BFH II. Senat
GrEStG § 1 Abs 2a, GrEStG § 3 Nr 4, GrEStG § 6, GrEStG § 17, FGO § 68 S 1, FGO § 121 S 1, FGO § 42, AO § 351 Abs 1
vorgehend FG Hamburg, 06. January 2011, Az: 3 K 60/10
Leitsätze
1. Ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG liegt auch dann vor, wenn ein Gesellschafter seine Beteiligung an einer Personengesellschaft auf einen neuen Gesellschafter überträgt und dieser Gesellschafter die Beteiligung als Treuhänder für den früheren Gesellschafter hält.
2. Überträgt ein Gesellschafter seine Beteiligung an einer Personengesellschaft auf seinen Ehegatten, ist die Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils der Ehegatten am Gesellschaftsvermögen nicht zu erheben.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH und Co. KG. Ihre Komplementär-GmbH ist nicht an ihrem Gesellschaftsvermögen beteiligt. Kommanditisten waren zunächst J und B. Die Geschäftsleitung der Klägerin befand sich im Bezirk des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑).
Die Klägerin kaufte im August 2004 außerhalb des Bezirks des FA liegende Grundstücke. Der Eigentumsübergang wurde im Juli 2005 im Grundbuch eingetragen.
J trat seinen Kommanditanteil mit Wirkung zum 15. Oktober 2005 an die Ehefrau (E) des B ab. B trat seinen Kommanditanteil am 29. März 2006 ebenfalls an E ab. Nach dem Treuhandvertrag vom 27. März 2006 sollte E diesen Kommanditanteil treuhänderisch für B halten und die Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis im Auftrag, für Rechnung und entsprechend den Weisungen des B wahrnehmen.
Das FA erließ am 3. Januar 2007 gegenüber der Klägerin einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) stehenden Feststellungsbescheid gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), durch den es feststellte, dass durch die am 15. Oktober 2005 und 29. März 2006 erfolgten Wechsel der Kommanditisten bei der Klägerin ein vollständiger Gesellschafterwechsel stattgefunden habe und somit der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden sei. Die Grunderwerbsteuer sei allerdings wegen der zwischen E und B bestehenden Ehe gemäß § 6 i.V.m. § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe von 50 % nicht zu erheben. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Mit Änderungsbescheid vom 9. Februar 2009 führte das FA aus, dass die Grunderwerbsteuer in voller Höhe zu erheben sei, und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch mit dem Ziel einer Aufhebung der Feststellungsbescheide und der Einspruchsentscheidung erhobenen Klage durch das in Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2011, 169 wiedergegebene Urteil insoweit statt, als es den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2010 dahingehend änderte, dass als der Besteuerung zu Grunde zu legende Werte für den Erwerb der Grundstücke jeweils 50 % des Wertes gemäß § 138 des Bewertungsgesetzes festgestellt werden, und wies die Klage im Übrigen ab.
Zur Begründung führte das FG aus, die Klägerin habe den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 wegen des im ursprünglichen Bescheid angeordneten Vorbehalts der Nachprüfung zwar in vollem Umfang anfechten können. Das FA habe aber zu Recht angenommen, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden sei und die in § 17 GrEStG bestimmten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen mit Ausnahme der Grundstückswerte erfüllt seien. Dem stünden weder das zwischen B und E vereinbarte Treuhandverhältnis noch die zwischen ihnen bestehende Ehe entgegen. Der Feststellungsbescheid sei lediglich insoweit rechtswidrig, als er die volle Erhebung der Grunderwerbsteuer vorsehe. Die Grunderwerbsteuer sei gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe von 50 % nicht zu erheben.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1 Abs. 2a GrEStG. Ein zivilrechtlicher Gesellschafterwechsel, bei dem sich der bisherige Gesellschafter die Treugeberstellung vorbehalte, stelle keinen Gesellschafterwechsel im Sinn dieser Vorschrift dar. Zum gleichen Ergebnis führe die nach ihrer Ansicht bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen zwischen Ehegatten gebotene entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 22. März 2010 und die ergangenen Feststellungsbescheide aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Durch den während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 20. Dezember 2012 erklärte das FA den "Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.02.2009 in Gestalt des Finanzgerichtsurteils vom 07.01.2011 - AZ 3 K 60/10" gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO für vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Steuer nach § 8 Abs. 2 GrEStG (§ 17 Abs. 3a GrEStG) zu bemessen ist.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). An die Stelle des angefochtenen Feststellungsbescheids vom 9. Februar 2009, über den das FG entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 20. Dezember 2012 getreten. Der Bescheid vom 20. Dezember 2012 ist nach dem Gesamtzusammenhang, insbesondere aufgrund der Bezugnahme auf die Vorentscheidung, so zu verstehen, dass er entgegen seinem Wortlaut nicht einen Grunderwerbsteuerbescheid, sondern den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 ändert. Der Änderungsbescheid ist nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Diese Vorschriften gelten auch, wenn ein angefochtener Bescheid lediglich um einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15. Oktober 2008 X B 60/07, BFH/NV 2009, 205, unter II.1.a). Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (BFH-Urteile vom 2. März 2011 II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147 Rz 23, und vom 28. Juni 2012 III R 86/09, BFHE 238, 68 Rz 8, je m.w.N.).
Dies ändert aber nichts daran, dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Grundlage für die Entscheidung des BFH bilden; da das finanzgerichtliche Verfahren nicht an einem Verfahrensmangel leidet, fallen die Feststellungen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nämlich nicht weg (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1147 Rz 23, und in BFHE 238, 68 Rz 9, je m.w.N.).
III.
Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist insoweit begründet, als abweichend vom Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. Dezember 2012 der Besteuerung nur die Hälfte der für die erworbenen Grundstücke festgestellten Grundstückswerte zugrunde zu legen ist.
1. Die Klägerin kann den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. Dezember 2012 in vollem Umfang anfechten. Die in § 351 Abs. 1 AO, § 42 FGO für Änderungsbescheide vorgesehene Anfechtungsbeschränkung greift nicht ein, wenn ein Bescheid angefochten wird, durch den ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid geändert wurde (BFH-Beschluss vom 11. März 1999 V B 24/99, BFHE 188, 128, BStBl II 1999, 335).
2. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wurde durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile des J und des B auf die E erfüllt.
a) Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.
Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht (BFH-Urteil vom 29. Februar 2012 II R 57/09, BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917). Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen dabei keine Rolle. So steht es der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG auf der Tatbestandsebene nicht entgegen, wenn eine bloße Verlängerung der Beteiligungskette vorliegt, also ein Gesellschafter der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft seine Beteiligung an dieser auf eine 100-prozentige Tochtergesellschaft überträgt. Entscheidend ist vielmehr, dass diese Tochtergesellschaft zivilrechtlich selbst Gesellschafterin der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft wird (BFH-Urteil in BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917).
Demgemäß liegt ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auch dann vor, wenn ein Gesellschafter der Personengesellschaft seine Gesellschaftsbeteiligung auf einen neuen Gesellschafter überträgt und dieser Gesellschafter die Beteiligung als Treuhänder für den früheren Gesellschafter als Treugeber hält (BFH-Beschluss vom 17. März 2006 II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 1 Rz 113; Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 1 Rz 858). Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass der Erwerber der Beteiligung zivilrechtlich Gesellschafter wird. Die im Verhältnis zum Treugeber bestehenden Verpflichtungen des Treuhänders spielen insoweit keine Rolle.
b) Ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist auch dann gegeben, wenn ein Gesellschafter der Personengesellschaft seine Gesellschaftsbeteiligung auf seinen Ehegatten überträgt. Die Ehe führt lediglich dazu, dass die Grunderwerbsteuer entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe des Anteils der Ehegatten am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft nicht zu erheben ist (Hofmann, a.a.O., § 1 Rz 129; Meßbacher-Hönsch in Boruttau, a.a.O., § 3 Rz 358).
Aus dem von der Klägerin angeführten § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG ergibt sich nicht, dass die Übertragung der Beteiligung eines Gesellschafters an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft auf seinen Ehegatten bei der Ermittlung des in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG vorgesehenen Vom-Hundert-Satzes außer Betracht bleiben müsse. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG betrifft nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut nur den Erwerb von Anteilen von Todes wegen, nicht aber eine Anteilsübertragung unter Lebenden, und zwar unabhängig davon, zwischen welchen Personen und auf welcher Grundlage die Übertragung erfolgt (Hofmann, a.a.O., § 1 Rz 122; Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 895; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 1 Rz 311). Da diese Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG dem Regelungsplan des Gesetzgebers entspricht, scheidet eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf andere Fallgruppen wie etwa die unter Lebenden erfolgende Übertragung von Gesellschaftsanteilen zwischen Ehegatten aus.
c) Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wurde somit durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile des J und des B auf die E erfüllt. Dadurch sind 100 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Klägerin auf eine neue Gesellschafterin übergegangen. Dem steht weder das zwischen B und E vereinbarte Treuhandverhältnis noch die Ehe zwischen ihnen entgegen.
d) Dass B und E Eheleute sind, führt allerdings dazu, dass die Grunderwerbsteuer entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe des Anteils am Gesellschaftsvermögen der Klägerin, den B auf E übertragen hat, nicht zu erheben ist. Der Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. Dezember 2012 ist entsprechend zu ändern. Der Änderungsbescheid kann nicht so verstanden werden, dass bereits das FA den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 auch insoweit geändert hat. Das FA hat vielmehr ersichtlich angenommen, dass eine entsprechende Änderung des Bescheids vom 9. Februar 2009 durch die Vorentscheidung erfolgt sei und Bestand haben werde, so dass eine Änderung durch das FA nicht erforderlich sei.
3. Ebenfalls zu Recht hat das FG angenommen, dass die Voraussetzungen für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3a GrEStG durch das FA, in dem sich die Geschäftsleitung der Klägerin befindet, erfüllt sind; denn der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG betrifft Grundstücke, die außerhalb des Bezirks des FA liegen.