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Urteil vom 17. Oktober 2012, VIII R 51/09

Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG seit 1994 - Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F - Keine Vermietungsabsicht bei jahrelangem Leerstand

BFH VIII. Senat

EStG § 9, EStG § 20 Abs 1 Nr 7, EStG § 21, StSofortPG Art 1 Nr 3, EStG § 10 Abs 1 Nr 6, EStG VZ 2007

vorgehend FG München, 13. October 2009, Az: 1 K 845/09

Leitsätze

1. NV: Es besteht keine steuerlich anzuerkennende Vermietungsabsicht, wenn bei allgemein stark nachgesuchtem Mietwohnraum eine (möblierte) Wohnung über Jahre hinweg nicht vermietet wird.  

2. NV: Auch wenn Vermietungsanzeigen ein Indiz für eine Vermietungsabsicht bilden, kann sich aus anderen Umständen das Fehlen dieser Absicht ergeben .  

3. NV: Im Streit um Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bedarf es keiner Totalüberschussprognose anhand hypothetisch erzielbarer Mieten, wenn eine Vermietung tatsächlich weder erfolgt noch beabsichtigt ist .  

4. NV: In einem vom Steuerpflichtigen auch selbst genutzten Zweifamilienhaus sind anteilige Aufwendungen für dauerhaft leerstehende Nebenräume keine Werbungskosten .

Tatbestand

  1. I. Streitig ist, ob die Besteuerung der Einkünfte des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus Kapitalvermögen im Streitjahr (2007) und die Nichtabzugsfähigkeit von privaten Steuerberatungskosten als Sonderausgaben verfassungsgemäß sind.

  2. Im Streit ist ferner, ob Aufwendungen des Klägers für leerstehenden Wohnraum eines von ihm auch selbst genutzten eigenen Zweifamilienhauses als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen sind. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger insoweit einen Werbungskostenüberschuss von 8.524 €.

  3. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) versagte den Abzug wegen fehlender Vermietungsabsicht.

  4. Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 325 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

  5. Mit seiner Revision rügt der Kläger den Verstoß gegen materielles Recht und Verfahrensrecht, was die Versagung des erklärten Werbungskostenüberschusses aus Vermietung und Verpachtung angeht. Die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und die Nichtabziehbarkeit privater Steuerberatungskosten hält er weiterhin für verfassungswidrig.

  6. Der Kläger beantragt,
    unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2007 vom 27. Oktober 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2009 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 8.524 € zu berücksichtigen, die erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 5.104 € nicht anzusetzen sowie Steuerberatungskosten in Höhe von 262,80 € als Sonderausgaben zu berücksichtigen und die Einkommensteuer für 2007 entsprechend auf 0 € herabzusetzen.

  7. Das FA beantragt,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

  2. 1. Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Wegfall des Abzugs privater Steuerberatungskosten als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG) durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm (BGBl I 2005, 3682) sind verfassungsgemäß.

  3. a) Bereits mit Urteil vom 7. September 2005 VIII R 90/04 (BFHE 211, 183, BStBl II 2006, 61) hat der Senat entschieden, dass die Besteuerung von Zinseinkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (auch) für Veranlagungszeiträume ab 1994 nicht verfassungswidrig ist, insbesondere kein strukturelles Vollzugsdefizit im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1991  2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654) besteht. Der Senat nimmt auf sein Urteil in BFHE 211, 183, BStBl II 2006, 61 Bezug und sieht von weiteren Ausführungen ab.

  4. b) Ebenso hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Nichtabziehbarkeit privater Steuerberatungskosten als verfassungsgemäß beurteilt (BFH-Urteil vom 4. Februar 2010 X R 10/08, BFHE 228, 317, BStBl II 2010, 617). Der Senat schließt sich dieser Entscheidung an und sieht auch insoweit von weiteren Ausführungen ab.

  5. 2. Die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des leerstehenden Wohnraums durch das FG hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand. Die Sachverhaltswürdigung, wonach der Kläger im Streitjahr keine Einkünfteerzielungsabsicht gehabt habe, da er seine Vermietungsabsicht hinsichtlich des seit Fertigstellung des Hauses (1984) noch nie vermieteten Einzelraumes im Dachgeschoss und hinsichtlich der im Streitjahr schon seit zehn Jahren leerstehenden ‑‑nach den in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gemachten Angaben des Klägers voll möblierten‑‑ Wohnung weder nachgewiesen noch hinreichend glaubhaft gemacht habe, ist nicht zu beanstanden.

  6. a) Die Sachverhaltswürdigung des FG ist der Nachprüfung im Revisionsverfahren weitgehend entzogen und nur insoweit revisibel, als sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt oder dabei gegen die Verfahrensordnung verstoßen wurde (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30, m.w.N.). Im Übrigen gehört sie zur nicht nachprüfbaren Tatsachenfeststellung, die den BFH nach ständiger Rechtsprechung selbst dann bindet (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 30, m.w.N.).

  7. b) Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils enthalten entgegen der Rüge des Klägers keine Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.

  8. aa) Ein solcher Verstoß liegt nicht darin, dass das FG in den vom Kläger im Streitjahr geschalteten Vermietungsannoncen keinen hinreichenden Nachweis entsprechender Vermietungsbemühungen gesehen hat. Zurecht hat das FG die vorgetragenen Vermittlungsbemühungen als "vergleichsweise geringfügig" eingestuft, denn nach der Steuererklärung erforderten die Annoncen nur einen Aufwand von rund 150 € im Streitjahr und erfolgten nach der vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Aufstellung nur während eines Zeitraums von insgesamt neun Wochen im Streitjahr. Zwar bilden Vermietungsannoncen grundsätzlich ein Indiz (Beweisanzeichen) für eine dahinter stehende Vermietungsabsicht des Annoncierenden. Sie können aber etwa auch bezwecken, gegenüber der Finanzverwaltung eine Vermietungsabsicht zu dokumentieren, die tatsächlich nicht ernstlich verfolgt wird. Im Streitfall legt vor allem der jahrelange und während des Klageverfahrens weiter andauernde Leerstand des streitbefangenen Mietobjekts den Schluss nahe, dass der Kläger tatsächlich keine ernstliche Vermietungsabsicht mehr hatte, insbesondere angesichts des gerichtsbekannten Umstands, dass Mietwohnraum in … stark nachgesucht wird und es eine nur relativ geringe Leerstandsquote gibt.

  9. bb) Auch im Übrigen lassen die Ausführungen des FG keine Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze erkennen. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass sich das FG nicht von einer fortbestehenden Vermietungsabsicht des Klägers überzeugt hat.

  10. cc) Im Ergebnis gilt dies auch hinsichtlich des separaten Raums im Dachgeschoss, der tatsächlich nie vermietet wurde und hinsichtlich dessen keine Vermietungsbemühungen nachgewiesen sind. Hinzu kommt, dass dieser Raum nach den eigenen Angaben des Klägers im Revisionsverfahren zur Vermietung gar nicht geeignet ist. Auch insoweit hat die fehlende Vermietungsabsicht zur Folge, dass Aufwendungen, die diesem Raum unmittelbar oder flächenanteilig zuzuordnen sind, steuerlich keine Berücksichtigung als Werbungskosten (§ 9 EStG) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) finden können.

  11. c) Zu Unrecht sieht der Kläger einen Verfahrensfehler des FG darin, dass es von einer Totalüberschussberechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem Wohnobjekt abgesehen hat. Ausgehend von der insoweit maßgeblichen Überzeugung des FG, wonach es dem Kläger im Streitjahr an einer Vermietungsabsicht gefehlt hat, ist die nachrangige Frage nach einem möglichen Einnahmeüberschuss nicht mehr entscheidungserheblich. Es war deshalb folgerichtig, von der Ermittlung des theoretisch aus einer Vermietung erzielbaren Überschusses abzusehen.

  12. Zu Unrecht beruft sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf eine ständige Rechtsprechung des BFH, die eine Totalüberschussprognose gebiete. In seinem Urteil vom 4. November 2003 IX R 55/02 (BFH/NV 2004, 484) hat der BFH zwar erkannt, dass die Einkünfteerzielungsabsicht auch dann anhand einer Totalüberschussprognose zu überprüfen ist, wenn sich die Absicht des Steuerpflichtigen auf eine nur für einen begrenzten Zeitraum angelegte Vermietungstätigkeit bezieht. Dabei geht es aber nur um die Besteuerung in den Veranlagungszeiträumen, in denen ‑‑anders als im Streitfall‑‑ eine Vermietungsabsicht (noch) bestand.

  13. d) Mit der Rüge, das FG habe Beweisangebote zur Einkünfteerzielungsabsicht übergangen, ist der in erster Instanz rechtskundig vertretene Kläger im Revisionsverfahren ausgeschlossen, weil er ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung weder einen Beweisantrag gestellt noch die Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das FG erhoben und zudem im Revisionsverfahren nicht vorgetragen hat, dass und gegebenenfalls weshalb ihm eine derartige Rüge nicht möglich war (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 67, m.w.N.).

  14. Außerdem genügt die Rüge inhaltlich nicht den Anforderungen an eine Revisionsbegründung, da sie weder hinsichtlich des Beweisthemas noch der Beweismittel noch des voraussichtlichen Beweisergebnisses konkretisiert ist (s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 69, m.w.N.).

  15. e) Entgegen der Auffassung des Klägers weicht das Urteil des FG nicht von dem BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01 (BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646) ab. Das in diesem BFH-Urteil bejahte Erfordernis einer Totalüberschussprognose bei verbilligter Vermietung ist für den Streitfall ersichtlich nicht entscheidungserheblich, da der Kläger tatsächlich nicht vermietet hat.

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