten Verwendung schließen sowohl der Untergang, als auch die Inbesitznahme des Erzeugnisses durch einen Erlaubnisinhaber eine Gefährdung des Steueranspruchs weitgehend aus. Dies legitimiert ein Absehen von der Steuererhebung durch Verdrängung des in § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG festgelegten Entstehungstatbestands.
c) Anders verhält es sich jedoch bei der Abgabe an einen Nichtberechtigten. Denn im Zeitpunkt der Abgabe an einen Wirtschaftsbeteiligten, der keine Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung oder Verteilung besitzt, kann eine zweckwidrige Verwendung des Erzeugnisses nicht zuverlässig ausgeschlossen werden. Deshalb kann in diesen Fällen die Steuerentstehung nicht davon abhängig gemacht werden, dass das Erzeugnis nach seiner erstmaligen Abgabe zu irgendeinem Zeitpunkt einen zum Bezug steuerfreier Energieerzeugnisse Berechtigten erreicht. Infolgedessen entsteht die Steuer mit der Abgabe an den Nichtberechtigten. Die Steuerentstehung lässt sich auch durch eine spätere Abgabe an einen Erlaubnisinhaber nicht mehr rückgängig machen. Entgegen der Auffassung des FG lassen sich die steuerrechtlichen Folgen einer zwischenzeitlichen Abgabe an einen Nichtberechtigten nicht aus der Sicht des Letztverwenders bestimmen, sondern in den Blick zu nehmen ist der Zeitpunkt der ersten Abgabe, die bei einer Abgabe an einen Nichtberechtigten, der aufgrund der fehlenden Erlaubnis der Finanzbehörde unbekannt sein dürfte, zu einer Unterbrechung der Steueraufsicht führt.
2. Sofern das Gesetz auch den Untergang eines Erzeugnisses als den Steuerentstehungstatbestand verdrängendes Ereignis ansieht, lässt sich darauf das vom FG gefundene Auslegungsergebnis nicht stützen. Sowohl nach den unionsrechtlichen als auch nach den Vorgaben des nationalen Verbrauchsteuerrechts entfaltet der Untergang verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht stets eine Sperrwirkung, die eine Steuerentstehung bzw. Steuererhebung verhindert. Art. 7 und Art. 37 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 9/12) ordnen eine Verdrängung der Steuerentstehung bzw. ein Absehen von der Steuererhebung nur für die Fälle an, in denen sich die Waren in einem Steueraussetzungsverfahren bzw. in einem Beförderungsverfahren befinden. Wie die Mitgliedstaaten den Untergang von Waren regeln, die aus dem Steueraussetzungsverfahren entnommen worden sind, oder die sich als Waren des freien Verkehrs nicht in einem Beförderungsverfahren befinden, bleibt ihnen überlassen. Von der in § 18a Abs. 2 EnergieStG normierten Ausnahme abgesehen, führt der Untergang von Energieerzeugnissen des freien Verkehrs grundsätzlich nicht zur Verdrängung des Steuerentstehungstatbestands oder zur Entstehung von Vergütungs- oder Erstattungsansprüchen. Der Senat vermag deshalb die Auffassung des FG nicht zu teilen, dass § 30 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG lediglich auf den Untergang als objektivem Sachverhalt abstellt, ohne zu berücksichtigen, bei wem das Erzeugnis untergeht, so dass die Steuer selbst dann nicht entsteht, wenn das Erzeugnis bei einem Nichtberechtigten untergeht.
Aus den bereits genannten Gründen legen das System und die Ausgestaltung des Verfahrens der steuerfreien Verwendung eine Deutung nahe, nach der eine Steuer nur dann nicht entsteht, wenn die Erzeugnisse bei einem Erlaubnisinhaber untergehen. Bei dieser Betrachtung kann sich die Frage nach den steuerrechtlichen Folgen eines Untergangs bei der Abgabe an Nichtberechtigte nicht stellen, denn mit der Abgabe der Erzeugnisse entsteht die Steuer, ohne dass diese Rechtsfolge durch einen späteren Untergang beeinträchtigt werden könnte.
Somit lässt allein der Umstand, dass das Gasöl an ein Unternehmen abgegeben worden ist, das als Betreiber eines Seeschiffs über eine allgemeine Erlaubnis nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG, § 55 EnergieStV i.V.m. Nr. 3 Buchst. a der Anlage 1 zur EnergieStV verfügte, nicht ohne Weiteres den Schluss zu, eine Steuer könne nach § 30 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG nicht entstanden sein. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die streitgegenständlichen Energieerzeugnisse vor ihrer Lieferung an die Firma T an die Klägerin zu 1. und damit an einen Nichtberechtigten abgegeben worden sind.
3. Das Gasöl ist im Streitfall an die Klägerin zu 1. mit der Folge der Steuerentstehung nach § 30 Abs. 1 EnergieStG abgegeben worden. Hierfür ist es ausreichend, dass die Klägerin zu 1. zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrags ein Besitzmittlungsverhältnis begründet und damit mittelbaren Besitz an dem Gasöl erlangt hat.
a) Der Begriff der Abgabe erfährt im EnergieStG keine nähere Definition. Es bedarf jedoch keiner Begründung, dass in der Verschaffung des unmittelbaren Besitzes in der Regel eine Abgabe i.S. des § 30 Abs. 1 EnergieStG zu sehen ist. Um die im Mineralölhandel üblichen und nach § 57 Abs. 4 EnergieStV im Energiesteuerrecht ausdrücklich vorgesehenen Streckengeschäfte in den Anwendungsbereich des § 30 EnergieStG mit einzubeziehen und auch für diese Fälle des Handels mit Energieerzeugnissen die energiesteuerrechtlichen Folgen einer Abgabe an Nichtberechtigte zu regeln, ist von einer Abgabe auch dann auszugehen, wenn dem Erwerber der mittelbare Besitz verschafft wird, also ein auf einem Besitzmittlungswillen beruhendes Besitzmittlungsverhältnis begründet wird, nach dem der unmittelbare Besitzer seinen Besitz in Anerkennung eines Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers ausübt. Denn nur auf diese Weise lassen sich die Erzeugnisse aufgrund klarer Besitzverhältnisse eindeutig zuordnen.
b) Aufgrund dieser Überlegungen kann ein sog. Geheißerwerb nach § 929 Satz 2 BGB, bei dem die Lieferung durch den Veräußerer an einen vom Erwerber benannten Dritten ausreichend sein soll, ohne dass dem Erwerber Besitz vermittelt wird (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl., § 929 Rz 19; Soergel-Mühl, BGB, 12. Aufl., § 929 Rz 8; zweifelnd, ob ein Geheißerwerb, bei dem der Erwerber Eigentümer werden soll, ohne Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses überhaupt möglich ist: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 1975 VIII ZR 179/74, Wertpapier-Mitteilungen 1976, 153), nicht als ausreichend für eine Abgabe i.S. des § 30 Abs. 1 EnergieStG angesehen werden (vgl. zu § 26 Abs. 3 und § 33 Abs. 8 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, S. 145; Schröer-Schallenberg in Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, Rz F 50; Peters, Das Verbrauchsteuerrecht, Rz 329a; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. Oktober 1988 VII R 17/85, BFH/NV 1989, 464).
c) Im Streitfall hat das FG einen sog. Geheißerwerb angenommen, ohne jedoch die Vertragsverhältnisse und Nebenabreden dahin zu prüfen, ob der Klägerin zu 1. zumindest der mittelbare Besitz verschafft worden ist. Es hat lediglich ausgeführt, ein Streckengeschäft und ein sog. Geheißerwerb lägen vor, wobei die gemäß § 929 BGB für die Eigentumsübertragung erforderliche Übergabe (Besitzübertragung) von der Klägerin zu 2. an die Klägerin zu 1. auf Geheiß des Ersterwerbers an einen Dritten (Firma T) erfolgt sei. Letztlich hat es dahingestellt sein lassen, ob die Klägerin zu 1. mittelbaren Besitz an dem Gasöl erlangt hat, jedoch darauf hingewiesen, selbst bei Annahme eines Geheißerwerbs könne eine Abgabe an die Klägerin zu 1. angenommen werden.
Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 2. mit der vom FG ausdrücklich in Bezug genommenen E-Mail vom 20. Februar 2009 gegenüber der Klägerin zu 1. und gegenüber dem Inhaber des Steuerlagers eine Freistellungserklärung abgegeben hat. Im Betreff der elektronischen Nachricht wird ausgeführt: "...: Freistellung 30 mt Gasöl DMA 0,1% für ...". Diese Erklärung lässt den Schluss zu, dass vor ihrer Abgabe zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrags zwischen der Klägerin zu 1. und der Klägerin zu 2. ein Besitzmittlungsverhältnis begründet worden ist, durch das die Klägerin zu 1. den mittelbaren Besitz und einen Herausgabeanspruch erlangt hat. Mit der Freistellungserklärung hat die Klägerin zu 2. das Besitzkonstitut konkretisiert. Somit ist von einer Abgabe des Gasöls an die Klägerin zu 1. i.S. des § 30 Abs. 1 EnergieStG auszugehen. Im Übrigen ist der erkennende Senat der Auffassung, dass mit dem Abschluss eines Kaufvertrags regelmäßig von der Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses in Bezug auf die erworbenen Energieerzeugnisse auszugehen ist, sofern die vertraglichen Absprachen nicht auf eine davon abweichende Regelung hindeuten.
Da von einer Abgabe an die Klägerin zu 1. und somit von einer Abgabe an einen Nichtberechtigten auszugehen ist, erweist sich aufgrund der Steuerentstehung nach § 30 Abs. 1 EnergieStG auch der gegen die Klägerin zu 2. gerichtete Steuerbescheid als rechtmäßig. Nach den Feststellungen des FG lagerten die streitgegenständlichen Energieerzeugnisse im Auftrag der Klägerin zu 2. im Steuerlager der Firma T. Demzufolge konnte sie jederzeit die Herausgabe an sich selbst bzw. an eine von ihr benannte Person verlangen, weshalb sie ebenfalls vor der Steuerentstehung zumindest mittelbaren Besitz an den Energieerzeugnissen erlangt hat. Deshalb ist die Klägerin zu 2. nach § 30 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG ebenfalls Steuerschuldnerin.
4. Da das FG eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, war die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.