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Urteil vom 26. September 2012, V R 9/11

Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung durch das Insolvenzgericht: keine Rechnung eines Dritten i.S. des § 14 Abs. 2 Satz 4 UStG

BFH V. Senat

UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, UStG § 14 Abs 1, UStG § 14 Abs 2 S 4, UStG § 14a, EGRL 112/2006 Art 218, EGRL 112/2006 Art 220, InsO § 64, InsO § 65, UStG VZ 2007

vorgehend FG Nürnberg, 10. May 2010, Az: 2 K 1513/2008

Leitsätze

Der Beschluss des Insolvenzgerichts gemäß § 64 InsO zur Festsetzung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters ist keine Rechnung eines Dritten i.S. des § 14 Abs. 2 Satz 4 UStG, die zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten um den Abzug von Vorsteuerbeträgen aus der Vergütung und den Auslagen für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens.

  2. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde vom Amtsgericht ‑‑Insolvenzgericht‑‑ (AG) mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des X bestellt. Dieser betrieb bis zum 1. November 2002 als Einzelunternehmer ein Malergeschäft und verstarb am 22. September 2006. Das Insolvenzverfahren wurde daraufhin über den Nachlass des X fortgeführt.

  3. In seinem Gutachten vom 29. Oktober 2003 stellte der Insolvenzverwalter fest, dass der Malerbetrieb nicht fortgeführt werden könne und verwertbares Vermögen mit Ausnahme des im Eigentum des Schuldners stehenden und von diesem bewohnten Grundstücks nicht vorhanden sei.

  4. Auf den nach Abschluss des Insolvenzverfahrens gestellten Antrag des Insolvenzverwalters vom 24. September 2007 setzte das AG mit Beschluss vom 16. Oktober 2007 die Vergütung auf 21.119,27 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer (4.012,66 €) und die Auslagen auf 5.279,81 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer (1.003,16 €) fest.

  5. Am 4. Dezember 2007 reichte der Kläger als Insolvenzverwalter für den Insolvenzschuldner X die Umsatzsteuererklärung 2007 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ein, in der er Umsätze von 0 € erklärte. Er machte die im Beschluss des Insolvenzgerichts für die Insolvenzverwaltervergütung und Auslagen festgesetzte Umsatzsteuer als Vorsteuer zugunsten der Insolvenzmasse geltend. Das FA lehnte dies mit Schreiben vom 8. Januar 2008 ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29. August 2008 als unbegründet zurück. Das verwertbare Vermögen des Insolvenzschuldners habe nur aus dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstück bestanden. Da dieses nicht zum Unternehmensvermögen gehört habe, sei der Insolvenzverwalter mit dessen Verwertung nicht für das Unternehmen, sondern für den nichtunternehmerischen Bereich des Schuldners tätig geworden. Außerdem sei der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) ausgeschlossen, weil die Lieferung des Grundstücks steuerfrei erfolgt sei.

  6. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1843 veröffentlichten Urteil statt, da der Kläger als Insolvenzverwalter mit seiner Geschäftsführung eine Tätigkeit für das Unternehmen des Insolvenzschuldners ausgeführt habe.

  7. Zur Begründung seiner Revision führte das FA aus, das Insolvenzverfahren eines Einzelgewerbetreibenden erfasse nicht nur das unternehmerische, sondern das gesamte Vermögen. Die Insolvenzverwaltung des Vermögens einer natürlichen Person stehe daher zwangsläufig auch mit dem nichtunternehmerischen Bereich in Zusammenhang.

  8. Das FA beantragt,
    das Urteil des FG Nürnberg vom 11. Mai 2010  2 K 1513/2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  9. Der Kläger beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

  10. Es sei lebensfremd und im Hinblick auf die Aufgabenstellung des Insolvenzverwalters nach § 1 der Insolvenzordnung (InsO) unzulässig, im Rahmen des Insolvenzverfahrens zwischen persönlichem und unternehmerischem Bereich zu differenzieren.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der Senat kann offen lassen, ob die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs aus der Vergütung und den Auslagen für die Tätigkeit des Klägers als Insolvenzverwalter vorliegen. Denn es fehlt jedenfalls an einer für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erforderlichen ordnungsgemäßen Rechnung über diese Leistung. Der Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 64 Abs. 1 InsO zur Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung ist keine Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG.

  2. 1. Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Daran fehlt es im Streitfall.

  3. Eine Rechnung ist nach der Legaldefinition des § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Eine Rechnung kann auch im Namen und für Rechnung des Unternehmers von einem Dritten ausgestellt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 4 UStG). Diese Vorschriften beruhen auf Art. 218 und Art. 220 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL), wonach jeder Steuerpflichtige für die Lieferungen von Gegenständen oder die Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt, eine Rechnung entweder selbst ausstellt oder dafür Sorge trägt, dass eine Rechnung in seinem Namen und für seine Rechnung von einem Dritten ausgestellt wird.

  4. a) Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger als Insolvenzverwalter kein Dokument erstellt, mit dem er die von ihm erbrachten Dienstleistungen gegenüber dem Insolvenzschuldner abrechnete. Der geltend gemachte Vorsteuerabzug beruht vielmehr auf der Festsetzung der Vergütung und der Auslagen in dem Beschluss des AG vom 16. Oktober 2007.

  5. b) Dieser Beschluss ist keine Rechnung eines Dritten i.S. von § 14 Abs. 1 UStG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 4 UStG und ist somit nicht geeignet, das Fehlen einer eigenen Abrechnung des Insolvenzverwalters zu ersetzen. Der Beschluss des Insolvenzgerichts ist kein Dokument, mit dem gegenüber dem Insolvenzschuldner über die Leistung des Insolvenzverwalters abgerechnet wird.

  6. aa) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters nach § 64 Abs. 1 InsO i.V.m. § 65 InsO und §§ 1 bis 9 der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) durch Beschluss fest. Dieser Beschluss bildet den Abschluss des Verfahrens über die Festsetzung der Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters. Zweck des Festsetzungsverfahrens ist einerseits die Verfahrensvereinfachung, da der Insolvenzverwalter die Vergütung und die Auslagen nicht im Klagewege geltend zu machen braucht, anderseits die Kontrolle der Vergütungs- und Auslagenhöhe durch das Gericht (Nowak in Münchener Kommentar zur InsO, 2. Aufl. § 8 InsVV Rz 1/Anhang zu § 65 InsO). Der Beschluss ist demgemäß in erster Linie an den Insolvenzverwalter selbst gerichtet und ihm besonders zuzustellen, daneben auch dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses (§ 64 Abs. 2 InsO).

  7. bb) Der Beurteilung als Rechnung i.S. des § 14 UStG steht außerdem entgegen, dass das Insolvenzgericht als staatliches Organ nicht ‑‑als Dritter‑‑ für, sondern gegenüber dem Insolvenzverwalter in Ausübung durch Gesetz zugewiesener hoheitlicher Befugnisse tätig wird. Es bewilligt lediglich den Vergütungsanspruch gegen die Masse (vgl. Weiss, Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 1986, 155).

  8. cc) Gegen die Annahme einer Rechnung spricht schließlich, dass nach Erstellung einer eigenen Rechnung des Insolvenzverwalters eine Mehrfachabrechnung vorläge mit der Gefahr einer Steuerschuldnerschaft nach § 14c UStG.

  9. In Übereinstimmung damit verlangen nicht nur die Verwaltung (Abschn. 15.2. Abs. 7 Sätze 7 und 8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), sondern auch das Schrifttum (Weiss, UR 1986, 153 ff., 155; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 905; Haarmeyer/Wuthke/ Förster, Kommentar zur Insolvenzrechtlichen Vergütung, 4. Aufl., § 7 Rz 5; Waza/Uhländer, Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl., Rz 2097; ebenso Mößlang, Deutsches Steuerrecht 1989, 194 ff., 197 für die Vergütung des Zwangsverwalters) für den Vorsteuerabzug aus der Tätigkeit des Insolvenzverwalters die Ausstellung einer eigenen Rechnung des Insolvenzverwalters.

  10. 2. Der Versagung des Vorsteuerabzugs aus dem Beschluss eines Insolvenzgerichts steht die bisherige Rechtsprechung des Senats nicht entgegen.

  11. a) Im Urteil vom 20. Februar 1986 V R 16/81 (BFHE 146, 287, BStBl II 1986, 579) hatte der Senat entschieden, dass die Gemeinschuldnerin die an den Konkursverwalter gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann, wenn ihr dieser eine Rechnung oder eine Urkunde i.S. des § 1 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1967/1971 erteilt, in der die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wird. An der Berechtigung des Konkursverwalters zur Rechnungserteilung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ändere sich nichts dadurch, dass das Entgelt gerichtlich festgesetzt werde oder sich aus einer amtlichen Gebührenordnung ergebe. In den Gründen führte der Senat unter II.3. zwar aus, der Beschluss des Konkursgerichts über die Festsetzung der Vergütung sei für den Vorsteuerabzug nicht ausreichend, weil darin der Betrag der in der Vergütung enthaltenen Umsatzsteuer nicht aufgeführt sei. Aus diesem sachverhaltsbedingten Hinweis ergibt sich indes nicht, dass der Beschluss des Konkursgerichts den Vorsteuerabzug eröffnet, wenn in dem Beschluss das Entgelt und die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen werden.

  12. b) Eine davon abweichende Aussage ist auch dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. April 2005 V B 187/04 (BFH/NV 2005, 1640) nicht zu entnehmen. In diesem wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen und lediglich der Inhalt des BFH-Urteils in BFHE 146, 287, BStBl II 1986, 579 klargestellt.

  13. 3. Das FG hat in seiner Entscheidung die formalen Anforderungen an den Vorsteuerabzug nicht berücksichtigt. Seine Entscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif und die Klage abzuweisen.

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