BFH I. Senat
EStG § 22 Nr 3, EStG § 49 Abs 1 Nr 9 Alt 1, EStG § 50a Abs 4 S 1 Nr 3, EStG § 50a Abs 5 S 5, EStDV § 73g, AO § 191 Abs 1
vorgehend FG Düsseldorf, 06. February 2012, Az: 6 K 2147/10 H
Leitsätze
Eine im Ausland ansässige Person unterliegt mit ihren Einkünften aus der Vermietung von beweglichen Sachen (hier: LKW) an eine inländische Gesellschaft, die ihrerseits die Sachen an inländische Unternehmer weitervermietet, nur insoweit der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 9 Alternative 1 EStG 1997, als die Sachen tatsächlich im Inland genutzt werden.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme wegen Verletzung einer Pflicht zum Steuerabzug erfüllt sind (Vergütungen an eine ausländische Kapitalgesellschaft für die Überlassung von Fahrzeugen, die untervermietet und dabei überwiegend im Ausland eingesetzt wurden).
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 1998 eine Spedition. Sie mietete Sattelzugmaschinen (LKW) von einer Kapitalgesellschaft liechtensteinischen Rechts (S-AG), an der der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 51 % beteiligt war‑‑, an. Nach dem Rahmenmietvertrag vom 9. Februar 1998 erfolgte eine Anmietung "sowohl auf Basis des Mietkaufes als auch zur ausschließlichen Benutzung als Mietmaschine"; die Gegenstände der den jeweiligen LKW betreffenden Vereinbarungen wurden in einer sog. Bestandsliste festgehalten.
Die Klägerin vermietete die LKW ohne Gewinnaufschlag mit der (abgesehen von Währungsschwankungen) gleichen Miethöhe an selbständige, in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässige Frachtführer weiter, welche von der Klägerin zugleich eine "Vollbeschäftigungsgarantie" erhielten. Die Laufzeiten der Anmietung von der S-AG und der Vermietung an die Frachtführer deckten sich. Die im Eigentum der S-AG stehenden LKW wurden in den Niederlanden an die Frachtführer übergeben. Jene führten anschließend mit den LKW (nach einer mit Blick auf die Frachtführerlizenz erforderlichen straßenverkehrsrechtlichen Zulassung in Deutschland) ausschließlich Fahrten im Rahmen der Spedition der Klägerin durch. Die LKW waren in der Firmenfarbe der Klägerin gehalten und mit dem Firmen-Logo der Klägerin versehen. Fahrten erfolgten im Inland und im Ausland (hauptsächlich: Strecken zwischen Deutschland und Spanien); der inländische Streckenanteil lag unter 10 %. Die auf die an die Frachtführer überlassenen LKW entfallenden Mietzahlungen an die S-AG beliefen sich im Streitjahr auf 205.420 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) erließ unter Hinweis auf eine Verletzung einer Pflicht zum Steuerabzug (§ 50a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG 1997‑‑, § 73g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ‑‑EStDV 1997‑‑, § 191 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) einen Haftungsbescheid gegen die Klägerin als Haftungsschuldnerin. Die S-AG habe sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 EStG 1997 aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1997 erzielt (Verweis auf die Weitervermietung durch die Klägerin); jene unterlägen gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 1997 dem Steuerabzug. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (Finanzgericht ‑‑FG‑‑ Düsseldorf, Urteil vom 7. Februar 2012 6 K 2147/10 H, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2012, 1172).
Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil und den Haftungsbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG. Es fehlen Feststellungen des FG zum Umfang der tatsächlichen Nutzung der LKW im Inland als Grundlage der beschränkten Steuerpflicht der S-AG (Vergütungsempfängerin) und damit einer Haftungsinanspruchnahme der Klägerin.
1. Eine Kapitalgesellschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat, ist gemäß § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996) mit ihren inländischen Einkünften in Deutschland körperschaftsteuerpflichtig. Zu den inländischen Einkünften gehören nach der Rechtslage im Streitjahr gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1996 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1997 sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG 1997, auch wenn sie bei Anwendung dieser Vorschrift einer anderen Einkunftsart zuzurechnen wären, soweit es sich u.a. (dort Alternative 1) um Einkünfte aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland handelt und insoweit steuerpflichtige Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nrn. 1 bis 8 EStG 1997 nicht vorliegen.
2. Die S-AG hat als Kapitalgesellschaft liechtensteinischen Rechts, die weder ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) noch ihren Sitz (§ 11 AO) im Inland hatte, aus der Mietvereinbarung mit der Klägerin (Rahmenmietvertrag bzw. daran anschließende Einzelvereinbarungen) beschränkt steuerpflichtige Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 Alternative 1 EStG 1997 i.V.m. § 2 Nr. 1 KStG 1996) erzielt, soweit das von der Klägerin gezahlte Entgelt als Gegenleistung für eine Leistung der Vergütungsempfängerin anzusehen ist, die eine Nutzung einer beweglichen Sache (hier: LKW) im Inland zur Folge hatte.
a) In § 49 EStG 1997 werden die für die beschränkte Steuerpflicht eines Steuerausländers (Gebietsfremden) im Inland maßgeblichen Anknüpfungspunkte ‑‑auf der Grundlage des in § 2 Abs. 1 EStG 1997 umschriebenen Einkünftekatalogs‑‑ normiert (Senatsurteil vom 24. Februar 1988 I R 95/84, BFHE 153, 101, BStBl II 1988, 663). Dabei konnte der Gesetzgeber für die besondere Qualifizierung als "inländische Einkünfte" i.S. des § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG 1997 (sog. Territorialitätsprinzip; s.a. Gosch in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 49 Rz 1; Kahle/Schulz, Deutsche Steuer-Zeitung ‑‑DStZ‑‑ 2008, 784, 786) an den persönlichen Status des Steuerausländers (z.B. Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit) oder aber an die im Inland entfaltete wirtschaftliche Betätigung anknüpfen (sog. Quellenprinzip). In § 49 Abs. 1 Nr. 9 Alternative 1 EStG 1997 hat sich der Gesetzgeber für das Quellenprinzip entschieden; tatbestandsmäßig ist eine Erzielung von Leistungseinkünften durch den Steuerausländer im Zusammenhang mit der Nutzung beweglicher Sachen im Inland (zu der personellen Anbindung zutreffend Haberland, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2012, 1115, 1118). Ein über den Katalog des § 49 Abs. 1 EStG 1997 hinausgehendes (Auffang-)Besteuerungsrecht bei jedwedem Inlandsbezug der Tätigkeit besteht nicht (s. z.B. Senatsbeschluss vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254).
b) Nach § 22 Nr. 3 EStG 1997 liegen Einkünfte vor bei Leistungen, die nicht in besonders aufgezählten Einkunftsarten erfasst sind, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. § 49 Abs. 1 Nr. 9 Alternative 1 EStG 1997 bezieht sich insoweit allerdings nicht ausschließlich auf den Leistungsbegriff des § 22 Nr. 3 EStG 1997, der ausdrücklich eine Vermietung umfasst. Vielmehr werden sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG 1997 in § 49 Abs. 1 Nr. 9 Alternative 1 EStG 1997 nur als inländische Einkünfte erfasst, soweit in diesem Zusammenhang Einkünfte aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland erzielt werden. Das den Besteuerungszugriff rechtfertigende inländische Besteuerungsmerkmal ("Nutzung im Inland") ist damit unabhängig von dem Rechtsgrund der Nutzung formuliert, soweit dieser Rechtsgrund nur den Tatbestandsbereich des allgemeinen Leistungsbegriffs des § 22 Nr. 3 EStG 1997 ‑‑insbesondere in der Beispielsvariante "z.B. Einkünfte ... aus der Vermietung beweglicher Gegenstände", nicht aber als Veräußerungsvorgang (s. FG München, Urteil vom 25. Oktober 1989 I 279/84 E, EFG 1990, 242)‑‑ nicht verlässt (in diesem Sinne auch Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rz J 129, J 132; M. Klein in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 1101; Schmidt/Loschelder, EStG, 32. Aufl., § 49 Rz 122, 124; s.a. Kahle/Schulz, DStZ 2008, 784, 795).
c) Die Nutzung einer beweglichen Sache erfolgt durch ihre bestimmungsgemäße Verwendung. Der Wortlaut der Norm bezieht sich damit auf die vom Vergütungsgläubiger eingeräumte Verwendung der Sache im Inland, soweit sie durch den Vergütungsschuldner tatsächlich erfolgt oder durch diesen jedenfalls (mittelbar) ermöglicht wird. Dies ist im Streitfall nur zu einem auf die tatsächliche inländische Nutzung der LKW bezogenen Bruchteil erfüllt.
aa) Der Normwortlaut setzt eine Nutzung der (konkreten, s. Senatsurteil vom 17. Februar 2000 I R 130/97, BFH/NV 2000, 1182) beweglichen Sache im Inland voraus, die durch die Vergütung entgolten wird. Nach dem Wortlautverständnis und dem Zusammenhang mit dem Leistungsbegriff des § 22 Nr. 3 EStG 1997 ("soweit") ist der Begriff der Nutzung insoweit unabhängig vom Begriff der Vermietung, als er eine tatsächliche Nutzung oder Benutzung der Sache durch den Vergütungsschuldner (oder jedenfalls von diesem wiederum abgeleitet durch Dritte) voraussetzt: Der Begriff wird nur dann erfüllt, wenn die bewegliche Sache im Inland tatsächlich verwendet oder eingesetzt wird (so im Ergebnis auch Frotscher in Frotscher, EStG, § 49 Rz 412 f.; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rz 94, 96; Hidien in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 49 Rz J 134, J 136; Jelinek in Bordewin/Brandt, § 49 EStG Rz 179; M. Klein in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 49 EStG Rz 1101; Lüdicke in Lademann, EStG, § 49 Rz 813; Ramackers in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 49 Rz 623; Blümich/ Wied, § 49 EStG Rz 229; a.A. Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 49 Rz 124; Haberland, DStR 2012, 1115, 1118).
bb) Dieses Begriffsverständnis folgt auch aus einer systematischen Sicht auf die in § 49 EStG 1997 benannten Besteuerungsmerkmale zum Inlandsbezug. Denn der ergänzende Umstand der (inländischen) Verwertung, der auch eine Tatbestandserfüllung unabhängig vom tatsächlichen Einsatzort der beweglichen Sache ermöglichen würde, ist im Unterschied z.B. zu § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1997 in § 49 Abs. 1 Nr. 9 Alternative 1 EStG 1997 nicht angeführt. Die voneinander abweichende Regelungslage wird auch z.B. bei § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1997 zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit deutlich, wenn es dort ausdrücklich sowohl um die im Inland (vermittels physischer Präsenz des Arbeitnehmers) ausgeübte als auch die dort (durch die entsprechende Zweckbestimmung des Tätigkeitserfolgs) verwertete Tätigkeit geht (s. insoweit Lechner/Stangl in Gassner u.a., Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2004, S. 59, 64, 69).
Die hier streiterhebliche Nutzung der LKW hat aber nach den Feststellungen des FG im Wesentlichen außerhalb des räumlichen Anknüpfungspunkts des § 49 Abs. 1 Nr. 9 Alternative 1 EStG 1997 ("Inland") stattgefunden. Im Ergebnis hat die S-AG zwar das Nutzenpotential der LKW durch die Vermietung an die Klägerin verwertet; auf dieser Vergütungsgrundlage beruht auch (jedenfalls mittelbar) eine Verwendung oder Nutzung der LKW, aber nur zu einem Bruchteil eine allein einkünfteerhebliche inländische Verwendung. Dass die Frachtführer die LKW auf der Grundlage von im Inland abgeschlossenen Mietverträgen und im Rahmen der inländischen unternehmerischen Zwecke der Klägerin genutzt haben (so dass insoweit von einer inländischen Nutzungswirkung gesprochen werden kann, s. insoweit Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 49 Rz J 131), reicht entgegen der Ansicht des FG (und von Haberland, DStR 2012, 1115, 1118; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 49 Rz 124) für eine beschränkte Steuerpflicht nicht aus. Wenn damit die Besteuerung in der Konstellation des Streitfalls (Weitervermietung) vom Ort der tatsächlichen Nutzung durch einen Dritten abhängt (insoweit kritisch Haberland, DStR 2012, 1115, 1118), folgt dies aus der engen Abgrenzung des im Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 9 Alternative 1 EStG 1997 gewählten Inlandsbezugs.
3. Feststellungen zum Umfang der Nutzung der LKW im Inland hat das FG nicht getroffen. Dies ist im zweiten Rechtszug nachzuholen. Da der Tatbestand eine Erheblichkeitsgrenze nicht vorsieht, ist diese Feststellung nicht schon aus dem Grund entbehrlich, weil der inländische Streckenanteil unter 10 % betragen hat.
4. Das FG hat entschieden, dass auch die übrigen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 i.V.m. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 1997 und § 73g EStDV 1997 erfüllt sind. Darüber gibt es unter den Beteiligten auch keinen Streit. Da der Senat diese Einschätzung teilt, sieht er von weiter gehenden Erörterungen zu dieser Frage ab.