BFH VIII. Senat
AO § 129, AO § 164 Abs 1, AO § 164 Abs 2, FGO § 76 Abs 1, FGO § 118 Abs 2
vorgehend FG Düsseldorf, 31. January 2010, Az: 11 K 5113/08 F
Leitsätze
1. Ob ein mechanisches Versehen die Ursache für einen unterbliebenen Nachprüfungsvorbehalt war und dieser ggf. wegen offenbarer Unrichtigkeit nachgeholt werden kann, ist anhand der objektiven Umstände beim Erlass des betroffenen Steuerbescheids zu beurteilen.
2. Indizieren die bekannten objektiven Umstände ein mechanisches Versehen und ist ein Fehler bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung oder -würdigung ausgeschlossen, kann eine offenbare Unrichtigkeit ohne weitere diesbezügliche Sachaufklärung nicht allein deshalb verneint werden, weil die abstrakte Möglichkeit besteht, dass die Indizien erst nach Erlass des Bescheids geschaffen wurden.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die verfahrensrechtliche Frage, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) befugt war, einen Feststellungsbescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ‑‑i.V.m. § 129 AO‑‑ zu ändern, obwohl der zugrundeliegende bekanntgegebene Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.
Materiell-rechtlich geht es um den Abzug von Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte des Streitjahrs (2002) für die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, die eine Zahnarztpraxis betreibt.
Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin gelangte die Betriebsprüferin zu der Auffassung, dass verschiedene Finanzkonten nicht aus betrieblichen Gründen eingerichtet worden waren und die im Zusammenhang damit verbuchten Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten keine Betriebsausgaben darstellten.
Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 9. Mai 2007 einen auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO gestützten Änderungsbescheid für das Streitjahr, mit dem die Einkünfte aus selbständiger Arbeit entsprechend höher festgestellt wurden, obwohl der ursprüngliche Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.
Den Einspruch, mit dem die Klägerin die rechtliche Möglichkeit einer Änderung der Einkünftefeststellung bestritt, wies das FA als unbegründet zurück. Die Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids vom 26. September 2003 sei nach § 129 AO zulässig gewesen. Der fehlende Nachprüfungsvorbehalt im ursprünglichen Bescheid sei eine offenbare Unrichtigkeit; aus einer Aktennotiz der Sachbearbeiterin (auf einem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel) und der Speicherung des Steuerfalls als Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung im "Veranlagungsspiegel" werde deutlich, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung habe erlassen wollen; die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei ausgeschlossen.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg, da das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 838 veröffentlichten Urteil eine Änderungsgrundlage verneinte. Zu Unrecht stütze sich das FA auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe im Streitfall die Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO bestanden.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG Düsseldorf vom 1. Februar 2010 11 K 5113/08 F aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und den geänderten Feststellungsbescheid vom 10. Juni 2010 aufzuheben.
Zu einer Änderung in der vom FA verfolgten Weise sei erforderlich, dass sich der Vorbehaltsvermerk schon im Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der Aktenverfügung befunden habe. Es dürfe nicht erkennbar sein, dass die Abweichung zwischen bekanntgegebenem Bescheid und Aktenverfügung auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des seinerzeit handelnden Finanzbeamten beruhte (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 125/04, BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400). Im Streitfall sei für eine außenstehende unbeteiligte Person nicht eindeutig erkennbar gewesen, wann der handschriftliche Vermerk angebracht worden sei. Somit sei auch nicht eindeutig erkennbar, ob die vorliegende Abweichung zwischen bekanntgegebenem Steuerbescheid und Aktenausfertigung nicht doch auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des zuständigen Sachbearbeiters beruht habe. Aus den Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sei eine Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids nicht zulässig gewesen.
Während des Revisionsverfahrens ist für das Streitjahr am 10. Juni 2010 ein geänderter Bescheid zur Feststellung der Einkünfte für 2002 ergangen. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass dadurch die Grundlagen des Streitstoffs nicht berührt werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Das FG-Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des zunächst angefochtenen Feststellungsbescheids ist während des Revisionsverfahrens der weitere Änderungsbescheid vom 10. Juni 2010 getreten, der gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Soweit einem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrundeliegt, kann es keinen Bestand haben (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt Senatsurteile vom 11. April 2012 VIII R 28/09, BFHE 237, 100, BStBl II 2012, 496, und vom 28. September 2011 VIII R 10/08, BFHE 235, 361, BStBl II 2012, 315, m.w.N.). Auch wenn die Änderung nicht die Grundlagen des Streitstoffs berührt, kann der Senat nicht in der Sache entscheiden, sondern muss die Sache zurückverweisen, weil das FG den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hat.
2. Ein Steuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist (§ 164 Abs. 1 AO), kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen jederzeit geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Vorbehalt ist eine Nebenbestimmung i.S. von § 120 AO, die mit dem Bescheid ergeht, mithin Teil des Bescheids wird. Entscheidend ist der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids (Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 164 Rz 8b, m.w.N.).
Weist der dem Steuerpflichtigen bekanntgegebene Steuerbescheid den Vorbehalt der Nachprüfung versehentlich nicht aus, kann der Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in diesem Punkt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO korrigiert werden (BFH-Urteile vom 22. August 1989 VIII R 110/86, BFH/NV 1990, 205; vom 27. März 1996 I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509; vom 17. November 1998 III R 2/97, BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62; vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004), wenn die unterbliebene Aufnahme des Vorbehalts in dem Steuerbescheid auf einem mechanischen Fehler ‑‑ähnlich den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Schreib- und Rechenfehlern‑‑ beruht. Die Vorschrift des § 129 AO erfasst somit die Fälle, in denen der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht (Klein/ Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 4) und die Möglichkeit eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf den Fehler ausgeschlossen werden kann (BFH-Urteil vom 18. August 1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539, m.w.N.; vgl. Klein/Brockmeyer/ Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 12). Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; in BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 129 Rz 38; a.A. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 129 AO Rz 6).
Ob ein mechanisches Versehen vorlag, ist folglich anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Umstände zu beurteilen, d.h. insbesondere ‑‑aber nicht nur‑‑ unter Einbeziehung des gesamten Inhalts der Steuerakten. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, kommt es nicht an (s. etwa BFH–Urteile in BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; in BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, a.a.O., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 129 Rz 38; eher unentschlossen Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 129 AO Rz 70; kritisch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 129 AO Rz 4 ff.).
Ist hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts eine offenbare Unrichtigkeit zu bejahen, muss das Finanzamt den betroffenen Bescheid nicht zunächst nach § 129 AO berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO ändern zu können; vielmehr kann in einem derartigen Fall eine unmittelbare Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen (BFH-Urteile in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400, m.w.N.; in BFH/NV 2010, 2004).
3. Die angefochtene Entscheidung des FG entspricht nicht diesen Maßstäben und hält damit revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das FG hat in seinen Urteilsgründen eine Reihe von Umständen aufgeführt, die auch aus seiner Sicht für eine gewollte Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts in den ursprünglichen Feststellungsbescheid sprachen, nämlich dass der Steuerfall in der Vergangenheit durch die Betriebsprüfung geprüft worden war und in Zukunft wieder geprüft werden sollte, dass der Feststellungsbescheid im "Veranlagungsspiegel" mit einem Nachprüfungsvorbehalt gespeichert wurde und dass auf der Feststellungserklärung 2002 ein Notizzettel mit einem entsprechenden Hinweis ("VdN + vorl. wegen hoher Zinsen") klebte. Das FG hat zudem festgestellt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Nichtaufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung auf einer bewussten Entscheidung des Sachbearbeiters beruhen könnte.
b) Gleichwohl hat das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint mit der Begründung, dass die in der Akte befindliche Durchschrift des Bescheids keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt und damit der eigentliche Wille des FA nicht hinreichend zum Ausdruck komme. "Aus Gründen der Rechtssicherheit" sei zu verlangen, dass das Versehen des FA zumindest so deutlich zu Tage trete wie im Falle der abgehefteten Durchschrift des Steuerbescheids mit Nachprüfungsvorbehalt in den Steuerakten, da andernfalls die Gefahr bestünde, dass ein angeblich mechanisches Versehen nachgeschoben werde, ohne dass sicher verifizierbar sei, ob es tatsächlich vorlag. Dieser Befund gehe nach Beweislastgrundsätzen zulasten des FA.
c) In der näheren Begründung geht das FG davon aus, dass die Speicherung der streitbefangenen Feststellung im "Veranlagungsspiegel" ‑‑als unter Vorbehalt der Nachprüfung stehend‑‑ bei der Prüfung einer offenbaren Unrichtigkeit als nur verwaltungsinterner, nicht nach außen in Erscheinung tretender Umstand unbeachtlich bleiben müsse.
Diese Annahme ist keine den BFH bindende Tatsachenfeststellung (§ 118 Abs. 2 FGO), sondern sie beruht auf unzutreffenden rechtlichen Maßstäben. Nach der Rechtsprechung des BFH sind alle bekannten Umstände ‑‑auch außerhalb der eigentlichen Steuerakten‑‑ zu berücksichtigen, aus denen sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten ein ‑‑ggf. bereits im Vorfeld der Steuerfestsetzung unterlaufenes oder angebahntes‑‑ Versehen klar und eindeutig ergibt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509 zu einem Fehler im EDV-Programm; in BFH/NV 2000, 539 zur Handakte des Prüfers; in BFH/NV 2010, 2004 zum unterlassenen Vorbehaltsvermerk bei Stempelung der Feststellungserklärung mit einer den Vorbehalt bedeutenden Ziffer und trotz einer den Vorbehalt nahelegenden allgemeinen Dienstanweisung). Die entscheidende Frage, ob ein offenbares mechanisches Versehen vorlag oder ob insoweit eine bewusste Entscheidung bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung nicht ausgeschlossen werden kann, ist anhand des objektiv gegebenen Sachverhalts zu beantworten. Zu diesem Sachverhalt können auch elektronisch gespeicherte Daten, wie hier die Eintragung im Veranlagungsspiegel, gehören, sofern sie ohne weiteres sichtbar gemacht werden können. Mit Rücksicht auf die zunehmende EDV-technische Abwicklung von Verwaltungsvorgängen kann die Offenbarkeit eines Umstands nicht allein von seiner Erscheinung in Papierform abhängen. Insbesondere gibt es keinen Grund, bei der anhand des bekannten Sachverhalts vorzunehmenden Beurteilung einen vom FG festgestellten tatsächlichen und objektiven Umstand auszublenden, nur weil er EDV-technischer Natur ist. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der im vorliegenden Zusammenhang bemühten gedanklichen Hilfsfigur des unvoreingenommenen Dritten, für den das mechanische Versehen als solches offenbar sein muss, die Kenntnis dieses objektiven Umstands versagt bleiben soll, wenn gerade dieser Umstand geeignet ist, ein mechanisches Versehen zu offenbaren.
d) Der Entscheidung steht nicht das BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10 (BFH/NV 2012, 694) entgegen. Dieses Urteil bestätigt im Ergebnis die Vorentscheidung, in der das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint hatte. Es stützt sich aber auf die bisherige, dort im Einzelnen zitierte Rechtsprechung des BFH und enthält keinen abstrakten Rechtssatz, der der hier getroffenen Entscheidung widerspräche. Soweit der BFH sich im Urteil in BFH/NV 2012, 694 an die tatsächlichen Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung (Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2010 5 K 98/08, EFG 2010, 1757) und die tatsächliche Würdigung der Umstände revisionsrechtlich nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden sah, ist auch daraus keine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen zu entnehmen. Das FG hatte geurteilt, dass in seinem Fall weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem übrigen Akteninhalt augenfällig und ohne weitere Informationen erkennbar gewesen sei, dass die gebotene Eingabe von Lohnersatzleistungen versehentlich unterblieben sei. Vielmehr seien weitere ‑‑zum Teil rechtliche‑‑ Überlegungen "bzw." ein zusätzlicher (ergänze: rechnerischer) Abgleich mit den in der EDV gespeicherten Daten erforderlich, um auf eine fehlende Erfassung schließen zu können. Damit unterscheidet sich der dort entschiedene Fall wesentlich vom Streitfall, in dem es entscheidend darauf ankommt, ob der Schluss auf ein nur versehentliches Unterlassen aus den vom FG festgestellten Tatsachen zu ziehen ist. Ob der Senat im Übrigen der Rechtsauffassung des FG des Landes Sachsen-Anhalt in EFG 2010, 1757 folgen könnte, kann dahingestellt bleiben.
4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zurückzuverweisen.
a) Auch wenn die festgestellte Eintragung im Veranlagungsspiegel geeignet erscheint, eine offenbare Unrichtigkeit bei Erlass des fraglichen Bescheids zu indizieren, ist eine abschließende Beurteilung im Streitfall noch nicht möglich, weil der maßgebliche Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG nicht festgestellt, wer die Eintragungen im Veranlagungsspiegel vorgenommen hat und ob dies "beim Erlass" des betreffenden Bescheids geschehen ist. Es hat in diesem Zusammenhang auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Eintragungen automatisch (programmgesteuert) erfolgen bei Eingabe der Daten für den Feststellungsbescheid, was prima facie gegen die Möglichkeit einer Abweichung des bekanntgegebenen Bescheids vom Inhalt des Veranlagungsspiegels sprechen würde, oder ob die Eintragungen im Veranlagungsspiegel im Streitfall (noch) persönlich vorgenommen worden sind.
b) Bei verbleibenden Ungewissheiten wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung ggf. zu klären haben, ob der Vermerk auf dem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel bei Erlass des ursprünglichen Bescheids oder aber erst danach gefertigt wurde. Diese Frage betrifft nicht unmittelbar den Gesetzestatbestand des § 129 AO; Ausgangspunkt der gebotenen Sachverhaltsaufklärung ist in diesem Fall vielmehr ein bereits festgestellter, offenkundiger tatsächlicher Umstand, nämlich ein inhaltlich auf den zu erlassenden Feststellungsbescheid bezogener Aktenvermerk, der als solcher für ein nur versehentliches Abweichen vom tatsächlich Gewollten und damit eine Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO spricht, dessen Vorliegen bei Erlass des Bescheids aber ‑‑ohne im erstinstanzlichen Urteil benannte konkrete Gründe‑‑ in Zweifel gezogen wird. Wird die Frage nach dem Zeitpunkt der Fertigung des Vermerks entscheidungserheblich, muss das FG versuchen, den Sachverhalt auch insoweit aufzuklären (§ 76 Abs. 1 FGO; vgl. zur Sachverhaltsaufklärung in Fällen des § 129 AO BFH-Urteile vom 29. Januar 2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139; vom 30. November 1989 IV R 76/88, BFH/NV 1991, 457), bevor es eine Beweislastentscheidung trifft, wie es dies im angefochtenen Urteil getan hat.