BFH VII. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, EnergieStG § 27 Abs 1 Nr 1, EnergieStG § 21, EnergieStG § 2 Abs 1 Nr 4 Buchst a, EGRL 96/2003 Art 14 Abs 1 Buchst c
vorgehend FG Hamburg, 16. December 2010, Az: 4 K 228/08
Leitsätze
1. NV: Die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96/EG festgelegte Befreiung für Schiffsbetriebsstoffe kann nur solchen Unternehmen gewährt werden, die Schiffe zur entgeltlichen Beförderung von Sachen oder Personen oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen einsetzen.
2. NV: Setzt ein eingetragener Verein ein Schiff zur Beförderung von eigenen Mitarbeitern und zur Beförderung von eigenen und zur unentgeltlichen Verteilung bzw. zum Verkauf bestimmten Büchern ein, kommt eine Energiesteuerbefreiung für die auf diesen Fahrten eingesetzten Schiffsbetriebsstoffe nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG nicht in Betracht.
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ein eingetragener Verein, der gemeinnützige Zwecke verfolgt. Satzungszweck ist die Förderung der Bildung und Ausbildung, insbesondere in der sog. Dritten Welt. Zur Erfüllung dieses Zwecks betreibt der Kläger satzungsgemäß Überseeschiffe und kauft und verkauft oder verschenkt Bücher. Die Schiffe laufen Überseehäfen an, in denen Besucher auf die Schiffe kommen. Die Schiffsteams besuchen ihrerseits im Umland der Häfen Krankenhäuser, Schulen, Waisenhäuser und Gefängnisse. Zum Teil erbringen sie gegenüber Kranken einfache Hilfsleistungen. Am 2. August 2007 bunkerte ein vom Kläger betriebenes Schiff, dessen Heimathafen Valetta auf Malta war, in Deutschland insgesamt 350.000 L gekennzeichnete und unversteuerte Energieerzeugnisse der Unterpos. 2710 1999 (Schmieröle, andere Öle) der Kombinierten Nomenklatur. Aufgrund einer zollamtlichen Überprüfung des Schiffes, bei der die Betankung mit unversteuerten Energieerzeugnissen festgestellt wurde, erhob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) gemäß § 21, § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) Energiesteuer nach. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Steuererhebung zu Recht erfolgt sei. Der Kläger habe gekennzeichnete Energieerzeugnisse als Kraftstoff bereitgehalten und verwendet. Eine Steuerbefreiung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG komme nicht in Betracht, weil im Streitfall ein Schiff in der privaten, nichtgewerblichen Schifffahrt eingesetzt werde. Nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts (Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/96/EG ‑‑RL 2003/96/EG‑‑ des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ‑‑Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51‑‑) diene die Befreiung für die gewerbliche Schifffahrt dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Europäischen Union. Eine solche bestehe nur dort, wo sich Wirtschaftsteilnehmer um erfolgreiche Teilhabe am Markt bemühten. Diese Teilhabe dürfe nicht aus rein altruistischen ‑‑auch nicht aus gemeinnützigen‑‑ Gründen erfolgen. Erforderlich sei eine tendenziell bestehende Gewinnerzielungsabsicht. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 der Energiesteuer-Durchführungsverordnung (EnergieStV) lägen nicht vor. Mit dem Schiff werde keine gewerbsmäßige Tätigkeit, d.h. keine Tätigkeit gegen Entgelt mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt. Es handele sich nicht um eine gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen (§ 60 Abs. 3 Nr. 1 EnergieStV) oder um eine gewerbsmäßige Erbringung von Dienstleistungen (§ 60 Abs. 3 Nr. 2 EnergieStV).
Der Kläger habe keinen Auftrag, für einen Dritten bestimmte Waren von einem Ort zu einem anderen zu befördern. Soweit ein Verkauf von Büchern stattfinde, erhalte der Kläger lediglich den Kaufpreis, nicht jedoch ein Beförderungsentgelt für den Transport der Bücher zum Käufer. Zudem stehe der Kläger nicht in einem unternehmerischen Wettbewerb mit anderen Beförderungsunternehmen. Allenfalls könne er in einen Wettbewerb mit den vor Ort tätigen Buchhändlern treten. Soweit der Kläger am Missionsprojekt teilnehmende Personen an Bord nehme, fände kein Leistungsaustausch statt. Vielmehr würden sich der Kläger und die Mitfahrenden zu einem gemeinsamen satzungsgemäßen Missionszweck verbinden. Deshalb könne nicht von einer entgeltlichen Beförderung ausgegangen werden. Eine Befreiung könne auch nicht auf § 60 Abs. 3 Nr. 6 EnergieStV gestützt werden, denn der Kläger sei nicht behördlich tätig. Schließlich sei die von den Finanzbehörden festgestellte Menge an Kraftstoffen nicht im Ausland gebunkert worden, so dass eine Befreiung nicht auf § 46 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EnergieStV i.V.m. § 21 EnergieStG gestützt werden könne.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob der in Art. 14 Buchst. c Unterabs. 2 RL 2003/96/EG verwendete Begriff der gewerblichen Schifffahrt den Schiffsbetrieb im Rahmen einer als gemeinnützig anerkannten Tätigkeit umfasse. Richtlinienkonform könne § 27 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG dahingehend ausgelegt werden, dass der Befreiungstatbestand auch den Zweckbetrieb eines gemeinnützigen Vereins erfasse. Somit bestehe die Möglichkeit, in einem künftigen Revisionsverfahren eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einzuholen. Der Wortlaut des Art. 14 RL 2003/96/EG lasse die Deutung zu, dass eine gemeinnützige Tätigkeit in die Befreiung miteinzubeziehen sei. In diese Richtung weise die Rechtsprechung des EuGH. Nach dem EuGH-Urteil vom 14. September 2006 C-386/04 ‑‑Stauffer‑‑, Slg. 2006, I-8203, könne eine entgeltliche Tätigkeit auch von gemeinnützigen Körperschaften ausgeübt werden. Jedenfalls stehe eine gemeinnützige Tätigkeit einer kommerziellen Tätigkeit näher als die Nutzung eines Schiffes zu Vergnügungszwecken. In anderen Mitgliedstaaten, wie z.B. in Malta, Dänemark und Spanien werde eine Befreiung für die Schifffahrt zu gemeinnützigen Zwecken gewährt. Ob für die Gewährung einer Verbrauchsteuerbefreiung eine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich sei, sei sehr zweifelhaft.
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Die im Rahmen eines anerkannten Zweckbetriebs nach § 65 der Abgabenordnung durch den Verkauf der Bücher erzielten Einnahmen dienten nicht der Gewinnerzielung im marktwirtschaftlichen Sinne, sondern der Verwirklichung eines satzungsgemäßen Zwecks. Damit betreibe der Kläger die Schifffahrt nicht zu kommerziellen Zwecken. Das vom Kläger in Bezug genommene EuGH-Urteil sei auf den Streitfall nicht übertragbar, denn es betreffe die Körperschaftsteuer.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn die von ihr aufgeworfene Frage ist so zu beantworten, wie es das FG getan hat. Art. 14 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96/EG ist dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift festgelegte Steuerbefreiung einem eingetragenen Verein nicht zugutekommt, der ein ihm gehörendes Schiff zum Transport von eigenen Mitarbeitern und an Missionsprojekten teilnehmenden Personen sowie von zur unentgeltlichen Verteilung bestimmten Büchern nutzt.
1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist. Ihre Beantwortung muss zu Zweifeln Anlass geben, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28). An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat; wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461).
2. In seiner Entscheidung vom 1. Dezember 2011 C-79/10 ‑‑Systeme Helmholz GmbH‑‑ (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2012, 20) hat der EuGH auf das Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 1. Dezember 2009 VII R 9-10/09 (BFHE 227, 564, BFH/NV 2012, 766) zu der Frage Stellung genommen, ob die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 RL 2003/96/EG normierte Steuerbefreiung für Kraftstoff, der für die Luftfahrt verwendet wird, auch Unternehmen zugutekommt, die eigene Flugzeuge zur Anbahnung von Geschäften und zur Beförderung von Mitarbeitern zu Kunden oder Messen nutzen. Die Regelungen zur Befreiung von Luftfahrtbetriebsstoffen in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96/EG und die Regelungen zur Befreiung von Schiffsbetriebsstoffen in Art. 14 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96/EG sind hinsichtlich der Definition des Begriffs der privaten nichtgewerblichen Luft- bzw. Schifffahrt, die von der obligatorischen Befreiung ausgenommen ist, in ihrem Wortlaut identisch. Den vom Kläger zur Begründung seiner Rechtsauffassung angeführten Unterschieden in der deutschen, englischen und französischen Sprachfassung hat der EuGH keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Vielmehr hat er darauf hingewiesen, dass der Umfang der zu gewährenden Befreiung aufgrund der in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. 2 RL 2003/96/EG festgelegten Definition zu bestimmen ist, nach der eine private nichtgewerbliche Verwendung vorliegt, wenn das Luftfahrzeug für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Beförderung von Passagieren oder Waren oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen oder für behördliche Zwecke genutzt wird. Aus dem Zweck ‑‑insbesondere dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der in der Gemeinschaft ansässigen Luftfahrtunternehmen‑‑ und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift hat der EuGH geschlossen, dass die Befreiung nur Luftfahrtunternehmen zugutekommen soll, deren Geschäftsgegenstand die entgeltliche Erbringung von Beförderungsleistungen ist.
3. Diese rechtlichen Erwägungen lassen sich auf die wortgleiche Regelung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96/EG übertragen. Danach kann die dort angeordnete Befreiung für Schiffsbetriebsstoffe nur solchen Unternehmen gewährt werden, die Schiffe zur entgeltlichen Beförderung von Sachen oder Personen einsetzen. Diese Betrachtung stimmt auch mit der Entscheidung des EuGH vom 1. April 2004 C-389/02 ‑‑Deutsche See-Bestattungs-Genossenschaft‑‑ (Slg. 2004, I-3537) überein, die der EuGH in seinem Urteil in ZfZ 2012, 20 ausdrücklich in Bezug genommen hat. In dieser Rechtssache hat der EuGH geurteilt, dass die Durchführung von Seebestattungen auf hoher See unter Einsatz von Bestattungsschiffen eine entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen darstellt, die nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben steuerlich zu begünstigen ist.
So liegt es im Streitfall jedoch nicht. Nach den Feststellungen des FG erbringt der Kläger keine entgeltlichen Dienstleistungen. Vielmehr dienen die von ihm eingesetzten Schiffe der Beförderung von Mitarbeitern und Büchern, die nicht im Auftrag eines Dritten transportiert werden. Unabhängig davon, ob der Kläger mit seiner Tätigkeit ein gemeinwohldienliches Anliegen verfolgt und als gemeinnützige Organisation anerkannt ist, dient die Nutzung des Schiffes keinem kommerziellen Zweck i.S. des Art. 14 Abs. 1 Buchst. c Unterabs. 2 RL 2003/96/EG, so dass eine Steuerbefreiung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG, mit dem die unionsrechtliche Regelung richtlinienkonform in nationales Recht umgesetzt worden ist, nicht in Betracht kommt. Bei dieser Betrachtung kommt es auf die Beantwortung der Frage nicht an, ob auch eine gemeinnützige Organisation im Rahmen eines Zweckbetriebs mit anderen Marktteilnehmern in Wettbewerb treten und damit einen kommerziellen Zweck verfolgen kann. Daher lassen sich auch aus dem EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-8203 keine für den Streitfall entscheidungserheblichen Erkenntnisse gewinnen, zumal der Rechtsstreit die Frage betraf, ob der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes festgelegte Ausschluss der Steuerbefreiung von beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt.
Die vom FG vorgenommene Auslegung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/96/EG erweist sich danach als richtig. Da die vom Kläger aufgeworfene Frage zweifelsfrei so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, kann die Beschwerde nicht zur Zulassung der Revision führen.