BFH IV. Senat
RVG § 32 Abs 2 S 1, GKG § 52 Abs 1, GKG § 63 Abs 2 S 2, FGO § 130 Abs 1, FGO § 133a
Leitsätze
1. NV: Für den Antrag auf gerichtliche Streitwertfestsetzung muss ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Ein solches ist zu verneinen, wenn die Höhe des Streitwerts aus den Anträgen der Beteiligten und der bisherigen Rechtsprechung in gleichgelagerten Fällen eindeutig zu entnehmen ist .
2. NV: Die Höhe des Streitwerts in einem Revisionsverfahren gegen ein die Erledigung der Hauptsache feststellendes oder diese ablehnendes Urteil ist ausnahmsweise nicht nur nach dem Kosteninteresse zu bestimmen, wenn das Klage- und das Revisionsbegehren auf die Änderung einer das Kosteninteresse übersteigende Steuerfestsetzung gerichtet sind .
3. NV: Im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ist der Streitwert in der Regel mit 25 v.H. der streitigen Gewinnbeträge zu bemessen .
Tatbestand
I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Klägerin) hat mit ihrer Klage zunächst die Änderung des Feststellungsbescheids dahin begehrt, dass ein Veräußerungsgewinn im Streitjahr 1999 nicht berücksichtigt wird.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) erließ während des Klageverfahrens einen geänderten Feststellungsbescheid, in dem der Veräußerungsgewinn in Höhe von 0 DM und gleichzeitig der bisher in Höhe von 330.412,94 DM festgestellte laufende Verlust ebenfalls in Höhe von 0 DM festgestellt wurde.
Die Klägerin erklärte sodann die Hauptsache für erledigt und beantragte, nachdem das FA der Erledigungserklärung widersprochen hatte, die Erledigung der Hauptsache festzustellen und hilfsweise u.a. die laufenden Einkünfte wie bisher in Höhe eines Verlustes von 330.412,94 DM festzustellen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage hinsichtlich des Haupt- und des Hilfsantrags abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Klagestattgabe bezüglich des Hauptantrags durch den Senat.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren, wobei offenbleibt, ob er den Antrag für die Klägerin oder aus eigenem Recht stellt.
Das FA hat mit Schriftsatz vom 31. August 2012 Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Antrag auf Streitwertfestsetzung ist zulässig.
a) Nach § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) setzt in der Finanzgerichtsbarkeit das Prozessgericht den Wert des Streitgegenstandes durch Beschluss fest, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) muss für den Antrag ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis bestehen (vgl. z.B. Beschluss vom 17. November 2011 IV S 15/10, BFHE 235, 122, BStBl II 2012, 246, m.w.N.). Dieses fehlt in der Regel, wenn sich die Höhe des Streitwerts aus den Anträgen der Beteiligten und der bisherigen Rechtsprechung des BFH zur Bemessung des Streitwerts in gleichartigen Fällen eindeutig ermitteln lässt (BFH-Beschluss in BFHE 235, 122, BStBl II 2012, 246). Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes kann auch der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten den Antrag stellen.
b) Es ist zwar grundsätzlich geklärt, dass sich der Streitwert einer Revision gegen ein die Erledigung der Hauptsache feststellendes oder diese ablehnendes FG-Urteil in der Regel nur noch nach dem sog. Kosteninteresse des Klägers bemisst (BFH-Beschluss vom 12. Oktober 1988 I R 212/84, BFHE 154, 491, BStBl II 1989, 106). Der vorliegende Fall betrifft jedoch die Besonderheit, dass das Klagebegehren und das Revisionsbegehren der Klägerin auch nach der Abgabe der Erledigungserklärung nicht nur auf das Kosteninteresse, sondern in erster Linie auf die Erfassung eines laufenden Verlustes in Höhe von 330.412,94 DM gerichtet war. Zu einer Streitwertbemessung in einem solchen atypischen Fall hat sich die Rechtsprechung noch nicht geäußert.
2. Die Höhe des Streitwerts ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
a) Die Klägerin hat den Rechtsstreit nur deshalb in der Hauptsache für erledigt erklärt und hat nach dem Widerspruch des FA ihren Klageantrag auf die Feststellung der Erledigung umgestellt, weil ihrer Auffassung nach die laufenden Einkünfte nicht Gegenstand ihres ursprünglichen Klagebegehrens waren und das FA deswegen bereits verfahrensrechtlich nicht zu der Aberkennung der laufenden Verluste in Höhe von 330.412,94 DM berechtigt gewesen sei. Dieses Interesse wurde mit dem Revisionsverfahren weiter verfolgt. Das daneben bestehende Kosteninteresse wird in diesem Fall durch das betragsmäßig darüber hinausgehende Interesse an der Berücksichtigung der laufenden Verluste in Höhe von 330.412,94 DM verdrängt.
b) Davon ausgehend ist der Streitwert des Revisionsverfahrens pauschal mit 25 % des streitigen Verlustes in Höhe von 330.412 DM, mithin mit 82.603 DM (= 42.234 €) festzusetzen.
(1) Der Streitwert im Gewinnfeststellungsverfahren richtet sich nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für den Kläger. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist diese grundsätzlich auf 25 % des streitigen Gewinns oder Verlustes zu bemessen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. September 1999 IV E 3/99, BFH/NV 2000, 334, sowie vom 29. September 2005 IV E 5/05, BFH/NV 2006, 315, jeweils m.w.N.). Die tatsächlichen Auswirkungen auf die Einkommensteuer des Klägers werden nicht ermittelt.
(2) Ausnahmsweise kommt der Ansatz eines höheren oder niedrigeren Prozentsatzes dann in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz von 25 % den tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen nicht gerecht wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 315, m.w.N.). An der pauschalen Ermittlung des Streitwerts ist allerdings selbst dann festzuhalten, wenn im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung die tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen bei den Feststellungsbeteiligten bekannt geworden sind.
(3) Anhaltspunkte dafür, dass der Pauschalsatz von 25 % den tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen nicht gerecht wird, sind im Streitfall nicht ersichtlich. Zum Zeitpunkt der Revisionseinlegung war nicht mehr streitig, dass ein Veräußerungsgewinn im Streitjahr nicht anzusetzen ist. Weitere positive Gewinnanteile waren im Streitjahr ebenfalls weder im Streit noch aus den Akten ersichtlich. Eine mittelbare Auswirkung auf den bestandskräftig im Veranlagungszeitraum 1998 erfassten hohen Veräußerungsgewinn bleibt bei der Streitwertbemessung im Streitjahr außer Betracht (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Juni 1999 IV E 2/99, BFH/NV 1999, 1608).
3. Gerichtsgebühren für die Streitwertfestsetzung fallen nicht an, da es an einem entsprechenden Gebührentatbestand im GKG fehlt.