BFH VI. Senat
EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 11 Abs 1 S 1, EStG § 8 Abs 1, EStG § 8 Abs 2, AO § 42, KStG § 1
vorgehend FG München, 19. October 2010, Az: 9 K 3804/08
Leitsätze
1. Der Vorteil aus einem vom Arbeitgeber eingeräumten Aktienoptionsrecht fließt dem Arbeitnehmer zu, wenn der Arbeitnehmer das Recht ausübt oder anderweitig verwertet. Eine solche anderweitige Verwertung liegt insbesondere vor, wenn der Arbeitnehmer das Recht auf einen Dritten überträgt.
2. Der Vorteil bemisst sich nach dem Wert des Rechts im Zeitpunkt der Verfügung darüber.
Tatbestand
I.
Streitig ist die einkommensteuerliche Behandlung einer vom Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer gewährten Aktienoption, die der Arbeitnehmer entgeltlich an eine von ihm beherrschte Kapitalgesellschaft überträgt.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bei der E-GmbH als Geschäftsführer beschäftigt und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben war er an dieser E-GmbH auch in geringem Umfang (unter 1,5 %) beteiligt. Die E-GmbH räumte mit Vertrag vom 29. Oktober 2002 dem Kläger für seine erfolgreiche Tätigkeit bei der E-GmbH das Recht ein, 15 000 Stückaktien der A-AG zum Kaufpreis von 0,65 € je Aktie zu erwerben. Dieses (Options-)Recht konnte vom 1. Januar 2004 bis 10. Januar 2005 ausgeübt werden. Der Optionsvertrag berechtigte den Kläger, seine Rechte und Pflichten daraus auf die Z-GmbH zu übertragen; an dieser war der Kläger zu 100 % beteiligt; ihr Unternehmensgegenstand war die Verwaltung eigenen Vermögens; neben Aktien der A-AG hielt sie in den Jahren 2002 bis 2005 auch Anteile der E-GmbH und Anteile an Geldmarktfonds. Die Z-GmbH durfte das Optionsrecht allerdings nicht ausüben, wenn in der Zeit zwischen Übertragung und Ausübung des Optionsrechts der Kläger nicht mindestens 90 % der Geschäftsanteile an der Z-GmbH hielt. Andere Verfügungen über das Optionsrecht waren unzulässig.
Mit Schreiben vom 29. November 2002 übertrug der Kläger sein Optionsrecht auf die Z-GmbH; dafür hatte die Z-GmbH 0,10 € pro zu erwerbender Aktie zu zahlen. Der Kurswert der A-AG Aktie betrug zu diesem Stichtag 1,84 €. Die Z-GmbH zahlte dem Kläger den Betrag (1.500 €) am 15. Januar 2004.
Die Z-GmbH übte mit Schreiben vom 9. Januar 2004 gegenüber der E-GmbH das Optionsrecht aus. Die Aktien der A-AG wurden am 12. Januar 2004 in das Depot der Z-GmbH eingeliefert. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Kurswert 5,41 € je Aktie. Im Jahr 2005 veräußerte die Z-GmbH 5 000 Aktien der A-AG.
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) durch eine Betriebsprüfung bei der E-GmbH über die näheren Umstände der Gewährung und Ausübung des Optionsrechts erfahren hatte, änderte er gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Streitjahr (2004). Das FA erhöhte mit Änderungsbescheid die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 71.400 € und dementsprechend die Einkommensteuerfestsetzung, wandte insoweit allerdings den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren dagegen erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 702 veröffentlichten Gründen abgewiesen und die Revision zugelassen. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass dem Kläger im Streitjahr (2004) durch die Ausübung des Optionsrechts durch die Z-GmbH und die Einbuchung der Aktien in das Depot ein geldwerter Vorteil in Höhe von 71.400 € zugeflossen sei. Die im November 2002 erfolgte Übertragung des Optionsrechts auf die Z-GmbH sei dagegen noch keine Realisierung eines geldwerten Vorteils und könne deswegen auch keinen Zufluss auslösen. Das FG ermittelte wie schon das FA den geldwerten Vorteil mit dem Kurswert im Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot der Z-GmbH (5,41 € je Aktie) abzüglich des Kaufpreises von 0,65 € je Aktie (5,41 € – 0,65 € = 4,76 €) mit 71.400 € (15 000 x 4,76 €).
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt,
das angefochtene Urteil des FG München 9 K 3804/08 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 4. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2008 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 71.400 € niedriger angesetzt werden, sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zwar grundsätzlich zutreffend entschieden, dass die Einräumung eines Optionsrechts durch den Arbeitgeber zu Gunsten seines Arbeitnehmers einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil begründen kann. Allerdings ist dem Kläger ein solcher geldwerter Vorteil jedenfalls nicht im Streitjahr 2004 zugeflossen. Die Sache ist spruchreif; der Senat kann deshalb in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Der streitige Einkommensteuerbescheid ist antragsgemäß zu ändern.
1. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Dementsprechend kann auch die Gewährung eines Ankaufs-/Optionsrechts zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit führen.
a) Nach der mittlerweile ständigen Senatsrechtsprechung fließt i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG der Vorteil aus einem solchen Optionsrecht dem Arbeitnehmer allerdings nicht schon mit der Einräumung des (Options-)Rechts, zu einem späteren Zeitpunkt Aktien verbilligt zu erwerben, zu, sondern erst mit Ausübung der Option durch den verbilligten Erwerb der Aktien selbst. Denn der für den Zufluss von Arbeitslohn maßgebliche geldwerte Vorteil in Form des auf den Aktienerwerb gewährten Preisnachlasses gelangt regelmäßig erst aufgrund der Ausübung der Option in das wirtschaftliche Eigentum des Arbeitnehmers (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 24. Januar 2001 I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512; vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689; vom 20. November 2008 VI R 25/05, BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382).
b) Der Vorteil aus einer Optionsgewährung fließt dem Arbeitnehmer als Optionsnehmer nicht nur dadurch zu, dass er die Optionsrechte ausübt, sondern auch dadurch, dass der Arbeitnehmer die Optionsrechte anderweitig verwertet. Eine solche anderweitige Verwertung liegt regelmäßig vor, wenn der Arbeitnehmer über das Recht verfügt, so etwa, wenn der Arbeitnehmer ein Wandeldarlehen samt damit verbundenem Wandlungsrecht gegen Entgelt auf einen Dritten überträgt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. Juni 2005 VI R 10/03, BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770, unter II.4.) oder der Arbeitnehmer auf ein ihm zugewandtes Aktienankaufsrecht gegen Entgelt verzichtet (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 VI R 4/05, BFHE 222, 353, BStBl II 2008, 826). Denn auch durch solche anderweitigen Verwertungen dieser Optionsrechte kann der Arbeitnehmer den diesen innewohnenden Wert realisieren.
c) Der einkommensteuerrechtlich maßgebende Zuflusszeitpunkt des aus einer Option stammenden Vorteils richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Verwertung des Rechts. Das ist im Falle der Optionsausübung regelmäßig der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien, nämlich der Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot des Arbeitnehmers (BFH-Urteil in BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382, m.w.N.). Soweit der Arbeitnehmer über das Optionsrecht anderweitig verfügt, ist der Vorteil aus der Verwertung dieses Rechts im Zeitpunkt der Verfügung darüber zu erfassen, nämlich im Zeitpunkt der Übertragung des Rechts (BFH-Urteil in BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770) oder des Verzichts darauf (BFH-Urteil in BFHE 222, 353, BStBl II 2008, 826).
2. Gemessen daran ist nach den Feststellungen des FG dem Kläger im hier streitigen Veranlagungszeitraum 2004 kein geldwerter Vorteil dadurch zugeflossen, dass die Z-GmbH das ihr vom Kläger am 29. November 2002 übertragene Optionsrecht am 9. Januar 2004 ausgeübt hatte.
a) Der Kläger hatte das ihm von seiner Arbeitgeberin am 29. Oktober 2002 eingeräumte Optionsrecht schon am 29. November 2002 dadurch verwertet, dass er es mit Schreiben von diesem Tag auf die Z-GmbH übertragen hatte. Denn entgegen der Auffassung des FG ist auch eine verdeckte Einlage eines dem Arbeitnehmer von dessen Arbeitgeber eingeräumten Optionsrechts eine Verwertung des Rechts durch den Arbeitnehmer, indem er das Recht auf einen anderen Rechtsträger überträgt. Auch in diesem Fall kommen die vom erkennenden Senat schon früher herangezogenen Rechtsgrundsätze zur Anwendung: Der Vorteil aus dem Recht ist im Zeitpunkt der Übertragung des Rechts (BFH-Urteil in BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770) oder des Verzichts darauf (BFH-Urteil in BFHE 222, 353, BStBl II 2008, 826) zu erfassen. Das ist im Streitfall angesichts der vom Kläger mit Schreiben vom 29. November 2002 erklärten Übertragung des Optionsrechts auf die Z-GmbH jedenfalls nicht der Veranlagungszeitraum 2004.
b) Der Vorteil aus der Verwertung des Optionsrechts ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Verfügung darüber zugeflossen und auch auf diesen Zeitpunkt zu bewerten. Entscheidend ist demnach der Wert des Optionsrechts im Zeitpunkt der Übertragung auf die Z-GmbH, also zum 29. November 2002. Das durch Übertragung realisierte Optionsrecht zählt in gleicher Weise wie vom Arbeitgeber verbilligt zugewandte Aktien zu den Sachbezügen i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG und ist daher ebenso mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 1. Februar 2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898). Sollte die Einkommensteuerfestsetzung des hier nicht streitgegenständlichen Veranlagungszeitraums 2002 noch geändert werden können, wird ‑‑so die Auffassung des erkennenden Senats, ohne dass dem freilich Bindungswirkung zukommt‑‑ dann gegebenenfalls zu prüfen sein, ob und inwieweit sich Leistung und Gegenleistung bei der Übertragung der Option entsprachen und daher tatsächlich eine verdeckte Einlage vorlag.
c) Die am 9. Januar 2004 erklärte Ausübung des auf die Z-GmbH übertragenen Optionsrechts ist dem Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung unmittelbar zuzurechnen. Denn es liegen keine Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO vor. In dieser Weise hat auch das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Sachverhalt gewürdigt. Denn es hat insoweit mit Bindungswirkung für die Revisionsinstanz (§ 118 FGO) festgestellt, dass der Kläger die Z-GmbH weder in Zusammenhang mit der Einräumung des Optionsrechts gegründet noch damit den Zweck verfolgt habe, ausschließlich das Optionsrecht zu verwalten. Der erkennende Senat folgt dem FG, soweit es ausführt, dass die Z-GmbH als selbständiges Steuersubjekt i.S. des § 1 des Körperschaftsteuergesetzes die von ihr erzielten Einkünfte entsprechend dem sogenannten Trennungsprinzip unabhängig von den Einkünften ihrer Gesellschafter zu erfassen und zu versteuern hat und allein der Umstand, dass der Vermögensgegenstand nicht unmittelbar, sondern mittelbar über eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehalten wird, keinen Gestaltungsmissbrauch begründet, auch wenn dieser Umstand zu unterschiedlichen steuerlichen Belastungen führt.
3. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, war als unzulässig zu verwerfen, weil dieser Antrag im Revisionsverfahren nicht statthaft ist. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist daher das FG als Gericht des ersten Rechtszuges (vgl. Senatsentscheidung vom 21. April 2010 VI R 46/08, BFHE 229, 228, BStBl II 2010, 848, m.w.N.).