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Beschluss vom 13. Juni 2012, V S 10/12 (PKH)

Zur Feststellungslast beim Kindergeldanspruch

BFH V. Senat

FGO § 62 Abs 2, FGO § 62 Abs 4, FGO § 116 Abs 2, FGO § 142 Abs 1, ZPO § 114, EStG § 64 Abs 1, EStG § 64 Abs 2

Leitsätze

1. NV: Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs gemäß § 64 EStG trägt der Kindergeldberechtigte die objektive Beweislast (Feststellungslast) .

2. NV: Bei mehreren Kindergeldberechtigten gilt das auch für die Frage, in wessen Haushalt das Kind i.S.d. § 64 Abs. 2 EStG aufgenommen worden ist .

Tatbestand

  1. I. Mit Bescheid vom 15. Februar 2011 lehnte die Bundesagentur für Arbeit ‑‑Familienkasse …‑‑ (Beklagte) den Antrag des Klägers und Antragstellers (Kläger zu 1) auf Gewährung von Kindergeld ab. Den Einspruch des Klägers zu 1 vom 17. Februar 2011 wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4. April 2011 als unbegründet zurück.

  2. Hiergegen erhoben der Kläger zu 1 und seine Ehefrau (Klägerin zu 2) Klage. Das Finanzgericht (FG) verwarf die Klage durch den Einzelrichter hinsichtlich der Klägerin zu 2 als unzulässig und wies sie hinsichtlich des Klägers zu 1 als unbegründet ab, weil der Kläger zu 1 die Voraussetzungen für die Aufnahme der Tochter T in seinen Haushalt nicht dargelegt hatte.

  3. Mit dem vorliegenden Rechtsbehelf machen die Kläger u.a. geltend, dass es sich bei dem Urteil des FG um ein Scheinurteil handele. Sie beantragen u.a. die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidungsgründe

  1. II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

  2. 1. Für den beim Bundesfinanzhof (BFH) als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht kein Vertretungszwang (z.B. BFH-Beschluss vom 26. Januar 2012 V S 29/11 (PKH), BFH/NV 2012, 763, m.w.N.). Der Gewährung von PKH steht damit nicht entgegen, dass die Kläger den Antrag auf Gewährung von PKH selbst und nicht durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person oder Gesellschaft i.S. von § 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellt haben.

  3. 2. Die von den Klägern beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

  4. Da das FG die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen hat, kommt als Rechtsmittel gegen das Urteil nur eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision in Betracht (§ 116 FGO). Der Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde hängt davon ab, ob ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO gegeben ist, d.h. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder das Urteil des FG auf einem Verfahrensmangel beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

  5. Wird PKH für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, muss daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes bestehen.

  6. a) Zwar fehlt die hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht schon deshalb, weil die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person oder Gesellschaft i.S. von § 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO erhoben worden ist. Einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, innerhalb der Rechtsmittelfrist wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO gewährt werden, wenn er innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schafft, also einen entsprechenden Antrag stellt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim Rechtsmittelgericht einreicht (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2012, 763; vom 11. Mai 2009 II S 4/09 (PKH), Zeitschrift für Steuern & Recht ‑‑ZSteu‑‑ 2009, R583, m.w.N.) und zumindest in laienhafter Weise Anhaltspunkte für einen Zulassungsgrund darlegt (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2012, 763; vom 4. August 2009 V S 16/09 (PKH), ZSteu 2009, R1088).

  7. b) Bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags der Kläger, des Inhalts der vorliegenden Akten und des beanstandeten FG-Urteils ist kein Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.

  8. Soweit die Kläger mit dem Begriff des "Scheinurteils" eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts rügen sollten, ist auf den Beschluss des FG vom 10. November 2011  3 K 1438/11 Kg hinzuweisen, mit dem der Senat die Sache dem Einzelrichter übertragen hat. Diese Möglichkeit sieht § 6 Abs. 1 FGO unter den dort im Einzelnen genannten Voraussetzungen ausdrücklich vor. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei diesem Richter nicht um den gesetzlichen Richter handelt, sind weder von den Klägern vorgetragen worden noch für den Senat ersichtlich.

  9. Im Übrigen hat das FG die Klage der Klägerin zu 2 zutreffend als unzulässig verworfen, weil sie weder Adressatin des Ablehnungsbescheides vom 15. Februar 2011 noch der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2011 war. Es fehlt deshalb bereits an der gemäß § 40 Abs. 2 FGO erforderlichen Klagebefugnis.

  10. Soweit das FG hinsichtlich des Klägers zu 1 die Abweisung der Klage auf den fehlenden Nachweis der Haushaltsaufnahme abgestellt hat, lässt auch das keine Anhaltspunkte für eine Zulassung der Revision zu. Gemäß § 64 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Nach § 64 Abs. 2 EStG wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs trägt der Kindergeldberechtigte die objektive Beweislast ‑‑Feststellungslast‑‑ (vgl. BFH-Urteile vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298; vom 17. Dezember 2008 III R 62/06, BFH/NV 2009, 747).

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